Kapitel 55


Kapitel 55

Böse Träume verfolgten die Dämonin in der Nacht. Ausgelöst durch die Zweifel an sich selbst. Bilder und Erinnerungen tauchten in ihren Träumen auf, die sie nicht mehr sehen wollte. Wie gehetzt rannte sie in der Dunkelheit und versuchte zu fliehen. Vor ihrer Familie und ihren Taten.

Alles was das ihr brachte war, dass sie nur noch mehr rannte und keinen Ausweg fand. Wie ein riesiges Labyrinth, welches mit Spiegeln ausgelegt war. Egal, welchen Weg sie nahm, immer wieder musste sie sich ansehen. Stimmen in ihrem Kopf wurden laut die ihr sagten, dass sie es nicht wert sei, wenn man sich um sie kümmert. Dass sie niemals dankbar genug war und immer mehr wollte, als sie hatte.

Diese Stimmen mischten sich mit dem grausamen Lachen ihrer Familie. Völlig erschöpft ließ sie sich an den Spiegelwänden nieder und keuchte japsend nach Luft. Das führte nur dazu, dass die Spiegel ihr grausame Bilder wiedergaben. Sich selbst, aber auch ihre Familie, Aaron und Tabitha. Und sie mittendrin, wie sie Chaos anrichtete. So, wie sie es sollte.

"Eine Schande für alle Dämonen ...", hallte es von den Wänden wieder, sodass sie aufsprang und erneut rannte. Hierhin und dorthin. Und niemals fand sie einen richtigen Weg. Panik setzte sich in ihr fest. Schmerzen krochen in ihre Glieder und brannten fürchterlich. Weiterrennen konnte sie nicht mehr, weshalb sie den Bildern und bösen Worten von allen um sich herum ausgesetzt waren. Das fütterte ihren Selbstzweifel noch mehr. Fest presste sie sich die Hände an die Ohren, doch das brachte keine Linderung, sondern ließen die Stimmen nur noch lauter hallen.

„Hört auf! Ich bin nicht so wie ihr!", rief sie verzweifelt in die Spiegelbilder, die um sie herum zu tanzen begannen. Sie bewegten sich genau so, wie Aaron und Saori immer tanzten. Und sie kamen näher, kreisten die Dämonin ein und sorgten dafür, dass sie nicht mehr atmen konnte.

Mit einem Ruck fuhr Saori schweißgebadet aus dem Schlaf hoch. Ihr Herz klopfte wild, was sie sogar sehr deutlich spürte und sie zitterte am ganzen Körper.

Das sorgte auch dafür, dass Aaron wach wurde, der bis jetzt geschlafen hatte. Ihre Gefühle trafen ihn wie ein Schlag und sofort wurde er hellwach.

Angstvoll, weil er glaubte sie wurden vielleicht angegriffen sah er sich um. Im Zimmer war niemand außer ihnen, was ihn etwas beruhigte. Aber nur soweit, dass er nicht mehr in Kampfstimmung war. Stattessen blickte er zu Saori und nahm sie sanft, beruhigend in den Arm.

Unbemerkt lehnte sich das Mädchen an ihn, zitternd und mit aufgerissenen Augen. Es war alles nur ein Spiel. Wieso sollte man sie mögen? Ihre Zweifel waren berechtigt und die Worte, die sie vernommen hatte, hatten das bestätigt.

Sie war es nicht wert, dass man sich um sie kümmerte. Auch sollte sie nicht nach etwas fragen. Das stand ihr nicht zu. Und würde niemals zustehen. Eine Dämonin, die nicht das brachte, was sie sollte. Diese sollte verbannt und getötet werden, damit Platz für eine neue Todesbringerin gab.

Aarons sanften Griff vernahm sie nicht. Nicht einmal nach einigen Minuten. Stattdessen ballte sie ihre Hände zu Fäusten, um nicht in Tränen auszubrechen.

"Saori", sagte er sanft und küsste ihren Nacken, weil das die einzige Stelle war, wo er sie gerade erreichen konnte.

„Nicht ... es ist alles nur eine Lüge", brachte sie mit zitternder Stimme hervor.

"Ist es das?", fragte er und zog sie näher an sich.

„Ihr mögt mich nicht, sondern spielt mir etwas vor", sagte sie leise. Der Traum hatte ihr gezeigt, dass die Entscheidung zuvor genau die Antwort gebracht hatte. Seine Reaktionen hatten gezeigt, dass er nicht wollte.

Dabei stimmte es nicht wirklich. Nur kannte sie die richtigen Zeichen nicht. Wusste nicht, wie Entscheidungen Reaktionen beeinflussten.

"Du hattest einen Albtraum", sagte er sanft und zeigte nicht, wie sehr ihre Worte ihn verletzen. "Ich spiele nicht mit dir, ich liebe dich."

Richtig glauben konnte die Dämonin es nicht mehr. Sie ließ sich einfach an ihn heranziehen, versuchte krampfhaft wieder einzuschlafen, um alles zu vergessen. Der Albtraum hielt sie gefangen, ließ sie nicht los und ließen die Worte immer wieder im Kopf hallen.

Je krampfhafter sie versuchte, wieder einzuschlafen, desto weniger funktionierte es, was dazu führte, dass sie anfing zu weinen.

Aaron streichelte sanft ihren Rücken. "Ich bin da für dich", sagte er leise. "Du kannst mir mir darüber reden", murmelte er und küsste ihr die Tränen von den Wangen.

Sie wusste es nicht. Konnte sich nicht entscheiden, was richtig war. Wusste nicht, wie er reagieren würde. Das machte ihr Angst.

Seine Finger glitten beruhigend über ihre Haut. "War es wegen der Badewanne?", fragte er leise und besorgt.

Hilflos zuckte sie mit den Schultern. Brachte kein Wort über die Lippen, weil sich ihr Mund in eine trockene Sandwüste verwandelt hatte. Saori drehte sich von Aaron weg, um nach dem Wasserglas zu greifen, welches sie meistens auf dem Nachttisch stehen hatte.

Dieser ließ es zu, behielt sie aber im Auge. Er machte sich wirklich Sorgen. Was hatte er getan, dass sie schon wieder so in Panik verfiel?

Gierig trank sie das Glas leer und blieb für einige Sekunden regungslos an der Bettkante sitzen, bevor sie leise anfing, von dem Albtraum zu erzählen.

Aaron hörte zu und wartete, bis sie zu ende gesprochen hatte. "Es ist gut, dass du nicht bist, wie du sein solltest", sagte er sanft und kam wieder zu ihr. "Und eine Schande für die Dämonen zu sein ist nichts Schlimmes, denn das heißt, dass du all das verkörperst, was Dämonen nicht wollen", erklärte er sanft. "Und nur, weil die Dämonen dich nicht wollen, kann ich dich haben."

„Ihr könnt mich haben, aber Ihr wollt es nicht wirklich. Etwas steckt dahinter und eines Tages endet alles böse", brachte sie hervor. Schon wieder hatte sie das Gefühl, von ihrem Nachthemd eingeengt zu werden, weshalb sie es auszog und sich in den Morgenmantel hüllte.

"Wie kommst du auf die Idee, dass ich dich nicht haben möchte?", fragte er überrascht.

„Sonst ... hättet Ihr reagiert. Normalerweise habt ihr mich immer gedrängt. Zu Dingen, die ich nicht wollte. Vor denen ich Angst hatte", begann Saori leise und hielt einen Moment inne. „Als ich mich entschlossen habe, dagegen anzukämpfen und mich mehr zu trauen ... über den eigenen Schatten zu springen ... habt Ihr mir das Gefühl gegeben, mich nicht zu wollen. Dass es Euch egal ist, was ich mache, solange ich Euch das gebe, was Ihr Euch wünscht", sprach sie tonlos weiter. Es war nicht wirklich einfach, das zu erklären. „Ich darf nichts wünschen oder mehr wollen als jeder andere. Ich stehe ganz unten. Unter allen anderen auf der Welt."

"Entschuldige", sagte er leise. "Ich wollte dir nicht das Gefühl geben, dass du dir nichts wünschen darfst", sagte er und klang, als würde er es bereuen. "Gerade weil du es dir gewünscht hast, bin ich ins Wasser gekommen", versuchte er leise zu erklären. "Ich war froh, dass du es dir gewünscht hast, darum habe ich es auch in Kauf genommen, dass ich etwas müder werde. Ich habe nur nicht mit der Wirkung der Kräuter gerechnet. Wenn es nur darum gegangen wäre, dass ich das bekomme, was ich möchte, wäre ich sitzen geblieben und hätte das getan, was ich in dem Moment wollte."

„Ihr habt nachgegeben, weil ich es gewünscht habe. Dabei solltet Ihr meinen Wünschen nicht nachgeben, sondern ich muss Euren folgen. Ich habe gewollt, dass wir zusammen baden, um gemeinsam zu kuscheln und im Wasser zu spielen", erwiderte das Dämonenmädchen. Und genau das durfte sie nicht. Wenn Aaron mit ihr baden wollte, durfte sie sich nicht zieren. Wenn er draußen blieb, durfte sie ihn nicht bitten. Die Wirkung der Kräuter hatten ihr die Augen geöffnet, dass er ein Risiko einging, nur weil er auf ihren Wunsch eingegangen war.

"Ist es denn falsch, dass ich nachgebe, wenn du dir etwas wünschst? Ist eine Beziehung nicht ein Geben und Nehmen?", wollte er wissen. "Hätte ich ablehnen sollen, um dir zu zeigen, dass du es nicht wert bist, das ich auch einmal einen deiner Wünsche erfülle? Vor allem dann, wenn du sie mir nennst, statt mich raten zu lassen?", fragte er und legte ihr sanft einen Flügel über die Schulter.

„Es war einfach falsch, sich etwas zu wünschen", korrigierte sie ihn leise. Vielleicht war es in einer normalen Beziehung so, dass man Gab und Nahm. Aber es war keine normale zwischen ihnen. Es war Meister und Dämon.

"Ich war sehr glücklich darüber", gestand er leise und küsste erneut ihren Nacken.

Davon hatte sie nichts gemerkt. Kannte die Anzeichen von anderen nicht genau, wenn sie glücklich waren oder nicht. Das fiel ihr immer sehr schwer, richtig einzuschätzen.

Ein Zittern ging bei seinem Kuss durch ihren Körper und sie musste aufpassen, nicht zu stöhnen. Ihr Körper war sensibel durch den Albtraum und nahm solche Berührungen nur noch stärker war. So, als würde ihr Körper danach lechzen.

"Du hast nichts Falsches gemacht", sagte er leise und sanft. "Es ist wirklich alles in Ordnung."

Regungslos blieb sie sitzen und ließ den Kopf senken. Für ihn war es einfach. Für sie überhaupt nicht. Ständig in einem Zwiespalt zu leben, wo sie nicht wusste, was richtig und falsch ist. Zu zweifeln, was die richtige Entscheidung ist. Sie sollte einfach so bleiben, wie sie war und nicht versuchen, sich zu ändern. Gehorsam, zurückhaltend und brav wie immer sollte die Dämonin bleiben. Sich an den Wünschen des Engels orientieren und eigene Bedürfnisse zurückstellen. Dann würde schon alles gut werden. Hoffte sie zumindest.

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