»50« Liebeserklärung á la Lara

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Die Betreuer werden alle verhaftet. Obwohl ich dafür war, dass man sie mitten im Hof irgendwo festbindet und auspeitscht.

Ich weiß gar nicht, was genau ich wollte, aber ich weiß, dass ich sie bluten sehen wollte. Weinend und zerstückelt.

Shifu wollte Aurela nun sprechen und dann alle anderen Kinder. Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist sie auszufragen, doch ich denke andererseits, dass Shifu in dem Punkt gut die Worte wählen kann. Wenn er Erwachsenen hilft, dann Kindern doch sicher auch.

Seit sie in seinem Haus nun sind, sitze ich auf der Wiese und warte. Ein wenig quält es mich, dass ich nicht ebenso rein durfte, doch ich habe Shifu auch nicht gefragt, weil ich Aurela nicht zu Nahe treten wollte. Sie soll mit ihm reden und ich will sie auf keinen Fall irgendwie verunsichern oder gar beschämen. Ich atme tief ein und schließe für einen Moment die Augen. Kaum zu glauben, wie ruhig ich mich plötzlich fühle und welch Wut vorhin noch in mir tobte. Ich bin noch nie so wütend gewesen und ich hätte niemals gedacht, dass ich in der Lage bin jemanden so stark zu verletzen, doch ich bereue es nicht. Sie haben sogar weitaus mehr verdient.

Ich fahre zusammen, als sich jemand neben mir setzt. Blinzelnd öffne ich die Augen, sehe nach links und entdecke Danny. Er hat sich still zu mir gesetzt und sieht auf meine Hände, die ich in ein Handtuch gewickelt habe, da sie stark am bluten waren. Irgendwie habe ich eine Scherbe in die Hand bekommen, doch ich fürchte mich davor sie mir rauszunehmen. Ich weiß gar nicht, ob die Blutung nun ein Ende gefunden hat.

„Hey...", hauche ich und breche somit die Stille. Danny hebt den Blick und sieht mir direkt in die Augen, was mich für einen Moment völlig aus der Bahn wirft. Erst jetzt merke ich, wie nah er mir eigentlich ist. Still betrachtet er mich und sieht sodann auf meine Hände runter, ehe er mir langsam das Handtuch wegnimmt. Seine Augen weiten sich, als er das Blut entdeckt und sieht kurz böse zu mir hoch.

„Ich hatte Angst, es selbst rau...- Aua! Oh, mein Gott! Hast du die Scherbe jetzt einfach rausgezogen?", rufe ich entrüstet und will meine Hand an mich ziehen, doch ein Blick von ihm genügt und ich bleibe still. Er schüttelt seufzend den Kopf und steht auf.

„Warte."

Er geht in Shifu's Haus und kehrt mit einem Verbandskasten zurück. Ich seufze leise und spüre, wie mir ganz warm ums Herz wird. Als er sich wieder zu mir setzt und nach meiner Hand greift, ehe er sie zu verarzten beginnt, muss ich mir auf die Unterlippe beißen, denn plötzlich fühle ich, wie alles hochkommt.

„Tut mir leid", wispere ich und spüre, wie meine Augen langsam zu brennen beginnen. Man, dieser Tag war einfach so schlimm, dass ich nun unglaublich emotional bin. Danny's runzelt die Stirn und hebt sodann fragend die Augenbrauen.

„Tut mir leid, dass ich dich ignoriert habe... Ich habe erst heute gemerkt, was es mit einem anstellt, wenn man sowas hört... Ich wusste gar nicht, was in mich gefahren ist. Ich wollte diesen Arschlöchern einfach weh tun - ja, wirklich bluten sehen! Ich wollte ihnen all ihre Knochen brechen... Ich hätte nicht gedacht, dass ich so unglaublich gewaltvoll sei kann, doch diese Wut, die ich heute gespürt habe, hat mir gezeigt, wie du dich eigentlich gefühlt haben musst. Ich verstehe es jetzt und es tut mir einfach leid, dass ich dir nicht sofort verzeihen konnte", erkläre ich ihm und schniefe leise. Danny's Lippen kräuseln sich, während er mir nochmal mit dem Lappen das Blut an einer Stelle wegwischt, ehe er mir einen Blick zuwirft, der sich wie die wärmenden Strahlen einer aufgehenden Sonne anfühlt. Wunderschön. Ich muss lächeln.

„Aua!" Und schon vergeht mein Lächeln.

„Gott, das brennt ja wie die Hölle", keuche ich und beiße die Zähne zusammen. Danny zuckt die Schultern.

„Stell dich nicht so an."

„Wie bitte? Das ist Desinfektionsmittel! Das brennt ganz fürchterlich", rufe ich empört und schnaube.

„Es ist weit weg vom Herzen. Du überlebst es."

„Hey", schmolle ich. Ein wenig mehr Mitgefühl wäre echt toll gewesen. Und eine Umarmung.

„Ist das deine Rache? Ich habe mich doch entschuldigt", frage ich ihn und lege den Kopf schräg.

„Tja. Entschuldigung nicht angenommen."

„Nicht?"

„Nope."

„Und wieso?"

„Du hast mich wochenlang ignoriert. So schnell kann ich dir das nicht verzeihen."

„Und was muss ich tun, damit du mir schneller verzeihst?", lächele ich und suche seine Augen.

„Lass dir was einfallen." Er zuckt mit den Schultern und legt mir ein Verband um.

„Reicht es, wenn ich dir sage, dass ich dich liebe?"

Die Worte kommen schnell und unbedacht über meine Lippen. Ich reiße die Augen auf und selbst Danny hält überrascht inne. Meine Kinnlade klappt auf und schließt sich sogleich wieder. Habe ich... Habe ich das gerade wirklich laut gesagt? Gott, wie peinlich! Aber er hat mich so aufgeheitert und ich fühle mich gerade so unglaublich wohl in seiner Nähe, dass ich irgendwie gar nicht anders konnte. Als hätte meine Herz aus mir gesprochen.

Mach es nicht peinlicher als es ist, Lara! Rede weiter und hol' Romeo aus dir raus, wie bei deinem Gedicht!

Ich räuspere mich.

„Ich wusste es schon, als wir gemeinsam gesprungen sind. In diesem Moment habe ich mich in dich verliebt. Weißt du, was ich ganz besonders an dir liebe? Dein Lächeln. Wenn deine Mundwinkel minimal in die Höhe wandern, man dir anmerkt, dass du es dir eigentlich verkneifen willst, aber trotzdem lächeln musst, weil ich halt geil...- eh, lustig bin! Doch vor allem liebe ich es, wenn du lachst. Wenn deine Lippen sich öffnen und deine schönen weißen Zähne erscheinen, deine Augen schmaler werden und du aus vollem Herzen lachst. Ja, ich glaube, dass ich mich eigentlich zum ersten Mal in dich verliebte, als du mir das erste Mal ein Lachen schenktest."

Gott, bin ich gut!

„Diese Liebeserklärung rührt mich gleich selbst zu Tränen. Ich habe sogar Romeo übertroffen, nicht?", scherze ich, damit es nicht allzu peinlich ist, denn Danny sieht mich mit geöffneten Mund an. Ich glaube, er ist... ziemlich überrascht. Er hat nicht damit gerechnet, dass ich ihm nun das hier liefere, doch ich habe auch nicht damit gerechnet.

„In den letzten Wochen fiel mir besonders auf, wie ungern ich dich misse. Ich glaube, nur das Wissen, dass ich dir eh bald verzeihen werde, hielt mich ruhig. Dass ich bald wieder bei dir sein kann. Ich habe gemerkt, dass ich ohne dich nicht sein will. Bitte, lasse mich niemals los, Danny", wispere ich und beiße mir doch etwas verunsichert auf die Lippe. Danny sieht mir von einem Auge ins andere und hat die Stirn in Furchen gelegt.

Endlich regt er sich. Er zieht leise die Luft ein und legt sodann den Kopf schräg, ehe er mir einen undefinierbaren Blick zuwirft.

„Shakespear wäre neidisch, wenn er dich hören würde, Romeo." Danny beginnt leise zu lachen, legt mir gerade die Hand an die Wange und will mich endlich wieder küssen, als wir von einer hohen Stimme unterbrochen werden.

„Lara!", ruft Aurela mich und ich zucke verschreckt zusammen.

Wirklich jetzt?

Danny seufzt leise gegen meine Lippen und als sein warmer Atem diese streift, bekomme ich eine Gänsehaut. Sehnsuchtsvoll starre ich ihn an, während er sich langsam zurückzieht. Och, man.

„Ich bin jetzt fertig. Kann ich bitte ins Bett?", fragt sie mich, sobald sie bei mir ankommt und umarmt mich. Vorsichtig umarme ich sie zurück.

„Aber klar, meine Süße. Ist alles okay?", frage ich sie leise, woraufhin sie bloß nickt.

„Ja, ich würde jetzt nur gerne ins Bett."

„Kann ich Lara nur noch eben die Hand zu Ende verbinden?" Danny hockt sich neben uns, um mit Aurela auf Augenhöhe zu sein.

„Oh, aber natürlich! Bist du verletzt, Lara?"

„Es ist nichts schlimmes, Aurela", lächle ich sie und lasse sie aufstehen, damit Danny noch meine Hand in Ruhe verbinden kann. Dies ist jedoch schnell geschehen, sodass ich nun aufzustehen habe.

„Dann wollen wir mal", sage ich leise und will gerade nach ihrer Hand greifen, doch sie steht nicht mehr neben mir.

„Danke, dass du dich um Lara gekümmert hast, Danny", höre ich sie sagen und drehe mich in dem Moment um, nur um zu sehen, wie sie Danny in den Arm nimmt und ihm einen Kuss auf die Wange gibt. Danny strahlt sie regelrecht an und umarmt sie zurück.

„Wenn du mich brauchst, dann weißt du, wo du mich findest, ja?"

Aurela nickt, ehe sie wieder zu mir zurück kommt und nach meiner Hand greift. Ich sehe ein letztes Mal zu Danny, welcher mir bloß leicht schmunzelnd zuzwinkert, ehe er nach dem Verbandskasten greift und sich umdreht.

„Und du willst wirklich schon ins Bett?", frage ich Aurela, während wir nun in ihr Zimmer gehen.

„Ich würde mich einfach gerne hinlegen und nur Disneyfilme schauen... Kannst du bei mir bleiben oder hast du viel zu tun?", fragt sie mich. Hastig nicke ich. Selbst wenn ich etwas zu tun hätte, würde ich sie heute nicht allein lassen. Oder überhaupt noch allein lassen. Nein, niemals mehr. Zwar sind alle Betreuer festgenommen worden, obwohl einige von ihnen vielleicht unschuldig waren, doch dennoch habe ich das Gefühl sie mit allem, was ich besitze, beschützen zu müssen. Der Gedanke, was ihr in meiner Abwesenheit angetan wurde, frisst mich innerlich auf und ich kann nicht glauben, dass sie dennoch nicht weint und... ich weiß auch nicht... Sie führt sich bloß so... normal auf. Natürlich ist es mir lieber, dass sie nicht am Boden zerstört ist! Aber ein wenig überrascht es mich doch...

Sie ist ein Kind... Sie weiß doch gar nicht wirklich, was genau da geschehen ist. Sie weiß nur, dass es weh getan hat und es nicht schön war...

Lautlos seufze ich. Ich hoffe wirklich, dass sie es vielleicht sogar irgendwann vergisst. Ich meine, sie ist fünf Jahre alt. Ich selbst erinnere mich kaum an mein fünftes Lebensjahr. Ich hoffe, dass sie es auch nicht tun wird. Vielleicht... vielleicht kann sie es ja wirklich vergessen.

Ich hoffe es so sehr.

°°°

Eigentlich wollte ja Aurela ins Bett und gerne hätte ich sie dorthin begleitet, doch jemand scheint auf uns zu warten. Verblüfft sehe ich auf die drei Gestalten, die sich vor ihrer Zimmertür gestellt haben.

„Wer sind die Leute?", fragt Aurela mich. Ich schlucke. Leider sagt mir mein Gefühl, dass es die Prüfer sind, die noch einen Blick auf mein Patenkind werfen wollen, ehe ich diese blöde Urkunde bekomme, für die ich mir in den letzten Wochen den Arsch aufgerissen habe.

Wieso ausgerechnet heute? Gerade jetzt, wo es Aurela so schlecht geht? Sie ist doch gar nicht in der Lage sich jetzt auch noch irgendwie für irgendwas Mühe zu geben und tatsächlich verlange ich das auch gar nicht von ihr.

„Ich glaube, das sind die Prüfer", flüstere ich, da wir ihnen immer näher kommen und ich nicht will, dass man mich hört.

„Dabei geht es um deine Prüfung, richtig? Susi hat mir davon erzählt. Sie haben Fragen an mich", stellt Aurela fest, sieht jedoch trotzdem fragend zu mir hoch. Doch ich kann den Blick von den Prüfern nicht abwenden. Zwei Frauen und ein Mann. Allesamt sind sie blond und blauäugig. Lustig wäre es ja echt, wenn sie Geschwister wären. Alle drei tragen sie maßgeschneiderte Anzüge, als würde hier gleich ein Kaufvertrag über ein Grundstück geschlossen werden und nicht einfach ein Gespräch mit eine Kind geführt - oder was auch immer sie vorhaben.

„Du musst heute nicht mit ihnen reden", seufze ich und schenke ihr ein kleines Lächeln, ehe ich wieder nach vorn sehe. Ich werde ihnen einfach sagen, dass uns heute nicht danach ist. Sie werden es hoffentlich verstehen. Darf man sie denn überhaupt zurückweisen? Wieso vereinbaren diese Schweine eigentlich keinen Termin? Für wen halten sie sich, dass sie einfach umangekündigt hier auftauchen?

„Guten Tag", begrüße ich sie gespielt freundlich lächelnd und verbanne diese Gedanken in meinem Kopf, um nun ja nicht plötzlich wütend auszusehen.

„Guten Tag, Lara. Guten Tag, Aurela", begrüßt die Frau uns ebenso, während die anderen uns nur ein Lächeln zuwerfen.

„Wir sind hier, weil wir mal Aurela kennenlernen wollten. Ich bin Kylie, das ist Olivia und das ist Spencer. Wir freuen uns, deine Bekanntschaft machen zu dürfen", stellt die Frau sich und ihre Kollegen vor, ehe sie Aurela die Hand reicht.

„Freut mich ebenso", erwidert diese leicht lächelnd und schüttelt die Hände dieser Fremden.

„Ehm... Aurela ist...", beginne ich, doch der kleine Körper neben mir unterbricht mich.

„Bereit! Immer und jederzeit. Ich mag es, neue Menschen kennenzulernen", lügt sie. Sie hasst es neue Menschen kennenzulernen, denn ich weiß noch, wie distanziert sie anfangs zu mir war. Stirnrunzelnd sehe ich zu ihr runter, doch statt meinen Blick zu erwidern, ignoriert sie mich, greift süßlächelnd nach der Hand von Kylie und lässt sich mit ziehen.

„Wir bringen sie gleich wieder zurück", verspricht man mir, woraufhin ich nur langsam nicke.

Ehe sie durch die Tür gehen, dreht Aurela sich zu mir um, hebt ihren Daumen in die Höhe und zwinkert mir zu.

Oh Aurela...

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Hach, Aurela 😍 irwie lüb ich sie 🥰

Hoffe, die Lesenacht hat euch gefallen!

Noch 5 Kapitel + Epilog. Ich denke zwei davon poste ich noch allein und den Rest dann in der nächsten Woche komplett. Hoffentlich. Mal sehen.

Gute Nacht ❤️

SevenTimes-

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