»41« Todesschuss
𝕃 𝔸 ℝ 𝔸
Tiefe Stille herrscht im Wasser, ohne Regung ruht das Meer und bekümmert sieht der Schiffer glatte Fläche ringsumher. Keine Luft von keiner Seite. Todesstille fürchterlich! In der ungeheuren Weite, regt keine Welle sich...
Ich habe mich noch nie in Menschen getäuscht.
Ich musste es nicht.
Ich habe nämlich nie Menschen in mein Leben gelassen. Habe Freundschaften auf Distanz geschlossen, denn ich bin nicht in der Lage ein weiteres Mal von Menschen, die mir viel bedeuten, Abschied nehmen zu müssen. Ich bin nicht in der Lage zu vertrauen und bin nicht in der Lage loszulassen.
Ich habe mich noch nie verliebt.
Doch ich verliebte mich zum ersten Mal in dem Mann, der mich beim ersten Aufeinandertreffen grob am Arm packte und hinaus schleifte. Der mich zu Boden warf und mich anstarrte, als sei ich nicht ganz dicht im Kopf. Doch dieser Mann hat mehrere Gesichter. Er kann nämlich genauso gut lächeln. Er kann lachen und witzig sein. Er kann dich in den Arm nehmen, dich trösten, dich küssen und dich lieben. Er kann dich fühlen und leben lassen.
Doch das ist nicht das einzige Gesicht von Danny Kingston...
... denn just in diesem Augenblick steht jemand ganz anderes vor mir.
Ich versuche meine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, denn die Angst ist kurz davor mich zu überwältigen, blicke starr wie eine Statur auf das Schauspiel welches sich mir bietet.
Richard und Paige sind völlig erstarrt.
Danny dagegen belustigt. In seinen Augen, welche auf Señor Diego gerichtet sind, liegt ein noch viel hellerer Funke der Freude, als er ihn trug, wenn er mit mir war.
Mit dem Lächeln eines Psychopathen auf den Lippen tragend, steht er auf, weswegen Richard nach der Hand seiner Frau greift und hastig das Weite sucht. Danny wäre ihnen nachgelaufen, wenn in dem Moment nicht etwa fünf Männer in schwarzen Anzügen auf uns zulaufen würden.
Ich schaffe es nicht mich zu rühren.
Vor meinem inneren Auge scheint jede Bewegung verlangsamt, die Schreie hören sich dumpf an und die klirrenden Gläser sind kaum vorhanden. Als würde all das in weiter Ferne geschehen und ich stünde nicht mitten drin.
Ein Schuss ertönt und reißt mich aus meiner Trance. Es fühlt sich an, als wäre ich hinter zehn geschlossenen Türen gewesen, die sich urplötzlich öffnen, ehe eine raue Hand nach mir greift und mich hinaus - in die Wahrheit - zerrt.
Danny's wütende Augen starren mich nieder, während er einen bewusstlosen Mann von sich schubst, der schlapp zu Boden fällt. Ich blinzle verwirrt und lasse den Blick schweifen, entdecke den zerbrochenen Teller vor mir.
„Halte deine Augen offen, verdammt! Wenn ich nicht rechtzeitig einen Teller geworfen hätte, dann hätte die verfickte Kugel dein Gesicht getroffen!" Wild fuchtelt er mit den Händen vor meinem Gesicht rum, während ich nur wie benommen wanke. Sein Griff um mein Oberarm ist fest und schmerzhaft, doch über meine Lippen kommt nichts, denn der Schock sitzt tief. Er beachtet mich jedoch nicht weiter, sondern läuft los und zieht mich dabei hastig hinter sich her. Er öffnet das Auto bereits aus der Ferne und schubst mir voran, damit ich schneller einsteige, ehe er selbst um das Auto herumläuft und einsteigt. Das quietschen der Reifen wird von dem Geräusch des Schusses übertönt, welcher folgt sobald wir losfahren.
„Um die kümmere ich mich später." Es scheint mir, als würde Danny eher die Handbewegungen für sich selbst machen und nicht für mich, während er durch die Straßen rast. Schluckend umgreife ich den Gurt fester. Der Mann ist einfach gestorben und schuld daran ist Danny. Wieso hat er ihn umgebracht? Sie waren doch nett und... und es hat doch sogar Spaß gemacht und... ich dachte, wir müssen die Koys und den Drogenhändler, bei dem ich mir sicher bin, dass es dieser Diego war, festnehmen. Festnehmen! Nicht töten. Und gerade nicht Fremde! Wieso nur hat er das getan?
Er hat jemanden getötet...
Gerade als ich glaube meine Stimme wiedergefunden zu haben, legt er eine Vollbremsung ein, sodass ich fast gegen das Armaturenbrett geknallt wäre, doch bin ich angeschnallt.
„Du bleibt im Auto. Komm nicht raus, Lara, hast du mich verstanden?" Ich blinzle und nicke langsam. Viel zu rasch hat er nach meinen Schultern gegriffen und mich zu sich gedreht. In seinen Augen finde ich den Wahnsinn. Was geht nur in ihm vor?
Der dumpfe Schlag der Autotür, lässt mich zusammenzucken, sobald er aussteigt. Schluckend sehe ich mich um. Wir stehen vor der Villa. Doch er geht nicht hinein, sondern läuft hoch. Zu den Koys? Um mit ihnen was zu tun?
Sie auch zu töten?
Aber er muss sie doch festnehmen! Er kann sie nicht umbringen... Und Gott, ich will das auch nicht. Das darf er nicht tun. Er darf einfach nicht.
Oder wenn sie ihn verletzen? Sie schienen unglaubliche Angst vor ihm zu haben. Wenn sie ihn bewusstlos schlagen oder gar töten? Sie sind immerhin zu zweit und diese Männer in den schwarzen Anzügen müssten zu ihnen oder zu diesen Señor Diego gehören und dementsprechend sicher bald hier sein. Und diese sind auf alle Fälle bereits Danny zu töten.
Ich hebe den Kopf und beiße die Zähne zusammen. Ich muss ihm nach. Ich kann ihn nicht allein lassen, so sehr ich auch Angst habe.
Mit neuer Energie und kühlerem Kopf reiße ich die Tür auf und eile ihm nach. Er muss bereits dort angekommen sein, doch das ist egal. Ich vergesse alles. Vergessen ist die Angst zu fallen, vergessen ist die Angst vor der Höhe. Das Wissen, dass ich schneller da sein muss lässt mein Blut kochen und das Adrenalin in meinen Adern pulsieren.
Schneller Lara. Schneller.
Im Wald ist es ruhig. Es ist eine kleine Strecke, bis zu den Koys und dennoch bekomme ich langsam Angst, dass mir vielleicht ein wildes Tier in den Weg springt. Das wäre es ja noch. Schluckend renne ich schneller, spüre nach der kleinen Weile jedoch sogleich das Brennen im Hals und die kraftnehmenden Seitenstiche, sodass ich langsamer werden muss. Tief durchatmen und konzentrieren, Lara.
Tief durchatmen und konzentrieren.
Ich laufe wieder los. Ich sehe bereits das Haus der Koys aus der Ferne und bekomme ein erleichterndes Gefühl im Bauch, auch wenn da noch die zynische Stimme in meinem Kopf ist, die flüstert, dass es schon zu spät sei und Danny tot auf dem Fußboden liegen könnte.
Doch sie hat unrecht.
Ich komme dem Haus näher, bleibe jedoch etwa fünf Meter davor schon stehen, denn mein Herz setzt mehrere Schläge aus, als ich durch das Fenster ins Innere sehen kann und die Silhouetten an Farbe gewinnen. Stoßweise atme ich ein und wieder aus, versuche den Verstand nicht zu verlieren, doch es klappt nicht. Ich spüre, wie die Panik sich einer Schlange gleichkommend, meine Beine hoch schlängelt bis sie an meinem Oberkörper ankommt und sich um meinen Hals schlingt. Mein Atem wird hektischer, ich reiße die Augen auf und öffne den Mund um zu schreien, doch kein Laut kommt mir über die Lippen.
Nein. Nein. Nein.
Alles in mir verkrampft sich, ich kann den Blick jedoch nicht mehr rechtzeitig abwenden.
Ich sehe nur noch, wie seine Hand sich in Paige's Haar verkrallt, wie er ihren Kopf zurückzieht und ihn mehrmals gegen die Wand schlägt, bis das Blut aus allen Seiten spritzt. Mit jedem Schlag zucke ich immer mehr zusammen. Mein Hand wandert zu meinem Mund, um den Schrei zu dämpfen - der jedoch gar nicht über meine Lippen kommt. Nein, es ist in meinem Kopf. Zunächst klingt es viel zu leise, ehe es immer lauter und lauter wird. Blanker Horror muss sich in meinen Gesichtszügen abzeichnen, meine Beine zittern und sind kurz davor mich endgültig loszulassen, doch ich stürze nach vorn, bis meine schweißgebadeten Handflächen auf die kalte Glaswand treffen und ich mich somit vom Fall schützen.
Meine Unterlippe bebt und meine Nase beginnt zu brennen, als die Tränen ihren Weg hinaus finden, sobald Paige bewusstlos zu Boden fällt. Ich schluchze und kneife die Augen zusammen, als mein Blick auf die zertrümmerte Kopffläche fällt. Sie ist sicher tot. Nein, nein, nein!
Das ist nicht geschehen!
Ich japse nach Luft, als Danny sich die Haare zurückstreicht und urplötzlich die Tür des Kamins öffnet, ehe das Feuer hinausspringt. Er weicht rechtzeitig zurück, greift sogleich jedoch nach einem Stock und holt alles Asche hinaus, sodass bald schon der Teppich Feuer fängt. Ich reiße die Augen auf, als mein Blick auf Richard fällt, der taumelnd aufsteht.
Danny lächelt.
Er lächelt als er ihn erblickt.
Richard versucht auszuholen und ihn zu schlagen, doch er hat keine Chance. Ein Tritt gegen die Beine und er fällt nach vorn. Danny greift ihn rechtzeitig am Nacken und schleppt ihn... zu Paige?
Oh nein...
Nein, nein!
Wimmern ziehe ich an meinen Haaren, als er ihn nahe des Feuers zieht. Richard strampelt mit den Füßen und versucht sich zu lösen, doch Danny ist unnachgiebig. Er zieht Richard nah an sein Gesicht, sieht ihm direkt in die Augen, teilt ihm stumm und aus funkelnden Tränen der Verachtung etwas mit, ehe er Richard's Kopf ins Feuer drückt. Skrupellos.
Ich schreie gleichzeitig mit Richard auf und renne beinahe schon mehrere Schritte zurück, falle beinahe.
Das ist der erste Laut, der mir über die Lippen kommt, seit Señor Diego starb. Ich kann die Angst, die mir durch die Adern fließt, nicht einmal in Worte beschreiben. Was hat er getan? Wie konnte er nur? Wie kann man sich in einen Menschen bloß so sehr täuschen? Wie konnte ich diese Seite an Danny nicht sehen?!
Das Haus brennt lichterloh. Flammen züngeln über die Holzbalken und vernichten das Innere als auch das Äußere. Sie hinterlassen nichts weiter als Asche. Im Himmel hat sich der schwere Staub abgesetzt, lässt alles um uns herum Schwül wirken, wobei auch der Staub vom Boden aufgewühlt wurde und ich merke, dass auch ich etwas davon abbekommen habe. Mit meinen Fingern fahre ich durch mein Gesicht, erkenne, wie sich die dunkle Asche an meinen Fingern haftet. Ich erzittere, verliere das Gefühl von Halt und Vertrauen, spüre nur noch die lähmende Angst in meinen Knochen. Mein Sicht verschwimmt, vor meinem inneren Auge erscheinen meine kleinen Kinderfinger, auf denen die schwarze Asche sich einst absetzte.
Und dann fällt mein Blick auf ihn.
Dort steht er. Dass das Haus zusammenbricht, scheint ihm nichts auszumachen, denn er bleibt an der Haustür stehen und sieht mich ausdruckslos an. Ich erschaudere. In seinen Augen befindet sich nichts als dunkle Leere. Nichts als die Gefahr.
Nur eine Drohung.
Ich hätte das nicht sehen dürfen.
Das Keuchen, das mir über die halbgeöffneten Lippen kommt, wird immer lauter in meinen Ohren. Habe ich doch immer ein wundervolles, flatterndes Gefühl im Bauch gehabt wenn ich Danny sah, so fürchte ich mich nun dreimal so stark vor ihm. Vor mir verschwimmt alles und ich muss des Öfteren blinzeln, damit mir die Sicht nicht vollkommen von den Tränen genommen wird.
„Mörder...", keuche ich leise und spreche das aus, was mir die Stimme im Kopf zuschreit. Er ist ein Mörder und ein Lügner. Ein manipulativer Sadist. Mein Blick fällt auf Paige, die gerade von den Flammen verschlingt wird und ich schluchze leise.
Danny atmet tief ein, sodass ich wieder zu ihm sehe. Seine Augen sind zu Schlitzen geformt und übermitteln bloß eine Nachricht. ›Renn, wenn dir dein Leben lieb ist‹. Er muss das Wort von meinen Lippen gelesen haben.
Lauf! Lauf, so schnell du nur kannst!
Und diesmal warte ich nicht. Vielleicht ist es die Panik, die Angst und das Adrenalin, dass mich so anspornt. Doch ehe Danny ein weiteres Mal blinzeln kann, drehe ich mich um und renne. Der Wind peitscht mir ins Gesicht und ich spüre, dass meine Absätze kurz davor sind zu brechen, doch bete ich, dass dies nicht geschehen wird, denn sonst würde ich fallen und er würde mich kriegen. Die blanke Panik lässt mir das Blut in den Adern gefrieren und ich schaffe es nicht einen kühnen Kopf zu bewahren. Wo renne ich nur hin? Wo kann ich mich denn bloß vor ihm verstecken?
Ich komme unten an und entscheide ins Auto zu rennen. Dort kann ich von innen abschließen und auch wenn ich weiß, dass ich so nicht vor ihm sicher bin, muss ich mich für einige Minuten - oder sonst wie lange - zurückziehen. Sonst verliere ich noch den Verstand. Er macht mir Angst. So unglaubliche Angst, dass ich nicht einmal bereit bin mit ihm zu reden. Gerade als ich bei den Stufen ankomme, die runter zur Villa führen, spüre ich seine blutigen Finger an meinem Arm.
„Nein", rufe ich rau, als er mich zurückzieht und ich mit dem Rücken gegen seine stahlharte Brust knalle. Meine Stimme hört sich vollkommen verzerrt an, so gar nicht wie meine. Danny's Griff ist schmerzhaft fest und er gibt sich nicht einmal die Mühe, mich nicht zu verletzen, was mich in meinem Glaube bestätigt. Er wird mir weh tun. Hysterisch schüttle ich den Kopf, spüre, dass es sich nicht sonderlich gut auf meine Muskeln auswirkt, welche sich steinhart wie Beton anfühlen. Er ergreift meine Handgelenke, woraufhin ich das Gefühl habe, mich kaum noch richtig rühren zu können.
„Nein", bringe ich das einzige Wort über die Lippen, was sich in meinem Kopf verankert hat.
„Loslassen", kreische ich und beiße ihm in die Hand, ehe ich hastig nach dem Messer greife, der in meinem BH steckt und aushole. Er lässt los. Ich höre ihn laut knurren und reiße die Augen auf. Schockiert betrachte ich das Messer in meiner Hand und sodann die Stelle, die ich getroffen habe. Danny beißt die Zähne zusammen und hält sich die Wunde am Bauch fest.
„I-Ich...", hauche ich völlig verstört und lasse das Messer augenblicklich los, während ich langsam einige Schritte zurückgehe, bis das Rauschen des Wassers in meinen Ohren immer lauter wird und mir somit klar, dass ich zu nah am Abgrund stehe. Das Klirren des Messers hallt unangenehm laut in meinen Ohren wieder. Danny atmet tief durch.
Sein Blick wird plötzlich bedauernd.
Zittrig atme ich ein und schüttle langsam - verwirrt - den Kopf, während er seinen senkt. Seine Hand wandert zu seinem Rücken, ergreift etwas, ehe er mir wieder in die Augen sieht...
... Und die Waffe hebt.
Ich habe nicht mehr die Chance etwas zu sagen.
Denn er schießt.
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Ende. Freitag noch ein Kapitel und Epilog kommt am Samstag.
Konnte es nicht mehr aushalten. Hier habt ihr es. Hab das Gefühl hier sind tausende Tippfehler drin. Wenn ja, einfach in die Kommentare.
Ich hoffe, es hat euch gefallen! 😂 ihr müsst hierauf nicht antworten, es ist einfach zu nem Standardsatz geworden, der einfach rein muss.
Bis Freitag. Ich weiß, dass ihr mich töten werdet. Und nein, ich kann mir mein Grab auch selbst schaufeln, danke.
SevenTimes-
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