»32« Gebrandmarkt

𝕃 𝔸 ℝ 𝔸

Vielleicht habe ich auch ein wenig überreagiert.

Vielleicht hätte ich noch mehr toben sollen.

Doch jetzt - mehrere Stunden später - ist es bereits spät am Abend und Danny ist nicht wiedergekommen. Ich habe geweint. Nicht weil die Angst mir noch so sehr in den Knochen lag, sondern weil es mich wirklich verletzt hat. Wieso macht er alles immer wieder kaputt? Kaum habe ich mich bei ihm sicher gefühlt, rammt er mir einen Messer in den Rücken.

Ich hatte nur einmal in meinem Leben eine solche Angst. Als ich das brennende Haus vor meinen Augen hatte mit den Schreien meiner Familie in meinen Ohren. Doch ich glaube, dass es dieses mal etwas intensiver gewesen ist. Vielleicht weil ich damals erst sieben Jahren alt gewesen bin und viel zu traumatisiert war um überhaupt realisieren zu können, was geschieht? Ich weiß es nicht.

Zitternd umgreife ich die Tasse fester, ehe ich einen Schluck des beruhigenden Tees nehme. Die Sonne ist schon lange unter und nun leistet mir allein der Mond ein wenig Gesellschaft. Ich hasse es, dass ich mich die ganze Zeit frage, wo zum Teufel er abgeblieben ist. Verdammt, ich habe noch nicht einmal seine Nummer!

„Verflucht, Lara...", stöhne ich und fahre mir übers Gesicht. Er hat es nicht verdient, dass ich mir Sorgen um ihn mache.

Vielleicht sollte ich etwas zu essen kochen und mich ein wenig ablenken...

Obwohl ich gar nicht kochen kann...

... wird schon gut gehen.

Meine Augen finden wieder den Weg hinaus.

Doch vielleicht tut es gut, wenn ich für einige Minuten frische Luft schnappe.

Ich erhebe mich seufzend und massiere mir sanft den Nacken. Gott, was habe ich für schmerzen... Ich muss mir später auf alle Fälle einen Bad einlassen und meine Muskeln entspannen. Ich greife noch nach einem Taschentuch, um mir auf den Weg nach draußen die Nase zu putzen, da ich den Schnodder einfach nicht loswerde. Ich habe das Gefühl, dass meine Nase sich irgendwie an mir rächen will und das kann sie nur, wenn ich weine, denn dann sammelt sich da so viel Popel an, dass man glatt Angst bekommen müsste, wenn ich in jemandes Nähe niesen muss. Doch da ich wirklich selten weine, kann sie sich nicht oft an mir rächen.

Was auch immer sie überhaupt für ein Problem mit mir...-

„Wieso habe ich nur so einen Dachschaden?", murmle ich seufzend und öffne die Haustür, ehe ich die Villa verlasse. Die kühle Luft schlägt mir ins Gesicht und lässt mich zittrig ausatmen, während ich die Arme vor der Brust verschränke.

Ich setze mich auf die Stufen und beobachte die Natur. Der Wind pfeift mir in den Ohren und schlägt die Eichen auf der anderen Seite des Flusses. Einzig ein kleines Licht lässt mich nicht ganz im dunklen stehen.

Mein Blick fällt am Rand des Grundstücks weiter zurück am Rand des Abgrunds. Von hier sieht es aus wie eine Klippe. Kaum zu glauben, dass Danny mich dort wirklich runtergeschubst hat. Was ist, wenn er mich nicht rechtzeitig erwischt hätte? Wenn ich meine Hände in dem Moment nicht hoch gestreckt, sondern zurückfallen lassen hätte?

Dann wäre ich nicht nur gefallen sondern auch sicherlich gestorben.

Tief durchatmend erhebe ich mich und nähere mich meiner größten Angst. Ich beiße mir auf die Unterlippe, während der Wind mal wieder mit meinen Haaren spielt und sie mir ins Gesicht schleudert. Ich streiche sie mir hinter die Ohren und setze einen Schritt nach dem anderen vor mir.

Das Wasser schlägt mal wieder recht aggressiv gegen den Felsen und beschert mir eine eisige Gänsehaut, sodass ich mir über die Arme reiben muss. Mir wird kalt bei dem Gedanken, dass mein Körper vor wenigen Stunden dort unten hätte sein können. Wahrscheinlich sind tief verborgen auch noch Steine, an denen ich mich schrecklich verletzt und letztendlich gestorben wäre. Vielleicht hätte ich überlebt, aber dann würde ich mein Leben sicher nicht mehr so weiterführen können wie jetzt. Nein, dann würde ich im Rollstuhl sitzen oder aber so stark den Kopf verletzen, dass ich nicht mehr wiederzukennen wäre.

Ich stoße sanft den Atem aus und versuche mich zu beruhigen, wie Shifu es mir beigebracht hat.

„In der Meditation üben wir uns darin, den Prozess des Denkens wie ein neutraler Beobachter aus einer gewissen Distanz zu betrachten und somit den eigenen Geist kennen zu lernen. Die Herausforderung besteht vor allem darin, nicht auf die Inhalte der Gedanken einzusteigen. Wir beobachten auch hier den ständigen Veränderungsprozess, nehmen wahr, wie die Gedanken unaufhörlich entstehen, eine kurze Zeit verweilen und dann wieder weiter ziehen. Wir halten sie nicht fest, sondern lassen sie kommen und gehen wie Wolken am Himmel", ertönt seine vertrauensvolle Stimme in meinem Kopf. Ach, was vermisse ich ihn... Ich versuche mich an den Gedanken, nicht die Türen meiner Seele zu öffnen, festzuhalten, doch es ist wirklich nicht einfach. Ich schließe die Augen und bemühe mich drum, nur der Natur zu lauschen. Ich konzentriere mich nur noch auf meine Umgebung, lausche dem Rauschen des Flusses und summe innerlich das Lied des Windes, genauso wie damals bei Shifu. Und allmählich beruhige ich mich und fühle mich viel wohler.

Eine kalte Hand schlingt sich feste um mein Ellenbogen und lässt mich die Augen aufreißen. Sein Duft steigt augenblicklich in die Nase und obwohl ich es nicht will, fühle ich mich wie in Watte gehüllt. So sicher... fast schon wie Zuhause, dabei kenne ich das Gefühl gar nicht. Obwohl es kalt ist, wird mir augenblicklich warm. Ich drehe mich vorsichtig herum und muss den Kopf in den Nacken legen, damit ich Danny in die Augen sehen kann, so nah ist er mir. Seine Brauen sind gefurcht und seine Stirn in Falten gelegt, während er mich still betrachtet. Die Spitze seiner Nase ist ein wenig gerötet und auch an seinen Wangenknochen hat die Kälte ihre Spuren hinterlassen, denn auch diese sind ein wenig befleckt.

„Was tust du hier?"

Ich blinzle mehrmals, ehe mir klar wird, dass Danny vor mir steht. Sanft reiße ich mich von ihm los, senke den Kopf und gehe wieder hinein. Mein innerstes ist plötzlich so ruhig und entspannt, es macht mir sogleich bessere Laune.

Ich höre, wie Danny hinter mir die Haustür zu macht, ehe er mir scheinbar ins Wohnzimmer folgt. Ihn nicht beachtend setze ich mich auf die Couch und schalte den Fernseher an. Aus dem Augenwinkel sehe ich wie er rein kommt, eine blaue Tüte in den Händen haltend. Leise räuspert er sich, bevor er sich neben mir niederlässt. Mein Herz zieht sich ein wenig zusammen, als er bereits mit den Händen zu sprechen beginnt, doch dadurch dass ich ihn nicht angucke, kann ich auch nicht wissen was er mir sagen möchte. Er macht die typischen Geräusche eines stummen Menschen, die ich den letzten Tagen öfters gehört habe, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen. Ich seufze leise, ehe ich mich ihm zuwende. Die zwei Smaragde funkeln erleichtert im schwachen Licht der Lampe, als ich ihm endlich in die Augen sehe.

„Ich habe uns was zu essen gekauft. So fettig wie nur möglich, damit du es magst."

„Danke", murmle ich, während er das Essen aus der Tüte holt. Ein angenehmer Duft, welcher von Essen kommt, weht mir entgegen und mein Magen ist kurz davor zu knurren.

Ich hasse es, dass er mich jetzt so unschuldig ansieht. So hat er mich noch nie angesehen... Mir ist klar, dass er mich damit bloß besänftigen möchte. Sobald das Essen ausgepackt ist, sieht er mir ernst in die Augen.

„Es tut mir leid. Das heute war falsch von mir. Ich bin wütend auf mich und habe es mal wieder an dir abgelassen. Ich habe dich eigentlich mitgenommen, damit ich mich bei dir entschuldigen kann und dir Wushu lehre, doch ich habe wieder versagt und habe dich stattdessen sehr verletzt." Seine Augen funkeln mich entschuldigend an. Ich bleibe jedoch still, denn mein Gefühl sagt mir, dass er noch nicht fertig ist.

„Ja, ich möchte, dass du schneller lernst. Es ist nicht unmöglich, mein Vater selbst hat es für neun Monate geschafft und kann unglaublich gut kämpfen. Das was wir tun ist gefährlich und es wird noch gefährlicher, denn bald trifft Richard sich mit diesem Mann und wir werden ihm folgen. Ich will, dass du dich im ernsten Fall wirklich wehren kannst, verstehst du? Natürlich kann ich dich beschützen, aber ich rechne auch mit Momenten der Ablenkung. Was tue ich denn, wenn dir etwas passiert? Wie vereinbare ich das mit meinem Gewissen, wie erkläre ich es der Schule?" Er seufzt tief und wendet den Kopf ab.

„Ich bin ein Grobian. Ich kann nur mit meinen Händen sprechen und versage sogar dabei. Vielleicht ist es sogar ganz gut, dass ich nicht sprechen kann, denn wer weiß, was mir alles über die Zunge kommen könnte? Ich würde eine Ohrfeige nach der anderen einstecken müssen. Doch eigentlich will ich dich nur ausbilden, weil ich nicht will, dass dir etwas zustößt. Diese Männer sind nicht einfach nur Kriminelle. Sie sind schrecklich wild und böse und sie würden nicht zögern dich einfach umzubringen, Lara. Ich bereue es inzwischen doch ein wenig, dass ich dich mitgenommen habe."

„Wieso hast du es dann getan?", hauche ich. Danny pustet die Luft aus seinen Wangen und reicht mir mein Essen, ehe er mir antwortet.

„Ich habe es dir bereits gesagt. Ich wollte mich entschuldigen und dich in Ruhe ausbilden, doch jetzt müssen wir uns doch ein wenig beeilen. Auch wegen der Prüfung, doch die können wir im ernsten Fall sogar verschieben. Aber du kannst es, Lara. Du kannst kämpfen, du hast nur Angst die Menschen schwer zu verletzen. Wenn du zuschlägst, dann ist dein Schlag präzise und kräftig. Aber du schlägst erst zu, wenn ich dich am Rand deiner Beherrschung getrieben habe und mein Gefühl sagt mir, dass du Gewalt tatsächlich auch nur bei mir anwenden würdest."

„So einfach ist es nun mal nicht", murmle ich.

„Ich weiß. Ich war auch mal wie du. Nur war ich noch ein Kind und wollte deshalb nie Gewalt anwenden. Doch ich konnte wenigstens mit Disziplin und recht viel Gewalt aufwachsen, was es ein wenig einfacher macht, denn es ist mir nicht mehr neu. Du jedoch kennst keine körperliche Gewalt. Ich kenne dafür keine seelische. Ich denke, man kann mir ziemlich schnell mit Worten weh tun, was bei dir gar nicht so schnell klappt."

„Aber du bist ein Mann. Ihr hält auch den seelischen Schmerz aus", seufze ich.

„Wir können ihn gut verbergen. Die Schmerzen spüren wir dennoch."

Ich sage nichts mehr dazu. Still greife ich nach dem Löffel und beginne zu essen. Ich liebe chinesische Nudeln.

„Wie oft willst du mir noch weh tun? Körperlich und seelisch?", schmunzle ich. Das Lächeln auf meinen Lippen kommt nicht vom Herzen und das weiß er genau. Er entgegnet nichts und greift selbst nach seinem Essen.

„Ich war etwa drei Jahre alt, als ich zum ersten Mal entführt wurde."

Ich erstarre, als ich seitlich den Bewegungen seiner Hände folge. Entführt?

„Meinem Vater sage ich bis heute, dass ich mich an nichts erinnere, damit er sich nicht weiter selbst bestraft, doch ich erinnere mich als wäre es heute gewesen. Ich weiß nicht, ob ich ein so gutes Hirn habe oder ob es einfach der Schreck ist, der mich brandmarkte. Wie ich bereits sagte, hat mein Vater viele Feinde, welche mich entführten um ihm zu schaden. Ich liebe meinen Vater. Ich liebe ihn wirklich sehr, denn obwohl er immer der Meinung ist, dass er mein Leben ruiniert hat, bin ich ganz anderer Meinung. Ich ignoriere die Tatsache, dass sein Leben nun mal der Dunkelheit angehört und nicht der hellen, schönen mit der Sonne und so." Danny schmunzelt, während meine Augen nun an seinen Händen hängen bleiben.

„Nun, ich weiß gar nicht mehr, wie alles abgelaufen ist aber ich erinnere mich sehr gut daran, was sie mir angetan hatten. Sie schlugen mich, nicht durchgehend wie einen erwachsenen Gefangenen, sondern ab und zu... während des Essens, während des Trinkens. Ich erinnere mich jedoch sehr verschwommen daran. Sie sperrten mich in ein Zimmer ein, das so kalt war... so unglaublich kalt... ich kann es nicht beschreiben. Sie sperrten mich ein und schlossen die Tür. Ein Mann kam rein... Ein Mann, der mir schreckliches antun wollte. Doch er kam nicht weit, denn mein Vater kam in dem Moment und holte mich da raus. Die Details muss ich wirklich nicht nennen, das willst du wahrscheinlich gar nicht hören. Davor jedoch fesselten sie mich an einen ganz hässlichen Doktorstuhl, wirklich potthässlich. Sie wussten, irgendwann kehre ich zu meinem Vater zurück und hinterließen ihm eine Nachricht, was ich damals nicht wusste. Sie betäubten mich und das letzte, was ich sah, ist das Skalpell in der Hand eines Mannes gewesen, der sich den Arzt nannte. Als ich wieder wach wurde, konnte ich nicht mehr sprechen. Man erklärte mir, dass man einen Chip in meinen Hals platzieren wollte, man dabei jedoch meine Stimmbänder zerriss und sie sich deswegen einen anderen Platz ausgesucht haben. Was ich nicht verstehe ist, wie ich nicht gestorben bin. Ich war ein so kleines Kind und wurde so sehr verletzt... Aber ich bin froh, dass ich es überlebt habe. Meinem Vater konnte ich damals nicht so viel erzählen, weil ich mich gar nicht so gut daran erinnern konnte. Nach einige Jahren erst fielen mir einige Momente ein, als ich auf gewisse bekannte Gesichter traf. Dennoch behielt ich alles für mich, was würde es mir auch bringen, meine Eltern und gerade meinen Vater traurig zu machen? Nichts. Und so bist du nun die erste Person, der ich es gerade erzählt habe."

Ich bin sprachlos. Während Danny mich erwartungsvoll anstarrt und ganz entspannt sein Essen aufisst, kann ich nur versuchen den Klos runter zu schlucken. Das Leben als Sohn eines Mafiabosses kann heftig sein... doch so heftig? Also konnte er einmal sprechen. Ihm wurde einfach der Hals aufgeschnitten? Mein Blick fällt auf seine Narbe am Hals.

„Du warst drei... vielleicht fast vier Jahre alt", hauche ich. Danny nickt bloß.

„Wie konnten sie nur?" Eine Träne verlässt mein Auge und kullert mir die Wange runter, was Danny verwundert mit den Augen verfolgt.

„Das ist Vergangenheit. Ich habe es dir nur erzählt, damit du mich ein wenig verstehst. Ich kann nicht wirklich sanft sein, weil das Leben es auch nicht zu mir war. Ich kenne nur diese Art. Meine Mutter brachte sehr viel Licht in mein Leben, als mein Vater sie geheiratet hat. Natürlich sorgte sich auch mein Vater gut um mich, doch... er ist eben auch gebrandmarkt worden. Er ist tief im Inneren paranoid. Sein Vater hielt ihn aus den miesen Geschäften der Mafia raus und als er in Schwierigkeiten steckte, konnte mein Vater ihm nicht sofort helfen, da er keine Ahnung hatte wie. Er hasst es, dass sein Vater ihn nicht schon eher mit verwickelt hat und machte es bei mir dementsprechend anders. Ich wurde immerzu von ihm trainiert, sei es körperlich als auch seelisch. Meine Mutter dagegen war Honig, Bonbons, frische Beeren und Zuckerwatte für mich." Danny lacht zum Ende hin tonlos. Ein kleines Lächeln formt sich auf meinen Lippen. Er muss seine Mutter wirklich sehr lieben. Ich hätte vermutet, dass er seinen Vater nur respektiert, weil dieser ihn adoptiert und ihm Familie geschenkt hat, doch seine Augen zeigen, dass er die selbe Liebe auch für seinen Vater empfindet.

„Also nochmal. Es tut mir leid, dass ich nicht mit dir umgehen kann. Ich werde mich bemühen es anders zu machen."

„Ist gut. Du musst dich nicht mehrmals bei mir entschuldigen", erwidere ich. Seufzend lege ich mein Essen wieder auf den Tisch. Was soll ich auch weiter darauf rumreiten? Ich weise Entschuldigungen niemals zurück. Und mit Danny will ich nun mal nicht streiten.

„Dass du so viel durchgemacht hast, hätte ich wirklich niemals gedacht und es tut mir leid, dass all das geschehen ist. Doch auch ich wurde vom Leben nicht sanft behandelt, Danny. Ich habe keine weitere Mutter oder einen weiteren Vater bekommen und auch wenn ich auf eine andere Art gefoltert wurde, als du... der Schmerz ist doch der selbe, aber das heißt doch nicht, dass ich mich nicht mehr bemühe glücklich zu sein. Du bist steht's grimmig und hart und grob. Du lachst immer nur aus Höflichkeit, ist das nicht anstrengend? Ich finde, man muss sich dennoch bemühen... trotz was man alles erlebt. Auch ich wurde als Kind traumatisiert... Als unser Haus in Flammen aufging und meine Familie es nicht rechtzeitig rausschaffte. Du denkst jetzt wahrscheinlich ›Wer war das?‹, doch niemand ist es gewesen. Es war einfach ein Unfall. Man stellte nachher fest, dass ein Handtuch auf der Herdplatte lag, die nicht ausgemacht wurde. Im Haus... als es losging... ich erinnere mich wage, wie hektisch mein Vater mich weckte. Es war mitten in der Nacht. Das Haus brannte bereits lichterloh, es war zu spät. Ich höre nach ganz genau die Schreie meiner kleinen Schwester... sie war erst fünf. Mein Vater konnte sie einfach nicht mehr finden und irgendwann wurde auch er ganz still, während meine Mutter und ich einen Weg hinaus suchten. Bevor uns das Feuer verschlang, warf sie mich rechtzeitig aus dem Fenster raus. Ich wurde trotz der Höhe und den Verletzungen nicht bewusstlos. Leider nicht. Ich musste zusehen und zuhören, wie sie einfach starben... Dann kam der Krankenwagen und die Feuerwehr. Aufgewachsen bin ich in einem Waisenheim und wirklich gut behandelt wurde ich nicht. Das wurden wir alle nicht, aber nur weil das Leben mir sein Herz nicht zeigen will, werde ich meins nicht ebenfalls verstecken. Und du solltest das auch nicht."

Langsam wische ich mir die Tränen von den Wangen. Danny ist still, doch ich spüre seinen Blick auf mir. Schniefend greife ich wieder nach dem Taschentuch, um mir die Nase zu putzen. Diese Popel aber auch immer...

„Ich habe ebenfalls noch nie darüber gesprochen, also fühl' dich geehrt", murmle ich, um die Atmosphäre ein wenig aufzulockern und hebe einen Mundwinkel an. Ich erstarre, als ich seinen Finger an meiner Wange spüre und wie er mir eine Haarsträhne zurückstreicht. Langsam sehe ich zu ihm. In seinen Augen herrscht ein Gewitter, der dem in meiner Seele gleichkommt. Ich habe das Gefühl, sie sprechen zu mir - seine Augen. Und nur ich verstehe diese Sprache. Als würde wir gerade unsere eigene Sprache erschaffen, denn jetzt gerade braucht er die Hände nicht bewegen und ich nicht sprechen, um den Schmerz des jeweils anderen spüren zu können.

Wie gerne würde ich ihn einfach mal umarmen... Einmal seine Nähe spüren, seine Wärme... Obwohl ich ihm doch einmal nah gewesen bin, spüre ich bei der Erinnerung bloß eisige Kälte, denn es war nicht wie jetzt. Wir haben uns nicht besser gekannt, nicht miteinander gelacht und sogar zu jeder Zeit zusammen gegessen. Es war anders. Und jetzt ist es auch anders. Ich habe das Gefühl, dass unsere Seelen die selben sind und unsere Körper sich jetzt, wo es ihnen klar geworden ist, akzeptieren. Mein Herz schreit, dass ich ihm endlich näher kommen soll, doch mein Verstand fürchtet sich vor seiner Reaktion.

Tue es einfach!

Ich sehe ihm in die Augen, die wie zwei Smaragde funkeln, spüre seine warme Hand an meiner Wange. Langsam komme ich ihm näher, bis sein heißer Atem meine Wange streift. Zittrig lasse ich die Augen flattern, hebe den Kopf ein wenig und streife gerade seine Lippen, da zuckt er plötzlich zurück. Ich halte den Atem an.

Verwirrt erwidert er meinen Blick, während ich erstarre. Die Hitze steigt mir zu Kopf und lassen meine Wangen feuerrot werden.

Er ist zurückgewichen...

„Wieso weichst du zurück?", hauche ich leise und bin sogleich erschrocken darüber, dass ich das nun ernsthaft laut ausgesprochen habe. Danny öffnet den Mund, seine Brauen zucken für einen Moment überrascht in die Höhe, doch er entgegnet nichts. Nun, ich dagegen versuche den Moment einfach zu überspielen und sammle meinen Mut.

„Du hast mich auch nicht geküsst, als wir uns so nah waren... Wieso nicht?"

Danny's Blick verändert sich ein wenig. Er wird undefinierbar, ehe er ihn abwendet und wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen er hat wieder seine Mauern hochgefahren.

„Ich küsse nicht."

„Was, wieso?", hake ich perplex nach. Meine Gedanken überschlagen sich. Er küsst nicht? Gar nicht?!

„Hast du... hast du noch nie jemanden geküsst?", frage ich und sehe aus großen Augen zu ihm auf. Danny erwidert meinen Blick emotionslos und zuckt die Schultern.

„Nein. Wie gesagt: Ich küsse nicht."

Man sieht ihm an, dass er darüber nicht sprechen will, doch verdammt ich bin sowas von erstaunt, dass ich nicht anders kann, als meine Hand auf sein Knie abzulegen und wieder nach seinen Augen zu suchen.

„Wieso?", frage ich wieder. Das kann doch nicht sein! Er hatte doch sicher einmal eine Freundin und diese musste er dann küssen, wobei... Danny hatte sicher keine Zeit für eine feste Beziehung. Doch dass er wirklich noch ungeküsst ist, kann ich gerade einfach nicht glauben. Dieser Mann, der die Frauen um den Verstand bringt, sie in den Himmel treibt und mit ihnen stundenlang vögelt...

...ist verdammt nochmal ungeküsst!

„Ich mag es nicht. Ein Kuss ist bedeutsam. Sex ist dagegen eher bedeutungslos, zumindest kann es bedeutungslos sein. Ich habe das Gefühl, dass wenn ich sowas zulassen würde, man... ach, es klingt bescheuert, aber ich bekomme das Gefühl nicht los, dass man mich komplett schmecken könnte. Mich, meine Gefühle... meine Stummheit. Es ist mir einfach zu viel Nähe und die will ich nicht."

„Hattest du noch nie das Verlangen?"

„Nein..." Er zögert und legt die Stirn in Furchen, ehe er seufzend die Schultern kreisen lässt, sodass sein Nacken knackt, als würde er mit dieser Bewegungen die Anspannungen verjagen wollen. Dann seufzt er leise und sieht aus halbgeschlossenen Liedern zu mir runter.

„Nicht bevor ich dich getroffen habe."

Mein Herz setzt einen Schlag aus, ehe es hastig wieder zu schlagen beginnt.

„W-Was?", murmle ich heiser. Danny wirft mir einen schiefen Blick zu, ehe seine Lippen sich kräuseln.

„Es ist wahr. Als ich das erste Mal in deine Augen gesehen habe, die mich unglaublich an zartbitter erinnern, wollte ich dich nicht nur flachlegen, ich wollte dich kosten. Dich probieren. Das war auch der Grund, wieso ich dir die Augen verdeckt habe in der Kabine. Denn immer wenn ich dir in die Augen sehe..." Er hält inne. Seine Augen wandern sodann stumm zu meinen Lippen, die plötzlich wie ausgetrocknet scheinen.

„Wieso hast du es nicht getan?", hauche ich. Danny schluckt langsam und ich beobachte mit den Augen, wie sich sein Adamsapfel in Bewegung setzt. Antworten tut er jedoch nicht. Als sein Blick diesmal auf meinen trifft, zieht sich mein Unterleib zusammen. Verdammt, diese Augen... Langsam führe ich meinen Finger zu seiner Wange hoch und berühre den stoppeligen Bart, ehe ich sachte über seine Lippen streiche. Wie gerne ich ihn probieren will, kann er sich nicht einmal in Gedanken ausmalen... Ich befeuchte meine Lippen mit der Zunge, ehe ich mich langsam auf seinen Oberschenkeln niederlasse. Danny unternimmt nichts dagegen. Ich drücke ihn an den breiten Schultern zurück und er lässt es still geschehen.

Leise atme ich ein, ehe ich mich ihm langsam nähere, bis mein Mund über seinem schwebt und seine Lippen streife. Er zuckt leicht zusammen, dreht den Kopf diesmal jedoch nicht weg.

Ich muss wissen, wie diese Lippen schmecken.

In Erwartung jener Sekunde, in welcher seine Lippen vielleicht auf meine treffen, atme ich aus, doch Danny scheint eher auf mich zu warten, statt handeln zu wollen. Also warte ich nicht länger. In dem Moment als meine Lippen sich sanft auf seine kalten legen, bin ich so überwältigt von den Gefühlen, so eingehüllt in diesen Moment, dass ich alles andere um uns herum ausblende. Ich ziehe sanft seine Unterlippe ein, mein Körper scheint zu glühen. Ich brauche mehr. Tiefer. Länger. Meine Hände greifen nach seinem Nacken, ringen um Besitz - doch dann merke ich erst, dass Danny eher wie erstarrt ist. Ich konzentriere mich wieder, halte mich zurück und verlangsame den Kuss. Sachte küsse ich seine Oberlippe, ziehe sie ein, sodass meine Unterlippe zwischen seinen gelangt. Jetzt küsst er sie ganz zart, zärtlicher als ich ihn küsse. Ich erzittere.

Er ist langsam, ein wenig unbeholfen und wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich doch glatt gesagt er sei verunsichert, aber das wird es sicher nicht sein. Ich soll ihn verunsichert haben?

Dabei bin ich doch gerade die cremige Butter in seinen Händen, die allmählich schmilzt!

Sein Atme gelangt in mein Mund, als er leise keucht und ich unseren Kuss intensiviere. Ich stöhne leise, will verdammt nochmal mehr. Langsam streiche ich mit meiner Zungenspitze über seine Unterlippe, fahre über die scharfen Zähne, ehe ich seine warme Zunge erreiche - die jedoch zunächst zurückzuckt. Ich lächle, fahre ihm durch die Haare und ziehe seinen Kopf näher an meinen, ehe ich seine Zunge mit meiner umkreise. Er knurrt wenige Sekunden später.

Na endlich, ist die Bestie nun aufgewacht?

Unser Kuss wird leidenschaftlicher und obwohl er seine Lippen noch immer zu langsam bewegt, weiß ich bereits jetzt, dass dies der beste Kuss meines Lebens ist. Danny scheint Blut geleckt zu haben, denn seine Finger graben sich tief in meinen Hüften und pressen meine Mitte an seine Härte. Ich keuche.

Oh ja... so könnte ich die ganze Nacht weitermachen.

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Morgen, meine Schneeeflocken! ❄️

Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen!

Danny hat Laras Vertrauen nicht gebrochen. Lara ist kein Charakter, der sofort den Teufel an die Wand malt. Sie sieht lange noch das Positive, bis sie das negative sieht, doch wenn es soweit ist, dann ist es schwer in ihr das Positive wieder hervorzurufen. Merkt euch das 😉

Die beiden sind emotional somit endlich verbunden. Ob das so bleiben wird? Ihr habt mich ein wenig verwundert mit euren Kommentaren... Ihr wünscht euch mehr Krieg. Mehr Drama, mehr Hass. 👀

Kennt ihr mich denn so schlecht?

Ich rate euch die schönen Kapitel gut zu genießen, denn ihr wisst doch noch gar nicht, was alles auf euch zukommen wird, ihr Lieben. Habe ich für einen Moment geglaubt, es sei vielleicht zu heftig, bin ich nun der Meinung, dass es nur so richtig sein wird 🌚

... oder will ich euch einfach absichtlich Angst machen nur um euch auf die Folter zu spannen? 😈

Bis demnächst

SevenTimes-

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