Kapitel 2
Brielle Von Hugel - The one that got away
Sollte man seinen Geburtstag nicht in Freude verbringen? Sollte man nicht ausgelassen sein und lauthals loslachen? Wieso liege ich dann im Krankenhaus? Wieso muss an meinem Geburtstag, der die Jahre davor, dank Can, immer das Paradies waren, die Hölle in mir los sein? Die Betablocker und Beruhigungsmittel lindern die Schmerzen und meine Hysterie, aber aufhören zu weinen kann ich trotzdem nicht. Eine junge, frisch 24-Jährige Frau liegt mit dem sogenannten Broken-Heart-Syndrom im Krankenhaus, obwohl die Mehrzahl der Frauen, die es trifft, schon die Menopause hinter sich haben. Wie stark muss ich wohl noch leiden, wenn ich nur nach weniger als zwei Stunden mit den Symptomen eines Herzinfarktes im Krankenhaus liege? Wieso, Gott? Wieso musste es passieren? Ich kann es nicht glauben. Ich bin jetzt ohne einen Mann, der mich liebt. Er hasst mich. Ich bin nichts in seinen Augen, obwohl ich doch gar nichts getan habe. Ich wollte doch nur etwas klären. Ich wollte doch nur, dass es komplette Stille herrscht, damit Can und ich weniger Streit haben. Ich will so gerne in seinen Armen liegen. Weint Can wohl? Ich weiß es nicht. Sollte ich nicht diejenige sein, die seine Frau wird? Mir läuft eine Träne aus dem Auge und fliegt auf das weiße Laken. Ramazan, Viyan und Saliha schauen mich trauernd an. Ich liebe Can so sehr, dass ich seinen Verlust nur dank Hilfe von Medikamenten für eine bestimmte Zeit nicht stark wahrnehmen kann. "Can, wo bist du nur?", flüstere ich. Langsam lege ich mir die Hand auf die Stirn und schaue voller Sehnsucht zu Tür, in der Hoffnung, dass er vielleicht kommen wird. Vielleicht mit Sorgen in den Augen, vielleicht mit Angst, vielleicht lässt er es mich alles ausführlich erklären. Ich kenne Can so gar nicht. Ich weiß doch, dass er stur und ignorant ist, aber ist es so schlimm? Liegt es an der Schutzmauer, die sich vor seine Augen und sein Herz gelegt hat? Hat er sich sofort abgeschottet? Hat ihn die falsche Tatsache so sehr verletzt, dass er sich sofort versteckt hat? "Wieso nur, Can?" Meine Unterlippe bebt wieder. Das Schmerzen im Herzen spüre ich nicht - noch nicht. Wenn ich wieder in meinen vier Wänden bin, werde ich weinen und schreien. Wieso habe ich es nicht per Telefon mit Aykan geklärt? Wieso konnten wir nicht schreiben? Wieso war ich so dumm und habe impulsiv gehandelt und ihn direkt nach der letzten Vorlesung zur Rede gestellt? Ist es komplett meine Schuld? "Ich schwöre es bei Allah, Can." Ich hebe zitternd meinen Finger an. "Ich habe es nicht getan." Mir steigen die Tränen hoch. "Wenn ich es aus Herzen gewollt habe, dann soll ich auf der Stelle sterben", flüstere ich. "Shana, sag so etwas nicht", kommt es fast weinerlich von Saliha. "Ich bin doch schon tot." Ich schaue an die Decke. Can wird nicht kommen. "Würde Can kommen, wenn er weiß, dass ich hier bin?", frage ich mit leichten Hoffnungen an Ramazan gerichtet, der anfängt zu seufzen. "Ich habe ihm geschrieben und auch angerufen, aber er geht nicht ran." Ich hoffe, er macht nichts Schlimmes. Wie geht es ihm wohl? Ich vermisse ihn jetzt schon. "Komm bitte zurück, Can." Ich strecke voller Verzweiflung meinen Arm zur Tür aus, in der Hoffnung, dass er kommen würde und meine Hand nehmen würde. Wenn ich ihn für eine Stunde ausstrecken würde, nur damit Can kommen würde, würde ich es tun. Ich würde alles tun, nur damit er bei mir ist. Wie ironisch das Ganze doch ist. Ich war einmal das Mädchen, die nichts und niemand stürzen konnte, bis Can sich in mein Herz gesetzt hat. Er hat mir diese Stärke genommen. Ich fühle mich leer. Leer, weil ich mental tot bin. Niemals hätte ich gedacht, dass die Liebe so toxisch sein kann, dass sie so schlimme Seiten besitzt. "Ich wusste, dass etwas Schlimmes passieren würde, aber wieso musste es so etwas schlimmes sein, Allah?", frage ich verzweifelt und schaue an die Decke. "Wieso muss diese Aufgabe so schwer sein, dass mir alle Knochen und Organe gebrochen werden? Wie soll ich das schaffen?", flüstere ich schluchzend. Diese Beruhigungsmittel sind wohl sehr schlecht oder ich habe zu lange Löcher in die Wand gestarrt. Aber vielleicht würde ich ohne das Mittel wieder schreien und mir meine Haare raufen.
Die Tür geht auf, weswegen ich mich voller Hoffnungen aufsetze und enttäuscht feststelle, dass es Ranja ist. Erschrocken lässt sie sich von den anderen aufklären, aber nur das, was sie bis jetzt wissen, während ich stumm Tränen verliere. Ich dachte wirklich, dass er kommen würde. Ich will doch nur seinen Duft riechen können. Es kommt mir so vor, als ob ich ihn vergessen hätte. Ich will ihm durch seine weichen Haare fahren. Ich will meine Hände auf seine kräftige Brust legen und seinen Herzschlag spüren. Denkt er an mich? Wann kommt der Frieden? Ich kann an nichts, als an Can denken. Was muss ich tun, damit er mir verzeiht? Ich gebe gerade meinen Stolz auf. Ich überlege mir, was ich machen könnte, damit wir wieder zusammenkommen, obwohl seine Ignoranz unsere Zukunft zerstört hat. Wie kann seine Schutzmauer nur so stark sein? Er muss total verletzt gewesen sein, wenn er nur stumm zugesehen hat, statt einzugreifen. Ihn muss es wohl vergiftet und aufgefressen haben. Man sagt, dass die Menschen, die vom Sternzeichen her Löwen sind, laut sind, aber wenn sie stark enttäuscht oder verletzt werden, dass sie schweigen. Ihr Schweigen ist der Tod des Gegenübers. Gehört Can auch zu ihnen? Hat Can die Sache so stark getroffen, dass er innerlich so sehr zerstört wurde, dass er nichts machen konnte? Hat er nicht eingegriffen, weil er gerade mit seiner Verlustangst zu kämpfen hatte und sich gefragt hat, was seine Freundin alleine mit diesem Jungen da macht? Ob sie ihn wohl liebt? Ich kann es mir nicht anders erklären, auch wenn ich gedacht hätte, dass Can Aykan zu Tode geprügelt hätte. Er war in diesem Moment zu geschwächt. Ihm wurde mental ins Herz geschlossen. Wieso kann ich das Ganze nicht akzeptieren wollen? Wieso kann ich diesen heutigen Tag nicht akzeptieren? "Shana, was ist passiert?", fragt Ramazan vorsichtig und drückt meine Hand. Wenn ich alleine an die Stunden denke, die zwischen jetzt und des Geschehens liegen, könnte ich vor Verzweiflung weinen. Es sind insgesamt drei Stunden und zweiundvierzig Minuten vergangen, seitdem Can mit mir Schluss gemacht hat und das wegen seiner Ignoranz. "Aykan hat mich geküsst", flüstere ich und höre wie die Mädchen geschockt die Luft einziehen. "Er-, er hat mir nicht zugehört. Can hatte nur vor Augen, wie ich ihn angeblich betrogen hätte, aber ich wollte nur mit Aykan über seine Gefühle mir gegenüber Sprechen. Ich habe Aykan klargemacht, dass ich ihn nicht lieben kann, wegen Can. Ich liebe Can und er muss das einsehen. Dann hat er mich einfach gepackt und geküsst." Ich weiß nicht, was mit der Welt plötzlich los ist, dass alle etwas machen, was ich nicht erwartet hätte. Ich hätte nicht erwartet, dass Aykan mich küsst, ich hätte nicht erwartet, dass Can nicht zuschlägt, ich hätte nicht erwartet, dass seine Schutzmauer gegen seinen Verstand richtet, ich hätte nicht gedacht, dass er Schluss macht und nie in meinem Leben hätte ich gedacht, dass ich wegen diesem Verlust im Krankenhaus lande. "Hat Can gesehen, was passiert ist?", fragt Ramazan, was ich mit einem Nicken bestätige. "Er müsste gesehen haben, wie Aykan mich gepackt hat. Er wollte es aber nicht wahrhaben. Er hat es nicht akzeptiert, dass ich ihm die Wahrheit erzählt habe. Wieso ist Can so ängstlich, was seine Gefühle angeht?", flüstere ich wimmernd. Mein bester Freund fährt sich seufzend über sein Gesicht. "Er hat nicht einmal zugeschlagen. Er war zu verletzt." Ich presse meine Lippen aufeinander. "Er hat das Ganze wegen seiner Verlustangst schnell beendet, nicht wahr?", frage ich heiser. "Was er gesehen hat, hat ihm tief im Inneren verängstigt. Es hat ihn verletzt. Can hat sich bestimmt hintergangen gefühlt und wollte mich schnell loswerden, bevor er komplett durchdreht, habe ich recht?" Ramazan nickt stumm und schließt seine Augen. "Dieser Junge ist total kompliziert. Diese Angst, gepaart mit Stolz tut ihm nicht gut. Wenn er etwas verliert, dann ist er still. Sein Blick zeigt nicht das, was er fühlt. Es zeigt das genaue Gegenteil. Wenn sein Blick kalt ist, dann schmerzt es innerlich." Aber Can hat mir doch immer seine wahren Gefühle gezeigt, wieso dann nicht jetzt? Wieso muss er das tun? Wieso muss er sich verstecken? Er hat nicht das Recht dazu. Er hat mir doch noch vor Stunden gratuliert. Vor Stunden, Tagen und Monaten war alles so wunderbar. Wir hatten Spaß, haben unser Einjähriges mit viel Essen gefeiert, wir haben unsere Herzen und Seelen immer fester aneinandergebunden, bis jemand brutal mit einer Axt zwischen uns gekommen ist und die feinen Bänder unserer Herzen durchschnitten hat. Immer und immer wieder, bis nicht nur die Bänder zerfetzt waren, sondern auch unsere Herzen. Ich könnte nie im Leben einen Mann so sehr lieben, wie Can. Das wäre unmöglich. "Ich werde mit Can reden." Dankend nicke ich Ramazan zu. Ich hoffe so sehr, dass es etwas bringen wird. Vielleicht kommen wir ja wieder zusammen. "Inshallah", flüstere ich. Ich werde jede Nacht beten. Ich werde beten, bevor ich schlafen gehe, in der Hoffnung, dass es wieder gut wird.
Es kommen noch die Restlichen ins Zimmer, außer Can. Wir sind still. Was sollen wir schon machen? Ich liege wegen des Verlustes meiner großen Liebe im Krankenhaus. Ich war, bevor ich eingeliefert wurde, kurz davor durchzudrehen. Ich hätte mir die Haare herausgerissen und geschrien, bis ich verstummt oder vor Erschöpfung in Ohnmacht gefallen wäre. Ich bin schon einmal wegen Can ohnmächtig geworden. Das war meine erste, vasovagale Synkope. Ein Eintreten der Ohnmacht, die unter anderem, durch emotionale Erlebnisse auftreten kann. "Wie geht es dir?", fragt Malik vorsichtig. "Wir wurden uns versprochen, Malik", flüstere ich und schließe leidend meine Augen. "Wir sind einen Schritt weitergekommen, waren bereit, auf den nächsten zuzugehen, bis wir in die Klippe des Leidens gestürzt sind." Meine Stimme ist derzeit monoton. Ich bin kraftlos. Ich will Can bei mir haben. Ich brenne bald wieder innerlich. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Mittel nachlassen und ich nach Hause darf. Ich brauche doch nur ein Zeichen, dass es doch noch Hoffnung gibt, dass es doch noch Wert ist, zu kämpfen. Ob Can noch mehr Tränen verloren hat? Er hat meine Hand weggeschlagen, als ich die Träne wegwischen wollte. Bin ich es nicht mehr wert, dass Can mich urplötzlich fallen lässt? Muss ich jetzt kämpfen? Ist das eine Art Karma, weil ich ihn anfangs verlassen habe, weil ich seine Gefühle nicht erwidern konnte? Wenn es so ist, dann soll das Karma in der Hölle schmoren. Ich will ihn zurück, aber wie soll ich das hinkriegen, wenn er zu stur ist? Wie soll ich seine Mauer zerstören, wenn selbst ein Panzer keine Chance hätte? Was muss ich tun, damit der Frieden zu uns zurückkehrt? Ich hoffe so sehr, dass ich genügend Kraft habe, um alles zu überstehen. Vielleicht bin ich ja sogar so stark, dass ich uns wieder zusammenbringe. Innerlich lache ich auf und das verachtend. Das würde ich niemals hinkriegen. Can würde es nicht zulassen, er würde es nicht wollen, aber wer sagt denn bitte, dass ich nicht so dickköpfig bin und mich ihm immer noch widersetzen werde?
Nachdem alle gegangen sind, versuche ich zu schlafen. Ich muss an ihn denken. An seinen Duft, an seinen warmen Körper, der sich immer an mich geschmiegt hat. Ich muss an seine großen und beschützenden Hände denken, die meine Haut immer so wundervoll liebkost haben. Seine fülligen und Lippen kommen mir in den Sinn, was mich erschaudern lässt. Ich vermisse seine raue und tiefe Stimme, mit der er mir immer so wunderbare Dinge erzählt hat und dabei sind wir seit wenigen Stunden getrennt. Vor allem vermisse ich seine warm leuchtenden, gelben Augen. Die Augen, die mich sofort in einen Bann gezogen haben, als ich in sie geschaut habe. Die faszinierenden Augen, in denen die kleinen, grauen Sprenkel wie Sterne leuchten. Die Augen, die mir ein Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit und Liebe gegeben haben. Seine Augen gehen mir nicht aus dem Kopf. Ich kann einfach nicht schlafen und würde eigentlich weinen, wenn ich keine Mittel in meinem Körper hätte. Wieso ist Can bloß weggelaufen? Wie kann man nur so ängstlich und stur sein? Warum, Can, warum? Ich sehne mich doch nur nach dir und nach niemand anderem. Niemand könnte meine Liebe zu dir schwächen, außer du selbst. Du hast sie nicht nur geschwächt, sondern zerstört. Wie soll ich das bloß nur überleben? Ich wünsche mir so sehr, dass Can mich anrufen würde. Ich würde mich sogar damit zufriedengeben, wenn wir nicht reden würden, sondern einfach nur am Hörer sind, egal ob nichts zu hören ist. Ich wäre mit allem zufrieden, wenn du dabei bist. Can, komm doch bitte zu mir und wiege mich in deinen starken Armen hin und her. Ich wollte doch deine linke Hand sein, aber wie soll das gehen, wenn du mich abgestoßen hast, für etwas, wofür ich nichts konnte? Wieso siehst du mich jetzt so falsch, wenn du noch Stunden davor gedacht hast, wie es wäre, wenn wir verheiratet wären? Was ist mit dem Versprechen? Hat er seine Eltern angerufen, um Bescheid zu geben, dass wir doch keine Zukunft haben werden und dass das Heiraten gar nicht in Frage kommt? Ich hoffe so sehr, dass er es nicht getan hat. Langsam werde ich müde, was mich etwas freut. Ich brauche Schlaf, ich brauche Kraft und schließe meine Augen.
Sofort reiße ich sie wieder auf, als jemand langsam die Tür öffnet. Sein Duft füllt sofort den ganzen Raum. Mein Herz pocht vor Angst und Freude. Ich versteife mich sofort und versuche zu hören, was Can machen wird. Ich schließe meine Augen und schaue durch den winzigen Spalt durch, was er wohl machen könnte. Es ist stockdunkel und nach Mitternacht, wie kommt er hier rein? Das darf er doch eigentlich nicht. Ich würde mich so gerne umdrehen, ihn packen und umarmen, aber er würde zurückschrecken. Das ist der Grund, warum ich mit dem Rücken zu Can gedreht bin. Can nimmt sich einen Stuhl und setzt sich hinter mich. Ich habe solche Angst und zugleich eine so starke Sehnsucht zu ihm, dass ich das Gefühl habe, dass ich gleich zu ihm fliegen könnte. Mein Herz will sich gar nicht beruhigen. Lassen die Beruhigungsmittel nach? Ich spüre, wie Can kurz meine Decke und einen witzigen Teil meines Rücken streift, sich aber sofort zurückzieht. So kurz die Berührung auch war, sie war wunderbar und sorgt für eine starke Gänsehaut an meinem ganzen Körper. Ich würde so gerne die Zeit zurückspulen und den Moment pausieren wollen, als Can meinen Rücken gestreift hat. Welche Hand hat er wohl benutzt? Wie sieht er gerade aus? Was hat er an? Sind seine Augen rot, weil er vielleicht geweint hat? Wieso ist er hier? So sehr ich ihn all das und noch viel mehr fragen will, tue ich es nicht, aus Angst, dass er weggehen würde. Ich höre sein Seufzen, was sich wie Musik in meinen Ohren anhört und meine Lymphknoten kribbeln lässt. Er steht auf und geht langsam raus, was mich traurig macht. Der Moment war trotzdem wunderschön. "Komm bitte zurück, Can", flüstere ich und ziehe verzweifelt meine Augenbrauen zusammen. "Es war gerade doch so wunderbar schön." Leider Gottes hört er mich nicht. Er kommt nicht zurück, weswegen ich langsam und traurig in einen Schlaf falle.
Als ich am nächsten Tag aufwache, liegt eine schwarze Rose auf meinem Nachttisch.
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Ich will unbedingt Buchrezisionen von der Cana-Reihe lesen, auch wenn ich sie womöglich nicht ernst nehmen kann, weil wegen unlogischen Dingen und Fehlern, die ich gelesen habe. Und natürlich, weil ich ja so kritikintolerant bin. Falls jemand eine schreibt, soll er mich markieren, weil wegen Neugierde.
- Helo
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