Kapitel 14
Imagine Dragons - Radioactive
Ich schnappe erschrocken nach Luft und greife mit beiden Händen nach der Hand, die mich in ein anderes Zimmer bringt. "Was zum?", keuche ich und drehe mich kurz zur Seite, wo ich Can erkenne, der mich mit voller Wucht ins Zimmer schubst, sodass ich auf den Boden falle. Meine Knie schmerzen und in mir brodelt Wut und Angst. "Was ist dein verficktes Problem?", schreie ich und atme hektisch. Sein Blick ist undurchdringlich. Lange bleibe ich nicht auf den Knien, auch wenn es wehtut, wenn ich aufstehe. "Bei einem Dreier die Jungfräulichkeit verloren?", zischt er und kommt auf mich zu, was ich ebenfalls tue. Sofort bleibt er stehen. Es kann jetzt gut möglich sein, dass er in einem Zwiespalt ist, was das Anfassen betrifft. Seine Wut kann jetzt seine Schmerzen und Ängste verblenden, sodass ich ihn anfassen kann. Meine Augenlider kneife ich zusammen. "Was für ein Dreier? Wollen wir von dir reden, du Ehrenloser?", rufe ich aufgebracht. In mir bebt und schmerzt es zu gleich. Wieso denkt er so falsch von mir? "Du stehst nicht im Recht, Can. Du hast vor meinen Augen mit anderen rumgemacht-," "Genau sowie du mit Aykan!" "Ich habe ihn nicht geküsst! Was blockiert dein gottverdammtes Gehirn?!", schreie ich und gehe auf ihn zu. "Was hast du da gemacht?", faucht er und hält meine Handgelenke fest, damit ich ihn nicht berühren kann. "Das. Juckt. Dich. Nicht!" Ich versuche meine Arme zu befreien, was nicht bringt. Cans Griff wird fester, was mich schlucken lässt. "Antworte! Hast du dich entjungfern lassen?", knurrt er, was mich aufschreien lässt. "Bist du komplett gestört?" Seine Augen verdunkeln sich beim Wort und sein Griff wird schmerzhaft. "C-can, au." Ich wimmere kurz und versuche seine Hände zu entfernen.
"Was hat es dir gebracht, mit zwei Frauen rumzumachen?" Ich drücke schnell meine Hände gegen seinen Oberkörper, weswegen er sofort zurückweicht und meine Handgelenke loslässt, die schon ganz rot sind. Geschockt fahre ich über meine Haut und sehe ihn entsetzt an. "Du hast es nicht anders verdient." Mein Blick wird fassungslos. "Ich habe es nicht anders verdient?", flüstere ich und zeige auf mich. Can nickt. "Ich habe es nicht anders verdient?", frage ich wieder und laufe einen Schritt auf ihn zu, bevor ich den Schlüssel, der auf dem Bett lag, nach Can werfe und ihn an der Brust treffe. Sein Blick verfinstert sich. "Du gottverdammtes Stück Scheiße hast mich nicht verdient! Ich versuche uns zusammenzubringen, akzeptiere deine Ängste und du leckst mit wildfremden Frauen herum?" "Wer hat sich von gleich zwei Männern ficken lassen?!", brüllt Can und nähert sich mich rasend schnell. "Ich habe mich nicht ficken lassen, du Kranker!" Er packt mich an meinem Kiefer und sieht mir finster in die Augen. So gefährlich die Situation auch ist, ich genieße seine Berührungen in irgendeiner Art und Weise. Vermutlich, weil ich ihn solange nicht berühren konnte. "Sei still!" Ihn stört das Wort. Er verabscheut sich damit selber irgendwie. "Nein, du bist eigentlich an diesem Schlamassel schuld. Du und deine Ignoranz. Hättest du mir zugehört und mich ausreden lassen, anstatt dich sofort zu verschließen. Wie kannst du Aykan mehr glauben, als deiner eigenen Verlobten? Wie krank bist du?" Er schubst mich am Kiefer zurück und atmet schneller. So verletzt wie ich bin, muss ich mich etwas schützen. Mein Stolz kriecht irgendwie hoch.
"Was hast du im Zimmer mit denen gemacht?", knurrt er leise. Er denkt allen Ernstes, dass ich mich von zwei Schwulen hab entjungfern lassen. Ich lache fassungslos auf. "Wenn du es schon weißt, wieso fragst du dann?", frage ich voller Sarkasmus, was für einen Kurzschluss bei Can sorgt. Er schmeißt alles vom kleinen Tisch und boxt mit voller Wucht gegen die Wand, bei der ich erleichtert bin, dass sie keinen Schaden angenommen hat. "DU HAST DICH FICKEN LASSEN?!", brüllt er und zittert schon vor Wut. Seine Augen sind total dunkel und seine Pupillen so klein, wie noch nie. Er atmet total schnell und kommt mir total breit vor. Can macht mir jetzt Angst. Langsam gehe ich zurück, was er bemerkt. "Du wirst nicht ungeschoren davonkommen", knurrt er und kommt auf mich zu, was mein Herz pochen lässt. Er packt mich am Nacken und dass sehr feste, was mich aufschreien lässt. "Ich bringe dich um!" "Can, hör auf!", schreie ich. Wieso hört uns niemand? Wo sind Ramazan und Malik? "Du lässt dich von anderen ficken, huh? Du kleine..." Ich schließe meine Augen, weil ich das Wort nicht hören will. Es würde mehr wehtun, als sein Griff. Ich fasse seinen Oberarm und seine Brust an, woraufhin er sich löst. Meine Augen füllen sich langsam mit Tränen. "Ich kann dich einfach nicht beleidigen!", ruft er aufgebracht und rauft sich die Haare. Seine Augen sind aufgerissen. "Du hast dich entjungfern lassen, Gott!" Wieder kommt er auf mich zu, weswegen ich nach hinten schreite. Can greift nach meinen Handgelenken. "Lass los, Can!", rufe ich panisch und bewege mich wild, um irgendwie aus seinem Griff rauszukommen. "Du wirst nicht mehr lebendig sein", knurrt er, was mir kalt den Rücken runterläuft. "Willst du mich töten?", flüstere ich, weil ich sofort wieder an den Waffenschein denken muss. Ich könnte Can wegen seiner psychischen Labilität alles zutrauen.
Seine Hände umschließen meine Handgelenke sehr stark, weswegen ich vor Schmerzen zische und versuche mich zu befreien. "Can, hör auf mir wehzutun." Sonst hat er immer aufgehört, aber er macht weiter. Wieso macht er das bloß? Die Schmerzen nehmen immer mehr zu, weswegen ich aufschreie und meinen linken Arm hochhalte, damit Cans Arm zu zittern beginnt und er loslässt. Verdammt, die sind sogar leicht lila. Ich muss hier weg. Diese Aktion hat Can wohl noch aggressiver gemacht. Schnell will ich zu Tür, als mich Can an den Haaren packt und mich zu Boden schmeißt. Ich schreie auf, weil ich total panisch bin und diesmal der Aufprall viel schmerzhafter ist. "Lass mich gehen, Can!", weine ich und halte mir die Ohren zu. "Was macht du da?", brüllt plötzlich Ramazan, der vollkommen wütend Can gegen die Wand schubst und dann sogar zu Boden schmeißt. Ich kriege es nur halbwegs mit, weil mir die Tränen die Sicht verdecken und meine Schmerzen stärker sind. Ich will nach Hause, ich will nach Hause und nie wieder hier hinkommen. Dieser Urlaub ist der Horror. "Shana, kannst du aufstehen?", fragt Malik mich vorsichtig und schaut sich schockiert meine Handgelenke an. Ich weine stärker, weil ich mich so sehr schäme und will am liebsten sterben. Can hätte mich geschlagen. Er war kurz davor es zu tun. Er hat mir wehgetan und ihm war es bewusst. Langsam hilft mir Malik auf, woraufhin ich wieder auf die Knie falle. Ich bin zu schwach. Mein Herz schmerzt wieder stark und ich habe Angst, dass ich wieder diesen vernichtenden Schmerz verspüre. Malik hebt mich vom Boden auf und trägt mich aus dem Zimmer, während ich mich weiter ausweine.
"Gott, was ist passiert?", fragt Saliha, die mit den anderen Mädchen in meinem und Meryems Zimmer sind. Malik legt mich aufs Bett. Ich bekomme schwer Luft und hasse mich dafür, dass ich mich verliebt habe. Was ist nur aus mir geworden? Ich wurde fast geschlagen. Can hätte sicher zugeschlagen, auch wenn mir ein kleiner Teil zuflüstert, dass er es nicht tun würde. Mein ganzer Körper schmerzt. Sowohl innerlich, als auch von außen. Mein linkes Knie blutet sogar leicht. Morgen werden beide Knie lila sein. "Shana, hier", sagt Saliha besorgt und setzt sich zu mir, als sie mir das Wasser reicht. Zitternd trinke ich und weine dabei weiter. Kurz halte ich mir meine Brust, weil mein Herz so stark schmerzt. Wieso muss Can mir das bloß antun? "Ich will weg, ich will nach Hause. Ich kann nicht mehr!", rufe ich hysterisch. Diese ganzen Schmerzen werden mir zu viel. Sie töten mich Stück für Stück. Meine Luft fehlt mir, obwohl sie überall ist. Wie lange soll ich diese Hölle noch mitmachen? Auch, wenn mein Kämpfen bis jetzt nicht gerade lange her ist, ist es für mich so schwer, Can nahe zu kommen, wenn er mich abstößt, mit anderen vor meinen Augen rummacht und mir wehtut... egal ob psychisch oder physisch. Er ist das Gift, das ich freiwillig zu mir nehme, auch, wenn mir bewusst ist, wie schmerzhaft die Nebenwirkungen sind. Can vernichtet mich jedes Mal und das von Mal zu Mal stärker. Er wird von Minute zu Minute grausamer und herzloser. Ich kralle mich an der kalten Wasserflasche fest und versuche nicht weiter zu weinen, was unmöglich ist. Das kann alles doch nicht wahr sein. Vielleicht liege ich noch im Krankenhaus und wache einfach nicht aus diesem grausamen Albtraum auf. Ein Albtraum mit tausenden von Feuern, Messern und Scherben. "Das ist alles eine Lüge, das ist alle eine Lüge, das ist alles-," Wieder fange ich an zu weinen und palmiere meine Hände vor meinem Gesicht.
Wann kommt das Wasser, das diesen giftigen, schon gar radioaktiven Brand in meinem Herzen löscht? Wie lange muss ich warten? Ich will doch nur unser Uns zurück, auch wenn ich gebrochen und zerstört bin. Ich fühle mich wie tot, auch wenn ich die ganzen Schmerzen spüre. Wieso habe ich das Los zum Pech gezogen? Was habe ich getan, dass man mich so brutal bestraft? "Gott, deine Knie. Ich hole nasse Tücher", sagt Ranja. Ich senke den Blick. Ich bin mit einem brutalen Mann zusammen gewesen und schäme mich für diese dunkele Seite von ihm. Mir werden Tücher mit kalten Wasser auf die Knie gelegt, die das Brennen in der Brust aber nicht löschen können. Würden mir jetzt Medikamente wieder helfen? Ich würde Morphium nehmen wollen. Ich will nicht weinen. Kein weinen, kein weinen, kein weinen. Leider kann ich mich nicht an diese neue Regel halten und weine wieder. Mir wird schwindelig und ich kriege Kopfschmerzen. Interessiert sich Can überhaupt noch für mich? Bereut er es, dass er mich brutal herumgeschleudert hat? Was passiert die Tage? Es dauert nicht mehr lange, bis wir wieder in Deutschland sind. "Ich gehe kurz in unser Zimmer, okay?", höre ich Malik sagen. Ich fühle mich so unwohl, weil alle von diesem dunklen Geheimnis wissen. Ich schäme mich so sehr dafür, was mir in meiner Lage nicht wirklich weiterhilft. Diese Schmerzen bohren sich immer tiefer und tiefer in mich hinein. Sie greifen meine Koronararterien an und vielleicht sterbe ich ja an einem gebrochenen Herzen. Schluchzend lege ich mich zurück, lege die Flasche auf den Nachttisch und sehe, wie Ramazan aufgebracht ins Zimmer kommt. "Geht alle mal raus." Ich werde von den Mädchen angeschaut und nicke. "Du kannst ruhig bleiben, wenn es dich stört", flüstere ich Meryem zu. "Nein, ich lasse euch alleine." Sie lächelt leidend und drückt meine Hand
Langsam verlassen alle das Zimmer, woraufhin Ramazan die Tür schließt und zu mir kommt. "Shana", seufzt er zerknirscht. Mit neu aufsteigenden Tränen, öffne ich meine Arme, weil ich ihn umarmen will und fange wieder an zu weinen, als er mich feste drückt. "Es war so schlimm", weine ich und drücke noch fester zu. Ich drücke so fest zu, in der Hoffnung, dass ich die Schmerzen damit zerquetschen kann. "Was hat er dir angetan?", fragt Ramazan, der sich langsam von mir löst und sich meine Knie anschaut. "Malik meinte, dass deine Handgelenke total rot waren." Ich nicke und sehe, dass die Rötungen schon wieder verschwunden sind. Trotzdem spüre ich seine Hände an ihnen. "Hat er irgendetwas gesagt?", will ich zitternd wissen und nehme mir die Flasche vom Nachttisch. "Er war total wütend, Shana. Er meinte irgendetwas von Entjungferung." Ich schließe gequält die Augen. "Hier gibt es ein schwules Paar. Sie kommen ebenfalls aus Hamburg und kennen Can und mich. Wir haben davor schon miteinander geredet und uns angefreundet und als Can heute mich zwei Mädchen vor meinen Augen als Rache rumgemacht hat, bin ich aufgestanden und da waren sie. Ich war schon am Weinen, dann haben sie mich zu sich aufs Zimmer genommen und aufgemuntert. Can dachte, dass ich mit ihnen geschlafen habe", erzähle ich und senke den Blick. "Can hat was getan?", ruft er aufgebracht. Wieder werde ich in den Arm genommen und denke mir - so widersprüchlich es auch ist -, dass es Can wäre, der mich mit seinen starken Armen schützt und wärmt. Ich muss die Tage bis Sonntag durchkauen. Ich muss es irgendwie überleben. Nur noch vier Tage, dann bin ich in meinen vier Wänden und das geschützt vor seinen Händen.
"Was habt ihr gerade getan?", frage ich schniefend und massiere meine Schläfe, weil ich Kopfschmerzen habe. "Wir hätten uns fast geschlagen. Wir haben echt stark diskutiert, weil er total ausgerastet ist." Wieso habe ich das nicht gehört? Sind die Wände Schallisoliert? "Was wird morgen passieren?", frage ich Ramazan, welcher anfängt zu seufzen. "Das weiß ich nicht. Wenn du willst, bringe ich dich an den Strand. Da wolltest du doch hin, nicht wahr?" Ich nicke und verliere wieder Tränen, weil mich diese Geste so stark an Can erinnert. Aber Can wird das nie wieder machen. Das versetzt mir einen Stich. Wir verweilen lange in dieser Position, bis mir langsam die Augenlider zu schwer werden. "Ich lege mich schlafen, Ramazan." Er drückt noch einmal feste zu und verlässt dann das Zimmer mit einem Blick, der mir sagen soll, dass hoffentlich alles wieder gut werden soll. "Hoffentlich", flüstere ich. Ich schnüre meine Converse auf und lege mich langsam unter die Decke. Mein Körper fühlt sich so schwer an. So schwer und verletzt. Für was hält Can mich? Er kann mich nicht beleidigen, aber mich angreifen, obwohl ihn meine Berührungen brennen oder sonstiges lassen? Ich lege mir die Decke über den Kopf und weine stumm. Ich kann nicht aufhören. Dieser Tag hat mich zu sehr misshandelt. Es tut überall weh und ich kann nicht dagegen tun.
Die Hölle ist in mir und ich weiß nicht, wie lange ich noch in dieser Hölle kämpfen kann.
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