Kapitel 6
Kapitel 6
Plötzlich wurde sie von einer unnatürlich kräftigen Panik gepackt, die ihr eine große Übelkeit bescherte und Saori drehte sich hektisch um, damit sie einen Ausweg fand. Ihre Flügel vibrierten leicht und normalerweise wäre ihnen ein Wind entwichen, doch das geschah nicht. Das Glöckchen an ihrem Schwanz klingelte in einem seltsamen Ton, der verriet, wie sie sich fühlte.
Das Mädchen rannte auf die Tür zu, um sie zu öffnen. Sie musste fliehen, wenn sie nicht gefoltert werden wollte! Ihr Augen zeigten immense Angst und Panik, das Herz raste bis zum Hals.
Aaron zuckte bei dieser heftigen Panik zusammen und seine Augen weiteten sich ein kleines Stück. Was war denn jetzt auf einmal los? Warum geriet sie so sehr in Panik, dass ihm fast schlecht von ihren Gefühlen wurde? Er bewegte seine Flügel und füllte den Raum mit einem Staub, der sie beruhigen und ihre Panik abschwächen sollte.
Zitternd versuchte das Mädchen die Tür zu öffnen, die sich durch das magische Schloss jedoch nicht bewegen ließ. Die Panik wurde sogar noch schlimmer, als sie diesen feinen Staub sah, der sich ausbreitete. „Nein!", schrie sie auf und hielt sogar die Luft an, um ihn nicht einzuatmen. Dass der Staub jedoch nicht durch das Einatmen funktionierte, wusste sie nicht.
Saori rüttelte heftig an der Tür, um sie aufzubekommen. Sie schlug aber auch mit den Fäusten dagegen. „Nein!", rief sie erneut und merkte, wie ihre Panik plötzlich langsam nachließ. Ihr war klar, dass er sie manipulierte, das hatte er schon einmal bewiesen.
Aaron ließ sie nicht aus den Augen und beobachtete sie sehr genau. Er spürte, dass ihre Panik nachließ und so wartete er geduldig darauf, dass sie sich ein wenig beruhigte, bevor sie noch vor Panik zusammenbrach. Allerdings wollte er sie nicht einschlafen lassen, also musste er darauf achten, es mit seinem Staub nicht zu übertreiben.
Weinend ließ sich Saori an der Tür herabsinken, wobei sie ihre Arme um sich geschlungen hatte. Sie wollte nicht gefoltert werden. Jeder wusste, wie schlimm sie sein konnten. Das war schon immer ein Grund für sie gewesen, niemals dabei zu sein oder es selbst zu tun. Auch wenn ihre Familie versucht hatte, sie dazu zu zwingen, war es ihnen nicht gelungen, dass Saori es tat.
„Ich will nicht ...", schluchzte sie. Dieser Engel war unberechenbar und er würde sie bestimmt gnadenlos foltern, nur damit er ihre Eltern leiden sehen konnte.
Aaron starte auf das kleine Häufchen Elend und wurde aus dieser Dämonin überhaupt nicht schlau. War sie überhaupt eine? Sie sah so aus, aber das hieß nicht, dass sie eine geborene Dämonin war. Vielleicht war sie ein verfluchter Mensch? Das würde zumindest ihre Reaktionen erklären.
Der Engel schüttelte den Kopf, faltete die Flügel hinter seinem Rücken und beugte sich ein wenig hinab, um sie sanft, aber mit festem Griff auf die Arme zu nehmen und hochzuheben wie ein Baby.
Erschrocken fuhr sie auf und drückte sich von ihm weg, als sie plötzlich auf seinem Arm war. Sein Griff verriet ihr, dass er viel zu stark war. Gegen ihn würde sie niemals eine Chance haben.
Da er unnachgiebig blieb, schlug sie ihn sogar ins Gesicht, nur damit er sie freiließ. Wobei das bestimmt nicht die beste Wahl gewesen war, was ihr kurz darauf auch klar wurde und sie zog ihren Kopf ein, um sich mit den Armen vor seinem möglichen Zorn schützen zu können.
Der Engel bewegte jedoch nur sein Kinn und wandte sich dann mit ihr am Arm in Richtung Bett. „Du schlägst wie ein Kind", stellte er nüchtern fest, auch wenn es wohl einen leichten, blauen Fleck geben würde. Trotzdem war ihr Angriff voller Panik und nicht voller Kraft gewesen.
Mit einem Blick ließ er die Decke sich aufdecken und dann legte er die Dämonin ins Bett. „Schlaf ein wenig", forderte er und deckte sie wieder zu.
Zitternd und heftig atmend lag sie in dem Bett mit den erstaunlich weichen Kissen und drehte ihren Kopf von ihm weg. Dass sie nicht schlafen wollte, war ihr anzusehen. Aber auch, dass sie darüber nachdachte, wie sie fliehen konnte. Die Decke umhüllte sie wie ein Schutzmantel. Zumindest fühlte es sich so an. Da diese aber Hitze verursachte, schlug sie diese von sich zurück. Selbst in den Tunneln hatte sie nur mit einem sehr leichten Tuch geschlafen und das war manchmal schon zu warm gewesen. Weswegen sie meistens ohne jede Decke schlief.
Saori fühlte sich elendig, denn jeder Versuch, sich von ihm zu befreien, war gescheitert.
Ein sanftes Klopfen an der Tür sorgte dafür, dass sich Aaron von ihr fortbewegte, sie jedoch immer im Augenwinkel beobachtete.
Er öffnete die Tür einen Spalt und betrachtete Tabitha. Sie hielt ihm einige Steine hin, flüsterte ihm aber auch zu, dass er seine Termine nicht vergessen sollte, fragte aber gleichzeitig, ob er sie absagen wollte.
Aaron drehte Saori einen Blick zu und seufzte dann. „Sag sie ab", murmelte er und nahm die kleinen Steine entgegen.
Das Mädchen mit den blauen Augen hatte angestrengt gelauscht und die Stimme der Frau wiedererkannt. Woher wusste sie, dass sie hier war? Beinahe hätte sie gesagt, dass er seine Termine ruhig wahrnehmen sollte, dann hatte sie wenigstens ihre Ruhe. Doch kein Ton kam über ihre Lippen.
„Sofort, Meister. Solltet Ihr noch etwas brauchen, lasst es mich wissen", sagte Tabitha leise zu ihm und lächelte dem Engel sanft zu.
Dieser nickte. Durch einen magischen Stein waren sie verbunden, sodass Aaron ihr auch über weitere Strecken Befehle erteilen konnte.
„Danke, Tabitha", sagte er leise, bevor er die Tür schloss und sich wieder Saori zudrehte.
Tabitha war stolz darauf, so einen Stein zu besitzen, da er ihr ein Gefühl von Verbundenheit mit Aaron gab. Schon seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte, war sie von ihm angetan gewesen. Er hatte eine Ausstrahlung, die kein zweiter Mann besaß. So etwas fand sie anziehend, weshalb sie sich dazu entschieden hatte, freiwillig bei ihm zu bleiben. Aber auch, weil er ein guter Arbeitgeber und sehr fair war. Bei keinem anderen hätte sie es so gutgehabt wie bei Aaron. Gut gelaunt verließ sie den Flügel des Palastes, denn sie hatte noch andere Dinge zu tun. Vor allem die ganzen Termine abzusagen. Vielleicht bekam sie am Abend noch einmal eine Möglichkeit, mit Aaron zu sprechen und ihn an die weiteren zu erinnern, die in den nächsten Tagen anstehen würden.
Unbeweglich blieb Saori in dem Bett liegen, doch der Engel konnte erkennen, dass ihre kleinen Hände zu Fäusten geballt waren. Die Fesseln waren störend und doch verstand sie, warum sie diese tragen musste. Sie war eine Sklavin für ihn. Genauso, wie die anderen Dämonen, die bei ihm waren.
Aaron musterte sie und betrachtete zwei kleine, weiße Steine, die in Ohrringe gefasst waren. „Setz dich auf", sagte er nachdenklich und nahm die beiden Ohrringe, bevor er die anderen Steine erst einmal einsteckte.
Zuerst sah es so aus, als würde sie seinem Befehl nicht gehorchen, denn sie drehte sich auf die Seite. Erst dann richtete sie sich langsam auf, wobei sie ihren Kopf gesenkt hielt.
„Wenn du mich schon nicht ansehen willst, dann dreh wenigstens deinen Kopf zu mir", sagte er und wartete geduldig darauf, was sie tat.
Unsicher drehte sie ihren Kopf zur Seite, wobei sie einen kurzen Blick auf seine Hand erhaschte, in denen etwas lag. Was hatte er vor? Erneut kroch die Panik in ihre Glieder, als sie sah, dass es wohl Ohrringe sein mussten. Aber sie hatte doch gar keine Ohrlöcher! Sofort schnellten ihre kleinen Hände an ihre Ohren und pressten fest zu. Wozu sollte der Engel ihr überhaupt so ein Schmuckstück geben wollen?
Aaron verengte ein wenig die Augen. „Du bist unmöglich", sagte er und griff in seine Tasche, um einen der anderen Steine hervorzuziehen. Dazu ein kleines Lederband, das etwa zwei Finger dick war. Mit geschickten Handgriffen befestigte er den Stein an diesem Band, bevor er es an ihren Hals legte und hinten schloss. Der Stein hatte mehrere Funktionen, aber die erste war, dass er dafür sorgte, dass das Halsband nur von ihm abgenommen werden konnte.
Keuchend sah sie an sich herunter. „Was ist das?", fragte sie leise. Vermutlich ein Zeichen für einen Sklaven. Für was sonst wurden solche Halsbänder gebraucht? Aarons Bewegungen waren schnell und routiniert gewesen, sodass er nicht lange daran herummachen musste. Das zeigte Saori, dass er wohl sehr viele Dämonensklaven besaß. Ihre Finger glitten zu dem Verschluss und vorsichtig versuchte, sie das Halsband sogar zu öffnen.
Es fühlte sich zwar an, als ob sie es öffnen würde, doch es passierte nichts.
„Du wolltest die Ohrringe nicht, also wirst du dieses Halsband tragen", sagte er und verschwieg, dass sie es auch so hätte tragen müssen. „Es wird deine Körpertemperatur regulieren, sodass du nicht zusammenklappst, nur weil du in den Fluren umherläufst. Hinaus würde ich an deiner Stelle trotzdem nicht gehen, sonst ist deine Haut Asche", sagte er nüchtern.
„Warum?", fragte sie leise und ließ ihre Hand wieder nach unten gleiten. Es brachte nichts, es zu versuchen. Ihre Frage war darauf gerichtet, warum er ihr so etwas überhaupt gab. Ein Sklave lief nicht frei herum, außer in den Kerkern und selbst dort waren sie die meiste Zeit angekettet. Zumindest war das bei ihnen immer so gewesen, aber Saori vermutete, dass es überall so war und es keinen Unterschied machte, wo man sich befand.
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