Kapitel 84

Kapitel 84

Dieser erhob sich zusammen mit ihr und trug sie in Richtung Küche, ohne sie dabei aus ihrem Halbschlaf zu reißen. Zumindest versuchte er es. Sanft setzte er sie auf dem Stuhl ab und holte dann eines hervor, das er ihre hin hielt.

Langsam nahm sie es ihm aus der Hand und steckte es sich in den Mund. Durch die Kälte wurde sie wacher und ihre Augen bekamen langsam den alten Glanz zurück, wenn sie sich freute.

Das gefiel ihm sehr. Die letzten Stunden waren sehr kräftezehrend gewesen, auch für Aaron. Zwar mehr mental, als körperlich, aber trotzdem war er froh, dass es jetzt erst einmal Ruhe war.

Schweigend saßen sie in der Küche, während Saori an ihrem Eis lutschte. Der Herzschlag hatte sich beruhigt und auch sie selbst wirkte viel ruhiger als den ganzen Tag.

„Wenn Ihr das nächste Mal kommt, würdet Ihr mir vielleicht neue Farben mitbringen? Und eventuell ein paar Lebensmittel?", fragte sie Aaron. Ihr Blick war nachdenklich nach draußen gerichtet, als würde sie etwas überlegen.

"Ich kann dir alles mitbringen, was du möchtest. Machst du mir eine Liste?", fragte er und beobachtete sie von der Seite. Es war gut, dass sie sich wieder beruhigt hatte.

Als Antwort nickte Saori. Dabei wirkte sie gedankenverloren, als sie aus dem Küchenfenster auf die Umgebung starrte.

Noch immer war ihr leicht übel, doch das Eis half ihr dabei, das wegzubekommen. Andächtig lutschte sie an dem roten Eis und wirkte dabei wie ein kleines Kind.

„Es tut mir leid, dass ich die Tabletten vergessen habe. Sie lagen nicht mehr auf dem Nachttisch und dann habe ich sie einfach vergessen", gestand Saori unwohl.

Ihr war bewusst, dass sie dadurch das Leben leichtsinnig aufs Spiel gesetzt hatte, aber da sie es nicht gewohnt war, Tabletten zu nehmen, war das irgendwie untergegangen. So etwas hatte es bei ihnen nicht gegeben.

"Noch ist ja alles gut gegangen", meinte Aaron, doch seine Stimme klang besorgt. "Ich frage mich aber, wo die Tabletten hingekommen sind."

"Vielleicht haben die Katudjalls damit gespielt, als Ihr mich in den Himmel entführt habt", meinte sie nachdenklich. So unwahrscheinlich war das nicht. Schließlich hatten sie die Blumenkübel, die Saori in seinem Zimmer hergerichtet hatte, umgegraben und zerstört.

"Das könnte sein, oder eines der Dienstmädchen hat sie weggeräumt", überlegte er. Dabei kam ihm Tabitha in den Sinn. Ob sie vielleicht ihre Finger im Spiel hatte.

Es war sehr gut gewesen, dass der Arzt gekommen war und die Tabletten angesprochen hatte. "Vielleicht werden wir das nicht herausfinden können. Auch wenn Ikaia ... gruselig ist, aber er meint es wohl auch nur gut", seufzte Saori und rieb sich leicht die Arme, als würde sie sich unwohl fühlen.

"Ja, das meint er", sagte der Engel sanft und küsste ihre Schläfe. "Wir meinen es beide nur gut", sagte er sanft.

Leicht lächelte Saori ihn an und warf den Holzstiel,, mit dem sie das Eis hatte halten können, in den vorgesehenen Behälter. "Ihr sagtet, dass morgen jemand wichtiges kommen wird. Wollt Ihr dann bereits heute Abend zurückfliegen? Dann habt Ihr morgen früh keinen Stress", wollte sie von dem Engel wissen und streckte sich vorsichtig.

Nach der Panikattacke fühlte sie sich müde und niedergeschlagen. Sie würde es wohl nie schaffen, diese Panik vor anderen zu besiegen. Das machte Saori traurig, weil sie die Notwendigkeit darin sah.

"Ehrlich gesagt, würde ich dich für morgen gern mitnehmen, damit er dich und du ihn kennenlernen kannst", sagte Aaron, fügte jedoch gleich hinzu: "Wenn du jedoch nicht möchtest, dann ist das auch in Ordnung."

"Was?", keuchte sie erschrocken. "Von was sprecht Ihr?", wollte sie zögernd wissen. Warum sollte sie mitgehen?

"Die Königin hat ihn hierher geschickt, damit ich jemanden erfahrenes habe, der mich unterstützt. Aber auch, weil sie möchte, dass ich auf dich aufpasse", sagte er sanft. "Ich weiß nicht, ob er jemals hierher kommen wird, aber es ist mir wichtig, dass er dich kennenlernt und du ihn. Er ist ein Engel und wird dir nichts tun. Aber so können wir auch an deiner übermäßigen Angst arbeiten."

Blass sank sie erschöpft auf dem Küchenstuhl zusammen. "Ich schaffe das nicht ...", klagte sie mit gesunkenem Kopf unglücklich. Schon die Tatsache, dass er ein Engel war, ließ sie panisch werden. Wenn er dann auch noch von der Königin geschickt wurde, fühlte es sich noch um einiges schlimmer an.

"Das ist in Ordnung, dann bleibst du morgen hier", sagte er und küsste sie sanft.

Leicht schüttelte sie den Kopf und sah ihn von unten her an. "Es ist Euch wichtig, dass ich mitkomme ... also werde ich es für Euch tun ...", gab sie schließlich nach. Es war wohl sehr wichtig für Aaron, wenn er Hilfe bekam und sie schätzte es sogar, dass die Königin ihn dabei unterstützte. Vielleicht half es ihm, weniger Sorgen zu haben.

"Du musst es nicht, wenn du dich morgen nicht danach fühlst", sagte er beruhigend. "Ich kann ihn auch an einem anderen Tag mit hierher bringen", schlug er vor. "Es muss auch nicht lange sein."

"I-Ich ... wer bringt mich danach denn wieder zurück?", fragte Saori ihn stammelnd. Wenn es nicht lange sein musste, was sollte sie dann solange tun?

"Wir nehmen morgen früh eine Kutsche", schlug er vor. "Dann kann uns jemand hinfliegen und dich, sobald du möchtest wieder zurück."

"In Ordnung ... Was muss ich anziehen?", wollte sie wissen. In den letzten Tagen waren mehr ihrer Kleider eingetroffen und sie wusste nicht, was sich bei so einem Anlass gehörte.

"In was auch immer du dich wohl fühlst", antwortete er sanft. "Wenn du möchtest, kann ich mir anschauen, was du gern anziehen würdest und dir dazu dann sagen, wie ich es finde", schlug er vor. Tabitha hatte so etwas immer gemocht, aber ob auch Saori es mochte?

Unsicher stimmte Saori zu. Sie würde Aaron in dem Fall vertrauen, denn schließlich war er in solchen Kreisen aufgewachsen und wusste, auf was man achten musste.

"Du musst dir wirklich keine Sorgen machen", versicherte Aaron. "Er wird dich nicht anfassen."

"Lasst uns ... ins Schlafzimmer gehen, damit ich die Kleider anziehen kann ... Ich bin mir bei so etwas immer unsicher", gestand sie, erhob sich von Stuhl und seufzte. Nie hätte sie gedacht, dass es so anstrengend sein konnte, einem Engel zu begegnen.

"Du hast danach wieder Ruhe", versprach Aaron ihr und reichte ihr den Arm, damit sie sich festhalten konnte. Es war ein ereignisreicher Tag gewesen.

Schweigend gingen sie durch die Flure zurück zum Schlafzimmer, wo Saori den großen Kleiderschrank, in dem sie sich zuvor versteckt hatte, öffnete. Dort hingen lange und elegante Kleider, die Mal ihrer Größe angepasst hatte. Aber auch kurze und sehr luftige waren vorhanden.

Saori selbst fand, dass es bei der Begegnung mit einem Engel nicht zu freizügig sein durfte, weshalb sie sich schämte, kein anderes Kleid beim Besuch der Königin angezogen zu haben. Sie kam sich sogar schäbig vor, weil sie eines getragen hatte, welches ihr nur bis zu den Knien gegangen war. Mehrere Farben standen ihr zur Auswahl, was es noch schwerer machte, sich zu entscheiden.

"Was passt Eurer Meinung nach am besten?", fragte sie unsicher zu ihm gewandt.

Aaron holte mehrere Kleider hervor. Darunter auch kurze. "Engel passen sich dem an, was auf anderen Inseln Sitte ist", erklärte er ihr. "Da der Engel zu uns kommt, passt er sich dem an, was hier getragen wird", erklärte er. "Wenn wir auf eine Winterinsel verreisen würden, müssten wir uns entsprechend ihren Sitten kleiden."

"Wirklich? Ich könnte dort ... ohne Kleidung herumspringen und mich sehr wohl fühlen", murmelte Saori, die auf die Auswahl der Kleider sah und dann auf ein dunkelviolettes zeigte.

Es bestand aus Samt, doch sie hatte gesehen, dass die innere Seite aus dem kühlendem Seidenstoff bestand. Außerdem verdeckte es ihre Arme bis zu den Ellenbogen und hörte knapp unter dem Knie auf.

"Wenn du das möchtest, wäre auch das gestattet", lachte Aaron, der ihr das Kleid reichte, damit sie es anprobieren konnte.

Stumm zog sie ihr Kleid aus und das andere an, wobei sie Aarons Hilfe brauchte, da sie durch die großen Flügel und dem Muskelkater ihren Rücken nicht erreichen konnte. Sehr weich fühlte es sich auf ihrer Haut an. Das mochte sie wirklich. Auch stand ihr die Farbe hervorragend und der Stoff schmiegte sich an ihren dünnen Körper, wobei er nicht preisgab, wie dünn sie eigentlich war.

Aaron strich das Kleid glatt, wobei er es nutzte, um sie sanft zu streicheln. "Das steht dir sehr gut", sagte er mit einem Schmunzeln.

Vorsichtig drehte sich Saori im Kreis und begutachtete sich im Spiegel, der auf der Innenseite der Schranktür angebracht war. "Ja, das sollte wohl angemessen sein", murmelte sie kritisch musternd.

"Fühlt es sich gut an?", fragte er und fuhr ihr über die Schultern zu ihren Armen.

Ihr Blick folgte seinen Händen, wie sie über ihre Schultern fuhren. Dabei erzitterte ihr Körper leicht, denn er war sehr zärtlich dabei. "Ja, es ist sehr weich und kühlend. Es engt auch nicht ein", erwiderte Saori.

"Das ist gut", sagte er, weil er wusste, dass man Kleidung manchmal wie eine Rüstung tragen musste.

Sie nickte bestätigend und zog das Kleid wieder aus, welches sie dann an den Schrank hängte, sodass es für den Morgen bereit lag. Mit Hilfe von Aaron hängte sie die anderen Kleider wieder zurück und drehte sich zu ihm um, nachdem sie das andere wieder angezogen hatte.

"Es tut mir leid ... Aber ich bin so müde und würde gerne nur noch entspannen", sagte Saori traurig. Alles war zu viel gewesen und sie fühlte sich so erschöpft, dass sie eigentlich nur noch schlafen wollte.

"Komm her, wir legen uns hin", meinte er und breitete die Arme aus, damit sie zu ihm kommen konnte. "Du hattest einen sehr stressigen Tag."

Nur zu gern kam Saori der Aufforderung nach und zusammen legten sie sich in das weiche Bett. Dort schmiegte sich das Dämonenmädchen sofort an Aaron, als würde sie ihn nie wieder loslassen wollen. "Ich bin eine Blamage für Euch ...", murmelte sie leise.

"Nein, das bist du nicht", widersprach er ihr sanft. "Du Königin mag dich", fügte er hinzu. "Sie hat eine schwäche für Kinder, so wie uns."

"Eine Schwäche für etwas zu haben, heißt nicht automatisch, etwas zu mögen", erwiderte Saori, die ihren Kopf an Aarons Hals vergraben hatte. Seine Nähe und sein Geruch waren so beruhigend für sie. Nur half ihr das nicht, wenn die Panik in ihr hochkam. Was wohl der nächste Tag bringen würde? Einen erneuten Panikanfall, der Aaron Sorgen bereiten würde?

"Nicht diese Art von Schwäche", meinte er. "Sondern diese, dass man etwas so sehr mag, dass man nicht widerstehen kann es zu betrachten, zu essen oder in diesem Fall zu helfen", erklärte er ihr, während er gedankenverloren ihren Rücken streichelte.

Saori hob ihren Kopf und sah ihn mit gespielt erstaunten Augen an. "Dann habt Ihr also auch eine Schwäche für diese seltsamen Kleider, in denen Ihr mich sehen wollt?", fragte sie überrascht und neckend. Sie hatte festgestellt, dass Aaron in solchen Dingen speziell war.

Aaron schmunzelte und wurde sogar leicht rot. "Ja, genau das", sagte er, bevor er ihr das Zeichen gab leise zu sein. "Aber niemanden verraten. Das ist unser Geheimnis."

Sie konnte nicht ahnen, dass Aarons Worte von jemanden gehört worden waren.

"Versprochen", kicherte Saori und fuhr durch seine silbernen Haare. "Wobei es eigentlich eher Euer Geheimnis ist. Ihr teilt es nur mit mir, damit ich weiß, was Ihr mögt", sagte sie liebevoll zu Aaron und küsste seine Nasenspitze.

"Richtig", lachte er und küsste sie auf die Wange. "Möchtest du schlafen oder soll ich dir noch etwas vorlesen?", wollte er wissen, da er ihr den Abend versüßen wollte.

War es wirklich schon so spät? Saori hob ihren Kopf und sah nach draußen. Tatsächlich neigte sich der Tag dem Ende zu, denn der Himmel war dabei, sich zu verfärben. Hatte der Besuch der Königin etwa so lange gedauert? Das war ihr nicht bewusst gewesen. Durch die Übungen am Morgen und das Massieren, wobei sie wohl dank Aaron geschlafen hatte, war ihr gar nicht bewusst gewesen, dass der Tag so schnell vorbeigegangen war.

Kurz dachte sie darüber nach, bevor sie meinte, dass er vorlesen sollte. "Nur kann ich Euch nicht versprechen, lange zuzuhören. Dafür bin ich dann doch zu müde", gestand sie.

Plötzlich hörten sie ein Kratzen an der Balkontür. Die beiden Katudjalls waren wohl fertig mit dem Spielen. "Sie werden Hunger haben", bemerkte Saori und richtete sich auf. Es war wichtig, dass die kleinen Katzen genügend aßen. Die ganzen Abenteuer, die sie jeden Tag erlebten, zerrte an ihren Kräften.

"Ich werde Zephyr bitten etwas vorbeizubringen", meinte Aaron, der sich ebenfalls mit erhob, um ein Buch zu holen. "So viel haben wir im Moment leider nicht da", gestand er, weil er sich erst einmal darauf konzentriert hatte, dass Saori etwas zum Essen bekam.

"Lasst Ihr bitte die Katzen herein?", bat sie den Engel. So musste sie nicht aufstehen und Saori hatte auch nichts dagegen, wenn sie im Schlafzimmer aßen.

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