Kapitel 36
Kapitel 36
"Saori", sagte Belle noch einmal. "Vor was hast du Angst?", fragte sie sanft und hoffte, so eine Antwort zu bekommen.
Nur mit Müh und Not brachte sie Aarons Namen hervor. Dass die ganze Freundlichkeit nur gespielt war, hat ihr Ronny gezeigt. Warum sonst würde er sie vor ihm beschützen wollen, aber nicht vor Dion oder Zepyhr?
Belle hob die Hand und fuhr ihr sanft über die Wange. "Ronny ist noch sehr jung", sagte sie sanft. "Er möchte der Herr im Haus sein und Aaron ist seine Konkurrenz. Darum versucht er dich für sich zu interessieren und ihn von dir fern zu halten, damit er das Alphamännchen wird", erklärte Belle. "Aaron ist stark und würde diese Stärke nur einsetzen, um dich zu schützen. Das weißt du doch", sagte sie sanft.
Und trotzdem war Aaron gefährlich. Sie zu beschützen war nur ein Teil seiner Strategie, um im richtigen Moment zuzuschlagen.
Schon immer hatte sie ein bestimmtes Gefühl gehabt, dass es nicht normal war, dass ausgerechnet er sich so um sie kümmerte.
Ihre Gedanken waren verschlossen von allem, was sie als schön empfunden hatte. Alles war nur eine Lüge gewesen. Zumindest sagte ihr Kopf das. „Lasst mich allein!", rief sie aufgebracht und in Panik. Alles, was in der letzten Zeit zusammengekommen war, belasteten sie.
Wer sagte ihr, dass Aaron nicht derjenige war, der hinter all den Angriffen steckte? Vielleicht hatte er Tabitha und Abisai angestiftet, ihr weh zu tun, damit er kommen und sie retten konnte. Und sie somit für sich gewinnen, nur um ihr Vertrauen zu haben.
"Denkst du das wirklich?", fragte Belle besorgt. Wenn dem wirklich so war, hatten sie ein sehr großes Problem. Sie wusste, dass solche Gedankengänge sehr schwierig zu besiegen waren. Saori würde sich hineinsteigern, egal was Aaron tat.
„Geht weg!", schrie Saori heiser und rappelte sich an der Wand auf. Ihre sonst so strahlenden Augen verhiessen pure Panik.
Noch so gut erinnerte sich die Dämonin daran, wie er am Anfang davon gesprochen hatte, sich an ihren Eltern zu rächen. Das war ihr sogar egal. Doch die Drohung, Körperteile von ihr zu schicken, hatten sich tief in sie gegraben. Er war genauso grausam wie ihre Eltern. Nur auf eine strategische Art und Weise.
Zitternd tastete sie sich an der Wand des Badezimmers entlang, Ronny noch immer fest an sich gedrückt.
"Wenn es gar nicht geht, werde ich sie einstäuben", meinte Aaron gedanklich an Belle gewandt. Diese wusste nicht, ob das eine gute Idee war. Doch Saoris Panik tat weh und war für die junge Frau gefährlich.
Wie gefährlich es werden konnte, bewies sie genau in diesem Moment. Da das Badezimmer eine Tür zum Balkon hatte, suchte sie diese mit ihren Händen. Belle behielt sie dabei ständig im Blick.
Schließlich fand sie die Tür und riss sie auf, um auf den Balkon zu stolpern und in die Luft abzuheben. Ihr Sprung war nicht kräftig genug, weshalb sie sich an der Brüstung kurz verhakte und ihr Gleichgewicht beim Fliegen störte.
Mehr wie betrunken schlug sie mit den schwarzen Flügeln, um dieser Hölle zu entkommen.
Belle folgte ihr, um sie davor zu bewahren, von der Brüstung zu fallen. "Mach doch sowas nicht", sagte sie vor Schreck.
Der sanfte Griff der Engelsheilerin führte jedoch nur noch mehr dazu, dass sie sich wehrte. Irgendwie konnte sich Saori sogar von ihr befreien und stieß sich in die Lüfte ab. Sie musste weg, das war ihr klar. Wenn sie ihn heiratete, wäre sie für immer gefangen. Aaron würde tun können, was ihm beliebte.
Aaron beobachtete sie aus dem anderen Zimmer. "Soll ich sie gehen lassen, bis sie sich beruhigt hat?", fragte er Belle gedanklich. Er würde jedoch trotzdem auf sie aufpassen. Dennoch würde er ihr Zeit geben, bis sie sich beruhigt hatte.
„Wenn sie die Insel verlässt wird es schwierig. Ob sie sich beruhigt ist die andere Frage. So durch den Wind habe ich sie noch nie gesehen", gestand die Engelsheilerin, die Saori nachblickte, wie sie sich immer weiter entfernte.
"Ich lasse ihr Zeit", entschied Aaron, nahm aber bereits den Stein, der dafür sorgte, dass man ihn nicht sehen würde. "Aber nicht allein", meinte er und wartete, bis sie außer Sichtweite war, bevor er ihr folgte.
Dass sie durch die Nacht flog und sich immer weiter von der Insel entfernte, grenzte an ein Wunder. Niemals hätte sie sich getraut, das zu tun. Nur die Angst trieb sie dazu, einfach zu fliegen.
Keuchend hielt sie den schweren Kater im Arm, der aufgeregt maunzte. Ohne sich umzudrehen flog sie immer höher. Wo eine andere Insel war, wusste Saori nicht. Doch selbst jetzt würde sie es begrüßen, wenn ihre Kräfte nachließen und sie einfach in die Tiefe stürzen würde.
Irgendwohin musste sie doch kommen können. Egal, welche Insel es sein würde, sie musste sich verstecken.
Dass Aaron ihr folgte, bemerkte sie gar nicht. Sie ging davon aus, dass er endlich begriff, dass sie nicht die Richtige für ihn war.
Doch da sich der Engel getarnt hatte, würde sie ihn auch nicht wahrnehmen. So wie damals, als er sie am Boden überrascht hatte.
Er machte sich Sorgen, dass sie abstürzte. Noch nie war sie so lange geflogen. Was, wenn ihre Flügel einen Krampf bekamen und sie in die Tiefe stürzte? Aaron malte sich das Schrecklichste aus.
Wie von der Meute gehetzt flog Saori hierhin und dorthin. Orientierungslos wirkte sie, als sie sich ständig umsah, wo sie hinfliegen konnte. Dass Ronny die ganze Zeit maunzte, bemerkte sie nicht.
Endlich fand sie eine Insel, die dunkel und gruselig vor ihr lag. Mit dichten Bäumen und einem kleinen Berg sah sie eigentlich hübsch aus. Wenn es Tag gewesen wäre. In dem fahlen Mondlicht sah sie allerdings nicht einladend aus.
Jedoch hielt sie genau auf diese Insel zu, wo sie kurz darauf landete und keuchend in die Dunkelheit des dichten Waldes rannte.
Aaron folgte ihr und hoffte, dass ihre Gefühle bald nachließen. So panisch war sie noch nie gewesen. Was, wenn sie sich nicht beruhigte?
Niemand konnte wissen, wie lange diese Attacke anhielt. Egal wie weit sie sich entfernte, ihre Panikwelle schwappte zu ihm hin.
Durch die Dunkelheit war der Weg durch den Wald sehr beschwerlich. Die Ranken und Wurzeln auf dem Boden erkannte sie nicht, weshalb sie mehr als einmal hinfiel. Der Mond fand seinen Weg nicht durch das dichte Blätterdach und machten es noch schwerer, zu sehen.
Aufgeschürfte Knie und brennende Wunden hielten sie jedoch nicht davon ab, weiterzugehen. So weit, dass sie plötzlich am Fuße des Berges stand. Dort tastete sie sich an dem kalten Stein entlang und fand eine winzig kleine Höhle, in der sie sich endlich niederließ.
Keuchend und nach Luft japsend saß sie dort in der Dunkelheit mit Ronny, der die ganze Zeit bei ihr gewesen war.
Viel Platz bot sie nicht. Die Höhle war grad groß genug, dass sie sich in der Dunkelheit dort zurückziehen konnte. Leicht modriger Geruch breitete sich aus und der Boden fühlte sich kalt an.
Ronny jammerte und maunzte, während er endlich versuchte, von ihr los zu kommen, weil er wissen wollte, was los war.
Nur ungern ließ sie ihn endlich los. Dass sie ihn mitgenommen hatte, war dumm gewesen, doch Ronny war der Einzige, der sie beschützen konnte. Vor allem Bösen.
Dieser wirkte überrumpelt und leicht verstört, als er umherblickte und fauchte, während er sich vor Saori stellte und versuchte sie zu schützen. Jedoch war schnell zu sehen, dass er selbst sehr große Angst hatte und einen Buckel machte.
Die ganze neue Umgebung war einfach zu viel für ihn. „Ronny, komm her", bat Saori verzweifelt mit heiserer Stimme. Sie wollte den Kater bei sich halten, um sich zu beruhigen.
Dieser kam rückwärts auf sie zu und jammerte kläglich.
Sofort griff sie ihn und drückte ihn an sich. Liebevoll streichelte sie den maunzenden Kater und sprach leise mit ihm. „Danke, dass du mir die Augen geöffnet hast", flüsterte sie ihm zu.
Ronny wirkte überrascht und noch immer unruhig, während er maunzte und nicht wusste, was los war.
„Tut mir leid ... aber es ist das Beste für alle ... wenn ich gehe", murmelte Saori unglücklich. Dann würde man ihr nicht mehr weh tun können. Aber auch nicht mehr mit ihr spielen. Diese Gedanken hatte sie öfters gehabt. Einfach zu sterben, gerade wenn die Zweifel so groß waren.
Tränen fielen erneut auf das Fell des Katers und durchnässte ihn.
Dieser maunzte und stupste ihr Kinn an, als würde er sie trösten wollen. Er knabberte sogar etwas an ihrem Kinn.
Das Kreischen der Vögel in den Bäumen erschreckte sie richtig, doch sie fokussierte sich nur auf Ronny. Streichelte und küsste ihn immer wieder. Durch das lange Fliegen und der Erschöpfung fiel sie in einen unruhigen Schlaf, als der Himmel sich leicht rötlich verfärbte und den neuen Tag ankündigte.
Aaron blieb in ihrer Nähe und betrachtete sie. Kurz überlegte er, ob er sie wieder zurückholen oder hier lassen sollte.
Gedanklich nahm er mit Belle Kontakt auf und erklärte ihr, was los war und fragte, was er tun sollte.
Selbst Belle war damit überfordert. Dass Saori Hilfe brauchte, war klar. Wahrscheinlich war nur Aaron derjenige, der ihr helfen konnte. Auch wenn es im Moment nicht so aussah. „Bleibt bei ihr und beobachtet sie erst einmal. Vielleicht geht es ihr nach dem Schlafen besser", erklärte sie ihm. Aber sie bezweifelte auch, dass Saori allein zurückfinden würde.
"In Ordnung", meinte Aaron, der sich auf einen Ast niedergelassen hatte und darauf achtete, dass ihr nichts geschah. Er hoffte, dass sie bald wieder aufwachte und ruhiger wurde.
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