Kapitel 15
Kapitel 15
"Das kannst du auch morgen machen", sagte er sanft und küsste sie erneut. "Dein Körper hat sehr viele Wunden davongetragen."
Vorsichtig schüttelte sie den Kopf. Es war sowieso schwer genug, getrocknete Farbe wegzubekommen. Sie wollte es nicht noch länger herauszögern. Zudem hatte sie gerade das Gefühl, dass sie eine Weile allein sein wollte.
"Na gut", seufzte Aaron, der ihr einfach keinen Wunsch abschlagen konnte.
Vorsichtig entwand sie sich seinem Griff und wälzte sich ungeachtet der Verbrennungen aus dem Bett. Fast schon fluchtartig verließ sie das Schlafzimmer, wobei es trotz allem langsamer als sonst gewesen wäre.
Aaron sah ihr hinterher und seufzte, bevor er sich aufs Bett fallen ließ. Es war nicht einfach mit Saori umzugehen und wahrscheinlich brauchte sie erst einmal ein bisschen Ruhe. Tabitha hatte sie nicht nur körperlich verletzt.
Noch nie war es einfach gewesen, mit ihr umzugehen. Dafür gab es so viele Gründe: Die unterschiedliche Rasse, Erziehung und Welt. Aber auch das, dass sie allein gewesen war ließen sie an vielen Dinge, die für andere normal war, zweifeln.
Hektisch rannte die Dämonin in den Tanzsaal, wo sie nun doch in Tränen ausbrach. Weinend holte sie einen Lappen und kniete sich auf dem Boden, um den Pinsel und die getrocknete Farbe zu entfernen. Sie hatte recht damit behalten, dass es nicht einfach sein würde.
Das Mädchen mit den silbernen Haaren wollte sich selbst strafen, indem sie das ungeachtet der Verletzungen tat. Dass Aaron sie nicht bestrafte, nagte an ihr. Auch, wenn sie ihn beschützt hatte, hätte sie Tabitha niemals angreifen dürfen. Es hätte auch noch eine andere Möglichkeit als das gegeben. Wenn sie nur schneller etwas anderes gefunden hätte. Der ganze Tag war eine Katastrophe für sie gewesen.
In der Zwischenzeit kam Ikaia, der nach ihr sehen und die Umschläge austauschen wollte. Als er jedoch das Zimmer betrat, konnte er nur Aaron im Bett vorfinden. „Wo ist sie?", fragte er alarmiert. In ihrem Zustand war es nicht ratsam, sich wo anders aufzuhalten. Mit einem Hitzschlag war nicht zu spaßen, die Ohnmacht und folgen konnten auch später auftreten.
Aaron richtete seinen Blick auf Ikaia. "Wahrscheinlich ist sie sich selbst bestrafen", seufzte er. "Sie wollte unbedingt die Farbe im Atelier wegmachen", erklärte er und erhob sich. "Ich wollte sie kurz gewähren lassen, damit sie ein paar Minuten Ruhe hat", fügte er hinzu, denn er würde sie gleich wieder zurückholen.
„Sich selbst bestrafen?", kam die Frage mit hochgezogenen Augenbrauen. Wie meinte er das genau?
"Weil sie Tabitha angegriffen hat", sagte er, wobei er das Wort so betonte, dass klar war, dass sie diese nicht aus Langeweile angegriffen hatte.
Seufzend folgte er dem Engel, der auf die Flure trat. „Irgendwie stimmt etwas mit ihrer Wahrnehmung nicht, so ungern ich es auch sage", murmelte er. Jedoch hoffte er gleichzeitig, dass sich die Dämonin, die sich extra zurückgezogen hatte. Sich nicht bedrängt fühlte, wenn Aaron sie holte.
Dass sie weinend auf dem Boden im Atelier kniete und putzte, wusste er noch nicht.
"Das weiß ich", seufzte Aaron. "Sie erwartet eine Strafe dafür, dass sie Tabitha verletzt hat. Dabei hat sie es aus guten Beweggründen getan. Ich weiß nicht, was ich mit ihr machen soll", gestand Aaron und klang sogar ein bisschen verzweifelt, obwohl er versuchte es zu verstecken.
„Vielleicht werdet Ihr gar nichts dagegen tun können. Sie ist anders aufgewachsen als Ihr und versteht manche Zusammenhänge nicht. Wohl, weil sie es einfach nicht anders kennt", überlegte der Arzt nachdenklich. So langsam machte er sich wirklich Sorgen um ihr Verhalten. Anfangs hatte Ikaia gedacht, es war einfach nur, um Aaron etwas vorzuspielen. Doch die Meinung hatte sich geändert.
"Denkst du, es wäre vielleicht sinnvoll sie sogar zu belohnen?", fragte er. "Immerhin hat sie etwas Gutes getan."
Ruhig war es in der Residenz, als sie die Flure entlangliefen, um zum Atelier zu gelangen. Wüsste man nicht, dass etwas vorgefallen war, konnte man das für einen normalen Tag halten. „An was für eine Belohnung denkt Ihr?", wollte er von ihm wissen.
"Ich habe keine Ahnung", gestand Aaron. Es war eigentlich nicht schwer etwas zu finden, was ihr gefiel, aber was würde sie als Belohnung ansehen?
Diese Frage war nicht einfach zu beantworten. Da Aaron sie jedoch am besten kannte, würde er vielleicht etwas finden.
Wobei dann wieder die Frage aufkam, ob Saori es überhaupt annehmen und akzeptieren oder ablehnen würde.
Beide betraten langsam das Atelier und Aaron musste sich sehr beherrschen nicht auf Saori zu zurennen.
Diese kniete noch immer auf dem Boden und schrubbte mit der letzten Kraft, die sie aufbringen konnte, wie verrückt diese eine Stelle, auf der sich grüne Farbe befand. Der Pinsel hatte nur einen kleinen Fleck hinterlassen, der sich jedoch nicht ganz so einfach vom hellen Boden entfernen lassen wollte.
Tränen liefen über ihr Gesicht, welche auf den Lappen tropften. Das leise Schluchzen, welches sie von sich gegeben hatte, war sogar auf dem Flur zu hören gewesen.
In dieses mischten sich wütende Worte an sich selbst, als würde sie sich selbst verfluchen. Das war auch der Grund, warum sie das Eintreten der Männer gar nicht bemerkte.
Aaron schaffte es einfach nicht ruhig zu bleiben. Schnellen Schrittes war er bei ihr, packte sie von hinten und zog sie hoch. "Das reicht jetzt", sagte er entschieden.
Erschrocken darüber, dass sie plötzlich hochgezogen wurde und seine bestimmende Stimme hörte, begann Saori tatsächlich, sich gegen ihn zu wehren und an ihrem Handgelenk zu reißen.
"Ich bin es", versuchte Aaron sie zu beruhigen, ließ sie aber nicht los.
Nicht einmal allein konnte er sie lassen, dabei war das genau das gewesen, was sie brauchte. Dass ihre Gedanken in eine schlechte Richtung gegangen waren, hatte sie nicht ahnen können.
Während sie geputzt hatte, waren so viele Dinge in ihr hochgekommen. Dinge, die Aaron nicht verstehen würde, genauso wie niemand anderes. Irgendwann hatte ihr Kopf sogar angefangen, sie zu beschimpfen. Genauso, wie ihre Familie es immer getan hatte, wenn sie versagt hatte.
Gegen die Gedanken kam sie nicht an, aber sie wurde von sich selbst und ihrem Kopf fertig gemacht. Dass sie es nicht wert sei, überhaupt zu leben. Dass sie sich selbst strafen musste, wenn es niemand anderes tat. Aber auch, dass sie sich nicht hatte beherrschen können, obwohl sie Aaron damit nur geholfen hatte.
Ihr Kopf brachte nur negative Seiten zum Vorschein anstatt das einzig Wichtige zu sagen, dass sie richtig gehandelt hatte.
"Saori", sagte Aaron sanft und drückte sie fest an sich. "Hör auf damit", bat er sie. "Du hast nichts falsches getan."
„Sie sollte zurück ins Schlafzimmer, wo es kühler ist. Ihr Körper sieht ... überhitzt aus", stellte Ikaia aus dem Hintergrund fest.
Ob es an den Tränen lag, dass sie so rot im Gesicht war oder wirklich wegen der Hitze, war nicht zu beantworten.
Jedoch offenbarte Saori gerade ihre andere Seite, die bisher noch nie wirklich zum Vorschein gekommen war. Die Seite, die selbstzerstörerisch wirkte. Und wenn es auch nur gegen sich selbst war. Anderen würde sie das nicht antun können. Sich selbst allerdings schon.
Aaron sah keine andere Möglichkeit, als sie mit seinem Staub ruhigzustellen. Er wollte sie nicht einschläfern, aber zumindest soweit runterbringen, dass sie aufhörte.
Sanft hob er sie auf den Arm, um sie zurückzubringen.
Wehrlos ließ sie es nun geschehen. Durch den Staub hatte sich eine schwere Müdigkeit in ihr ausgebreitet, die sie nicht mehr wirklich kontrollieren konnte. Saori war wach und bekam es mit und trotzdem konnte sie nichts dagegen tun. Der Lappen in ihrer Hand fiel zu Boden, sobald sie in Aarons Armen war und blieb dort liegen, als er sich auf den Weg machte.
Ikaia lief neben ihm her und sprach gedanklich zu Aaron. „Was, wenn Eure Belohnung etwas negatives in ihr auslöst?", wollte er wissen.
"Das habe ich mir auch schon überlegt", seufzte Aaron gedanklich. "Ich weiß einfach nicht, was ich tun kann und sollte", sagte er und war kurz davor der Königin zu schreiben und um ihre Hilfe zu beten, selbst wenn es hieß, dass er Tabitha verraten musste. Saori war ihm wesentlich wichtiger.
Es war schade, doch dabei konnte Ikaia ihm nicht helfen. Solche Entscheidungen lagen nicht in seinem Aufgabenbereich.
„Was ist Saoris wirkliches Problem?", fragte er Aaron nun. Bis jetzt hatte er das noch nicht herausgefunden. War sie eifersüchtig auf Tabitha? Wollte sie Aaron nur für sich? Oder was war der Grund, dass sie so reagierte?
"Ich weiß es nicht", seufzte Aaron. "Vielleicht glaubt sie, versagt zu haben oder etwas Falsches getan zu haben", schlug er gedanklich vor. Er würde es in Erfahrung bringen müssen. Möglichst schnell.
Aufmunternd legte er dem Engel eine Hand auf die Schulter. „Ihr werdet es hinbekommen. Ich hoffe, dass sie sich bald beruhigt. So aufgelöst habe ich sie noch nie gesehen", gestand Ikaia nachdenklich.
"Ich auch nicht", gestand Aaron, der sich wirklich Sorgen machte. Wenn sie so weiter machte, würde er sie ans Bett binden müssen, sonst tat sie sich noch mehr weh.
Genau wie am Anfang, als er sie angekettet hatte. Ob das ihre Gefühle noch mehr reizen würde?
Doch jetzt hing sie einfach in seinem Arm, den Kopf zur Seite gedreht, als würde sie Ikaia ansehen. Nur war ihr Blick auf den Boden dabei gesenkt.
Jedoch hegte Ikaia den gleichen Gedanken wie Aaron. Wenn es nicht anders ging, musste man sie wirklich fesseln.
„Ich hätte sie niemals angreifen dürfen ... nie das Halsband abnehmen dürfen ... es hätte eine andere Möglichkeit gegeben ...", murmelte Saori tonlos.
"Du hast nichts falsch gemacht", sagte Aaron erneut zu ihr. "Du hast es getan, um mir zu helfen", sagte er sanft. Wie konnte er sie davon abbringen, dass sie sich selbst so fertig machte?
„Ich hätte ... ihr nichts tun dürfen ...", beharrte Saori schwach. Mit Sicherheit hätte sie eine andere Lösung gefunden, Aaron zu befreien, ohne ein Chaos anzurichten.
"Du hast emotional gehandelt", sagte er sanft. "Du wolltest mich beschützen. Das kann dir niemand vorhalten", versuchte er es erneut und dieses Mal wendete er Saoris Taktik an. "Du gibst Tabitha doch auch nicht die Schuld, weil sie im Rausch ihrer Gefühle gehandelt hat. Wenn du also dich verurteilst, dann müsste man Tabitha auch verurteilen."
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