Kapitel 47

Kapitel 47

"Das kann durchaus sein, ja", bestätigte Aaron ihr und kam zu ihr auf das Bett gekrabbelt, um sich über sie zu hocken und mit der Hand sanft über ihren Flügel zu streicheln.

Ein Schauern ging durch ihren Körper, als sie sein Gewicht auf den Beinen spürte. Es war ein seltsames Gefühl, aber es bescherte ihr ein Kribbeln. Genauso wie die Berührungen an ihrem Flügel. Ihren Kopf hatte sie auf die verschränkten Arme gelegt und begann bereits jetzt schon, die Massage zu genießen.

Aaron war vorsichtig, massierte aber ihre Flügel sehr intensiv. Er wollte, dass sich ihre Muskeln entspannten.

Manchmal zuckte sie vor Schmerz zusammen, doch sie spürte, wie seine Finger die Verspannungen nach und nach lösten. Man konnte Saori in dem Moment mit Butter vergleichen, die unter der Hitze schmolz. Völlig entspannt lag sie da. Dabei sprachen sie ab und zu, wenn sie Fragen hatte.

Aaron antwortete ruhig und war hochkonzentriert. "Deine Flügel sind wirklich sehr stark verspannt", meinte er und widmete sich ihrem zweiten Flügel.

„Liegt es an dem schnellen Wachstum? Oder daran, weil ich sie vor lauter Schmerzen gar nicht bewegen konnte, als sie gewachsen sind?", fragte Saori ihn. Sie war froh, dass die Berührungen nicht mehr wie am Anfang weh taten.

"Ich nehme eher an, dass es ungewohnte Bewegungen sind und du deshalb deine Muskeln verkrampfst, um sie zu bewegen", überlegte Aaron. "Aber auch das Wachstum wird eine Rolle spielen und die Tatsache, dass ich sie sehr häufig bewegt habe."

Das war gut möglich. Es war wohl zu viel auf einmal für ihren Körper. Sie erinnerte sich daran, wie verkrampft sie anfangs gewesen war, als sie das erste Mal geschwommen war. Oft genug wäre sie deswegen beinahe ertrunken und untergegangen. Bis sich ihr Körper an die Bewegungen gewöhnt hatte.

Das erzählte sie dem Engel aus, solange er sie massierte. Dabei sparte sie auch nicht damit, ihre kläglichen Versuche preiszugeben. Und die Angst, wirklich dabei zu sterben. Von ihnen wusste niemand. Außer Aaron. Nicht einmal ihre Familie hatte das gewusst. Aber weil das kühle Nass so verlockend gewesen war, hatte sie viel geübt, bis es funktioniert hatte.

Seitdem war das Wasser eine Art Ruhepol und Entspannung für Saori. Auch, weil es sie oft aus den schlimmen Erinnerungen ziehen kann.

"Angst zu haben ist nicht schlimm, aber du hast dich ihr gestellt, ich bin stolz auf dich", erklärte Aaron ihr. "Es ist gut, wenn du schwimmst. Das hilft deinen Körper, weil es fast wie fliegen ist."

„Beim Schwimmen fühle ich mich auch so leicht, als würde ich schweben. Vielleicht mag ich es deshalb so gern, weil ich nicht fliegen kann", gestand Saori ihm. Schon früher war es so gewesen, dass das Schwimmen für sie wie Schweben gewesen war. Und das hatte sie wirklich gemocht.

"Das kann gut sein", meinte Aaron lächelnd. "Schwimmen ist jedenfalls etwas, was dir sicherlich mit deinen Flügel helfen wird."

„Ich habe gespürt, wenn ich im Wasser bin, fällt es mir viel leichter, die zu bewegen", gab Saori leise zu. Auch, als sie mit Zephyr schwimmen war. Da hatte sie schon gespürt, dass sich das Bewegen leichter anfühlte. Aber ob es ihr helfen würde, ihre Flügel bald so bewegen zu können, dass sie wirklich fliegen konnte? Noch zweifelte sie daran.

"Das Wasser gibt deinen Flügeln Auftrieb", erklärte Aaron ihr und kümmerte sich um die letzten verspannten Stellen.

Saori murmelte zustimmende Worte. Sie war richtig entspannt und fand, dass Aaron wirklich gut massieren konnte. Nicht umsonst fühlten sich die Flügel so gut wie noch nie an. So, als ob sie endlich ein Teil von ihr wären und nicht, als wären sie Fremdkörper.

Vielleicht war es wirklich so gewesen, weil die Flügel nach dem Wachstum von Anfang an so verspannt gewesen waren. Vielleicht wurde es durch Aarons Massage besser. Ob er vor hatte, das regelmäßig zu machen?

Er küsste ihr zwischen die Flügelansätze. "Fertig", bemerkte er leicht lächelnd.

Leicht quengelte Saori und hob den Kopf. "Nicht aufhören ... das hat so gut getan", seufzte sie mit einem wohligen Schauer. Ihr Gesicht drehte sich zu ihm, sodass sie ihn aus den Augenwinkeln beobachten konnte. "Ihr hättet ein Masseur werden sollen."

Aaron lachte. "Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich geworden bin", sagte er sanft und begann erneut ihre Flügel wieder zu streicheln.

"Was genau seid Ihr eigentlich? Außer Herrscher der Inseln, meine ich", wollte sie wissen. So genau erschloss sich das noch nicht. Aber sie wollte ihm auch nicht zu nahe treten. Saori drehte sich leicht zu ihm, damit sie ihn zu sich an die Seite ziehen konnte.

"Ich bin eigentlich ein Krieger", seufzte er. "Ein Mitglied der Armee der Königin. Wobei ich nicht so hochgestellt bin, aber auch keine richtigen Verpflichtungen haben", murmelte er und küsste sie erneut zwischen die Schulterblätter.

Sofort zuckte sie zusammen und wurde ganz weiß im Gesicht. Eine unbändige Übelkeit stieg in ihr hoch, die sie nicht bekämpfen konnte.

Aaron war ein Krieger ... jemand, der für die Sicherheit der Engel zuständig war und Dämonen töten sollte. Und einer, der sie hätte für das bestrafen sollen, was ihre Familie den Engeln angetan hatte. Vor allem seiner Familie.

Ein Zittern ging durch den schmächtigen Körper, während sie versuchte, den Kampf gegen die Ohnmacht zu gewinnen. Saori war wirklich geschockt davon, dass ausgerechnet Aaron ein Krieger war. Er, der so sanft zu ihr war und für die anderen das Beste wollte. Sie konnte es sich nicht vorstellen, dass der Engel genauso grausam war wie die in der Armee oder wie die Dämonen. Wobei ... wenn sie an sein Schwert dachte, welche an ihrem Hals gelegen war ...

Er spürte die Gefühle der Dämonin sehr deutlich und hatte geahnt, dass er damit etwas heraufbeschwor. Langsam beugte er sich zu ihr hinab und küsste sie sanft. "Ich kämpfe für die Sicherheit der Engel und bin normalerweise nicht auf einem Schlachtfeld zu finden."

Saori drehte sich so gut es ging um und zog den Engel in eine feste Umarmung. "Und ... Ihr werdet kämpfen, wenn es verlangt wird?", wagte sie zu fragen. "Was passiert dann mit Euren Inseln?", wollte sie wissen. Die Übelkeit, dass sie ihn deshalb verlieren würde, war groß. Sie hasste Kriege, die so viele Leben auf dem Gewissen hatten. An denen ihre Familie mit Freuden beteiligt gewesen waren und nur auf die Möglichkeit warteten, erneut zuzuschlagen.

"Wenn ich gezwungen werde zu kämpfen, stehen die Angreifer bereits vor der Tür. Aber ich bin nicht verpflichtet in den Kampf auserhalb des Reiches zu ziehen. Auch wenn ich früher oft dabei war. Jetzt ist das, was ich zurücklassen würde wichtig", erklärte er und hielt sie fest an sich gedrückt.

Wie oft er wohl dabei gewesen war? Ihre Finger hatten begonnen, Aarons Körper zu streicheln.

Die Angst, dass er sie benutzte, um etwas bestimmtes zu erreichen, steckte in ihrem Hinterkopf. Würde er sie anlügen und wirklich benutzen? War es vielleicht ein Spiel, das der Engel nur spielte?

Das Gefühl hatte Saori nicht. Nicht, wie er sich um sie kümmerte und beschützen wollte. Vor allem, was ihr Angst machte. Leider hatte das junge Dämonenmädchen nicht viel Erfahrung mit anderen. Das ließ sie oft genug unsicher werden.

Gedankenverloren starrte sie vor sich hin und spürte nach einer Weile, wie die Entspannung nur durch das Streicheln zurückkam.

"Außerhalb des Reiches? Der Engelsinseln, meint Ihr? Warum ward Ihr früher oft dabei?", kamen die leisen Fragen über die schön geschwungenen Lippen der Dämonin.

"Ich hatte nichts mehr, was mich auf dieser Welt hielt und vielleicht trieb mich der Wunsch, meinen Eltern zu folgen", murmelte er leise.

So ganz folgen konnte Saori ihm nicht. Sie deutete ihm an, sie freizulassen, damit sie sich hinsetzen konnte. Sobald er das tat, nahm sie ihn fest in die Arme. Nun, da sie saß, war es bequemer für sie. So konnte sie ihm hoffentlich auch mehr Trost spenden.

"Also ward Ihr davor nicht in der Armee? Erst, als Eure Eltern ... weg waren?", fragte sie vorsichtig. Das war ein sensibles Thema und sie hoffte, ihn damit nicht zu verletzen.

In ihr begann die tiefe Traurigkeit, die sie jedes Mal verspürte, wenn Aaron darüber sprach, zu sprudeln.

Es war nicht seine Schuld, denn es stand ihm zu, darüber zu reden. Und sie wollte das auch. Nur an ihr selbst lag es, dass sie jedes Mal so traurig wurde.

"Ich war vorher in der Ausbildung. Seit dem Krieg ist es Pflicht. Jeder Engel muss das Kämpfen lernen und in der Armee kann man aufsteigen", seufzte er leise. Seinen Kopf bettete er an ihrer Schulter.

"Bei den Dämonen lernt man schon als Kind, wie man kämpft, foltert und tötet. Da gibt es keine richtige Armee, weil sich die Dämonen einfach zusammenschließen, um den Feind zu besiegen", brachte Saori den Vergleich zu ihrer Rasse vor.

"Wie fühlt es sich an, ein Krieger zu sein? Mögt Ihr es, zu kämpfen? Wo ist eigentlich Euer Schwert, mit dem Ihr mich ursprünglich aufschlitzen wolltet?", kamen dann die Fragen, die sie nicht losließen, über die Lippen. Dabei hörte sie nicht auf, ihn zu streicheln. Ihre Finger glitten zu seinem Nacken und kraulten ihn dort.

"Früher war es eine Ehre die Königin zu schützen. Krieger waren angesehen und wichtig, damit die Engel vor Gefahren von ausen geschützt waren", erklärte er ihr. "Mein Schwert ist in der Waffenkammer. Ich will es nicht in deiner Nähe wissen."

„Schade, es war hübsch gewesen", bemerkte sie. Anfangs war ihr das nicht aufgefallen. In der Todesangst, die sie gespürt hat, als Aaron plötzlich vor ihr aufgetaucht war. Erst nach und nach kamen ihr diese Dinge, die eigentlich unwichtig waren, ins Gedächtnis. „Es hatte Juwelen am Griff, nicht wahr?"

"Du kannst es sehen, wenn du möchtest. Ich wollte nur nicht, dasa du dich davon bedroht fühlst. Ich war bestimmt ... gruselig "

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