Kapitel 37

Kapitel 37

Immer wieder erwachte Saori aus unruhigen Träumen und presste sich gegen die kühle Höhlenwand. Selbst als es Tag wurde, schlief sie die meiste Zeit. Das Mädchen war so sehr erschöpft, dass sie es nicht schaffte, aufzustehen.

Dafür war Ronny an ihrer Seite. Noch immer so verwirrt wie am Anfang.

Als es langsam dunkler wurde, wachte Saori erneut auf. Tiefe Trauer, aber auch Angst spiegelten ihre Gefühle wieder. Trauer darüber, dass sie sich auf ein Spiel eingelassen hatte, bei dem sie am Ende doch verlieren würde.

Das Gute, was sie in Aaron gesehen hatte, waren durch seine eigenen Worte verloren gegangen. Und nur, weil Ronny sie vor dem Bösen beschützen wollte.

„Es tut mir leid, dich von Myuvi getrennt zu haben", flüsterte Saori dem Kater leise zu.

Sie hatte sich wieder beruhigt, doch noch immer waren ihre Gefühle sehr stark zu spüren.

Ronny maunzte und packte sie an ihrem Badeanzug, den sie noch immer trug und zog daran, als würde er von ihr wollen, dass sie aufstand. Er jammerte, weil er zurück wollte und nicht verstand, was los war. Zudem kamen aus dem Wald immer wieder seltsame Geräusche, aber etwas Vertrautes konnte er wahrnehmen und dorthin wollte er.

Auch Saori hatte die seltsamen und unheimlichen Geräusche des Waldes wahrgenommen. Allerdings erst, nachdem sie geschlafen und sich etwas beruhigt hatte. Dunkel lag er vor ihnen und ließ nicht einmal am Tag sehr viel Licht hinein.

Egal, wie stark Ronny auch an ihr zerrte, er bekam sie nicht aus der winzigen Höhle hinaus. Nicht, weil sie feststeckte, sondern weil sie weder wollte, noch die Kraft hatte, aufzustehen. Noch immer zitterte ihr ganzer Körper stark und die kleine Glocke am Dämonenschwanz klingelte eine seltsame Melodie.

"Ich kann nicht, Ronny", flüsterte Saori erschöpft. Hier würde sie bleiben. Im Schutz eines kleines Berges, wo sie hoffentlich niemand finden konnte. Hier, wo sie allein sein würde und sterben konnte. Angst vor dieser Art des Todes hatte sie seltsamerweise nicht.

Noch nie in ihrem Leben war sie verzweifelter als jetzt gewesen. All das Vertrauen, was sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, war wie weggeblasen. Dazu hatten nur ein paar Worte ausgereicht.

Dabei hatte Aaron nie etwas zum Anlass gegeben, was ihrer Befürchtung recht gab. Das war in ihrem Gedächtnis allerdings verdrängt.

Da Saori sich strikt weigerte, sich zu bewegen, ließ Ronny schließlich von ihr ab, maunzte ihr zu und ging allein in den dunklen Wald. Nicht einmal das Zwicken hatte geholfen.

Er wollte nachsehen, woher das vertraute Gefühl dort kam.

Ronny maunzte mehrmals leise, während er dem Gefühl folgte und immer wieder die Ohren spitzte, weil er Angst hatte, gleich angegriffen zu werden.

Dann hielt er vor einem Baum inne und schnupperte, bevor sein Schwanz aufgeregt und freudig umherwackelte. Mit zwei Sätzen war er auf dem Baum und beschnupperte die Äste, um sein Ziel zu finden.

Aaron blieb ruhig sitzen, als der Kater näher kam. Er wusste nicht, was er wollte, aber er wirkte verstört, weil er die ganze Zeit zitterte.

Aarons Geruch nahm er jedoch war. Auch die Präsens des Engels war für die Dämonenkatze sehr spürbar. Zwar konnte Ronny nichts sehen, doch sein feines Näschen war gut genug, um den Geruch aufzunehmen. Intensiv schnupperte er an jedem Ast.

Plötzlich blieb Ronny vor dem unsichtbaren Aaron sitzen, ließ seinen Schwanz vor Freude wie ein Hund wackeln und maunzte. Es hörte sich erleichtert an.

Aaron war nicht überrascht darüber. Ronny war noch ein Kind, das seine Grenzen austestete, wenn er mit Aaron spielte oder mit Saori unterwegs war. Dennoch war er ein Kind und der Engel seine Bezugsperson. Jedoch auf eine andere Art wie Saori.

Der Engel tätschelte ihn beruhigend. "Was machen wir jetzt Ronny?", wollte er leise wissen und klang besorgt.

Maunzend schmiegte sich der Kater an die unsichtbare Person vor ihm. Aarons Stimme verriet ihm, wo er genau war. Seine Zunge leckte an der Tunika des Engels, als würde er sich und auch ihn beruhigen wollten. Das Schnurren, was er sonst nur Saori entgegenbrachte, galt nun auch Aaron.

Immer wieder maunzte er leise. Verzweifelt und traurig klang es.

Aaron nahm ihn auf die Arme und streichelte ihn sachte. "Sie ist ein sehr verletztes Mädchen", erklärte er ihm. "Sie glaubt, dass ich ihr schaden möchte, weil sie nicht versteht, dass du mich nicht als Gefahr siehst, sondern als Mitglied der Gruppe", erklärte er dem Kater, weil er wusste, dass dieser ihn verstehen würde. Dennoch war er ein kleiner Junge.

Jedoch hatte Aaron zu ihr gesagt, dass Ronny ihn als eine Gefahr sah. Auch hatte er zugegeben, dass er selbst gefährlich war. Dieses hatte sie wohl missinterpretiert. Aber so war es häufig bei ihr. Durch ihre Ängste und Unsicherheiten dachte Saori immer, dass man sie bestrafen wollte. Egal, wer es war.

Damals hatte sie gesagt, dass auf jede Freundlichkeit etwas Schlimmes passieren würde. Nur, weil ihre Eltern es ihr eingebläut hatten.

Ronny maunzte und rieb seinen Kopf am Kinn des Engels. Es klang zustimmend und leicht zwickte er ihn, als würde er fragen, was sie tun sollten.

Aaron wusste es nicht. Wenn er sie bestäuben und zurückbringen würde, würde sie vielleicht noch mehr in Panik ausbrechen. Aber wenn sie hier blieb, würde sie nur krank werden und sich verletzen. Er war sich sicher, dass es genug wilde Tiere in diesem Gebiet gab, die sie fressen wollten.

Eventuell legte sie es auch darauf an. Als gerechte Strafe für sich selbst, so dumm gewesen zu sein, jemanden zu vertrauen.

Die Zeit verging und endlich schaffte es Saori, sich zu erheben. Viel geweint hatte sie und fühlte sich überhaupt nicht gut. Ihre Haut war aufgeschürft, nachdem sie in der Nacht so oft gefallen war.

Ronny war nicht zurückgekehrt und sie machte sich Sorgen um ihn. "Ronny?", rief sie heiser und vorsichtig in den dunklen Wald hinein. Sie selbst blieb dicht an der Felswand stehen und versuchte, etwas zu erkennen.

Ein Maunzen erklang aus dem Wald. Es wirkte aufgeregt und dann kam Ronny zurück gerannt, um ihr das Kinn zu lecken, bevor er jedoch wieder in den Wald rannte. So, dass sie ihn sehen konnte. Er sprang hoch und schien etwas zu fassen bekommen zu haben, bevor er an etwas zog, das Saori nicht sehen konnte. Er maunzte aufgeregt und zufrieden dabei, als er an Aarons Flügel zerrte, damit dieser ihm folgte.

"Bleib hier Ronny", rief sie ihm zu, blieb jedoch stehen. Hatte er etwa etwas zu fressen gefunden? Vielleicht war er auf der Suche nach etwas zu essen für sie gewesen. Jedoch verstand sie nicht, wieso er plötzlich so aufgeregt war.

Ronny ließ von dem Etwas ab und sprang wieder maunzend auf Saori zu, bevor er versuchte diese in die Richtung zu schieben, in die er gerade gegangen war. Dabei maunzte er immer weiter und voller Vorfreude.

In den dunklen Wald würde sie jedoch nicht gehen. Auf keinen Fall. Deshalb blieb sie, trotz Ronnys Versuche, sie zu ziehen und zu schieben, am Eingang der kleinen Höhle stehen.

Was versetzte Ronny nur so in Aufregung? Egal, wie sehr sie sich bemühte, etwas zu erkennen, mehr als Dunkelheit war es nicht.

Aaron entschied sich dazu, seinen Staub einzusetzen, damit sie sich beruhigte.

Er wollte nicht, dass Saori wieder panisch wurde.

Ronny ließ von ihr ab und begann vor Aaron herumzuspringen, als würde er diesem sagen wollen, dass er den Schleier lüften sollte.

Diese plötzliche Ruhe in ihr kam Saori komisch vor. Es machte sie misstrauisch, weshalb sie sich an die Felswand drängte. Dass Ronny sich so seltsam benahm, machte es nicht besser. War ihr etwa jemand gefolgt?

Aaron ließ den Schleier fallen, der ihn unsichtbar machte und Ronny wedelte zufrieden mit dem Schwanz, als er erneut seinen Flügel mit den Zähnen packte und ihn zu Saori ziehen wollte.

"M-Meister?", keuchte sie erschrocken auf. Bilder der Vergangenheit blitzten vor ihren Augen auf. Damals, als er sie bei den Tunneln erwischt hatte. Die Panik, die sie damals schon gespürt hatte, wurde auch jetzt deutlich spürbar.

Er war ihr gefolgt. Was jetzt kommen würde, wusste sie. Wegrennen half nicht mehr, obwohl sie sich so sehr an die Felswand drückte und darüber nachdachte, weiterzufliegen. Das ihre Flügel sie nicht weit tragen würden, wusste sie jedoch auch. Zu erschöpft war sie, um überhaupt in den Himmel zu springen.

Aaron konnte spüren, wie die Angst von ihr ausging. Saoris Körper zitterte wie Espenlaub, als sie ihn mit großer Furcht anstarrte.

Doch dann geschah etwas, womit er wohl nicht gerechnet hatte. Sie ließ ihre Arme und den Kopf senken und schloss die Augen. "Bitte ... lasst mich nicht leiden ... bringt es endlich hinter Euch", bat sie tonlos. Tränen rollten von ihrer Wange, weil sie wusste, dass es kein Entrinnen mehr gab.

Saori präsentierte sich einladend dazu, dass er nun das tun konnte, was er ursprünglich vorgehabt hatte. 

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