»55« Das Ende
𝕃 𝔸 ℝ 𝔸
Einst war ich ein kleines Mädchen.
Ein Mädchen, das Schokoladenkuchen liebte. Ein Mädchen, dass Kinderfilme liebte. Ein Mädchen, dass es liebte, wenn die Sonnenstrahlen sie im Sommer küsste und sie barfuß im Garten rumrennen und tanzen durfte.
Einst war ich ein kleines Mädchen.
Ein Mädchen, dass es liebte von ihrem Papa huckepack getragen zu werden. Ein Mädchen, dass es liebte, von ihrer Mama umarmt zu werden. Ein Mädchen, dass es liebte mit ihrer Schwester gemeinsam zu lachen.
Einst war ich ein kleines Mädchen...
Ein Mädchen, dass gerne nacht länger aufblieb. Ein Mädchen, dass vor dem Schlafengehen sich noch schnell Süßigkeiten in den Mund stopfte, sobald ihre Mama nicht hinsah. Ein Mädchen, dessen größte Sorge war irgendwann alleine zu baden und sich danach auch noch die Zähne putzen zu müssen.
Jetzt bin ich eine Frau.
Eine Frau, die das Leben liebt, obwohl es so ungerecht zu ihr war. Eine Frau, die dennoch lacht, obwohl man ihre Gefühle verletzt. Eine Frau, die sich nicht unterkriegen lässt. Eine Frau, die verdammt stark ist.
Und ab heute bin ich sogar eine Mörderin.
Es fühlt sich komisch an.
Zu wissen, wobei ich gerade mitmache. Zu wissen, was geschehen wird und keine Einwände zu haben.
Doch vielleicht haben sie es sogar verdient.
Ist es falsch, wenn ich so denke?
Ist es falsch, dass ich der Meinung bin, Zach hat es irgendwo gar nicht anders verdient? Er hat mich belogen und hinters Licht geführt, obwohl er mich nicht kannte. Er hat es in Kauf genommen, dass Danny hätte wütend werden können und mir somit vielleicht sogar weh tun. Er weiß, dass es ungewollt ein Verrat an die Mafia war und ich dafür meinen Kopf hätte hinhalten müssen, wenn Danny und ich nicht etwas füreinander empfunden hätten. Mein Gefühl sagt mir, dass Zach zu allem fähig ist.
Schluckend lasse ich den Blick schweifen. Über meine Haare, die mir glatt über den Rücken fallen und über mein enganliegendes, schwarzes Kleid, das ich von Katrina bekommen habe. Die Augen habe ich zu Smokey-Eyes geschminkt und sogar braunen Lippenstift habe ich aufgetragen. Dafür, dass ich mich selten bis kaum schminke, habe ich es wirklich gut hingekriegt. Lautlos seufze ich und beiße mir auf die Unterlippe.
Ich wusste, wer Danny war. Ich wusste, dass er zur Mafia gehört und dennoch habe ich mich auf ihn eingelassen. Ich hätte damit rechnen müssen, dass ich da irgendwann muteinbezogen werde. Selbst Leroy sagte mir, dass man ja nun mein Gesicht kennt und ich mehr aufpassen muss.
„Gott...", seufze ich abermals und lasse die Schultern sacken.
Dennoch habe ich nicht damit gerechnet, dass ich Komplizin eines Mords werde.
„Es ist deine Schuld", ertönt ich Leroy's Stimme in meinem Kopf. Die Worte, die er zu Danny sagte, als dieser nicht verstand, wieso ich mit muss.
„Du allein bist schuld daran, denn du hast sie einfach mit nach Ohio genommen, wo du eine Aufgabe hattest. Du. Nicht sie. Und jetzt finde dich damit ab, dass du es zu verantworten hast, falls etwas mit ihr geschieht. Und deshalb denke gut nach. Für Streit gibt es heute keine Zeit."
Ich zucke zusammen, als Danny plötzlich im Spiegel neben mir erscheint. Dieser Moment erinnert mich ganz unangenehm an den Abend in Ohio, als ich zum ersten Mal sah, welche Seiten noch in den stummen Mann schlummern.
„Wir brechen gleich auf."
Ich nicke nur, wende wieder den Blick ab und greife nach seinem Armband, welches ich noch immer trage.
„Ich habe vergessen es dir zurück zu geben. Hier hast du es", sage ich und drehe mich zu ihm um. Doch er schüttelt den Kopf, nachdem er mir lange in die Augen gesehen hat.
„Nein, behalte es. Bitte."
Wow. Er hat das Wort ›Bitte‹ sogar augenblicklich mit den Hände geformt und nicht erst innegehalten und sich aufgerafft deshalb. Eigentlich verdient er einen Applaus. Stumm wende ich den Blick ab und zucke die Schultern. Wenn er glaubt, dass ich ihm nun ganz liebevoll dafür danke oder ihm sage, dass seine Sorge unfassbar süß ist, dann hat er sich geschnitten.
„Lara, ich..."
„Nein", unterbreche ich ihn und hebe abwehrend die Hand.
„Lass es einfach", füge ich hinzu und muss schlucken. Wieso nur wird mir sofort so schwummrig? Danny seufzt leise. Er scheint irgendwie nach Worten zu suchen, doch tatsächlich wäre es mir lieber, wenn er nichts sagt. Ich habe wirklich Angst, dass er mich wieder so sehr verletzt...
„Ich habe mit zwölf Jahren meinen Großvater umgebracht. Es war ein Versehen. Er... Ich wollte auch mal eine Waffe in die Hand nehmen. Wissen, wie es sich anfühlt. Ich war nur neugierig. Doch mein Vater wollte davon nichts hören, sagte immer, ich sei zu jung und sollte das noch nicht tun. Egal, wie oft ich ihm sagte, dass ich es ja nur einmal berühren möchte, er sagte immer nein. Also fragte ich meinen Großvater, ja ich bettelte ihn beinahe schon an und er erlaubte es mir. Ich durfte zum ersten Mal eine Waffe berühren. Dann wollte ich mehr. Ich wollte endlich mal schießen. Ich nervte ihn solange bis er es mir erlaubte. Mein Vater wusste von alldem nichts. Eines Tages hatte er sich stark mit seiner Frau gestritten. Seine neue Frau. Das war unsere Haushälterin, die mich halb großgezogen hat. Yang war ihr Name. Sie ist vor einigen Jahren gestorben. Jedenfalls hatten sie sich an diesem tag übel gestritten und er wollte rausgehen. Ich dachte er sei schon gegangen. Ich schlich mich in Papá's und Mamá's Schlafzimmer und stahl mir eine Pistole, ehe ich in den Garten ging. Dort hatten wir eine Schießanlage... Ich habe daneben getroffen. In die Scheune, in der mein Großvater tatsächlich war und wahrscheinlich wieder eine Entschuldigung für Yang übte. Yang starb an diesem Tag mit. Mein Vater starb an diesem Tag mit... und auch ich starb. Ich werde mir das alles niemals verzeihen können..." Tief atmet er durch, während ich nur wie erstarrt in den Spiegel starre.
„Was ich sagen möchte ist einfach: Ich könnte heute sterben. Heute, morgen, jederzeit. Ich will nicht gehen, ohne dich wenigstens um Verzeihung zu bitten. Du musst mir nicht verzeihen, doch möchte ich nicht auf dich herabsehen und wissen, dass ich dein Herz gebrochen habe und nun nichts mehr dagegen machen kann. Also bitte höre mich an."
Ich hasse es. Ich hasse ihn. Und ich hasse es, dass bei seinen Worten mein Herz einen Schlag aussetzt, dass das Wissen, er könnte tatsächlich sterben, mir die Kehle zuschnürt und mir die Luft zum Atmen nimmt. Dass mir heiß und kalt zugleich wird, ich augenblicklich das Sprechen und das Denken verlerne, denn meine Gedanken verfangen sich in einen Strudel aus wilden Vorwürfen, Ängsten und der Wut. Ich schlucke leer und ziehe leise die Luft ein, versuche fiebrig den Knoten zu lösen, den Damm zu brechen und meine Gedanken wieder gerade fließen zu lassen, doch ich schaffe es nicht. Er hat mich völlig aus dem Konzept gebracht!
„Es tut mir leid, dass ich dir nicht vertraut habe. Es tut mir leid, dass ich dir nicht geglaubt habe. Es tut mir leid, wie ich dich behandelt habe. Es tut mir leid, dass ich dich immer wieder verletze."
„Wie oft soll ich dir noch verzeihen?", wispere ich in die Stille. Ich habe einfach die Augen geschlossen, nachdem ich mir seine Entschuldigung ansah. Gerne hätte ich sie schon eher geschlossen und ihn einfach sprechen lassen, doch er spricht nur mit seinen Händen und irgendwie tut mir der Gedanke weh, wenn ich ihn einfach ignoriere in dem ich die Augen schließe und er nichts dagegen tun könnte.
Langsam hebe ich den Kopf und sehe ihm geradewegs in die Augen. Er weiß nicht, was er darauf erwidern soll, spannt für einen winzigen Moment die Kiefer an und wendet nickend den Kopf ab.
„Doch du hast recht. Ich sollte dir verzeihen, ehe noch etwas geschieht, dass wir uns beide niemals verzeihen könnten. Ich verziehe dir, Danny. Das heißt jedoch nicht, dass wir uns je wieder näher kommen werden, weder als... das, was aus immer wir gewesen sind, noch als Freunde."
Er nickt wieder nur und senkt den Kopf. Dann dreht er sich um und geht.
°°°
Alle haben sich ziemlich herausgeputzt.
Während ich die Stufen runter gehe und darauf achte nicht hinzufallen, stehen die Geschwister von Danny bereits vor der Tür, richten sich noch die Haare, befestigen die Waffen unter ihren Röcken oder ziehen sich noch die Schuhe an. Und immer noch habe ich nicht realisiert, wie ernst die Lage eigentlich ist.
„Lara. Gut, dass du schon da bist. So, Rock hoch", verlangt Stacy von mir und greift bereits nach einer kleinen Tasche, ehe diese geöffnet wird. „Ich denke zwar nicht, dass du sie gebrauchen wirst, aber man weiß nie. Du solltest wenigstens etwas bewaffnet sein. Einen Revolver mute ich dir jedoch nicht zu, doch diese Schätzchen werden es auch tun. Solltest du jedoch angegriffen werden, dann schrei ruhig nach einem von uns, falls du Panik bekommst oder so, ja?"
Ich nicke daraufhin nur hastig, während sie mir einen Strumpf anzieht und sodann die Messer befestigt. Gott, es wird wirklich ernst!
„Ich denke, Lara wird es schaffen. Immerhin hat sie ebenso ihre Prüfung bestanden", erwidert eines der anderen Schwestern hinter mir.
„Naja und dennoch bin ich jetzt nicht Mohammed Ali oder gar Mike Tyson", erwidere ich darauf und zucke leicht die Schultern. Stacy vor mir fängt an zu lachen.
„Das meine ich doch nicht", lacht auch die Schwester, die gesprochen hat. Jetzt sehe ich kurz zu ihr, um zu wissen, wer es ist. Ah, es ist Jacky.
„Ich will nur nicht so reden, als hättest du nichts drauf. Das ist es", sagt sie und lächelt mich freundlich an. Ich lächle zurück.
„Danke, aber ich habe wirklich wenig drauf", lache ich und mache mich selbst irgendwie fertig. Aber sie sollen nicht denken, ich wäre wirklich gut, denn ich habe echt Angst, dass sie dadurch weniger auf mich achten. Denn wenn das passiert, werde ich sowas von sterben.
„Hey, selbst wenn du mehr drauf hättest, würden wir dir helfen. Mach dir keine Sorgen. So oder so; Solange Danny atmet, wird dir nichts geschehen, selbst wenn wir alle nicht wären", sagt Stacy diesmal und wirft mir einen ernsten Blick zu. „So fertig."
„Danke", entgegne ich und bedanke mich nicht nur für Hilfe, sondern auch für ihre Worte. Dass jemand wie sie auch mal ernst und wirklich nett werden kann, hätte ich irgendwie nicht gedacht, doch ich glaube die Fünf sind alle eigentlich ziemlich ernst und versuchen durch diese Art von lustiger Boshaftigkeit durch das Leben zu kommen.
„Seid ihr alle fertig?", ertönt plötzlich Leroy's kräftige Stimme. Er erscheint im eleganten schwarzen Armani Anzug, welchen hier scheinbar alle Männer tragen. Die Hand hat er um Katrina's Hüfte gelegt, welche in ein ebenso schwarzes Kleid steckt, wie wir Mädels. Sie sieht wunderschön aus. Ihre Haare hat sie zu einem eleganten Dutt zusammengebunden, der jede andere hätte strenger aussehen lassen, doch nicht sie. Sie hat irgendwie ein so liebevolles Gesicht, dass sie gar nicht böse aussehen kann. Gerne hätte ich es jedoch mal gesehen, dass sie so richtig wütend wird.
„Ja. Es fehlen nur noch Daliah, Dakota und Danny. Ich glaube, er ist bei ihnen." Gerade als Jacky das sagt, hört man Schritte. Sie kommen. Ich lächle, als mein Blick auf die Mädchen fällt, welche genauso schön, wie ihre Mutter aussehen. Sie tragen ein kurzes, schwarzes Kleid, welches ihnen bis zu den Knien geht. Es ist luftig und sieht fast schon wie ein Sommerkleid aus. Ihre Haare tragen sie offen, wie wir. Dakota's Haare sind prachtvoll lockig und Daliah's unfassbar schön glatt. Obwohl sie eineiige Zwillinge sind, unterscheidet die Beiden das Haar, was es ein wenig leichter macht. Und wenn man genau hinsieht, merkt man das auch, denn Dakota's Augen sind ein ganz kleines bisschen größer als Daliah's.
Hinter ihnen erscheint Danny, welcher lässig und eher tonlos die Stufen runter kommt. Seine Hände stecken in seiner schwarzen Stoffhose, die Haare hat er sich in Wellen zurückgekämmt - genauso wie ich es liebe. Mein Herz setzt einen Schlag aus, als sein Blick den meinen streift. In diesem schwarzen Anzug scheinen seine Augen beinahe schon hellgrün zu leuchten, was wahrscheinlich auch daran liegt, dass er da oben im Schatten steht. Irgendwie bin ich froh, dass es kein dunkles Braun ist, denn dann hätte mir sein Blick oft Angst eingejagt. Dieses helle Grün jedoch ist irgendwie... beruhigend. Trotz der gefährlichen Aura, die er verströmt.
„Also sind wir alle startklar?", fragt Leroy in die Runden, als ginge es auf einen Ausflug. Stacy schmunzelt.
„Jap. Alle bereit, wie es scheint", entgegnet sie.
„Das hat sich gereimt", lacht Dakota und hakt sich bei ihrer Schwester ein.
„Schatz, hast du deinen Inhalator dabei?", fragt Katrina plötzlich Dakota, welche sofort nickt.
„Ja, Danny hat ihn mir vorhin gebracht und ihn so an mein Bein befestigt, dass es nicht irgendwie rausfallen kann", erwidert diese.
„Ich habe ebenso einen Ersatz dabei für den Fall, dass sie ihren verliert." Danny schenkt seiner Mutter ein leichtes Lächeln und einen beruhigenden Blick. Diese seufzt lautlos und geht zu ihm hin, um sich bei ihm einzuhaken und ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken, während die Anderen bereits raus gehen.
„Du bist mein größter Schatz, das weißt du", sagt sie und Danny grinst schief. Ich muss lächeln, sobald ich mich umdrehe. Da mag es wohl jemand, dass man mit ihm spricht als sei er noch ein kleines Kind. Aber wer nicht? Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich ebenso bei solchen Worten in den Händen meiner Mutter schmelzen, egal wie alt ich wäre.
Gott, ich liebe diese sanfte Seite an ihm...
Reiß dich zusammen, du Idiotin!
Leise räuspere ich mich und gehe ebenso hinaus. Vor dem Anwesen stehen drei schwarze BMW, dessen Motor bereits gestartet wurde. Wow, was für Luxuskarren! In sowas habe ich noch nie drin gesessen und irgendwie habe ich auch jetzt Angst da einzusteigen. Ich muss wirklich aufpassen und darf nichts kaputt machen.
„Und was für eine Marke ist es diesmal?", fragt Daliah ihren Bruder Alessandro aufgeregt.
„Das, Daliah, ist ein BMW M8. Ein richtig cooles Auto, dass du sicher mal fahren darfst, sobald du deinen Führerschein hast. Und dann fahren wir nach Las Vegas und verzocken unser Geld, weil wir beide schlecht in Glücksspielen sind" lacht dieser und legt ihr einen Arm um die Schultern.
„Ich komme nicht mit nach Las Vegas", entgegnet Dakota daraufhin. Daliah hebt die Brauen.
„Da wo ich bin, bist auch du. Ohne dich will ich nicht einmal einen Schritt aus dem Haus setzen", grinst sie und packt ihre Schwester an der Hand, ehe sie diese ins Auto mit reinzieht.
„Daliah", motzt diese lachend, weil sie sicher doof ins Auto gefallen ist. Ich lächle über die Beiden. Sie sind wirklich unfassbar süß. Lautlos seufze ich und warte darauf, dass man mir sagt, wo ich einsteigen muss. Dabei muss ich unwillkürlich an Aurela denken und taste wie gewohnt nach der Kette, die ich ja gar nicht mehr trage. Das Gefühl sie nun auf gar keiner Weise fühlen zu können, schmerzt. Sie ist bestimmt furchtbar traurig, dass ich einfach gegangen bin und wahrscheinlich hat man ihr erzählt, dass ich nicht wiederkomme.
Sobald das vorbei ist, muss ich sofort zu ihr.
Tief im Inneren muss ich Gott dafür danken, dass er mir eine zweite Schwester gab. Obwohl ich meine Schwester nämlich im Feuer verloren habe, habe ich nun eine weitere kleine Schwester bekommen, die ich niemals loslassen werde, denn sie ist meine Lola.
„Du kannst in Danny's Auto einsteigen, Lara", ertönt plötzlich Leroy's Stimme und reißt mich aus den Gedanken, ehe er sich zu Katrina und Danny umdreht, welche noch an der Haustür stehen und über irgendwas zu reden scheinen.
„He, Chica! Du hast ihm genug in den Arsch getreten, jetzt komm endlich zu mir", ruft er Katrina plötzlich. Diese fängt an zu lachen und schüttelt den Kopf über ihren Mann. Leroy's Mundwinkel heben sich zu einem breiten Lächeln, als sie sich ihm lachend nähert. Wow. Sobald er Katrina sieht lächelt er so breit, dass man nicht einmal auf den Gedanken kommt, dass er der Mafiaboss ist. Ich habe es nicht einmal für möglich gehalten, dass er so lächeln kann.
Die Beiden sind wirklich füreinander geschaffen.
„Da bin ich", grinst sie, als sie bei ihm ankommt und drückt ihm rasch einen Kuss auf den Mund, ehe sie ins Auto steigt. Leroy schüttelt lächelnd den Kopf.
„Du kannst reden wie viel du willst. Mein Plan war besser. Erst in dem selben Zimmer und jetzt im selben Auto. So versöhnen sie sich, weil sie sich kaum aus dem Weg gehen können und nicht durch deine Predigten - die wirklich fantastisch sind, das mein... Aua!", höre ich Leroy noch leise sagen, sobald er ins Auto steigt, da das Fenster noch offen ist. Meine Kinnlade klappt auf, als ich das höre, doch sogleich muss ich leise lachen. Unfassbar, dass die Beiden es sich zur Aufgabe gemacht haben uns zu versöhnen. Also hat Katrina mit Danny gerade über mich gesprochen? Naja eigentlich ist es nicht nötig. Selbst wenn er sich entschuldigt, hat es keine Bedeutung mehr.
Ich schüttle den Kopf und sehe mich hastig um. Jetzt ist nicht die Zeit dafür, Lara!
Alle sind nämlich bereits eingestiegen und nur noch ich stehe. Doch als ich mich zu Danny umdrehe, stelle ich fest, dass auch er steht. Er wartet nämlich auf mich und hält die Tür für mich offen. Still steige ich ein und streife mit der Schulter seinen Oberkörper dabei. Sein Au de Cologne steigt mir dabei in die Nase und am liebsten würde ich seufzen, so gut riecht er. Doch ich halte mich rechtzeitig zurück und schließe nur die Augen, um den Geruch für einen Moment zu intensivieren, während ich einsteige. Man, riecht das gut!
Danny schlägt die Beifahrertür zu und geht um das Auto herum, ehe er ebenso einsteigt und wir losfahren.
Jetzt wird es wirklich ernst.
Stumm sehe ich aus dem Fenster, während die Musik leise im Radio läuft.
„I met you in the dark, you lit me up. You made me feel as though I was enough. We danced the night away, we drank too much, I held your hair back when, you were throwing up. Then you smiled over your shoulder, for a minute, I was stone-cold sober. I pulled you closer to my chest. And you asked me to stay over, I said, I already told ya, I think that you should get some rest. I knew I loved you then, but you'd never know, 'cause I played it cool when I was scared of letting go. I know I needed you, but I never showed, but I wanna stay with you until we're grey and old. Just say you won't let go. Just say you won't let go."
Die sanften Melodien sind berührend. Und treffend. Ich muss beim letzten Satz die Tränen weg blinzeln und wage es nicht zu Danny zu sehen. Stattdessen halte ich den Blick stur aus dem Fenster gerichtet. So ist es nämlich besser.
Viel zu schnell kommen wir an. Zuerst hoffe ich, dass wir nur an einer Ampel halten, doch als ich die viel zu hellen lichter eines Restaurants erkenne, mache ich mir selbst nichts mehr vor. Wir sind da.
Danny schaltet den Motor aus, da steige ich langsam aus, genauso wie alle anderen.
„In weniger als zehn Minuten müssten alle kommen. Ihr wisst, was zu tun ist. Wir haben es besprochen. Daliah, Dakota und Lara ziehen sich nach dem Essen augenblicklich zurück. Ihr geht Händewaschen, Mädels, kommt jedoch nicht wieder. Ihr nehmt die Toilette oben, dafür geht ihr diese Treppe hoch", erklärt Leroy, während ein Mann im schwarzen Anzug uns die Tür aufhält. Wahrscheinlich einer seiner Männer, denn er selbst sagte ja, dass das Restaurant für uns geschlossen wird. Er spricht weiter und zieht jeweils mit dem Finger in die Richtungen, in die wir sodann gehen sollen nach dem Essen, während er weiter spricht.
„Habt ihr das verstanden? Nicht träumen, nicht zu viel reden, nicht ablenken lassen, aber auch nicht hochkonzentriert wirken", sagt er und tippt mir dem Finger nun an die Stirn. „Hier seid ihr hochkonzentriert. Von außen jedoch in feierlicher Stimmung."
Wir nicken.
„Dann wollen wir mal", seufzt er und sieht auf seine Uhr. „Sie müssen jeden Moment da sein."
Still sehe ich mich um. Zuallererst fällt mein Blick auf ein Schild.
›Kula ältestes eigenständiges Restaurant. Schon seit mehr als 83 Jahren ein lokaler Favorit. Mit unseren berühmten DeAngelis-Spaghettisoßen und unseren bekannten "Upside Down" Pizzas. Hausgemachte, köstliche italienische Gerichte mit Meeresfrüchten, Steaks und Pasta. Umfassende Speisekarte mit kleinen Pub-Gerichten und eine Auswahl an Sandwiches. Alle Gerichte werden den ganzen Tag über bis spät am Abend serviert. Voll ausgestattete Bar mit Unterhaltung am Wochenende. Besuchen Sie die Heimat der Stars, Cast-Partys und Berühmtheiten des Kula Theatre. Günstige Lage an der Chocolate Avenue, direkt gegenüber des Kula Story Museum.‹
Klingt ja wirklich cool. Das Arme Restaurant wird jedoch in wenigen Stunden von Blut besudelt sein.
Die Einrichtung des Kula besticht durch den gelungen Mix aus Holz und Stein, alt und neu. In gedimmter Atmosphäre sitzt man bei Kerzenschein in gemütlichen Nischen oder an einer kommunikativen langen Tafel. Eine offene Backsteinwand und die original Pariser Metrofliesen runden den stilvollen, gemütlichen Gesamteindruck ab.
„Ist ein tolles Restaurant. Die Raumteiler wurden aus alten Holztüren, die Sitzbänke aus einem ehemaligen Getreideaufzug, die urigen Tischplatten aus jahrhundertealten Bodendielen und die Deckenbalken aus der Dachkonstruktion einer alten Scheune gefertigt. Unglaublich, oder?", reißt Alessandro's Stimme mich aus den Gedanken. Erstaunt nicke ich.
„Ja, doch noch viel mehr erstaunt es mich, woher du das weißt", erwidere ich. Er lächelt.
„Ich interessiere mich eben für sowas. Also die Architektur. Außerdem musste ich das Restaurant aussuchen und es analysieren, weil es verbrannt wird, sobald wir hier fertig sind. Der Besitzer wollte es so oder so zerstören, weil er sein Grundstück verkaufen wird und ein noch größeres Restaurant öffnen möchte. Schade jedoch um diese Prachtstücke, die nicht mal mehr gerettet werden können", entgegnet er. Schluckend nicke ich langsam. Das alles wird am Ende verbrannt?
„Wieso muss es denn verbrannt werden?", hake ich irritiert nach.
„Naja... so viele Gräber können wir nicht schaufeln." Bedeutungsschwanger sieht er mich an. Ich schnappe leise nach Luft.
„Oh...", hauche ich leise.
„Sorry. War wohl zu direkt. Ich bin es nicht gewohnt, das Offensichtliche nicht auszusprechen oder es gar zu umgehen."
„Schon okay", murmle ich. Er wirft mir noch einen letzten entschuldigenden Blick, ehe er sich umdreht und zu Leroy geht, welcher gerade mit Stacy etwas bespricht.
Dann kommen auch schon die ersten „Gäste". Es sind drei ältere Herren, die in braunen Stoffanzügen stecken. Keiner von ihnen trägt ein freundlichen Lächeln auf den Lippen, doch sie reichen uns allen die Hand. Bei dem zweiten Mann muss ich mich zwingen, nicht ängstlich das Gesicht zu verziehen. Sein ganzes Gesicht ist vernarbt.
„Ist das die Schwiegertochter des Hauses?", fragt der Letzte, als er mir die Hand reicht. Leroy sieht perplex zu Katrina, welcher die Schultern zuckt. Naja, ich verstehe auch nicht ganz, wieso er das fragt, doch vielleicht macht er das ja, um irgendwie ein Gesprächsthema zu eröffnen. Außerdem kennt er wahrscheinlich alle außer mich.
„Ja... Genau. Die Verlobte meines Sohnes", stammelt Leroy. Katrina wirft ihm einen irritierten Blick zu, woraufhin er diesmal das Gesicht verzieht und die Schultern zuckt. Gott, die Beiden.
„Wessen Verlobte?", fragt er und versucht beiläufig zu klingen. Irgendwie wird mir ganz mulmig. Vielleicht weil der Typ noch immer meine Hand hält und mir unentwegt in die Augen stiert, während er Fragen stellt - und das eindeutig nicht an mich.
„Meine." Danny erscheint neben mir und legt seine Hand um meine Hüfte. Ich sehe aus dem Augenwinkel wie Leroy die Hand über seinen Hals zieht. Ein Zeichen an Stacy gerichtet. Ein Zeichen, der nichts Gutes bedeutet. Ich glaube, Danny hätte das nicht sagen dürfen.
„Ahhh... die zukünftige Reina also", sagt der Kerl und lässt meine Hand endlich los, ehe er sich auf einen Stuhl setzt. Was zum Teufel bedeutet Reina?
Danny wirft seiner Familie einen scharfen Blick zu. Leroy presst nur die Lippen zusammen.
„Das hättest du nicht sagen dürfen", spricht Leroy durch Gebärdensprache zu ihm, damit die Herren nichts hören.
„Zu spät", entgegnet Danny nur und lässt mich dann auch los, da die Nächsten reinkommen. Etwa vier Frauen und fünf weitere Männer betreten das Restaurant - da hinter erkenne ich doch tatsächlich Zach und einen sehr alten Mann. Das muss sein Großvater sein.
„Charles. Es ist schön dich zu sehen", begrüßt Leroy ihn. Charles reicht ihm die Hand, formt die Augen zu Schlitzen und nickt. Woah. Der sieht nicht so aus, als würde er Frieden wollen! Doch Mia erklärte mir gestern am Lagerfeuer, dass so ein Friedensangebot heilig ist. Man muss es annehmen, doch wenn es auch noch vom Mafiaboss selbst kommt, dann erst recht. Natürlich darf man damit rechnen, dass es eine Falle ist, doch man darf nicht vor demjenigen, der dich eingeladne hat, zuschlagen. Das heißt also, dass Charles damit rechnet, was Leroy plant, er jedoch nicht zuschlagen darf, ehe Leroy zuschlägt. Sollte er es jedoch dennoch tun, so wird die Unterwelt gegen ihn sein, denn es ist Feige. Stacy meinte, dass selbst Leroy's Feinde dann gegen Charles wären, so respektlos ist es also, wenn man denjenigen töten will, der ein Friedensangebot macht.
„Hallo Lara", ertönt Zach's sonore Stimme und reißt mich aus den Gedanken. Ich zucke zusammen. „Es freut mich zu sehen, dass... du noch lebst."
Leise ziehe ich die Luft ein. Wow.
„Tschüss Zach. Wir beide gehören nicht in diese Welt. Ich werde nicht nett zu dir sein, nur weil die Mafiosis hier Frieden schließen. Ich muss mich an sowas nicht halten und begebe mich nicht auf so ein tiefes Niveau, in dem ich deine Begrüßung erwidere." Mit diesen Worten laufe ich auf Katrina zu, welche den Platz neben sich frei lässt. Sie sitzt gleich neben Leroy. Auch hier hat mir Mia erklärt, dass niemand sich am Kopf des Tisches setzen darf. Auch nicht der Mafiaboss. Alle wissen über seine Macht bescheid, er muss es nicht weiter demonstrieren, dass er es eigentlich nicht nötig hat so ein Friedensangebot zu machen und eigentlich nur mit dem Finger schnipsen muss, damit sie hier und jetzt geköpft werden. Naja, aber sie sagte auch, dass Leroy scheinbar die Schnauze voll hat und es nun selbst erledigen möchte. Immerhin soll Charles ein Mann von Betrug sein. Selbst den Tod betrog er mehrmals. Ich verstehe also, wieso Leroy das selbst in die Hand nehmen möchte.
„Wir sind hier um eine neue Ära zu schaffen. Um ein neues Bild für die Zukunft zu schaffen. Um unserer Kinder wegen. Feinde erbt man. Einst wart ihr Feinde meines Vaters - Ruhe in Frieden solle er weilen - und dann die meinen, obwohl ihr mir nie etwas getan habt. So ist es auch bei meinen Kindern. Eines Tages erben sie alles. Die Freude und die Feinde. Ich habe jedoch beschlossen, dass ihr ihre Freunde werdet. Freunde der Kingstons. Freunde des Mafiabosses. Ein Verbündeter. Und nun essen und trinken wir auf diese neue Freundschaft. Lasst es euch schmecken", beginnt Leroy, hebt sein Glas voll Champagner und nimmt einen kräftigen Schluck, was die anderen ihm nach tun. Ich ebenso. Das nenne ich mal eine Rede.
Die Gespräche werden offener und lockerer. Leroy benimmt sich wirklich so, als wären das nun seine Freunde. Und alles läuft gut.
Bis Charles plötzlich etwas sagt, dass mir einen Schauder verpasst.
„Weißt du... Es ist doch wirklich verrückt, wie ich hier sitze, lache, esse und trinke... mit dem Mörder meiner Tochter."
Es wird mucksmäuschenstill. Leroy sieht auf sein Glas runter und hebt einen Mundwinkel in die Höhe, doch ich sehe ebenso, wie er die Augen misstrauisch zu Schlitzen formt.
„So ein Thema schneidest du an, Charles?", fragt ein Mann, dessen Name ich jetzt jedoch nicht weiß, ihn. Leroy schnaubt belustigt.
„Es ist in Ordnung. Ich möchte nämlich klarstellen, dass ich Kelly nicht getötet habe", erwidert Leroy. Zach spannt sich an und hebt verwirrt seinen Kopf.
„Nein, das hätte ich trotz ihres Verrats niemals getan. Ich hätte sie nicht einmal gefangen genommen. Ich wusste immer, dass sie einen Sohn hat. Ich denke, ich hätte sie in eine Kiste gesteckt und sie auf eine Insel verfrachtet, gemeinsam mit ihrem Sohn, aber getötet hätte ich sie nicht. Sie war schon tot, als ich dort ankam, Charles. Hör auf Dinge zu verdrehen. Du kennst mit Sicherheit die Wahrheit. Tue es für deinen Enkel. Er hat das nicht verdient."
„Was soll das bedeuten?", fegt Zach's dunkle Stimme über den Tisch.
„Das bedeutet, dass dein Großvater genau weiß, dass ich Kelly nicht umgebracht habe. Und dennoch hat er dir etwas anderes erzählt", erwidert Leroy. Leicht lächelt er.
„Hallo Zach. Du erkennst mich sicher nicht wieder, doch wir haben uns einmal getroffen und sogar zusammen Cars geguckt. Meine Haushälterin sollte auf dich aufpassen, weil deine Mutter etwas zu erledigen hatte und ich kam eher... von der Arbeit. Auch wenn deine Mutter mich verraten hat und meinen Tod wollte... war sie mir einst eine gute Freundin. Doch selbst wenn sie es nicht gewesen wäre. Ich jage nicht die Kinder meiner Feinde und möchte ihnen auch nichts Böses. Du warst und bist niemals mein Feind gewesen."
Es bleibt noch immer unfassbar still. Man hört nur Zach mühevoll atmen. Seine Augen röten sich.
„Mir wurde beigebracht dich zu hassen", erwidert er heiser vor Zorn. Ich sehe nervös zu Danny, welcher Zach aus Adleraugen betrachtet. Seine Fingerspitzen liegen am Rand des Tellers. Obwohl es ganz normal ausschaut, weiß ich es besser. Er hält sich bereit. Bei einer falschen Bewegung, wird er angreifen.
„Natürlich. Ich hatte auch nie die Möglichkeit mich zu erklären, doch nun habe ich sie. Ich habe deiner Mutter nie körperlich weh getan. Und ich habe sie nicht ermordet", erwidert Leroy ruhig. Zach wirft Charles einen scharfen Blick zu, der mehr sagt, als Worte je könnten. Nun, sein ganzes Leben hat Zach sich auf etwas fokussiert, dass all die Wut nicht einmal wert ist. Den da gibt es eigentlich nichts.
„Zach. Ich bin Katrina. Ich kannte deine Mutter und auch deinen Großvater Charles kenne ich sehr gut. Obwohl deine Mutter steht's gemein zu mir war und mich loswerden wollte, gebe ich ihr für nichts die Schuld. Schuld an all das Leid bist nämlich nur du Charles. Doch ich habe es dir damals gesagt und ich sage es wieder: Du hast deine Tochter verkauft. Wer bin also schon ich, dass du nicht mich verkaufst? Aber davon abgesehen, solltest du es nun besser wissen. Du gehörst nicht zur Mafia, doch bringst dich ein, obwohl du das nicht musst. Nach Kelly's Tod hättest du Zach aus der ganzen Mafiasache raushalten müssen. Du hättest für ihn ein neues Leben beginnen müssen, weit weg von der Unterwelt. Doch stattdessen hast du ihn mit einer Denkweise aufgezogen, die falsch ist und ihm den Kopf kosten könnte. Ich frage mich wirklich, wie man so...", beginnt Katrina. Ihre Worte sind perfekt gewählt. Nicht zu böse und auch nicht zu gut. Sie treffen einen wunden Punkt - bei Zach. Dieser scheint wie erstarrt. Er hat realisiert, dass er ein viel schöneres Leben hätte haben können, wenn es seinen Großvater gar nicht erst gäbe. Für einen Moment tut er mir so leid...
Doch dann geschieht alles ganz schnell.
Charles unterbricht Katrina in dem er plötzlich mit einem Taschenmesser nach ihr wirft. Es geht so schnell, dass ich nicht einmal mehr nach Luft schnappen kann. Doch in dem Moment wirft Danny seinen Teller, wie er es damals schon bei mir machte, und wehrt es somit ab. Katrina wird nicht mitten im Gesicht von einem Messer getroffen.
Dann geht es los. Etwas womit wohl keiner von uns gerechnet hat.
Daliah und Dakota schreien vor Schreck und alle erheben sich, gehen mehrere Schritte zurück. Während alle langsam realisieren, was vorgeht, ist Danny bereits auf den Tisch gesprungen und trifft Charles hart mit der Fußspitze im Gesicht, duckt sich dabei und greift nach dem Topf voll Essen, ehe er es mit einer eleganten Bewegung ausschüttet und Zach eins überbratet, der augenblicklich bewusstlos zu Boden fällt.
„Verrat", brüllt eines der mir unbekannten Frauen und stürzt sich urplötzlich nach vorn, doch Stacy holt einmal aus und trifft sie mit der Faust mitten ins Gesicht. Es knackt ganz unangenehm.
Jetzt stürzen sie sich alle nach vorn.
„Mia deine Waffe!", brüllt Alessandro. Ich gehe unbewusst mehrere Schritte zurück, merke wie es immer schlimmer wird. Plötzlich öffnet sich die Tür und etwa fünf weitere Männer kommen mit gezückten Waffen herein. Daliah und Dakota krabbeln unter dem Tisch, während ich nur hoffen kann, dass sie mich nicht sehen, denn ich stehe unbewaffnet in dieser Ecke und habe nichts außer einem Messer am Bein befestigt.
Charles muss das alles von Anfang an geplant haben.
Mia wird angeschossen. Sie schreit und lenkt die anderen für einen Moment ab. Katrina verliert die Kontrolle und verpasst der Frau eine Faust, ehe sie sich hastig umdreht um zu ihrer Tochter zu rennen, doch die Frau fiel nicht. Sie greift nach Katrina's Haaren und zieht sie zurück.
„Mamá!", kreischt Jacky als ein Mann sich dazu mischt, seine Hand um ihre Kehle schlingt und ihr die Luft abschnürt. Oh Gott. Oh Gott.
Stacy wirft sich die Haare zurück, hebt ein Blech wie ein Schutzschild in die Höhe und schießt, während sie den Blick scharf auf die Neuen richtet. Drei erwischt sie, doch dann muss sie in Deckung gehen. Mia und Jacky kämpfen. Alessandro und Jason kämpfen. Leroy kämpft und Danny prügelt sich blind mit jedem.
Keiner kann zu Katrina.
Ich muss dahin, sonst stirbt sie. Ich zücke hastig mein Messer, versuche nicht zu viel nach zu denken und renne auf sie zu. Ich stelle mich hinter den Mann und lasse es ganz schnell gehen. Ein sauberer Schnitt am Kehlkopf. Der Mann hält inne und krächzt, ehe sogleich Blut aus allein Seiten schießt.
Wie erstarrt sehe ich auf meine Hand.
„Gott, es tut mir so leid, Süße!", flüstert Katrina, nachdem sie lange husten musste. Sie umarmt mich hastig. „Es tut mir so leid, dass du das tun musstest."
„Alles gut. Geht es dir gut?", erwidere ich benommen. Sie nickt schnell und sieht sich dann um.
„Gott, es brennt ja alles! Wir müssen hier raus. Wo sind Daliah und Dakota?", fragt sie panisch. Erst jetzt merke ich, dass es hier brennt. Alessandro hat sicher kein Feuer gemacht, das muss einer dieser Männer gewesen sein.
„Sie verstecken sich unter dem Tisch! Warte, ich hole sie und versuche sie hier raus zu bringen", rufe ich ihr zu und laufe bereits hastig auf die Mädels zu, sehe jedoch wie sie gerade aus dem Tisch kriechen.
In dem Moment ertönt ein Schuss.
Ich erstarre.
Ich habe es nämlich gefühlt. Ich habe Gefühl wie die Kugel an mir vorbeizog. Langsam und bibbernd vor Angst drehe ich mich um und sehe nur noch wie Katrina sich die Hand ans Herz drückt.
„Katrina", höre ich mich schreien, nehme es jedoch nicht wahr. Ich höre die Mädels schreien. Mehrer Schüsse hintereinander folgen, in dem Moment sehe ich mich hastig um, da trifft mein Blick den von Leroy, welcher blass wie eine Leiche scheint.
Er rennt.
In seinen Augen, die nur auf Katrina liegen, ist die blanke Panik zu erkennen.
„Jacky, pass auf!", höre ich Stacy schreien, da ertönt ein weiterer Schuss.
Getroffen wird Leroy. Er schnappt laut nach Luft, fällt jedoch sogleich auf die Knie - die Hand noch immer nach ihr ausgestreckt.
Ich erstarre, kann mich nicht bewegen, kann nicht atmen und habe das Gefühl nicht mehr Herr meines Körpers zu sein. Es fühlt sich an, als würde jemand die Kontrolle übernehmen und mich zwingen dorthin zu sehen - und ich kann nichts dagegen tun.
Leroy blinzelt. Katrina zieht scharf die Luft ein. Beide öffnen ihren Mund, als wollten sie noch etwas sagen, doch kein Ton rollt über ihre Zungen. Still sieht er zu ihr hoch, öffnet mühevoll seinen Arm, als sie fällt, damit sie sanft auf ihn landen kann. Just in dem Moment, als Katrina in Leroy's Armen fällt, nehme ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr. Denn in dem Moment fällt Danny auf die Knie. Mir schwirrt der Kopf und dennoch nehme ich nichts wahr, außer diese Familie, die gerade innerhalb von wenigen Sekunden ein für alle mal zerbricht.
Mein Blut rauscht mir in den Ohren, ein unangenehmes Piepen ertönt, das immer lauter zu werden scheint, bis mir klar wird, dass das Geräusch nicht in meinem Kopf ist. Nein, es ist eine Stimme. Jemand schreit. Jemand schreit sich gerade die Seele aus dem Leib. Es klingt so komisch... So dumpf und doch so klar. Und als ich der Stimme folge, fällt mein Blick auf Danny. Ich erschaudere.
Die anderen Fünf erledigen noch den Rest, ehe es plötzlich ganz still wird. Man hört nur noch das Knistern des Feuers. Charles war es, der es noch schaffte auf Katrina und Leroy zu schießen. Und Beide wurden sie mitten in der Brust getroffen.
„Hilft mir! Na los, bitte", weint Dakota, welche gemeinsam mit Daliah über Leroy und Katrina lehnt. Mia, welche noch immer verletzt ist, und Jason rennen auf sie zu und greifen nach den Mädels, Stacy und Alessandro greifen nach Leroy und Katrina.
Mittlerweile steht das ganze Gebäude in Flammen. Der Saal wirkt wie die lodernde Empfangshalle zur Hölle. Eine unerträgliche Hitze schlägt mir ins Gesicht. Hustend hebe ich mir schützend meinen Arm. Wir müssen hier raus! Und die anderen tun es sogar bereits. Alle lassen sie liegen bis auf Zach. Ihn nehmen sie komischerweise mit, doch ich hinterfrage jetzt nichts.
Ich drehe mich zu Danny um, der weiter weg auf dem Boden kauert. Er schluchzt. Sein Körper wird von dem seelischen Schmerz überflutet. Selbst von so weiter Ferne spüre ich seine Qualen. Doch er muss hier raus. Wir müssen hier raus. Für Katrina und Leroy gibt es sicher noch Rettung... sie... vielleicht wurden sie gar nicht mitten in der Brust getroffen.
Ich erhebe mich und blicke zur Decke hoch, die von den züngelnden Flammen bereits verschluckt wird. Die Balken ächzen bedrohlich. Wir müssen hier raus.
„Danny!", versuche ich so laut, wie möglich zu rufen, doch mein Schrei wird durch den Lärm verschluckt.
Ich erhebe mich hustend und keuchend. Dieser Rauch raubt mir den Atem. Ich kann nicht mehr.
„Danny!", schreie ich lauter.
Diesmal hat er mich gehört. Es ist, als wäre er aus einer Trance erwacht. Als hätte meine Stimme ihn zurück in die Realität gebracht. In die Hölle auf Erden. Er dreht sich zu mir um, ein toter, trauriger Ausdruck ziert seine Gesichtszüge.
Ich will einen Schritt auf ihn zumachen, da bemerke ich, wie es plötzlich Glut auf mich herabregnet. Verwundert bleibe ich stehen und richte den Blick nach oben. An die Decke.
In dem Moment stürzt sie auf mich herab.
꧁꧂
Ende.
Morgen früh folgt Epilog und die Danksagung ❤️
SevenTimes-
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top