Kapitel 2

Kapitel 2

„Nachdem was deine Familie meinen Eltern angetan hat, müsste ich dich genau so leiden lassen", sagte er und hob die Hand, was die Ketten dazu bewog ihre Arme noch weiterzuziehen. Dann ließ er die Hand fallen und der Zug nahm ab. „Aber im Gegensatz zu dir bin ich kein Monster. Ich will deine Eltern leiden sehen, wenn sie um deinen Tod trauern. Nicht dich. Nicht viele von uns machen diesen Unterschied."

„Als ob sie um mich trauern würden. Wer trauert schon um ein Weichei?", zischte Saori bitter. Hatte ihre Familie etwa seine ausgelöscht? Warum war er dann noch am Leben? Der Zug hatte ihr weh getan, als würde er sie bei lebendigem Leib auseinanderreißen wollten. Da sie ihren Kopf nicht senken konnte, ließ sie ihre Augen wieder schließen.

Sein Finger berührte ihr Kinn. „Vielleicht sollte ich ihnen einen Finger von dir schicken, so wie sie mir einen meiner Mutter geschickt haben", schlug er vor. „Oder deine Zunge? Dann kannst du nicht mehr schreien, sollte ich auf die Idee kommen, eines deiner Augen dazuzulegen", flüsterte er, wobei seine Hand ihre Wange sanft streichelte.

Bei den Gedanken erschauerte das Mädchen mit den silbernen Haaren und sie zuckte verängstigt zusammen. Genau wie ihre Eltern das immer bei den anderen machten, wenn sie jemanden gefangen genommen hatten. So wohl auch bei seinen Eltern, wie er es verlauten ließ.

Saori sagte nichts dazu, denn wenn er es tatsächlich tun würde, konnte sie nichts dagegen tun. So weit das Metall es zuließ, ließ sie ihren Kopf sinken. Weit war das jedoch nicht. Schon jetzt konnte sie sich die Schmerzen vorstellen, die er verursachen konnte und Tränen rollten erneut über ihre Wange, die er sanft streichelte. Seine Berührung war sanft, viel zu sanft für die Art, wie er mit ihr umging. Es passte nicht zusammen. Bestimmt war das ein Spiel, Saori einzulullen und dann schreckliche Dinge mit ihr anzustellen.

Aarons Daumen wischte über die Träne, die ihre Wange hinab rollte und er hob die Hand vor sein Gesicht, um eben jene Träne zu betrachten. Ein weinender Dämon. Das war ihm neu und noch nie untergekommen. Er spürte ihre Angst und Trauer, die nicht nur gespielt war, wie er es erwartet hatte. „Du kannst natürlich auch brav sein, dann wird dir nichts passieren", erklärte er, während er noch immer ihre Tränen zwischen seinen Fingern rieb.

Darauf antwortete Saori gar nicht erst. Ihr Wille zum Überleben war gebrochen. Selbst wenn er die Drohungen wahr machte, konnte sie es nicht ändern. Sie wagte trotz allem erneut einen Versuch, sich zu befreien, indem sie an den Ketten riss, aber alles, was sie davon bekam, war Schmerz.

Ihn zu fragen, ob er sie gleich töten würde, hielt sie zurück, denn anscheinend war er nicht gewillt, ihr einfach so das Leben zu nehmen.

Ein Seufzen erklang. „Du bist so stur", bemerkte er leise. „Solange ich nichts über dich erfahre, wirst du wohl hier verbringen", seufzte er und klang so, als würde er es wirklich bedauern. Was durchaus der Wahrheit entsprach. Solange er nicht wusste, wer sie war und was sie war, musste er sie möglichst so festhalten, dass sie niemanden etwas tun konnte. Deshalb auch die Ketten.

„Was bringt es Euch, etwas über mich zu erfahren? Ihr habt viel mehr davon, meiner Familie Leid zuzufügen, als meinen Namen zu wissen", murmelte Saori und schluckte. Das Metall grub sich in ihre Haut, als sie sich dagegen lehnte, aber es gab nicht nach.

„Was es mir bringt, hat dich gar nicht zu interessieren", sagte er fast schon sanft. „Und wenn ich es wollte, könnte ich dir viel mehr Schmerzen zufügen, als ich es im Moment tue", bemerkte er und fuhr mit seinem Finger über das Metall hinab zu ihren entblößten Schultern.

„Dann hört auf zu fragen und tut es doch", zischte Saori ihn ungehalten an und ihre blauen Augen funkelten. Seine Finger waren unangenehm, als sie entlangfuhren und sie wünschte sich, dass er damit aufhörte. Die Art, wie er sprach, zeigte ihr, dass er durchaus brutal werden konnte. Aber auch, dass er sich lustig über sie machte.

Ein raues Lachen erklang. „Das willst du nicht wirklich. So zerbrechlich wie du bist, würdest du nicht einmal eine halbe Stunde das aushalten, was deine Eltern mit meinen angestellt haben", sagte er kalt. „Außerdem ist deine Angst nicht gerade appetitlich. Trotzdem werde ich keine unartigen Sklaven belohnen."

Sklaven? Er würde sie versklaven ... „Ich bin nicht zerbrechlich!", fuhr sie ihn an. Der Engel machte sie wirklich wütend und Saori versuchte, seine Hand von sich abzuschütteln. „Und ich habe keine Angst!", behauptete das Mädchen, wobei es durchaus wusste, dass sie log. Aber sie konnte auch nicht wissen, dass er ihre Gefühle spüren konnte.

Das Lachen wurde lauter. „Du vergehst fast vor Angst", sagte er herablassend, aber in seine Augen trat ein leichtes Glitzern. Vielleicht war sie wirklich nicht so zerbrechlich, wie er gedacht hatte. Dennoch war sie nicht das, was er von einem Dämon erwartet hatte. Ihre Gefühle waren so roh und kraftvoll, dass sie eher ein Engel sein konnte. Außerdem waren sie sehr lecker. Selbst ihre Angst hatte einen angenehmen Nachgeschmack. Wie ein Gewürz, das manchmal sehr lecker war, aber auf Dauer einen Würgereiz hervorrief.

„Ich hasse Euch", brachte Saori keuchend hervor. Wenn er sie schon quälen wollte, sollte er es einfach tun. Diese Art von Männern war ihr zuwider, weshalb sie die Männer aus ihrer Familie auch verabscheute. „Lasst mich endlich frei oder es passiert was", reagierte sie vor Angst gereizt. Ein Zittern ging durch ihren Körper, als sie sich gegen die Fesseln warf und versuchte, Feuer zu speien oder ihre Flügel, die qualvoll an der Wand lagen, zu bewegen.

Aaron verengte die Augen. „Dass du mich hasst, ist mir durchaus klar", bemerkte er und betrachtete ihren Körper sehr genau. Ihm entging nicht, dass ihre Flügel zu schmerzen schienen und sie sich bewegen wollte. „Was wirst du tun, wenn ich den Halsring löse?", fragte er neugierig.

Was sollte sie wohltun können? Wenn die Fesseln das war, was ihre Kräfte unterdrückte, würde es ihr nicht viel bringen, wenn ihr Hals wieder frei war. Andererseits begann er durch die steife Haltung an zu schmerzen.

Saori zuckte mit den Schultern, da sie selbst nicht wusste, was sie tun werde. „Meinen Kopf endlich senken", murmelte sie trotzdem leise und undeutlich. Schon allein, um ihn nicht mehr ansehen zu müssen.

Aaron schnalzte mit der Zunge. „Ich möchte aber, dass du mich ansiehst", meinte er und zuckte seinerseits zu Schultern. „Solange du das nicht freiwillig tust, wird der wohl dranbleiben müssen", meinte er, als wäre es ihm egal.

„Von mir aus", sagte Saori leise. Die Angst kroch in ihr erneut hoch und sie versuchte, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Bereits jetzt hatte sie ihre Augen gesenkt und sah auf die Beine, die vor ihr standen.

Aaron schüttelte den Kopf. „Ich würde verstehen, dass du dich weigerst, wenn ich von dir will, dass du vor mir auf die Knie fällst und mir die Füße leckst", meinte er, „aber doch nicht bei so einer Kleinigkeit. Sieh mich an und ich mache dir den Halsring ab", sagte er noch einmal.

„Ich werde weder das eine noch das andere tun", sagte sie leise und ballte ihre Hände zu Fäusten. Dieser Sadist gefiel es wohl, jeden herumzukommandieren. Er war nicht viel anders als ihre Familie dabei. Wenn sie sich jedoch fügte, würde es hoffentlich schneller gehen. Wobei sie bei ihm nicht sicher sein konnte. Noch immer verstand Saori nicht, warum er sie nicht einfach umgebracht hatte. Noch dazu, dass er anscheinend schnell seine Launen wechselte. Von sanft zu gemein.

Es war die Angst, die es ihr unmöglich machte, in seine eisblauen Augen zu sehen. Den ersten Blick, als er sie hatte töten wollen, blieb in ihrer Erinnerung. So kalt und gefühllos hatte er sie angesehen. Wobei sie es verstehen konnte, wenn ihre Familie seine umgebracht hatte. Aber das war nicht ihre Schuld.

Das einzige, was Saori schaffte, war ihren Blick auf seinen langen Beinen zu legen. Weiter nach oben ging sie jedoch nicht.

„Weiter", befahl er ihr. „Ein Stück wirst du ja wohl noch schaffen. So kratzbürstig wie du bist", meinte er und beobachtete sie genau.

Ganz leicht schüttelte sie den Kopf. Soweit es das Metall zuließ. Diese Blöße würde sie sich nicht geben. Ihre Augen waren starr nach vorne gerichtet und Saori weigerte sich, noch einmal in seine kalten, blauen zu sehen.

Aaran seufzte. „Du musst mir ja nicht einmal in dir Augen schauen, wenn du das nicht ertragen kannst, aber Brust sollte schon machbar sein", bot er ihr einen Kompromiss an. Wann verstand sie, dass sie kooperativ sein musste, wenn sie sich die Lage erleichtern wollte?

Tatsächlich schaffte sie es, ihre Augen ein Stückchen weiter wandern zu lassen, doch an seinem Bauch blieb sie hängen. Obwohl er eine Tunika trug, konnte sie erahnen, was für ein Körper sich dahinter versteckte. Wohl einer mit breiten Schultern und Muskeln. Doch das würde sie nicht herausfinden wollen.

„Brav. So ist es gut. Gib dir Mühe", lobte er, als wäre sie ein Hündchen, das dabei war, einen neuen Trick zu lernen.

Diese Verachtung, Spott und Hohn in seiner Stimme ließen sie sofort ihren Blick wieder sinken. Er machte sich lustig über sie und ihre Angst. Leise atmete sie aus und schloss die Augen. Vielleicht half es, ihn damit zu reizen, dass er nicht mehr zögerte und es hinter sich brachte.

Er streichelte ihre Wange. „Du hast es wenigstens versucht", sagte er mit einem Lächeln und strich über ihren Hals. Es gab ein leises Klicken und das Halsband ging auf und gab sie frei.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top