Kapitel 80
Kapitel 80
Noch immer streichelte sie die Wange der Dämonin. "Ich bin mir sicher, dass es dir gefallen könnte, wenn du dich darauf einlässt", sagte sie sanft.
"Was meint Ihr mit ... darauf einlassen, Eure Majestät?", fragte Saori scheu und verwirrt zugleich. Sie hielt still und zog nicht zurück, obwohl sie gerade das Bedürfnis dafür verspürte.
"Auch, wenn es für dich vielleicht auf den ersten Blick kein schöner Tag ist, weil dich alle anstarren, so geht es doch darum, dass wir feiern. Ein Fest der Engel ist etwas für die Sinne", sagte sie sanft. "Wir wollen Spaß haben, im Himmel tanzen und uns schöne Dinge ansehen. Du könntest daran deine Freude haben."
Saori drückte sich an Aarons Arm. Unsicher, was sie davon halten sollte. "Ich kann nicht gut tanzen und werde Meister Aaron blamieren", gestand sie leise.
"Das macht dir Sorgen?", fragte sie leise und überrascht.
Saori nickte langsam. "Ich möchte keine Schande über Meister Aaron bringen", antwortete die Dämonin ihr.
"Das wirst du nicht", versicherte die Königin. "Selbst, wenn du dich nur mit ihm über die Tanzfläche bewegst, ohne einen richtigen Schritt zu machen, wird es nichts sein, was ihn blamieren würde."
"Ich möchte nicht unter die Augen der anderen Engeln treten. Bestimmt werde ich mich daneben benehmen und Chaos damit veranstalten", sagte sie ängstlich. Das, was ein Dämon sonst auch immer tat. Sie hatte wirklich Angst, dass etwas passieren würde. Dass die Engel sie plötzlich angreifen würde.
"Das würde die Feier höchstens bereichern", meinte die Königin mit einem leichten Lächeln. Sie selbst hielt die meisten Feste für zu steif.
Es zuckte leicht um Saoris Mundwinkel, als sie die Äußerung der Königin hörte. Waren Engel wirklich oft so sanft und sehnten sich aus dem Alltagstrott heraus? Wenn die Königin schon meinte, dass sie gerne Abwechslung dabei hatte ...
"Es gibt manchmal so viele Regeln, die so unnötig sind", seufzte sie. "Aber es hilft auch, dass die Engel untereinander Anstand wahren", erklärte sie weiter und zog erst jetzt ihre Hand von dem Mädchen zurück.
"Ich bin sehr viele Leute nicht gewohnt und habe Angst vor ihnen", gestand Saori leise, die ihren Blick steif auf ihre Hände hielt. Es kam ihr absurd vor, dass die Königin vor ihr auf einer Decke im Gras saß. Was hatte sie nur dazu bewegt, sich auf das Niveau einer Dämonin herabzulassen?
"Ich verstehe", sagte sie sanft. "Aber die meisten Engel wollen dir wirklich nichts Böses. Und wenn sie dich kennenlernen dürfen, werden sie dich sicher mögen", lächelte sie und faltete ihre Flügel neu. Diese Dämonin war einfach viel zu interessant und so vergaß sie die Zeit fast völlig.
"Ein ... Dämon darf nicht gemocht werden, Eure Majestät. Vor allem nicht von den Engeln. Sie sind für das Chaos und die zahlreichen Toten im Krieg verantwortlich", kam es piepsig aus Saoris Mund.
Die Königin schüttelte den Kopf. "Beide Seiten sind für die Toten verantwortlich", korrigierte sie Saori. "Natürlich könnte eine Seite nachgeben, oder man versucht eine friedliche Einigung zu finden, doch das ist leider nicht möglich und das nicht einmal nur deshalb, weil die Dämonen ablehnen."
Saori war sich sicher, dass die Dämonen trotzdem weiterhin angreifen würden, selbst wenn es eine Einigung geben würde. Sie waren hinterhältig und zu allem fähig. Jedenfalls hatten die Dämonen wesentlich mehr Engel getötet, als die reinen Wesen diese aus der Dunkelheit.
Aaron, der Saori die ganze Zeit streichelte, entschied sich dazu, nun auch mitzusprechen. "Man sollte niemanden daran beurteilen, woher er kommt, sondern nur danach, was er getan hat", sagte er leise und küsste ihren Kopf.
Ihr Körper entspannte sich dabei leichter und eine innere Erleichterung begann, sich langsam auszubreiten. Aaron war für sie da, auch wenn er sie wohl nicht vor allem beschützen konnte. "Aber meine Familie hat Eure ... vernichtet. Ich bin ein Teil davon, auch wenn ich es nicht getan habe", sagte Saori niedergeschlagen in seine Richtung.
"Das mag sein, aber stell dir vor, wir würden alle Kinder für das bestrafen, was ihre Eltern getan haben. Wie viele unschuldige Babys müssten dann sterben, obwohl sie noch nicht einmal laufen können?", fragte er sanft und die Königin beobachtete sie mit wachen, interessierten Augen.
"Zumindest bei den Dämonen wäre es sicherlich nicht falsch, das zu tun ... Sie sollten ... ausgerottet werden für das, was sie getan haben. Allen voran meine Familie", antwortete Saori ehrlich auf seine Frage.
Hier schüttelte selbst die Königin ihren Kopf. "Du bist das beste Beispiel dafür, dass ein Dämon auch herzensgut sein kann. Kinder, die bei uns aufwachsen, wären vielleicht in der Lage diesen Drang zu Töten nicht zu verspüren."
"Trotzdem hoffe ich ... das meine Familie eines Tages bestraft wird und das bekommt, was sie verdient", sagte Saori kleinlaut. Zwar hielt sie nichts von körperlichen Bestrafungen und solchen Dingen, aber zumindest eingesperrt werden sollten ihre Familienmitglieder.
"Das ist verständlich", sagte die Königin. "Man möchte zumindest, dass gefährliche Wesen sicher verwahrt werden."
"Ich ... gehöre dazu und sollte mit ihnen eingesperrt werden", kam es leise aus Saoris Mund. Die Königin wusste nicht einmal, was für ein Wesen sie war.
"Das stimmt nicht. Du hast nichts getan", sagte sie sanft und strich ihr eine Strähne hinter das Ohr.
Es sah aus, als ob sie dabei anderer Meinung waren. Bei den Dämonen war es vollkommen egal, ob derjenige etwas getan hatte oder nicht. Wenn er zur Familie gehörte, die gejagt wurde, wurde auch er bestraft. Anders kannte Saori es nicht.
Sie zuckte bei der Berührung der Königin zusammen und ließ den Kopf sogar noch weiter senken.
Sanft hob die Königin Saoris Kinn an. "Du bist nicht wie die anderen", sagte sie entschieden und mit einem sanften Lächeln. "Sag mir, was du gern machst, wenn du Zeit dafür hast", bat sie noch immer sehr sanft.
Den sanften Blick der Königin mied sie, indem sie trotz angehobenen Kinns ihren nach unten gerichtet hielt. Dabei sah sie, dass die elegante Frau ein wunderschönes, weißes Kleid trug und schöne Armreifen an den perlmuttfarbenen Armen vorzeigen konnte.
"Ich ... male und schwimme gerne. Und ich spiele gerne Violine und mit den Katzen", fügte sie nach kurzer Überlegung hinzu.
"Du malst gern?", fragte die Königin überrascht. "Hast du denn bereits etwas gemalt?", wollte sie neugierig wissen.
Vorsichtig nickte sie, jedoch nur sehr leicht, da die Königin noch immer ihr Kinn festhielt.
"Darf man das sehen?", fragte sie mit einem Funkeln in den Augen und blickte von Saori zu Aaron. Sie selbst konnte überhaupt nicht malen.
"Ja. Zwei Bilder sind auf Meister Aarons Hauptinsel ... die anderen sind hier", brachte sie unsicher hervor. Was hatte die Königin vor? Wollte sie sich über sie lustig machen? Sollte Aaron etwa die zwei besonderen Bilder herbringen lassen? Das mit der Engelsfrau und ihr intimer Moment im Himmel?
"Würdest du mir eines davon zeigen?", bat sie aufgeregt und war wirklich neugierig. Sie mochte Kunst in aller Form.
Unsicher warf sie Aaron einen schüchternen Seitenblick zu. Welches sollte sie ihr zeigen?
"Schaffst du es selbst eines der Bilder zu holen und wieder her zu kommen?", fragte Aaron sie leise. So konnte sie aussuchen, welches sie zeigen wollte. "Du kannst ihr das Bild von mir zeigen."
"Ich versuche es ...", versprach Saori, obwohl sie bereits wieder den Drang verspürte, sich zu verstecken. Eigentlich wollte sie die Bilder der Königin nicht zeigen, doch wenn sie diese von Aaron verkaufen lassen wollte, sollte sie sich nicht zieren.
Zitternd und leicht wankend stand sie mit gesenktem Kopf auf und verbeugte sich tief mit einem Knicks vor der Königin, bevor sie sich auf den Weg zur Residenz machte.
Aaron folgte ihr mit einem Blick und als Saori aus dem Blickfeld war, lächelte die Königin sanft. "Sie ist wie eine hochgezüchtete, wunderschöne, aber geknickte Rose", sagte sie.
Aaron nickte. "Sie ist geknickt", stimmte er ihr zu und Trauer schwang in seiner Stimme mit.
"Inwieweit meinst du das, Aaron? Erklärst du es mir genauer?", wollte die Königin genauer wissen. Seine Trauer war sehr spürbar und sie wusste nicht, woher diese rührte.
"Sie ist ein so sanftes Mädchen und so ängstlich, dass sie sich scheinbar selbst bestraft. Sie will nicht begehrt werden und hat sich angewöhnt wenig zu essen, um unattraktiv zu bleiben", erklärte er der Königin traurig. "Mein Arzt meinte, dass sie so dabei ist langsam zu sterben, ohne es zu merken."
Die zarte Hand der Königin fuhr zu ihrem Mund, um ein Erstaunen zu unterdrücken. "Das ist nicht dein Ernst, oder? Wie kann sie sich das nur antun? Sie ist reiner als so mancher Engel und trotzdem fühlt sie sich selbst abstoßend?", fragte sie gedämpft und ungläubig.
Das dass durchaus eine gefährliche Angelegenheit war, wusste sie.
"Ich denke, dass es ihre Art ist, sich zu schützen", erklärte Aaron. "Sie wollte abstoßend wirken, damit kein Dämon sie jemals begehrt und haben will. Die Beziehung, die Dämonen führen ist ... abstoßend. Im Grunde das, was Ethan geplant hat", sagte er, wobei er zum Ende hin leiser wurde.
"Du hast ihr vermutlich damit wirklich das Leben gerettet. Du weiß, wie Ethan ... geworden ist. Kein Vorzeigebild der Engel", schüttelte die Königin den Kopf. Auch wenn Aaron dabei in Mitleidenschaft gezogen worden ist, er war tapfer genug gewesen, sich für die Dämonin einzusetzen.
"Vermutlich will sie dich deshalb beschützen, um sich erkenntlich zu zeigen", vermutete sie nachdenklich.
"Sie lernt gerade erst, was es heißt, dass sich jemand für sie interessiert und ihr nichts Böses will", sagte er sanft und in seiner Stimme schwang eindeutig Liebe mit.
Wissend nickte die Königin und bemerkte, wie sich die Dämonin durch die Residenz bewegte. Ihre Gefühle waren sehr kraftvoll und selbst auf Distanzen gut spürbar. "Ich sehe und spüre, wie du für sie fühlst. Wie gedenkst du dir das Ganze? Beruht sich das auf Gegenseitigkeit?", wollte sie von ihm wissen.
"Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht. Ich weiß, dass ich meiner Pflicht meiner Rasse gegenüber nachkommen muss", sagte er leise und blickte ihr nach. "Aber ich kann gegen meine Gefühle ihr gegenüber nichts tun und es beruht durchaus auf Gegenseitigkeit. Auch, wenn bei ihr die Angst gerade überwiegt."
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