Kapitel 47

Kapitel 47

"Etwa eine Stunde noch", erklärte ihr der Engel, der froh war, dass sie scheinbar abgelenkt war.

Das war gut und sicherlich würde die Zeit sehr schnell vorbei gehen. Wären sie geflogen, hätte Aaron sie auf halber Strecke zu Auron bereits tragen müssen. Ob Auron mit seiner Frau auch flog?

Der Engel hatte bis jetzt nicht gesprochen, sondern Yukiko zugesehen, wie sie mit dem Eis spielte. Sprachen sie auch in Gedanken zueinander?

"Fertig", bemerkte Yukiko und wirkte nicht sonderlich begeistert, doch Aaron spürte ihre Gefühle.

"Sehr schön ist es geworden", lobte Auron, der sanft ihre Schulter küsste.

Yukiko schien nur wenig ihre Lippen zu bewegen, doch ihre Gefühle waren sehr liebevoll. Sie streckte die Blume zu Saori. "Für dich."

„Für mich?", fragte sie erstaunt. Für was hatte sie das verdient? „Vielen Dank", hauchte Saori ehrfürchtig, fragte aber daraufhin, ob sie denn nicht schmelzen würde. Auf Aarons Insel war es sehr heiss.

"Sie wird leider sowieso nicht lange halten", entschuldigte sich Yukiko. "Aber sie könnte Euch kühlen", meinte sie freundlich.

Das fand Saori so nett von ihr, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Dass die Blume nicht für die Ewigkeit halten sollte, machte sie jedoch auch traurig. Nur zu gern hätte sie die mit nach Hause genommen.

"Es ist leider nur Eis, das schmelzen kann", meinte Yukiko entschuldigend, der Saoris leichte Tränen nicht entgangen waren.

„Wenn Ihr uns besuchen solltet, würde ich gerne eine davon in den Gefrierschrank stellen. Dann hält sie für die Ewigkeit", bemerkte sie lächelnd.

"Sehr gern", lächelte Yukiko oder zumindest glaubte Saori, dass sie das tat.

Es war schwer zu erkennen, ob sie böse war oder freundlich. Eine schwierige Mischung, von der Saori nicht wusste, wie sie diese Handhaben sollte.

Schneller als erwartet näherte sich die Fahrt dem Ende und eine sehr große Insel kam in Sicht.

"Wir sind gleich da", bemerkte Aaron, der das durch das Fenster sehen konnte.

Auron drehte leicht den Kopf und nickte.

Die Insel war sehr viel bebaut. Große, kahl wirkende Gebäude zogen sich in die Länge. Jedoch nur aus der Ferne. Je näher sie kamen, desto besser konnte man es erkennen, wie warm und einladend es wirkte.

Allerdings herrschte hier auch eine gewisse hektische Betriebsamkeit. "Man könnte sagen, dass das hier der Krankenbereich ist", erklärte Aaron, der ihr den Arm reichte. "Wenn jemand krank ist, kann man ihn hierher bringen, wenn man ihn zuhause nicht versorgen kann."

Das verrieten die vielen Engel und andere Rassen, die teilweise rannten. Aber warum würde man Tabitha und Abisai hierher bringen? Sie waren doch nicht krank.

"Hier befinden sich auch die Heiler, die ihre Erinnerungen bearbeiten werden", erklärte Aaron ungefragt weiter. "Sie haben eine extra Einrichtung und weil sie auch andere Dinge machen, muss man zu ihnen. Man braucht auch einen Termin."

Ihren Blick konnte sie gar nicht auf eine Sache lassen. So viele Menschen waren hier und man sah sogar Patienten, die mit Hilfe von anderen draußen spazieren gingen. Zu dem Krankenhaus gehörte ein wunderschöner Park, der ihr zuerst verborgen geblieben war.

Allerdings machten ihr so viele Menschen Angst. Noch nie hatte sie, außer auf dem Fest, so viele Engel und andere gesehen.

Aaron streichelte ihr beruhigend den Rücken. "Wir haben es nicht weit", versprach er, während sich Yukiko um Tabitha und Abisai kümmerte.

Energisch ging Yukiko mit ihnen um. Und zum ersten Mal konnte Saori in Tabithas Gesicht etwas wie Unwohlsein erkennen. Ob sie wusste, warum sie überhaupt hier war?

Aaron legte einen Flügel schützend um Saori und blickte Tabitha sogar recht böse an. Er hatte ihr noch nicht verziehen, was sie getan hatte und Abisai erst recht nicht. Dieser hätte fast die Liebe seines Lebens getötet.

Allerdings mehr wegen Tabithas Befehlen.

So böse wie Aaron zu schauen, konnte Saori gar nicht. Sie empfand Mitleid mit den beiden. Sicherlich war es nicht angenehm für sie, hier zu sein. Hoffentlich würden sie keine Schmerzen spüren.

Yukiko trieb sie förmlich vor den Engeln her. Ihre Hände waren gefesselt, so dass sie kaum eine Möglichkeit hatten, Dummheiten zu machen.

„Tut die Behandlung weh?", fragte Saori in Gedanken. Am liebsten wäre sie umgekehrt, so unwohl fühlte sie sich bei so vielen Engeln.

"Nein, das wird sie nicht", meinte Aaron sanft. "Sie werden es gar nicht merken, weil sie schlafen", erklärte er ihr weiter.

Erleichtert seufzte sie auf. Das hätte sie nicht ertragen, wenn sie Schmerzen dabei gehabt hätten.

Yukiko führte sie in das Gebäude hinein, welches sehr steril und sauber wirkte. Sie wusste, wo sie angemeldet waren und führte sie dorthin. Dabei begegneten sie wirklich vielen Engeln, was bei Saori leichte Panik hervorrief.

Doch es ging alles sehr schnell und bald schon wurden Tabitha und Abisai weggeführt. Dafür blieben die beiden Engel mit ihren Frauen in einem gemütlichen Warteraum zurück. Hier waren sie auch allein.

Essen und Trinken wurde angeboten, doch Saori nahm sowieso nichts an. Dafür knetete sie nervös ihre Hände im Schoß und immer wieder blickte sie zur Tür. Wann würden sie zurückkommen? Sobald Stimmen auf dem Flur lauter wurden, spürte sie eine innere Unruhe. Oft genug waren es jedoch einfach nur Leute, die vorbeigingen.

„Wie lange dauert es denn?", fragte sie leise.

"Das ist schwierig zu sagen", meinte Aaron und blickte fragen zu Auron. Dieser zuckte jedoch die Schultern.

"Vielleicht noch ein paar Minuten oder eine Stunde", sagte er.

Saori hoffte für das Erste. So schnell es ging wollte sie weg, doch zuerst mussten sie noch testen, ob es etwas gebracht hatte.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, als ein Engel den Raum betrat. "Wir sind fertig und sie sind wieder wach. Wenn Ihr uns bitte begleiten würdet, würden wir testen wollen, ob alles so funktioniert hat, wie es soll", erklärte der Mann mit dem weißen Kittel.

Seine Präsenz war sehr stark und Saori brachte es nicht fertig, aufzustehen. Wie am Stuhl war sie festgeklebt. Richtig einschüchternd wirkte er. Alt und weiße und so rein.

Aaron half ihr, indem er sie sanft, aber bestimmt hochzog. Dann legte er einen Arm um sie, damit sie sich sicherer fühlte und nickte dem Mann zu.

Dieser führte sie einen Flur entlang und blieb vor einer Tür stehen. Sie würden dabei sein, um gegebenenfalls eingreifen zu können. Die beiden waren in zwei getrennten Zimmern, damit sie unabhängig voneinander reagieren konnten.

Schwer schluckend stand Saori neben Aaron und atmete tief ein, bevor der Arzt die Tür öffnete und Tabitha zum Vorschein kam, die in einem Krankenbett lag.

Sie wirkte überrascht, als sie Aaron und Saori sah. So, als würde sie diese nicht erkennen. Jedoch waren kurz darauf Gefühle zu spüren, die etwas anderes sagten. Jedoch war ihr Blick dennoch immer noch sehr verwirrt.

Auch dem Mann in dem weißen Kittel blieb das nicht verborgen. Er schrieb sich Notizen dazu auf, wobei er sich im Hintergrund hielt. „Ihr könnt mit ihr reden", bemerkte er. So würden die Gefühle schneller zum Vorschein kommen.

"Hallo Tabitha", sagte Aaron sanft, als würde er sie das erste Mal ansprechen. "Erinnerst du dich daran, wer ich bin?", wollte er wissen und strich provokativ über Saoris Flügel.

„Meister Aaron?", fragte sie verwirrt. Ihr Blick ging zwischen ihm und Saori und obwohl sie fragend aussah, konnte er eine Welle der Gefühle spüren, die Bände sprachen.

Der Arzt nickte und deutete dann an, dass sie wieder gehen konnten. "Es scheint, als würden die Gefühle zu tief sitzen", sagte er entschuldigend. "Die letzten Geschehnisse scheinen zwar weg zu sein, doch sie erkennt Euch dennoch wieder."

„Könnt Ihr nicht noch mehr Ereignisse löschen?", fragte Saori schüchtern, da sie nicht willig war, Tabitha einfach so aufzugeben. Dass Tabitha auf dem Sklavenmarkt landen sollte, gefiel ihr nicht. Wie war es dann mit Abisai?

"Leider löschen wir die Erinnerungen nicht. Das geht nicht, ohne Schäden im Gehirn zu verursachen. Sie werden blockiert und diese Blockade muss immer erneuert werden", erklärte ihr der Arzt freundlich und geduldig. "Aber ihre Gefühle sind so stark, dass diese Blockade nicht reicht."

Die Erklärung des Engels sagten ihr, dass wohl nicht mehr viel Hoffnung bestand.

Ein flehender Blick zu Aaron gab ihm zu verstehen, dass er etwas tun sollte. Saori wollte sie nicht einfach aufgeben. Das war ungerecht.

Dennoch glaubte sie, dass Aaron nicht mehr gewillt war, ihr noch eine Möglichkeit geben, sich zu beweisen.

„Was ist mit Abisai?", fragte sie leise.

"Bei ihm scheint es nicht ganz so schlimm zu sein", meinte der Heiler und führte sie in einen anderen Raum.

"Es tut mir wirklich leid", meinte Aaron sanft gedanklich zu Saori. "Ich habe wirklich gehofft, dass das hier helfen könnte."

"Was passiert mit ihnen?", fragte Saori nervös in Gedanken.

Als sie Abisai jedoch sah, drehte sich ihr Magen noch mehr um. Dieser sah ihnen entgegen, als ob er sie zum ersten Mal sehen würde, doch irgendetwas verriet ihr, dass es nicht ganz der Wahrheit entsprach.

Er sah sich um und runzelte die Stirn, als er sie sah. "Wo ist Tabitha?", fragte er sofort, wirkte jedoch noch immer nicht, als würde er sie erkennen.

Erneut notierte der Arzt etwas. "Hier scheint es auch nur bedingt zu wirken."

Das war ein Schlag in den Magen für Saori. So sehr hatte sie gehofft, dass es helfen würde. Mit hängendem Kopf drehte sie sich um und verließ ohne etwas zu sagen, den Raum.

Alle Hoffnung war umsonst gewesen.

Aaron folgte ihr. "Es tut mir leid", sagte er gedanklich. "Ich habe wirklich gehofft, dass es helfen würde. Aber sie sind keine Engel", seufzte er. "Außerdem hatten die Heiler Anweisung ihre Gehirne nicht zu verletzen. Lieber so, als am Ende irgendwelche Verletzungen. Das kann leider durchaus vorkommen."

Langsam nickte sie, doch so richtig damit anfreunden konnte sie sich nicht. "Was wird jetzt passieren?", fragte sie tonlos, als sie auf dem Weg zurück zu Auron und Yukiko waren.

"Das wird Auron entscheiden. Sie sind jetzt Teil seines Hofes und wenn er es noch einmal probieren möchte, dann kann er das. Sonst wird er ihnen einen neuen Platz suchen", erklärte Aaron, der Saoris Flügel beruhigend streichelte.

Mit den Zähne knirschend nickte sie nur. Wie das Urteil sein würde, konnte sie sich vorstellen. Jedenfalls nicht zu ihrer Zufriedenheit. So richtig beruhigen konnte sie sich allerdings nichts. Ihr war richtig schlecht. Nicht nur durch den Stress, sondern auch die vielen Engel um sie herum sorgten dafür.

Aaron legte einen Flügel um sie. "Wir sollten wieder nach Hause fahren", bemerkte er sanft. "Dir geht es nicht gut."

Daraufhin nickte sie erneut und setzte sich in der Kutsche in die äußerste Ecke. Sie brauchte Zeit, sich damit abzufinden. Auron und seine Frau folgten ihnen und setzten sich den beiden gegenüber.

"Wir würden aussteigen, sobald wir über unserer Insel sind, damit ihr beide gleich weiter reisen könnt", schlug Auron vor, der seine Frau auf dem Schoß hatte.

Das war auch in Ordnung. So würden sie nicht anhalten und aussteigen müssen. Nachdenklich betrachtete Saori die Blume in ihrer Hand, die sie von Yukiko bekommen hatte. Sie war so schön, dass es ihr beinahe Tränen in die Augen trieb.

Allerdings war sie auch sehr kalt und an einigen Stellen tropfte sie ganz leicht, weil sie bereits taute. Hoffentlich würde sie es bis zurück schaffen.

"Könnt Ihr sie noch einmal kühlen? Ich würde sie gerne irgendwie nach Hause bringen können", bat Saori Aurons Frau sehr leise.

"Natürlich", stimmte sie sofort zu und hielt ihre Hände links und rechts von Saoris und dann kam Kälte aus ihren Händen.

Begeistert über die Kälte nickte Saori. "Das fühlt sich sehr gut an", meinte sie, denn sie spürte die Temperatur sehr gut durch die Handschuhe hindurch.

"Ihr mögt Kälte?", fragte Yukiko sie überrascht.

Vorsichtig nickte Saori. "Hitze ist sehr schlecht für mich. Je kälter etwas ist, desto schöner fühlt es sich an", brachte sie leise hervor.

"Wirklich? Wart ihr dann schon einmal im Eismeer?", wollte Yukiko wissen und blickte kurz fragend zu Aaron. "Dort kann man wunderbar Schlittschuhlaufen."

"Was ist das?", fragte Saori leise. Ihre Schüchternheit wurde bei diesen Themen weniger und sie taute anscheinend auf. Yukiko schien nett zu sein, obwohl sie so kalt wirkte.

"Das Eismeer ist eine Insel, auf der es sehr kalt ist und die fast nur aus Eis besteht", erklärte Yukiko.

"Geht Ihr mit mir dorthin?", fragte Saori begeistert an Aaron gewandt. Wenn sie dort leben würde, müsste sie sich keine Gedanken mehr wegen der Hitze machen.

"Wir können es sehr gern einmal besuchen", stimmte Aaron zu. "Es ist aber etwas weiter weg."

Daraufhin verzog sie ihren Mund. Das war nicht wirklich gut. Aber mit der Kutsche war das sicherlich machbar.

"Ich müsste dich den Großteil der Strecke tragen", erklärte er. "Kutschen können dort nicht landen, sie würden festfrieren."

"Ihr könnt mich auch gleich dort lassen", neckte Saori sichtlich besser gelaunt als zuvor.

Aaron lachte. "Dort ist es zwar kalt und ich weiß du magst Kälte, aber leider wächst dort nichts", meinte er. "Daher würdest du dich wohl langweilen."

Schmollend verzog sie ihren Mund, was Auron kichern ließ. Saori konnte richtig niedlich sein, wenn sie schmollte.

Sanft begann Aaron ihren Nacken zu graulen. "Wir schauen es uns einmal an", versicherte er ihr.

Eine Frage blieb jedoch noch unausgesprochen. Was würde nun mit Tabitha und Abisai passieren?

Das würde wahrscheinlich nur die Zeit zeigen.

Es dauerte etwas, bis sich Auron und Yukiko verabschiedeten. Während der Fahrt öffnete Auron die Tür und stürzte sich mit seiner Frau im Arm hinaus. Diese schrie vor Lachen und man hörte deutlich, wie viel Spaß sie dabei hatte.

Erschrocken darüber sah sie Aaron an. „Er ist genauso verrückt wie Ihr", stellte sie kopfschüttelnd fest.

Sobald die Tür sich wieder geschlossen hatte, kam Saori zurück auf Aarons Schoß. Dabei sah sie dem blauhaarigen Engel nachdenklich hinterher. „Ich würde mir wünschen, dass sie bei ihm noch eine Möglichkeit bekommen", murmelte sie. Die Kutsche, in der sich Abisai und Tabitha befanden, war bereits im Landeanflug auf Aurons Insel.

"Vielleicht gewährt er ihnen noch eine", meinte Aaron sanft. "Aber hier werden sie nicht glücklich."

Langsam sah sie das auch ein, egal wie viel Hoffnung sie gehabt hatte.

Müde von der Anstrengung und der Übelkeit setzten sie ihren Weg nach Hause fort.

Nur die Zeit würde zeigen, was passieren würde. Doch nun gab es etwas Wichtigeres zum Vorbereiten: Die Hochzeit.

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