Kapitel VI

Obwohl ich mich voll und ganz auf meine immens wichtige Arbeit konzentriere, bekomme ich nebenbei mit, wie Coulson anfängt, mit dem Captain über seine Sammelkarten zu sprechen.
Gemeinsam stehen sie schon seit einigen Minuten im Raum und beobachten das wirre Treiben.

"Würde sie vielleicht meine Captain-America-Sammelkarten signieren?", beginnt er schüchtern und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: "Ich meine, wenn es keine Umstände macht."

"Nein nein, schon in Ordnung", antwortet Rogers daraufhin recht monoton, ohne Phil auch nur einmal anzusehen.
Etwas unhöflich, wenn ich ehrlich bin.

"Es sind sehr alte Karten... Hab Jahre gebraucht, bis ich alle zusammen hatte. Fast neuwertig. Leichter gelbstich an den Rändern, aber sonst..."
Es ist so süß, wie stolz Coulson auf diese Karten ist. Da kommt das Kind im Manne mal wieder glanzvoll hervor.
Und endlich sieht der Captain ihn auch mal an, wie man es normalerweise immer macht, wenn man sich miteinander unterhält.
Selbstverständlich merkt man, dass Rogers keine Lust hat, über diese Karte zu sprechen, aber er könnte wenigstens höflich bleiben und  möglicherweise sogar ein wenig Interesse vorspielen.
So schwer ist das nun wirklich nicht.

"Wir haben einen Treffer. 67 Prozent Übereinstimmung... Moment, Kreuzabgleich, 79 Prozent", fängt nun ein Agent an, der an den Bildschirmen im vorderen Bereich sitzt.
Interessiert wandern alle Blicke auf ihn, Marias und meiner ebenfalls.
Nur Fury schaut auf seinen eigenen Bildschirm und fummelt da an irgendwas rum.

Ohne zu zögern geht Coulson zu dem Agent und stellt sich neben ihn.
"Position?"
Gerade noch total kindisch und nun wieder ein professioneller Agent. So kennen und lieben wir unseren Phil.

"Stuttgart, Deutschland. Königsstraße 28. Er versteckt sich nicht gerade", gibt der Agent Aufschluss über die aktuellen Daten und als ich das höre, muss ich erst einmal kräftig schlucken und stütze mich sofort am Gestell meines Bildschirms ab. Mir wird heiß und kalt zugleich.

"Alles in Ordnung mit ihnen, Ma'am?", hinterfragt der Captain besorgt, welcher meinen kleinen Ausfall anscheinend als erster bemerkt hat.

"Passt schon. Ich als Stuttgarterin reagiere da vermutlich etwas empfindlicher als manch anderer, umbefangener", erkläre ich ihm und atme dabei bewusst tief durch.

"Sie sind Deutsche?", er hinterfragt das erstaunt und mit reinstem Interesse und ich kann keinen Funken Unmut darüber heraushören.

"Ja, ich bin dort geboren und habe die ersten 10 Jahre meines Lebens in Stuttgart verbracht", erkläre ich ihm kurz angebunden.

"Mit Verlaub, doch ihr Name klingt nicht sehr deutsch."

"Wissen Sie, Captain, mein Vater ist US-Amerikaner und meine Mutter ist Deutsche. Als er sie kennenlernte zog er ohne Umschweife zu ihr. Fünfzehn Jahre lebten sie in Stuttgart, bekamen dort ein Kind: mich.
Dann jedoch traf eine vortreffliche Jobanzeige für meinen Dad aus Amerika ein und so zogen wir wieder hierher. Nur deswegen kam ich auch zu Shield."
Wow, ich erkläre hier einem Fremden gerade meine ganze Lebengeschichte.
Eigendlich bin ich sonst nicht so offen, was private Dinge angeht.
Aber ich wollte auf keinen Fall Missverständnisse aufkommen lassen, was das angeht.

"Genug mit der Märchenstunde! Captain?", funkt Fury grob dazwischen.
Hey, meine Familiengeschichte ist mit Sicherheit kein Märchen. Ganz im Gegenteil, sie ist wunderbare Realität.
Gerade will ich eine Widerrede starten, die vermutlich sehr patzig ausgefallen wäre, angesichts meiner derzeitigen Gefühlswelt, doch ein strenger Blick Marias hält mich erfolgreich davon ab.

Auch der Angesprochene dreht sich ohne ein weiteres Wort zu Fury und sieht ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Dieser teilt ihm lediglich zwei weitere Worte mit, doch sie reichen aus, um Rogers dazu zu bewegen, mit einem flüchtigen Nicken sofort loszumaschieren und sich bereit zu machen: "Ihr Einsatz!"

Just in diesem Moment kehrt auch Tasha wieder zurück in den Hauptraum und sieht uns erwartungsvoll an, während sie ihre schmalen Hände auf den Hüften platziert.
"Irgendwelche neuen Erkenntnisse?"

"Durchaus. Agent Romanoff, sie werden gemeinsam mit Agent Adams nach Stuttgart fliegen. Wir haben ihn dort gesichtet. Machen sie sich einsatzbereit und die Geschütze heiß", gibt uns Fury zu verstehen und sofort machen wir uns mit einem "Ja, Sir" auf den Weg.

"Geh du schonmal vor, ich schlüpf nur noch schnell in meine Uniform", raunt sie mir unterwegs zu und biegt sofort in einen Gang ab, der zu unseren privaten Räumen führt.
Selbstverständlich.
Im Eiltempo laufe ich nach draußen, auch wenn die Luft hier angesichts der Höhe definitiv nicht die sauerstoffreichste ist.

Dort angekommen steige ich sofort in den benötigten Jet und schmeiße schonmal das wichtigste an Mechanik an.
Kurz nach mir trifft auch Tasha ein, welche sich zielstrebig auf den Platz des Co-Piloten fallen lässt.
Somit bleibt für mich nur die Position des Piloten übrig, was ich aber nicht wirklich als tragisch empfinde.
Immerhin bin ich voll ausgebildete Pilotin und liebe das Fliegen und ich bin dankbar, wenn ich mal wieder in die Lüfte abheben und Vollgas geben darf.

"Es kann losgehen", lässt uns der Captain wissen, welcher gerade in den Jet hüpft. Ohne langes Zögern setzt er sich hin und legt die Sicherheitsgurte an. Sein Schild positioniert er greifbar neben sich.
Schnell drücke ich ein Knöpfchen, um die Luke zu schließen, schnalle mich an und setzte mir mein Headset auf.
Aus dem Augenwinkel sehe ich bestens, dass Tasha es mir gleich tut.

"Achtung, wir starten", mit diesen Worten betätige ich weitere Knöpfe und drücke den Hebel für die Beschleunigung langsam nach vorne.
Sofort setzt sich unser Fluggestell in Bewegung und wir heben ab.

So schnell es die Sicherheit zulässt düsen wir Richtung Stuttgart und ich hoffe inbrünstig, dass es dort nicht schon zu einem Anschlag gekommen ist.
Doch noch liegen mir keine Angaben über ein solches Debakel vor und die würden wir vom Helicarrier aus definitiv bekommen.

Hoffentlich geht alles glatt. Ich hoffe es so sehr, vermutlich fange ich sogar gleich an zu beten.

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