»28« Ängste
𝕃 𝔸 ℝ 𝔸
Der Abend verlief reibungslos. Wir blieben länger als wir wollten, denn sie hatten auch ganz viele Fragen an Danny. Wieso er stumm war und woher er eigentlich kommt. Ich habe so gut es geht alles immer wiedergegeben, was Danny zu sagen hatte. Dabei versuchte ich mich wirklich zu konzentrieren, denn es wäre sicherlich verwirrend gewesen, wenn die Koys verstehen würden, dass ich noch Probleme mit der Gebärdensprache habe, wo ich doch mit einem stummen Mann zusammen bin. Aber es klappte, denn Danny nahm Rücksicht und formte seine Worte so langsam wie nur möglich. Er sagte, er sei so geboren, doch irgendwas an seiner Aussage ließ mich zweifeln. Wahrscheinlich die Narbe an seinem Hals, die vom Kragen seines Oberteils versteckt wird.
Als wir gingen, lud Danny sie zum Abendessen bei uns ein. Sie nahmen an, erklärten jedoch, dass sie erst in etwa drei Tagen wieder Zeit hätten, womit wir uns natürlich einverstanden erklärt hatten. Sollen sie kommen, wann sie eben wollen.
In der Villa angekommen hat Danny mich sogar gelobt. Er fand es ausgezeichnet, wie ich den zu persönlichen Fragen ausgewichen bin und wie ich hier und dort auch mal improvisiert habe. Natürlich hat er dabei nicht gelächelt, das wäre ja zu viel verlangt, aber das ist nun auch Meckern auf hohem Niveau. Ich habe mich gefreut, dass ich auch mal was richtig gemacht habe und war so richtig stolz auf mich. Danny zeigte mir, wo ich schlafen werde und verlangte von mir nicht mehr hinauszukommen, was mir doch das Lächeln ein wenig nahm. Ich würde immerhin schlafen gehen und sicher nicht mein Zimmer verlassen, aber dass er dies sagte zeigte mir, dass er mir was verheimlicht. Und das er mir nicht vertraut.
Seufzend fahre ich mir durch die Haare und beobachte den Fluss. Ob Danny wohl schon wach ist?
Ach, was denke ich bloß? Natürlich ist er bereits wach. Er schläft wahrscheinlich sogar gar nicht erst ein.
Ein Klopfen reißt mich aus meinen Gedanken und lässt mich zusammenzucken. Danny's grüne Augen erscheinen, sobald er die Tür öffnet. Er berührt Zeige- und Mittelfinger, ehe er beide Hände hebt, sachte die Sonne formt und mir somit einen guten Morgen wünscht. Ich erwidere die Handbewegung, ohne diesmal zu sprechen, weswegen er kurz innehält.
„Ziehe dir bitte deine Trainingsklamotten an. Frühstück ist unten fertig. Essen und nach draußen kommen." Mit diesem Worten verschwindet er, ohne erst auf mein ›Okay‹ zu warten. Tief Luftholend ziehe ich mich um. Oh... ich sollte nach dem Training mal wirklich duschen gehen...
Aber ein Deo dürfte es jetzt auch tun.
Summend verlasse ich das Schlafzimmer und gehe hinunter. Es duftet bereits nach frischen Eiern, warmes Brot und irgendetwas anderem, leckerem... Eww, Gemüse?! Ich verziehe das Gesicht und halte vor dem Tisch inne. Wirklich jetzt? Etwas besseres konnte er nicht zaubern? Aber was denke ich denn da... Er ist nun mal Trainer, da ist es doch üblich, dass man nur gesundes Grünzeug ist.
Manno...
Seufzend setze ich mich an den Tisch und beginne zu essen. Hoffentlich sieht mein Abendessen fettiger aus.
Ich muss unbedingt daran denken nachher Susi und Aurela anzurufen. Als Danny mir gestern mitteilte, dass ich für die Koys ›Susan Ray‹ bin, musste ich abends an Susan denken. Sie und Aurela werden sich sicher freuen von mir zu hören. Und außerdem will ich wissen, wie es dem kleinen Engel überhaupt geht. Ob die Betreuer wohl Probleme machen? Besorgt streiche ich über meine Kette und beiße mir auf die Unterlippe. Ich habe Susi darum gebeten, dass sie auf Aurela und gerade die Betreuer ein Auge wirft, vor allem jedoch, dass sie mal ihr Patenkind ein wenig ausquetscht, denn mein Gefühl sagt mir, dass da mehr dahinter steckt als Aurela mir verraten will.
Seufzend fällt mein Blick nach draußen, wo Danny steht und eine Art ›Trainingsplatz‹ erstellt. Meine Gesichtszüge entgleiten mir, als es mir endlich klar wird. Er will, dass ich nach draußen komme... nach draußen, um zu trainieren! Oh nein, das kann er sowas von vergessen, diese Popel!
Spinnt er?
Verwirrt über sein Verhalten schlucke ich den Bissen runter. Irgendwie ist mir jetzt der Appetit vergangen. Ich murre leise und stehe auf. Ich werde ihm einfach sagen, dass ich da sicher nicht bei mitmachen werde!
„Danny", rufe ich ihn, sobald ich das Fenster öffne. Seine smaragdgrünen Augen landen augenblicklich auf mir. Aufgeregt fuchtelt er mit den Hände herum, sodass ich mal wieder nichts verstehe. Verwirrt verziehe ich das Gesicht.
„Was? Hey, wenn du so schnell machst, verstehe ich dich nicht, Danny", rufe ich und seufze, als er sich knurrend an den Haaren fasst. Was hat er bloß für ein Problem? Eine Ader schwillt an seiner Stirn an, als er mir einen wütenden Blick zuwirft und mit dem Daumen über seine Kehle fährt. Ich erstarre.
„Du willst mich killen?", wispere ich. Als hätte er meine Lippen gelesen, nickt er. Ich fasse mir an den Hals, die Augen unwillkürlich aufgerissen.
„Wieso sagst du sowas?", frage ich ihn, als er mir näher kommt und vor mir stehen bleibt.
„Weil du die Klappe halten sollst! Nur im Haus bin ich Danny, klar? Hier draußen lässt du es entweder sein oder du nennst mich Jay."
Ich schüttle perplex den Kopf.
„Trotzdem ist das kein Grund mir mit dem Tod zu drohen", erwidere ich. Natürlich will ich ihn nur ärgern, was auch verdammt gut klappt. Ich versuche ihn so enttäuscht wie nur möglich anzusehen, während ihm beinahe die Gesichtszüge entgleiten.
„Über sowas macht man keine Witze, Danny", rüge ich ihn. Er lässt die Schultern ein wenig sacken und verdreht die Augen.
Applaus, applaus! Lara Marino hat es geschafft! Sie hat Danny Kingston die Nerven schon am frühen Morgen geraubt.
Alle klatschen sie. Die kleinen Lara's in meinem Kopf, weswegen ich mir ein Schmunzeln nur schwer verkneifen kann. Doch ich schaffe es, denn ich muss Danny weiter ärgern.
„Es war doch bloß ein Scherz, Lara. Also gut. Demnächst, wenn ich dir wieder drohen muss - also wahrscheinlich in wenigen Minuten - mache ich es anders, okay?"
Seine Augen funkeln im Schein der Sonne und benebeln für einen Moment meine Sinne. Ich lächle ein wenig.
„Ständig machst du etwas falsch", seufze ich theatralisch. Danny's Mundwinkel fallen in sich zusammen. Er runzelt die Stirn und senkt kurz den Kopf. Ich halte inne.
„Los. Wir fangen an."
Mit diesen Worten dreht er sich um und geht wieder zum Trainingsplatz, während ich die Härte meiner Worte messe. Es scheint mir, als hätten meine Worte ihn tiefer getroffen, als sie überhaupt sollten.
Ein wütender Laut reißt mich aus den Gedanken. Ich sehe zu Danny, welcher mich mit angespannten Kiefern herwinkt. Ich schlucke. Wieso ist er denn jetzt so wütend?
„Ehm... Liebling", entscheide ich mich zu sagen, da er ja nicht will, dass ich ihn draußen beim Vornamen nenne - und Jay werde ich sicherlich nicht zu ihm sagen - woraufhin ihm nun doch tatsächlich die Gesichtszüge entgleiten, was mich grinsen lässt.
„Draußen nicht", füge ich hinzu. Danny spuckt vor die Füßen, weswegen ich das Gesicht verziehe.
„Du hast zehn Sekunde. Wenn deine Fresse nicht vor meiner steht, wirst du etwas erleben."
Ich lache wegen seiner Wortwahl und hebe den Mittelfinger.
„Dann komm mich doch holen", rufe ich grinsend und schließe das Fenster, ehe ich zur Haustür haste und auch diese zu drücke, da sie nur angelehnt war.
Wie könnte er noch rein kommen?
Ich sehe mich rasch um, wüsste jedoch nicht, wie er rein kommen will. Die Fenster sind zu und die...-
„Ahh!" Kreischend springe ich in die Höhe, als ich die kalten Hände an meiner Taille spüre und wie sie mich hochheben.
„Wie bist du rein gekommen? Alles war zu... Hey, lass mich runter", rufe ich, als er mich unangenehm schnell herumdreht, sodass mein Bauch mit seiner Schulter kollidiert. Knurrend ziehe ich an seinen Haaren, woraufhin die rechte Hälfte meines Hinterteils zu brennen beginnt.
„Aua! Hast du mich gerade geschlagen?" Meine Stimme hört sich viel zu hoch an - so gar nicht wie meine. Danny läuft jedoch einfach weiter und nach draußen.
„Lass mich runter! Ich will nicht nach draußen, akzeptiere das endlich", knurre ich wütend.
„Du lässt mich besser runter, sonst pupse ich dich an", warne ich. Meine Wangen werden wegen meinen Worten nachher ganz sicher rund um die Uhr rot bleiben, doch jetzt gerade interessiert es mich nicht. Danny's Körper vibriert, als würde er lachen. Habe ich es gerade wirklich geschafft ihn endlich zum lachen zu bringen?
Nicht cool fühlen, Lara. Handeln!
„Ich schmiere meine Popel auf deinen Oberkörper!"
„Letzte Warnung: Lass mich runter oder ich werde deine Zahnbürste...", kreische ich fuchsteufelswild, da lässt er mich endlich runter. Ich halte inne und spüre wie mir das Blut wieder in den Körper schießt, was für einige Sekunden im Kopf stecken geblieben ist. Ich atme tief durch und richte meine Haare, ehe ich mich umsehe.
„Oh verdammt", hauche ich, als ich realisiere, dass sich links von mir der Abgrund befindet. Ich werfe mich wortwörtlich auf Danny, welcher mich jetzt von sich schubst - ein erheitertes Lächeln auf den Lippen tragend.
„Lass mich nicht los", wimmere ich und kralle mich an ihm fest. Danny seufzt belustigt und ergreift meine Handgelenke, ehe er meine Hände von sich schiebt. Gerade als ich mich wieder an ihn festhalten will, zieht er an der Schnur seines japanischen Trainingsanzugs, ehe sich dieser öffnet. Das Wasser in meinem Mund sammelt sich an, als er sich das dünne Stoffhemd von den Schultern streift und seine gebräunte Haut erscheint.
Keine Erbsen verdammt! Leckere Schokolade!
„Dann krabble ich eben", murre ich leise, sobald ich aus meiner Starre erwache und knie mich hin, ehe ich hastig jedoch vorsichtig davon robbe. Ich wimmere, als sich eine Hand um mein Fußknöchel schlingt.
„D-Du... Grr... Mistkerl", schnaufe ich zittrig, als er mich wieder zurück zieht. Danny lächelt schief und ein doppeltes Grübchen erscheint rechts über seinen Lippen. Den habe ich bisher noch gar nicht gesehen.
„Jetzt entspanne dich mal. Wir gehen etwas weg vom Abgrund, näher an die Villa."
Ich nicke langsam. Mich wehren kann ich sowieso nicht und vielleicht schaffe ich es ja, zu ignorieren, dass einige Meter von mir... Zittrig atme ich ein. Nein, ich kann es sicher nicht ignorieren.
„Ich verlange nicht von dir mir zu vertrauen, aber mir so unter die Nase zu reiben, dass du es überhaupt nicht tust, musst du nun auch nicht."
Ich lache, obwohl ich es gar nicht will. Obwohl mein Körper vor Angst zittert, während Danny mir nun seine Hand reicht und mich näher zur Villa zieht. Ein kleines Lächeln liegt auf seinen Lippen, als ich zu ihm aufsehe.
„So. Greif nach einem Stock und versuche meine Fäuste abzuwehren."
Ich nicke und greife nach dem Stock.
„Aber nicht so schnell. Ich kann es inzwischen zwar ziemlich gut, nur bin ich gerade sehr zittrig auf den Beinen. Mach bitte langsam, ja?", verlange ich und begebe mich auf Position, was er mir nachtut.
Er hebt einen Mundwinkel in die Höhe und legt den Kopf schräg.
„Nein."
Meine Augen weiten sich, da holt er bereits aus und legt eine geschmeidige Drehung ein, ehe er meinem Stock einen Schlag verpasst, den ich zittrig vors Gesicht halte.
„Woah", keuche ich, als ich zurück rutsche.
„Langsamer", klage ich, was er völlig ignoriert. Seine entschlossenen Augen liegen auf den Stock. Die Fäuste öffnet er und macht komische Bewegungen, die mich verunsichern, ehe er in nur wenigen Schritten bei mir ist und wieder ausholt. Mit jedem Schlag treibt er mich weiter zurück, näher an den Abgrund.
„Danny", rufe ich panisch, vergesse, dass er verlangt hat ihn nicht beim Vornamen zu nennen. Mein Stock bricht beim nächsten Schlag in zwei Hälften und ich schnappe laut nach Luft. Er holt aus und ich schreie, kneife die Augen zusammen und spüre, dass der nächste Schritt ins Leere geht.
Für einen Moment dreht sich mir der Kopf. Mein Herz setzt mehrere Schläge aus und das Rauschen des nun viel zu nahem Wassers wird immer lauter in meinen Ohren. Gierig schlägt es bereits gegen den Felsen und erwartet mich. Es dringt in mein Blut und lässt es in meinen Adern kochen. Meine Kehle ist wie zugeschnürt, ich strecke die Hand aus, suche nach Halt - niemand greift nach mir!
Doch dann schlingt sich eine Hand um meine.
Ich spüre, wie der Stein, der auf mein Herz gefallen ist, wieder wegrollt und wie dieses trotz der zu tiefen Wunden wieder zu schlagen beginnt. Scharf ziehe ich die Luft ein, doch statt dass die frische Luft meine Lungen erleichtert, schneidet sie. Die Sonne blendet mich, grinst mich hämisch an und lässt mich die Augen zusammenkneifen, während der Wind mir in den Ohren pfeift, ein Lied der Verhöhnung singt.
Ein Ruck geht durch meinen Körper, als die Hand mich kräftig zieht und ich sodann seinen harten Körper an meinem spüre. In dem Moment findet alles eine Ende; Die Sonne scheint angenehmer, die Luft erfüllt mich mit Kraft, statt sie mir zu nehmen und der Wind zwitschert mir süße Klänge in den Ohren. Warme Finger fassen mir an der Wange, als ich langsam die Augen öffne und in den Regenwald sehe.
Danny.
Ich stoße leise und erleichtert die Luft aus, während er aufmunternd einen Mundwinkel anhebt. Ich spüre seinen Arm um meine Taille, als er mit der anderen Hand eine Faust bildet, ehe er auf sich zeigt, seinen Arm länglich an seine Brust lehnt und dann auf mich zeigt.
„Ich hab dich."
Das starke Gefühl von Erleichterung durchströmt mich und lässt mich für wenige Sekunden die Luft anhalten.
„Danke", wispere ich und löse mich sodann von ihm, ehe ich langsam einige Schritte weggehe. Ich kann nicht weiter machen. Oder ich brauche wenigstens eine Pause, denn obwohl es vielleicht wenige Minuten waren, hat es mir dennoch die Nerven geraubt. Und Danny lässt mich sogar gehen. An der Tür drehe ich mich jedoch nochmal zu ihm um.
„Ich werde dich dafür noch umbringen", teile ich ihm durch Gebärdensprache mit und schniefe. Danny lacht leise und dreht sich nickend um, ehe er die Stöcke aufhebt.
Tief einatmend begebe ich mich ins Haus.
___________________________
Morgen!
Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen!
Obwohl mein Lehrer im Hintergrund labert, erlaube ich mir einige Minuten der Ablenkung, um das Kapitel hochzuladen 🌚
Lara muss lernen und Danny zeigt keine Gnade... ob das gut gehen wird? Drücken wir den beiden die Daumen 😉
Bis demnächst 😘
SevenTimes-
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top