Kapitel 14
Kapitel 14
Aaron seufzte, zerriss den Brief und warf ihn in den Müll. Das konnte er der Königin nicht schreiben, denn dann würde er das Versprechen, das er Saori gegeben hatte, nicht halten können.
Dennoch musste er ihr schreiben. Es gehörte sich so. Also versuchte er das Geschehen anders zu formulieren, in der Hoffnung sie würde nicht nachfragen. Er stellte die Gefühle für Saori in den Vordergrund und verschwieg das meiste, was mit Tabitha war.
Plötzlich fuhr Saori gehetzt aus dem Schlaf hoch. Panisch sah sie sich um und tastete auf dem Bett nach Aaron, den sie nicht neben sich fühlte und nicht sofort am Schreibtisch entdecken konnte. Hektischer Atem mit gelegentlichen Keuchen füllte den Raum.
Aaron sprang auf und war fast sofort bei ihr. "Es ist alles in Ordnung", sagte er, als er sie in die Arme schloss.
Er konnte spüren, wie ihr zierlicher Körper zitterte. Das ließ langsam nach, als sie seine Arme um sich spürte. Noch immer atmete sie hektisch, als wäre sie gehetzt worden. Sprechen konnte sie nicht, dazu war ihr Mund zu gelähmt.
"Es ist alles in Ordnung", wiederholte Aaron sanft und nahm die kalten Tücher, die von ihr gerutscht waren, als sie sich aufgesetzt hatte.
„Tabitha ... geht es ihr gut?", war die erste Frage, die sie von sich geben konnte.
"Tabitha geht es gut", sagte er sanft. "Ikaia hat sich um sie gekümmert. Es tut ihr leid, was passiert ist."
„Wirklich?", fragte Saori heiser. Es war ihr wichtig, dass es Tabitha leid tat, was sie Aaron angetan hatte. Dass es ihr gut ging, ließ die Dämonin erschöpft in sich zusammensinken.
"Ja", versicherte Aaron sanft. "Aber wie fühlst du dich?"
Ein Kopfschütteln war die Antwort, die bedeuten sollte, dass es ihr nicht gut ging. Nur war ihr das egal. Solange es Tabitha und Aaron gut ging, war es in Ordnung. „Bitte verzeiht ihr", bat Saori ihn eindringlich.
"Verzeihen kann ich ihr nicht, aber ich werde sie nicht zu hart bestrafen", versprach er noch einmal. "Leg dich bitte wieder hin und lass mich die kühlen Lappen erneuern."
Es fiel ihr schwer, sich hinzulegen, wenn sie wusste, dass Tabitha bestraft werden würde. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, sobald sie lag. Es tat ihr so weh, wenn die Schwarzhaarige bestraft werden würde.
„Ich bin diejenige, die bestraft werden muss. Ich habe sie verletzt", weinte die Dämonin hemmungslos. Den Unterschied zwischen den beiden Vergehen konnte sie nicht verstehen. Sie wog ihr Vergehen viel mehr auf als Tabithas.
"Nein, mein Schatz. Du hast jemanden verteidigt", sagte er sanft. "Du hast dir nicht aus Eigennutz etwas nehmen wollen, von dem du wusstest, dass es nicht dir gehört", erklärte er und strich ihr sanft durch die Haare. Statt die kühlen Tücher zu wechseln, blieb er an ihrer Seite, um sie zu beruhigen.
„Ich hätte sie trotzdem nicht verletzen dürfen", beharrte die Dämonin erschöpft. Selbst wenn sie ihn beschützt hatte. Saori hätte es nicht mit ihren Kräften tun dürfen.
"Es ist wirklich alles in Ordnung", meinte Aaron sanft. "Ich bin dir nicht böse, dass du dein Halsband abgenommen hast und ich weiß auch schon, was ich den anderen erzählen kann. Tabitha wird nichts sagen, ohne sich selbst zu verraten, also ist alles in Ordnung."
Er war wirklich nicht böse? Erleichterung breitete sich in ihr aus, hatte sie doch große Angst gehabt, er würde ihr nicht verzeihen, dass sie es ohne seine Erlaubnis ausgezogen hatte.
„Es ist besser, wenn nur noch Ihr es ausziehen könnt", flüsterte sie angestrengt und leise. Sie wollte es nicht erneut riskieren.
Dass er den anderen Engel etwas Falsches erzählen wollte, fand sie nicht ganz richtig. Aber um Tabitha zu schützen war es wohl die beste Lösung.
Aaron schüttelte den Kopf. "Wenn das der Fall gewesen wäre, dann hätte Tabitha das ausgenutzt, um uns beiden zu schaden. So warst du in der Lage, mich zu beschützen", flüsterte er und versuchte es für Saori schmackhaft zu machen. "Außerdem möchte ich, dass du dich verteidigen kannst."
„I-Ich ... vielleicht habt Ihr recht ...?", kam es unsicher stammelnd von der Dämonin. Die Worte klangen wie eine Frage. Eine, von der sie nicht einmal wusste, ob es eher eine Feststellung war oder nicht.
Nur um ihn beschützen zu können, hatte sie ihre Flügel abtrennen lassen. Ohne das, wäre sie niemals in der Lage gewesen, zu ihm zu kommen.
Niemals hätte sie zur Insel fliegen können und vermutlich wären die Winde nicht stark genug gewesen, etwas anzurichten. Eigentlich sollte sie froh sein, dass sie dazu in der Lage gewesen war, Aaron zu beschützen, so wie sie es gewollt hatte. Nur deshalb hatte sie die ganzen Strapazen und Schmerzen auf sich genommen.
Aaron küsste sanft ihre Wange und dann ihre Nase, bevor er ihr einen innigen Kuss auf die Lippen drückte. "Du bist mein Ein und Alles."
Schüchtern, genau wie am Anfang erwiderte sie den Kuss. Ihr war selbst nicht mehr klar, was sie gerade fühlen sollte. Die Bilder von der Szene lagen ihr tief im Magen.
Erschöpft und sich schlecht fühlend, verwirrt mit den Gedanken, wusste sie nicht mehr, was richtig und falsch war.
"Du hast mir wirklich geholfen", sagte er sanft. "Ich hätte nicht gewusst, was ich ohne dich gemacht hätte", gestand er leise.
„Wenn ... niemand geholfen hätte ... was wäre dann passiert?", wagte sie leise zu fragen.
"Ich weiß es nicht genau", murmelte Aaron und schauderte. "Ich weiß es wirklich nicht."
„Hättet Ihr sie wirklich töten lassen?", fragte Saori tonlos. Tabitha war ein wichtiger Teil in seinem Leben, weswegen sie es sich nicht vorstellen konnte, dass er so grausam sein würde.
"Wenn jemand erfahren hätte, was sie getan hat, wäre mir keine andere Möglichkeit geblieben", erklärte er leise. "Sie hat versucht mich bewegungsunfähig zu machen und zu vergewaltigen. Das kann ich als Herrscher nicht auf sich beruhen lassen."
„Meint Ihr, sie hätte es wirklich getan? Also ...vergewaltigen", brachte sie mit Schaudern hervor, wobei ihre Familie in den Gedanken auftauchte.
"Sie hat weiter gemacht, obwohl ich deutlich gesagt habe, dass ich nicht möchte", sagte er und zog sie sanft an sich.
Daraufhin wusste sie nichts zu erwidern. Ihr Blick ging zum Fenster hinaus, wobei ihr auffiel, dass es schon wieder langsam Nacht wurde.
Wie viele Stunden sie wohl geschlafen hatte?
Wie viel Zeit war vergangen, seit Aaron sich bei ihr gemeldet hatte?
All das und noch viele andere Dinge gingen ihr durch den Kopf. Tabitha in dem Stück Stoff, dem ihren ähnlich gesehen hatte. So elegant und wunderschön hatte sie ausgesehen.
Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie ihres extra aufs Bett gelegt hatte. Wo war es nur? Suchend blickte sie sich auf dem Bett um.
"Was ist los?", fragte Aaron leise und beobachtete sie neugierig.
Langsam setzte sich ein Puzzle in ihrem Kopf zusammen. Das Ergebnis davon mochte sie gar nicht. Er hatte es gesehen. Niemand sonst war in der Residenz gewesen und hatte es genommen, da war sich Saori sicher.
Die Überraschung, die sich die Dämonin lange überlegt hatte, war keine mehr. Lange hatte sie mit sich gehadert, ob es richtig gewesen war, das zu tun. Aufgeregt war sie sogar gewesen, weil sie gehofft hatte, dass es ihm zeigte, wie sehr sie ihm vertraute und einen Wunsch erfüllen wollte.
Und nun hatte Tabitha mit ihrer Aktion alles ruiniert. Wieso hatte sie so etwas ähnliches gehabt? Saori selbst würde nie so hübsch darin aussehen wie die Schwarzhaarige. Selbstzweifel über ihre Entscheidungen krochen in ihren schweren Glieder hoch.
„Nichts", brachte sie tonlos und heiser hervor. Den Grund würde sie dem Engel niemals verraten. Ersten spürte er genug und zweitens gab es keine Überraschung mehr.
Aaron gab ihr einen Kuss auf die Ohren. "Lass dich von Tabitha nicht verunsichern", sagte er ganz sanft. Gleichzeitig gingen ihm jedoch andere Gedanken durch den Kopf. Tabitha hatte gesprochen, als hätte sie die Dinge mitgehört. Wie konnte das sein? Woher wusste sie, dass er solche Kleidungsstücke mochte oder war das nur ein Versehen?
Darauf reagierte Saori nicht mehr. Ihr Blick war dunkel vor Enttäuschung geworden. Mit gesenktem Kopf saß sie im Bett und starrte auf ihre Hände, die sich in das Seidenlaken krallten.
Aaron zog ihren Kopf an seine Schulter. "Du musst nicht enttäuscht sein", sagte er sanft.
Was wusste er schon? Aaron konnte nicht nachvollziehen, wie viel Überwindung es Saori überhaupt gekostet hatte, den Wunsch bei Mal vorzubringen. Und selbst danach hatte sie daran gezweifelt, ob es richtig gewesen war. Immer wieder hatte sie darüber nachgedacht, wann sie sich endlich traute. Heute wäre ein Tag gewesen. Wäre. Wenn das nicht dazwischen kommen wäre.
"Ich liebe dich", sagte er sanft und küsste ihre Wange. "Nur dich, niemand sonst und deshalb wird alles, was du tust, immer für mich besonders sein", versicherte er ihr, weil er den Zusammenhang ihrer Enttäuschung durchaus nachvollziehen und verstehen konnte. Er wusste, dass sie Tabitha für schön hielt.
Natürlich wusste er, warum sie traurig war. Darüber reden wollte sie jedoch nicht. Gegen die aufsteigenden Tränen kämpfte sie an, sodass sie nicht in der Lage war, zu sprechen. Sonst würden die Tränen doch kommen.
Noch war es erfolgreich, dass sie sich dagegen wehrte, aber lange würde sie das nicht mehr durchhalten.
Nach ein paar mal Luft holen, sagte sie mit zitternder Stimme, dass sie die Farben im Tanzsaal, wo sie gemalt hatte, wegräumen musste.
Dass der Boden mit getrockneter Farbe beschmutzt war wusste sie, weil sie sich daran erinnerte, dass ihr der Pinsel heruntergefallen war.
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