Kapitel 102
Lewis Capaldi - Bruises
Dienstag, 5. Mai
Ich bin immer noch nicht zum Arzt gegangen. Aber ich konnte mich selber kurieren, indem ich die Tage immer ein Bad genommen habe, bewusst langsam geatmet habe und den Mord immer weiter als Vergangenheit ansehe. Natürlich werde ich es nie vergessen, aber ich will mir nicht selber weiter schaden. Die Scheidungspapiere habe ich gestern abgefangen, sowie Can damals den Brief mit Soufian abgefangen hat. Ich rede auf jeden Fall mehr als die Tage davor. Vielleicht liegt es daran, dass die Uni mich ablenkt. Ich muss die ganze Zeit an den Tumor denken und daran, dass Can jederzeit erwischt werden kann. Aber ihn interessiert das nicht. Er läuft ganz entspannt mit seinem Tablett auf mich zu und lässt sich vor mir nieder. "Iss, du hast die Tage so wenig gegessen." Ich knabbere am Salat. Ich bin immer noch antriebslos, aber besser als die Tage zuvor. "Soll ich dir etwas Richtiges holen?" Ich schnalze mit der Zunge. Can mustert mich genau, zieht prüfend die Augenbrauen zusammen. "Du hängst immer noch an Freitag?" Ich beantworte es mit einem Schulterzucken. Ich weiß immer noch nichts. "Lass dir diesen Tumor entfernen", flüstere ich. "Shana, du weißt, dass ich das nicht kann." "Du kannst es. Hör auf, dich so dumm zu stellen", fauche ich. Es regt mich so auf, dass er sein Leben aufs Spiel setzt. "Du wirst es bereuen, Can." Mehr sage ich auch nicht mehr. Ich warte nur darauf, dass dieses Seminar endet, damit ich ihm die Scheidungspapiere vorlegen kann. Ich weiß ganz genau, dass er verrückt wird. Ich weiß gar nicht, wie ich das machen soll. Soll ich es einfach vor ihm hinlegen? Ich weiß es nicht. Cans Kiefer zuckt. Er senkt seinen Blick. Ich trinke mein Mineralwasser. Ich trinke mehr, als ich esse. Ich habe einfach keine Lust. Ich habe aber wenigstens einen Teil meiner Gefühle zurück. Ich bin neugierig auf das, was heute passieren wird.
Das Seminar ist endlich vorbei. Can hat geschwiegen. Vielleicht spürt er ja, dass etwas auf ihn zukommt. Manchmal besitzt man dieses unerklärliche Gefühl einfach - ich kenne es ja schon ziemlich gut. Ich weiß gar nicht, wie ich mich dabei fühle. Irgendwie bin ich aufgeregt, aber gleichzeitig fühle ich nichts. Ach, was passieren wird, liegt noch ein kleines wenig in der Zukunft. Wann war ich das letzte Mal apathisch? Das weiß ich nicht. Vielleicht in der Trennungsphase von Can und mir. Was soll ich heute kochen? Ich habe gar keine Lust zu kochen und irgendwie auch sehr wenig Appetit. Ich mag diese Stille zwischen Can und mir eigentlich selten - diese bedrückte Stille -, doch jetzt ist es mir egal. Es ist für mich gerade sogar besser, als, wenn wir reden würden. Was würde eigentlich passieren, wenn Can jetzt durch den Tumor nicht richtig sehen könnte? Könnte er sich trotzdem beherrschen und rechts ranfahren oder würde er in Panik geraten? Sorgen mache ich mir keine drum. Ich schaue den ganzen Weg nach Hause aus dem Fenster und beobachte die vorbeifahrenden Dinge, weil ich gerade nicht so ganz in der Lage bin, um Gedanken zu fassen. Wir laufen gemeinsam hoch. Heute herrscht schon schönes Wetter, aber die Sonne macht mich nicht glücklich. Gleich ist es soweit, gleich werde ich die Scheidung ansprechen. Jetzt schlägt mein Herz doch deutlich schneller - oder es liegt am Treppensteigen. Er lässt mir den Vortritt. Ich streife mir die Schuhe ab und hole die Papiere, setze mich mit ihnen im Wohnzimmer hin. Oben in der Mitte steht Scheidungsauftrag in fettgedruckten Buchstaben auf dem ersten Zettel und dann kommen viele Spalten, die man ausfüllen muss. Scheidung. So etwas zu tun, würde niemals für mich in Frage kommen. Es bereitet mir schon ein schlechtes Gefühl, daran zu denken. Ich will Can damit einfach nur eine Lektion erteilen. Ob ich das hinkriege, ist eine noch offene Frage. Ich starre das Wort solange an, bis Can aus dem Bad tritt.
Ich schaue zu ihm auf, die Ellenbogen auf den Knien abgestützt, das Kinn auf den Händen drückend. Seine Augen wandern zu den Papieren. "Ich will nicht mehr", flüstere ich. Als wurde Can vom Blitz getroffen, weicht er zurück. Es ist faszinierend, wie schnell sich seine Atmung beschleunigt. "Nein." Can schüttelt den Kopf. "Nein!" Hysterisch lacht er auf. "Das geht so nicht mehr weiter, Can." Ich hoffe, ich habe trotz des Flüsterns deutlich gesprochen. "Oh nein, nein, nein." Can läuft panisch hin und her, schaut mich ängstlich an, schüttelt wild den Kopf. Mir wird jetzt schon mulmig. "Shana, nein, das kannst du doch nicht tun!", ruft er. Sein linker Arm zittert. Can rauft sich sein Haar. Es tut mir so verdammt weh, Can so zu sehen. So hilflos und verzweifelt. "Nein, das unterschreibe ich nicht!" Er will sich die Papiere nehmen, doch ich ziehe sie schnell hinter meinen Rücken. Can kommt mir nicht zu nahe. Er wirkt blass im Gesicht, seine Augen wirken glasig. Er tut mir so verdammt leid. "Shana, nein, wieso tust du das? Ich habe dich doch nur beschützt!" Ich weiß, Can. Ich atme tief durch. "Du hörst nie auf mich. Ich habe keine Lust auf deine leeren Versprechen." Can atmet fassungslos ein. "Aber es ist doch vorbei! Shana, es gibt nichts mehr, was ich machen will, Shana. Shana, ich flehe dich an, mach das nicht!" Er hält sich schreiend seinen Kopf. Ich kneife mir in meine Schenkel, um ruhig sitzenzubleiben. Das ist für mich selber eine Tortur. Ich blinzele mir Tränen weg. Es tut so weh. "Du hast doch bei Aleyna auch nicht direkt zur Scheidung gegriffen!", ruft Can wütend. Nun ziehe ich die Augenbrauen zusammen. "Du kannst diese Situation nicht damit vergleichen, Can!" Meine Stimme bricht am Ende. "Wieso nicht? Was unterscheidet sich denn? Weißt du nicht mehr, wie wütend du warst? Wie lange du fort von mir warst?" "Can, sei still. Ich kann das nicht mehr!" Ich muss husten, weil meine Stimme so trocken ist. Ich will nicht mehr dagegen ankämpfen. Ich kann und will nicht mehr.
"Du weißt nicht, wie viel ich immer aufnehmen muss, wie viel Geduld ich mit dir und deiner Sturheit habe. Ich bin immer bei dir geblieben. Du hast mich angegriffen, ohne Grund angeschrien und ich war da. Wieso war ich da? Weil ich noch die Kraft hatte, Can. Ich kann das nicht mehr." Ich schaue zur Seite. Mir steigen mehr Tränen auf, mein Nacken schmerzt leicht vom Druck. "Can, ich bin kaputt und müde. Ich kann nicht einmal mehr richtig sprechen", flüstere ich. In all den Jahren wurde ich noch nie heiser, obwohl ich immer geschrien habe, aber diese Belastung hat mich überall angegriffen. Mir tut es doch selber weh, diese kommende Scheidung zu simulieren. "Shana, nein, bitte!" Can schaut mich fassungslos an. "Can, du kannst dich nicht ändern", flüstere ich, beiße mir aber sofort auf die Lippe. Das stimmt nicht. Can hat sich geändert, aber auf einer Seite nur. "Shana, das kannst du nicht ernst meinen. Shana, ich flehe dich an!" Can fällt vor mir auf die Knie. Dieses Bild lässt mich innerlich brennen. "Shana, es ist doch endlich vorbei. Ich werde nichts mehr machen. Ich kann doch manchmal selber nicht gegen mich ankämpfen, Shana." Ich muss mich so anstrengen, nicht zu weinen. Das ist so schlimm. Es tut mir so weh. Ich würde am liebsten aufhören und ihn in den Arm nehmen, aber er soll es dieses Mal endlich verstehen. "Shana, ich kann nicht ohne dich. Ich werde verrückt. Ich bin jetzt schön verrückt, Shana. Nein, tu mir alles an, nur nicht das." Wieder rauft er sich sein Haar, schaut hilfesuchend umher. Seine Augen zeigen so viel Reue, so viel Angst und Schmerz. Ich kann den Blick nicht halten, ich muss wegschauen. Ich brenne innerlich. Das ist eine so große Sünde für mich, aber ich will doch nur etwas Gutes.
Can schiebt den Tisch zur Seite, kriecht schon fast zu mir und legt seine Hände auf meine Knie. Seine Augen leuchten durch die Tränen, die langsam aus den Augenwinkeln raustreten. Mein Can weint vor mir und ich lasse es zu. Mir fällt es wieder so schwer zu atmen. Das ist pures Gift. Seine Tränen sind pures Gift für meine Seele. "Shana, ich flehe dich an! Bitte tu das nicht. Shana, bitte keine Scheidung. Ich brauche dich, ich würde ohne dich nur fallen. Shana, wir haben doch so viel vor." Verzweifelt legt er meine Hände auf seine Wangen. Meine Seele zieht sich zusammen, will Freiheit. Oh Can, ich könnte dich niemals in diesem Zustand lassen. Ich könnte dich nicht verlassen, weil ich doch selber zu Unfähig dafür wäre. "Schlag mich, sag von mir aus, dass du mich hasst, schmeiß mich für eine lange Zeit raus hier, fass meine Narbe an, aber trenn dich nicht von mir." Voller Schmerzen senkt er den Blick, legt seine Stirn auf meine Knie und weint. Meine Lippen beben, aber ich kann still bleiben. Ich kann stumm weinen. Ich habe Can lange nicht mehr weinen sehen. Wenn er weint, dann bleibt für mich die Welt stehen. Ich würde mein Blut opfern, nur um Cans Weinen zu stoppen. Durch das Weinen verzieht sich meine Mimik. Es ist so unbeschreiblich schlimm. Es ist so unbeschreiblich schmerzvoll und belastend. Seine weinerliche Stimme schnürt meine Kehle zu. Wein nicht mehr! Ich würde ihn so gerne umarmen, aber ich bleibe noch standhaft. Ich lege nur meine Hand auf seinen Kopf. Meine Mutter meinte einmal, dass, wenn man jemand weinendes über den Kopf fährt, dass man viel Preisung von Gott dafür bekommt. Es ist eine gute Tat, wenn man jemanden tröstet. Vielleicht kriegen wir ja einen Segen irgendwann.
"Shana, bitte", flüstert er brüchig. Sag bitte nichts mehr, Can. Ich kann deine gebrochene Stimme nicht ertragen. Ich sterbe dadurch tausend Tode. Schniefend wische ich mir die Tränen weg. Mein Nacken tut von diesem Druck weh. Mein Brustkorb fühlt sich eingeengt an. Ich fühle mich so schlecht dabei. Ich kann es beenden, tue es aber nicht. "Shana, ich flehe dich an. Es ist vorbei." Can hebt seinen Blick. Seine Augen sind gerötet, immer noch treten Tränen aus seinen so schönen, aber verängstigen Augen hervor. "Ich gehe freiwillig zur Polizei, ich lasse mir den Tumor entfernen! Lass dich aber bitte nicht auf diese Scheidung ein." Can küsst meine Hände, sucht nach Bestätigung in meinen Augen, aber er kriegt keine. Er keucht fassungslos, hält sich schreiend den Kopf. Mich überkommt einfach dieser Impuls, seinen Kopf gegen meine Brust zu drücken. Ich sollte es nicht machen, aber das war eine automatische Reaktion. Ich habe nicht genügend Ausdauer, um ihn diesen Schmerz anzutun. "Shana, ich werde den Tumor entfernen lassen. Bitte, bitte, Shana." Er schreit so flehend und verzweifelt. Ich weine schon wieder, weil ich nichts machen kann. Langsam öffnet sich mein Mund. "Ich kann nicht mehr", wimmere ich. Can entzieht sich aus meinen Armen. Seine hektische Atmung und seine geweiteten Augen lassen es mir schwerfallen, zu atmen. "Nein", murmelt er wehmütig. "NEIN!" Er rappelt sich langsam auf, greift seine Autoschlüssel und flüchtet in den Flur. "Can", kommt es brüchig von mir. Wohin will er nun? Zitternd erhebe ich mich. Er bindet sich überfordert die Schnürsenkel zu. Dieses Bild ist so schlimm. Er ist wieder dieser kleine, verängstigte Junge. "Can, bitte mach nichts Falsches", flehe ich nun. "Malik, Ramazan", murmelt er schniefend, schaut mich ein letztes Mal flehend und reuevoll an. Dann verlässt er die Wohnung.
Mein Kopf dröhnt. Ich raufe mir die Haare. War es richtig? Habe ich alles richtig gemacht? Ich habe Can verängstigt, das wollte ich doch. Ich habe seine größte Angst gegen ihn verwendet. Das ist doch unmoralisch. Aber es ist für einen guten Grund. Ich schüttele ahnungslos den Kopf, schaue schulterzuckend an die Decke. Ich bin doch jetzt niemand Schlechtes. Ich habe doch nur gute Absichten. Langsam schleife ich mich zurück ins Wohnzimmer, nehme mir die Papiere zur Hand. Er will sich stellen, aber will ich das? Can würde aber sicherlich in die Anstalt kommen, da er seinen Tumor als Alibi hat. Ich würde es auch als Alibi nehmen. Can hat es schon clever angestellt, aber er weiß nicht, ob alles so klappen wird, wie er es geplant hat. Ich schreibe Malik und Ramazan an. Sie arbeiten doch, wo will Can hin? Das beunruhigt mich. Er hatte gerade Kopfschmerzen. Wenn die emotionale Belastung zu hoch für ihn wurde, dann hat er immer durch den Tumor Schmerzen bekommen. Bitte Gott, lass Can nichts Falsches machen. Ich schreibe beide an. Was ist, wenn die Polizei Can jetzt irgendwie erwischt? Oder will er sich stellen? Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich will nicht, dass er sich stellt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er wirklich nichts Falsches machen wird. Vielleicht will er sich nur irgendwie alleine beruhigen. Ich bete, dass ihm nichts passiert. Mein Kopf tut wieder so weh. Es war ihm eine Lektion. Can war noch nie so außer Fassung bei meiner Wut oder wegen meiner Konsequenzen. Can wird sich die Tage vorsichtig an mich herantasten. Er meinte, dass er nichts mehr tun wird. Das könnte womöglich stimmen. Was will er denn noch machen? Mir fällt wirklich nichts ein. Aber mir wäre auch niemals eingefallen, dass Can töten würde. Ich nehme mir mein Handy zur Hand.
'Wo willst du hin?', frage ich Can.
Ich schiebe den Tisch zurück an den richtigen Platz. Seufzend fahre ich mir über mein Gesicht. Diesen Schritt will ich niemals wirklich gehen. Wenn ich jetzt schon so leiden musste, würde ich sicherlich wieder im Krankenhaus landen. Diese Liebe macht so verrückt. Diese Liebe macht so abhängig. Ich will jetzt wieder in seinen beschützenden und warmen Armen versinken. Ich will jetzt wieder in seine schönen Augen gucken und ihn beruhigen, vielleicht auch zum Lächeln bringen. Ich sehne mich wieder nach ihm, aber dieses Alleinsein tut mir jetzt womöglich gut. Ich fühle mich irgendwie vom Schicksal eingesperrt, weil mir nichts einfällt. Ich will über etwas nachdenken, aber es geht nicht. Ich will etwas machen, aber ich fühle mich nicht in der Lage dazu. Wird Can zurückkommen? Er muss doch zur Uni. Sitzt er einfach nur im Auto oder ist er irgendwo hingefahren? Wie weit ist wohl die Kommission? Was haben sie alles erfahren können? Ich hoffe nichts. Sein Flehen kommt mir wieder in den Sinn. Seine Angst war herzergreifend. Die Lektion fürs Leben hat er sicherlich bekommen. Ist Soufian jetzt wirklich tot? Ich weiß es immer noch nicht und immer noch ringe ich mit mir selber, es erfahren zu wollen. Mein Handy vibriert. Ich schaue sofort auf Maliks Namen. Er meint, dass Can zu seiner Arbeitsstelle gefahren ist und sich seine Schlüssel für die Wohnung genommen hat. Also geht Can doch zu Malik. Bleibt er dort? Ich muss ihn fragen.
'Wenn du bei Malik bleibst, dann ist das okay. Sag mir nur Bescheid, ob du heute nach Hause kommst.'
Can hat sich seit Stunden nicht gemeldet. Ich habe es einfach ruhen lassen, habe mich durchs Lernen und durchs Putzen abgelenkt. Ich würde mich trotzdem wohler fühlen, wenn er mit mir im Bett liegen würde. Er ist jetzt bei Malik, bleibt anscheinend dort. Aber er hat nichts mitgenommen. Keine Jacke, keine Wechselklamotten, kein Ladekabel für sein Handy. Hat Saliha Essen gemacht, welches Can schmecken wird? Er mag es, wenn das Essen intensiv gewürzt ist - das mache ich immer. Hat er immer noch wiederauftretende Schmerzen? Ich mache mir Sorgen. Ich werde sicherlich spät schlafen gehen. Schläft er schon? Wird er überhaupt schlafen können? Manchmal sind seine Augenbrauen im Schlaf zusammengezogen. Oft zieht er mich an sich. Kann er das jetzt nicht auch machen? Ich will die Lichter nicht ausmachen, in der Hoffnung, dass er doch kommt. Sollte ich vielleicht ein paar Brote für ihn machen? Ich stehe sofort auf und mache Brote für ihn - auch, wenn ich nicht weiß, ob er kommt oder nicht. Wenn Can gestresst oder traurig ist, isst er immer mehr als sonst. Wenn ich etwas in den Sandwichtoaster tue, dann wird der Käse sowieso nicht mehr geschmolzen sein, bis Can kommt. Ich nehme mir einfach Truthahnsalami, Tomaten, Salat, Käse und Mayonnaise. Oder sollte ich Hähnchenbrust für ihn anbraten? Ich würde es gerne tun, bleibe aber bei der Salami. Ich schaue immer wieder in den Flur. Vielleicht kommt Can doch wieder. Wenn er aber heute doch bei Malik bleiben will, dann akzeptiere ich das. Schließlich habe ich mit der angeblichen Scheidung gedroht. Ich toaste die Brote und beschmiere und belege sie mit Bedacht. Ich glaube, ich hatte noch nie so viel Spaß und so viel Feingefühl für Sandwiches. Ich klebe noch einen Zettel an die Wand gegenüber der Haustür, damit Can weiß, dass eine Kleinigkeit zu Essen in der Küche liegt.
Etwas sehnsüchtig schaue ich auf die Tür, luge durch den Spion, lege mich aber dann zurück ins Bett. Die Lichter sind immer noch an. Vielleicht fährt Can ja gerade zurück - oder schläft. Ich lege mich langsam wieder hin. Ich kann nicht schlafen. Das wird eine lange Nacht. Welche Schlafsachen hat Malik ihm gegeben? Hoffentlich hat Can sich beruhigt. Aber ich bin mir sicher, dass noch ein Teil in ihm unruhig ist. Can mit seiner Persönlichkeitsstörung - subjektiv gesehen. Aus psychologischer Sicht hat er eine posttraumatische Belastungsstörung. Aber vielleicht hat Dr. Al-Kon auch eine Persönlichkeitsstörung feststellen können. Ich finde es faszinierend. Er hat multiple Persönlichkeiten und diese können sich so schnell wechseln oder es ist normal und es kommt mir nur so vor. Aber das hatte Can schon damals. Ich habe es als heftige Stimmungsschwankungen aufgenommen, aber ich hätte ja niemals Cans komplexe Psyche erahnen können. Seine komplexe, faszinierende und irgendwie doch schöne Psyche. Ist die Komplexität einer Persönlichkeit nicht eigentlich eins der schönsten Dinge an einer Person? So faszinierend und fesselnd. Und wenn man eine komplexe Psyche versteht, sei es nur ein Stück davon, dann fühlt man sich überlegen. Oder nur ich fühle mich überlegen und schlau. Ich lese ein wenig über spinale Muskelatrophien, bis ich dann müde werde und beschließe zu schlafen. Ich habe im Schlafzimmer nur die Wandleuchten an. Er kommt also nicht. Ich schaue dann schnell nach, wie ich morgen bestmöglich ins Krankenhaus für den Unterricht komme und schließe dann die Augen, die ich dann schnell wieder öffne, als ich höre, dass die Tür aufgeschlossen wird. Mein Herz schlägt schneller. Er ist da! Er läuft in die Küche, zieht den Stuhl zurück. Er isst die Sandwiches. Das macht mich ungemein glücklich.
Ich bin gerade so erleichtert, dass ich schon wieder wach bin. Trotzdem versuche ich mich in den Schlaf zu zwingen. Wieso braucht Can so lange zum Essen? Egal, er ist hier und das hoffentlich unversehrt. Ich lege mich auf den Bauch und stecke den Kopf in meine Ellenbeuge. Ich bin jetzt so ungeduldig, weil Can hier ist und so lange zum Essen braucht. Schmeckt es ihm? Hat er schon Durst? Hat er noch Kopfschmerzen? Hatte er heute Seh- und Sprachstörungen? Ich lese einfach das Kapitel zur spinalen Muskelatrophien weiter, als Can dann den Teller in die Spüle legt. Ich schließe automatisch die Augen. Ich weiß nicht wieso, aber das kommt mir irgendwie besser vor. Kurze Zeit später legt er sich zu mir ins Bett. Ich rieche nichts. Keine Zigaretten und keinen Alkohol. Aber dafür müsste ich vielleicht näher an seinem Gesicht sein. Die Wandlampen werden ausgemacht. Er zieht leicht an der Decke, kommt dann ganz nah zu mir. Es kribbelt. Ich hoffe auf ein gutes Ende für uns beide. Ich hoffe, dass Can sich den Tumor so schnell wie möglich entfernen lässt. Ich hoffe so sehr, dass sich bald alles wieder zum Guten wendet. Ich hoffe so sehr, dass bald das ganze Positive auf uns zukommt, was uns erspart wurde. Seine Hand fährt über meinen Rücken. Ich weiß, dass er unsicher ist. Sonst würde er mich von hinten umarmen. Ich weiß, dass er sich gerade Gedanken macht. Verständlich, Can denkt ja auch, dass ich mich scheiden lassen will. Ich weiß, dass er sich nach Frieden sehnt. Ich hätte aber irgendwie nicht gedacht, dass er wiederkommt. Ich weiß nicht wieso, aber es wäre ja möglich gewesen. Ich weiß nur, dass ich jetzt besser einschlafen kann. Gerade konnte ich es noch nicht, gerade war alles so anders. Vorhin war alles so anders, vor einigen Tagen war alles so anders. Ich hätte andere Schritte wählen können, ich hätte mich wirklich von Can scheiden lassen können. Doch das tue ich nicht, weil ich ihn liebe.
Wie faszinierend die Liebe doch ist.
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Jetzt sind es nur noch zwanzig Kapitel bis zum Ende, das wird schön.
Ihr werdet mich für das Ende lieben.
Falls jemand die Playlist auf YouTube nicht findet: Versucht es mal mit Helan Salih, aber dann müsst ihr wahrscheinlich die Suche so einstellen, dass es nach Kanälen sucht. So müsste man die Cana-Playlist finden.
Und nein, ich weiß nicht, wieso manche Kapitel 100 nicht lesen können. Ich habe mal früher bei einigen Büchern gelesen, dass man gewisse Kapitel nur dann lesen kann, wenn man der Autorin folgt - aber das war nur bei Ficki-Ficki Kapiteln so. Könnt ja danach wieder entfolgen. Wenn selbst das neben dem Entfernen und Hinzufügen nicht klappt, dann habe ich keine Ahnung.
Ich habe voll vergessen das Rätsel aufzulösen, welches ihr eh vergessen habt und nicht lösen konntet. Es steht dafür, dass Cans Gehirn nicht mehr richtig funktioniert und ihm wieder auf den richtigen Weg geholfen werden muss, wegen des Tumors und er seine geplante Tat durchsetzen will, ohne erwischt und verraten zu werden. Shana betet, dass nichts passiert.
⚙️= Gehirn bzw. etwas stimmt mit dem Hirn nicht
🙅= Das Stillschweigen, die Korruption
🔧= Can muss wieder geholfen werden
👤= Soufian soll eliminiert werden
🙏🏼= Shana betet, dass nichts passiert
✍🏼= Geplant
- Helo
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