Kapitel 71

Kapitel 71

Mit einer Kopfbewegung zeigte Raffael ihr das Zimmer. "Lass uns gehen. Es ist wirklich notwendig", sagte er eindringlich.

Anstatt Zeit zu verschwenden, flog er zurück auf dem Balkon. Er wusste, dass Belle im folgen würde.

"Meister Aaron, das hier ist Belle, unsere Engelsheilerin", stellte er die Frau neben sich vor, als sie eintraten.

Aaron hob den Blick von Saori. "Es freut mich, dass Ihr hier seid", sagte er ehrlich und wirkte erleichtert. Jetzt, wo eine Heilerin hier war, war Saori vielleicht nicht mehr in so großer Gefahr.

Belle, die sofort die Patientin fand, weitete leicht ihre Augen, bewahrte jedoch am meisten Professionalität. Engel starben nicht sehr schnell und konnten die seltsamsten Dinge überleben. Daher hatte sie schon einiges gesehen.

Ikaia und die beiden Männer wichen ehrfurchtsvoll zurück und verneigten sich tief. "Ihr müsst der eigentliche Arzt sein, nicht wahr?", wandte sie sich an Ikaia, da er an ihrem Bett gesessen hatte.

Dieser nickte ihr zu und gab der Engelsheilerin einen kurzen Überblick über die Eigenschaften der Patientin.

Belle setzte sich zu Saori ans Bett und legte ihre schlanken Finger auf den dünnen Arm. "Die Arme", sagte sie mitfühlend. Sie schloss ihre grünen Augen und ließ Magie in die Dämonin fließen. Dadurch, dass sie über die spezielle Gabe verfügte, konnte sie viel mehr heilen als die normalen Ärzte.

Nur deshalb war sie zur Engelsheilerin aufgestiegen und ging ihrer Tätigkeit sehr professionell nach.

Belle runzelte die Stirn und fragte, warum Ikaia nichts gegen die Vergiftung unternommen hatte, die sich in Saoris Körper ausgebreitet hatte.

"Sie wurde vergiftet?", kam es einstimmig von allen Männern im Raum und sie richteten ihre Blicke auf die Heilerin.

Ikaia war der erste, der sich fing. "Mir ist nichts von einer Vergiftung bekannt", sagte er versucht ruhig und blickte zu Aaron.

Dieser begann zu erklären, dass es ihr die Tage nicht gut ging, sie sich aber strickt gegen eine Untersuchung gestellt hatte, weil sie glaubte, dass sie einfach überfordert war und sich deshalb etwas unwohl fühlte.

Kopfschüttelnd hörte sich Belle den Bericht an. "Das Gift wirkt nicht sofort. Nur über längerer Zeit hinweg richtet es wirklich Schäden im Körper an. Organe versagen und das Herz bleibt stehen. Die Anfangssymptome sind Unwohlsein, Übelkeit und Schwächeanfall. Also genau solche, die zu fast jeder Krankheit führen kann", erklärte sie den Anwesenden. Es war kein Wunder, wenn man das nicht Ernst nahm.

Vermutlich hatte das ebenfalls dazu geführt, dass Saoris Herz nicht mehr geschlagen hatte.

Belle erkundigte sich, wann das Unwohlsein bei ihr angefangen hatte, während sie ihre Magie durch den kleinen Dämonenkörper wandern ließ. Einiges gefiel ihr nicht. Gerade das mit dem Herz.

Aaron gab ihr Auskunft darüber, dass es angefangen hatte, als sie das erste Mal wieder auf der Hauptinsel waren. Beide hatten es der Panik zugeschrieben, die sie regelmäßig hatte. Jetzt überlegte er jedoch, ob irgendwas anders gewesen war. "Sie isst in der Regel auch nicht viel und ich kontrolliere es auch immer", meinte er nachdenklich.

"Was trinkt sie?", erkundigte sich Belle bei ihm. Auch wollte sie wissen, was für Tätigkeiten sie ausübte. War sie vielleicht mit giftigen Blumen oder Tiere in Berührung gekommen?

"Sie trinkt viel Wasser und Kaktussaft", meinte er und dann fiel ihm ein, dass Abisai ihr des Öfteren Getränke gebracht hatte. Diese hatte er nicht kontrolliert, war jedoch nicht davon ausgegangen, dass er Saori etwas antun würde.

"Allergisch ist sie jedenfalls nicht gegen den Kaktussaft", erwiderte Belle, die Saori auf etwaige Allergien untersucht hatte. Mit der magischen Gabe brauchte man dafür kein Blut abnehmen. Entweder lag es dann an dem Wasser, was mit Sicherheit nicht giftig sein konnte, wenn es aus dem Wasserhahn kam. Lag es vielleicht an den Badekugeln? Oder den Kräutern, die Aaron an dem einen Abend benutzt hatte?

"Übrigens wird die Königin bald ankommen. Sie wollte sich selbst davon überzeugen, wie es ihr geht", sagte sie zu Aaron gewandt.

Dieser nickte nur. "Ist es möglich in einem Glas Giftrückstände zu finden?", fragte er und war noch immer ganz auf Saori fixiert.

Regungslos lag die Dämonin auf dem Bett und gab keinen Anschein, in der nächsten Zeit wieder aufzuwachen. "Wenn sie erst vor wenigen Stunden getrunken hat, sollte das kein Problem sein. Liegt es länger als acht Stunden zurück, kann es jedoch nicht mehr nachgewiesen werden", erklärte sie Aaron und bat die Anwesenden, einen kleinen Abstand einzuhalten.

Sie wurde nun mit der Behandlung der Verbrennungen beginnen. Dabei hatte sie festgestellt, dass das Gift und auch die Sauna ihr innerlichen Schaden zugefügt hatten. Was auch immer passiert war: Saori hätte sterben sollen. Das war klar.

"Dann wird es schwierig", bemerkte Aaron leise und trat nur widerwillig zurück. Es war besser, wenn er Belle nicht in ihrer Tätigkeit störte.

Leise Worte kamen aus Belles Mund, während sie heilende Magie in das Dämonenmädchen fließen ließ. Deren Körper begann, von innen heraus zu leuchten, was ihr ein unheimliches Aussehen verlieh.

Zuerst musste sie die inneren Schäden heilen, was kein leichtes Unterfangen war. Hochkonzentriert saß Belle am Bett von Saori. Beide Hände hatte sie auf den Brustkorb der Dämonen gelegt und behandelte sie von dort aus.

Der Atem von Saori wurde ruhiger und entspannter als die gesamte Zeit zuvor. So, als würde sie innerliche Ruhe finden.

Aaron seufzte erleichtert und eine schwere Last fiel von ihm ab. Sie würde es schaffen, da war er sich sicher. Dank Belle hatte sie nun wirklich die Möglichkeit dazu.

Die Heilung zog sich viele Stunden hin. Es war spät in der Nacht, als Belle endlich ihre Hände von Saori nahm. Behutsam war sie vorgegangen. Stück für Stück hatte sie die Schäden von innen repariert, bevor sie sich den Verbrennungen gewidmet hatte.

Langsam waren die offenen Wunden zugewachsen. Die Anwesenden, die in der Zeit um sie herumgestanden hatten, waren voller Erstaunen gewesen. Richtig zusehen konnte man, wie die Haut erneuert wurde, sodass keine Narben zurückbleiben würde. Ohne die Magie war es sicher, dass Saori für immer entstellt sein würde.

Die zuvor noch feuerrote Haut war ihrer normalen Blässe gewichen und Saori sah wie ein Engel aus, wie sie in dem großen Bett lag und schlief.

Aaron hatte es nur mit Mühe geschafft, ruhig zu bleiben und nicht im Zimmer auf und ab zu tigern. Am liebsten wäre es ihm, wenn es ihr schon wieder richtig gut ging, doch das war noch ungewiss. "Wie lange wird sie noch schlafen und hat sie noch Schmerzen?", wollte er wissen. Noch immer traute er sich nicht, sie zu berühren.

"Sie kann jederzeit aufwachen. Das ist leider ungewiss, wann", sagte Belle entschuldigend. Schmerzen sollte sie nicht mehr haben, nachdem alles geheilt war. Doch die seelischen würden mit Sicherheit bleiben.

"Wäre es gefährlich sie aufzuwecken und auszufragen?", fragte er, wobei er sich eher Sorgen um ihre Psyche machte, als um die Gesundheit der umstehenden.

"Nein, sie ist geheilt und sollte in der Lage sein, zu sprechen. Ihre Stimmbänder waren verbrannt und sie hätte Euch vermutlich davor gar nichts sagen können", erklärte Belle nachdenklich.

Allerdings sah auch sie ein Problem mit der Psyche. Die Königin hatte ihr bereits einiges erklärt, weshalb sie wusste, dass Saori ganz speziell war.

Sie würde vermutlich in Panik ausbrechen, wenn sie jetzt mit so vielen Anwesenden, unter denen sich zwei zusätzliche Engel befanden, aufwachte.

"Wäre es möglich, dass alle rausgehen und ich sie mit meinen Staub aufwecke, um zu sehen, wie sie sich gibt?", fragte er. Allerdings wollte er Belle und Ikaia in der Nähe wissen.

"Selbstverständlich. Wir werden vor der Tür warten, wenn das Euer Wunsch ist", kam es beinahe gleichzeitig von den beiden. Nur widerwillig ging Caius, Ephraim und sogar Raffael nach draußen.

Aaron folgte ihnen mit den Augen, blieb aber ansonsten bei Saori. Ikaia und Belle zogen sich ebenfalls zurück, aber nicht so weit.

Erst, als alle weg waren, begann Aaron sanft den Staub auf Saori zu verteilen. Er hoffte, dass es sie vielleicht wecken würde.

Viel länger als sonst brauchte es, bis sie überhaupt reagierte. Anfangs dachte er sogar, dass er gar nicht helfen würde.

Der Mund der Dämonin öffnete sich leicht, als sie leise stöhnte, während sie zu sich kam. Wie anstrengend der Traum gewesen war. So heiß und die Flammen hatten sie eingeschlossen.

Nur langsam hatte sich die Hitze verzogen und sie war ruhiger geworden. Was für ein scheußlicher Albtraum sie gehabt hatte.

Wahrscheinlich lag das an dem Stress. Ihre Finger bewegten sich leicht, als würde sie testen, ob sie überhaupt wach war oder nicht.

Aaron, der seine Hand nah bei ihren Fingern hatte, berührte diese sanft, um ihr zu zeigen, dass er da war.

Sein Herz machte einen Sprung vor Freude, weil sie lebte. Tränen sammelten sich in seinen Augen, doch er versuchte sie zu verstecken. Er wusste nicht, ob sie wusste, was geschehen war. Wenn nicht, war es vielleicht besser, wenn sie es gar nicht erst erfuhr.

"Was ist los?", fragte sie leise. Ihre Übelkeit und das Unwohlsein war verschwunden. Hatte sie etwa zu lange geschlafen? Wie spät war es?

Mühsam schlug sie die Augen auf und starrte an die Decke. Es dauerte einen Moment, bis sie Aaron neben sich wirklich realisierte. Seine warmen Finger hatte sie wahrgenommen, doch es hatte sich wie ein Traum angefühlt.

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