8.2 A Little Maybe
Abgesehen von den Startschwierigkeiten an diesem Nachmittag verlief alles ganz super.
Jin und ich saßen mit meinen Eltern auf dem Boden in der Wohnstube und gemeinsam kramten wir uns durch unsere alten Erinnerungen und versetzten uns in die alten Zeiten zurück.
In die alten Zeiten, in denen ich diesen beschissenen Fifty Shades of Grey Kommentar nicht gelassen hatte, für den ich mich vorhin im Garten in Grund und Boden schämte.
Vielleicht sollte ich in Jins Nähe lieber zwei oder doch drei mal nachdenken, bevor ich einfach anfing zu sprechen, denn er sah von meinen Worten ziemlich verstört aus.
Wäre dieser Satz nicht von mir gekommen, dann hätte ich ihn für diesen Blick wohl ausgelacht, aber das lachen war mir im Hals stecken geblieben.
Den ganzen Nachmittag über spürte ich mein Handy vibrieren.
Ich wusste, dass es ein übellauniger und gestresster Chase war, der mich zu diesem dummen Interview bekommen wollte.
Aber ich hatte Pause, war heute hier bei meiner Familie und das mit dem, den ich wohl hoffentlich bald wieder besten Freund nennen dürfte.
Chase war mir da sowas von egal und würde er nicht bald damit aufhören, dann würde ich bei meinem Chef eine gigantische Beschwerde einreichen.
Er stand auf meiner Seite, was sollte mir also passieren?
Das beste Übel was uns passieren könnte, wäre dass wir einen neuen Manager bekommen würden, der wohl mehr Herz und Leidenschaft in unsere Angelegenheiten stecken würde und unsere privaten Anliegen verstand und nicht mit einer Kanone reinschoss und einen Haufen Fans auf uns ansetzte.
Die Fans vor dem Cafe waren zwar nicht die Little Savage, aber er hatte es dennoch gewagt einen meiner guten Freunde damit in eine missliche Lage zu rücken, die mich vor Jin in ein scheiß Licht gesetzt hatte.
Als hätte Chase gewusst, was er damit anstellte.
"Namjoon!"
Ich tauchte aus meinen Gedanken hoch und betrachtete das Bild, was mir mein Vater nun vor die Nase hielt.
Jin schielte herüber und lachte.
Ein Lachen was ich damals zu gerne gehört hatte und was wie Balsam für meine geschundene Seele war.
Heute mehr als je zu vor.
Jin hatte dieses laute Lachen, was sofort auf sich aufmerksam machte und was jeder als lästig und nervig betiteln würde.
Aber für mich war es damals immer der Anlass noch etwas drauf zu setzen, wenn ich in seinen Augen etwas lustiges getan oder gesagt hatte.
Doch das Bild, was mir vor Augen gehalten wurde, war für mich in dieser Situation alles andere als lustig.
Ich saß als dreijähriger in dem Chaos einer Wohnstube und in meinen Händen hielt ich eine hochwertig aussehende Gitarre.
Um genau zu sein eine E-Gitarre von Gibson Les Paul.
Übersetzt, diese Gitarren fangen bei fünfhundert Dollar an und haben kein offenes Ende nach oben hinweg.
An sich wäre das Bild also ganz normal.
Kinder auf der ganzen Welt saßen mit einer Gitarre in der Hand auf den Boden.
Doch etwas was nicht in dieses Bild gehörte, war das ich eben die Saiten der mehr als nur teuren Gitarre geschrottet hatte.
Das lustige?
Bis zu diesem Moment wussten meine Eltern noch nicht, wie viel diese Gitarre wert wäre, wenn ich sie nicht kaputt gemacht hätte.
Wie normale Menschen, haben sie nach einer Reparaturwerkstatt gesucht, die dann nur fassungslos den Kopf schüttelten und meine Eltern aufklärten.
Dabei hatte Appa diese Luxusgitarre nur in einem Garagenverkauf gefunden und sie gekauft weil sie so ein cooles Blau hatte.
"Weißt du wie viel wir für diese Gitarre bekommen hätten, wenn du sie nicht kaputgemacht hättest?" zog mich mein Vater seufzend auf und schüttelte theatralisch den Kopf.
"Ach das ist das Bild zur Gibson Les Paul Gitarrengeschichte?" erkannte Jin und riss sich das Bild aus den Fingern meiner Mutter.
"Kaum zu glauben, dass du sogar als Baby schon so viel kaputt gemacht hast."
Lachte er und betrachtete das Bild mit funkelnden Augen, die ich so schon lange nicht mehr gesehen hatte.
Er schien frei von jedem Hass und jeder Abneigung mir gegenüber und er wirkte, als würde er sich tatsächlich wohl fühlen, als würde er sich wie Zuhause fühlen.
"Das liegt in den Genen seines Vaters." lachte Eomma.
"Er hat auch andauernd etwas zerbrochen oder fallen gelassen, als er jünger war, aber mit dem Alter hat sich das zum Glück gelegt." kommentierte sie und sah Appa an, als wäre er ihre ganze Welt.
Wenigstens hatten sie ihr perfektes Liebesleben, während meins so, wie ich es haben wollte, wohl nie zustande kommen würde.
"Dann hoffen wir mal, dass das bei dir auch abnehmen wird."
Jin warf mir einen munteren und unbeschwerten Blick zu und lächelte, als würde er mit seinem Lächeln mein Herz einschließen wollen.
Ohne dass ich es bestimmen konnte schlug mein Herz auf einmal ein wenig schneller und zögern erwiderte ich sein Lächeln.
"Vielleicht entwickelt es sich ja auch zum schlimmeren." konterte ich und sah wie sich Jins Mundwinkel weitere Millimeter hoben, bevor er das Bild weg legte und nach einem anderen Album griff.
So dämlich wie ich war, kam mir der gleiche Gedanke und wie in diesen Klischeeliebesfilmen berührten sich unsere Hände, als wir genau und unbeabsichtigt nach dem selben Album griffen.
Als würde ein Elektroschock ihn durchziehen, zog Jin seine Hand weg, während ich so tat, als wäre eben nichts passiert.
Da war auch nichts passiert.
Was sollte bei einer so kleinen und kurzen, zufälligen Berührung passiert sein?
Wir saßen in keinem schlechten Liebesfilm, wir befanden uns in der Realität und da passierten diese Schockmomente nicht.
Außerdem hatte Jin sicher dieses Mädchen an der Angel, mit der er zusammen im Café arbeitete.
Die beiden schienen sich wirklich gut zu verstehen.
Da musste ich mir nicht irgendetwas einbilden.
Aber immerhin musste sie besonders sein, wenn sie Jin zum Lachen und zum rot werden bekommen konnte und das viel leichter als es mir gelang.
Auf einmal wusste ich nicht mehr, was ich mit dem Bilderalbum in meiner Hand anfangen sollte und reichte es Jin.
"Du wolltest es doch eben haben.
Sorry, dass ich es dir vor der Nase weggeschnappt habe."
Entschuldigend lächelte ich ihn an, aber er wich meinem Blick aus und starrte auf meine Hände.
"Nein... schon gut. Du kannst es dir auch angucken." murmelte er und sah nun in eine komplett andere Richtung.
"Nimm schon Jin. Ich wohne hier, oder zumindest ist das das Haus meiner Eltern.
Ich kann mir die Bilder ansehen wann ich will."
Versuchte ich es erneut ihm das Album in die Hand zu legen.
Meine Eltern betrachteten uns neugierig.
In meinem wirklich privatem Kreis waren sie die einzigen, die wussten, dass ich nicht Frauen zugeneigt bin und die auch kein großes Drama gemacht hatten, als ein Clubschnappschuss von Halsey und mir durch die Medien ging.
Konnte man den nicht mit einer großen Musikerin befreundet sein, ohne dass die ganze Welt dachte, dass da etwas ging?
Paparazzos sollten sich mal um ihr eigenes langweiliges Leben kümmern und nicht die stalken deren Leben sie niemals haben werden.
Meine Eltern wussten auch, wie ich über Jin dachte, zwar erst seit dem Abend, bevor ich weg bin, aber ich hatte mich immerhin dazu ringen können es ihnen überhaupt zu beichten.
Sie fanden es da nicht grade erleichternd, dass ich versucht hatte mir dieses Sein auszutreiben und waren noch immer nicht darüber begeistert, dass ich dem noch immer nachging.
Jin betrachtete mich prüfend und mit einem musternden Blick, bevor er das Album aus meiner Hand nahm und genaustens darauf achtete, dass sich unsere Hände nicht erneut berührten.
Ich verkniff es mir zu seufzen und verfolgte, wie er das Bilderalbum einen Moment ansah und dann wieder weg legte.
Ein wenig verarscht fühlend blinzelte ich und sah nach oben, als er plötzlich aufstand und meinte, dass er mal kurz auf Toilette müsste.
Ein wenig verdattert blickten meine Eltern sich gegenseitig an und dann zu mir.
"Hast du ihm gebeichtet, dass...?" Eomma riss die Augen aufgeregt auf und ich schüttelte sofort den Kopf.
"Das mein ich doch nicht. Das andere, dass du schwul bist." rasselte sie heraus und tippte mit ihren lackierten Fingernägeln auf den Teppich.
Ich schüttelte den Kopf erneut.
"Ich möchte nicht, dass das einen Keil zwischen uns treibt." murmelte ich und blickte auf das Bilderbuch, was Jin eben weggelegt hatte, bevor er aufgestanden ist.
"Das tut es ganz sicherlich nicht Namjoon, da bin ich mir sicher." mischte sich mein Vater ein.
"Jin ist ein toleranter junger Mann. Er würde dich nicht von sich weg stoßen." ermunterte er mich.
"Er hat sich verändert.
Ist komisch geworden, so versteift.
Seoji meinte, dass er so geworden ist, seit ich weg bin." gestand ich und sah meine Eltern hilfesuchend an.
"Jin macht auf mich den Eindruck, als würde er absolut nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, seit damals.
Mir ist bewusst, dass es falsch war ihm so kurzfristig bescheid zu sagen und es war ein fehler seine Kontaktdaten zu verlieren.
Aber ich habe ihm gesagt, dass mir das leid tut. Mehrmals sogar schon." ließ ich meine Sorgen aus.
Eomma und Appa vor mir warfen sich eigenartige Blicke zu, als würden sie über etwas Bescheid wissen, was sie mir wohl nie sagen würden, selbst wenn ich noch so viel betteln würden.
Mir war bewusst, dass fragen also nichts bringen würde.
"Gib ihm Zeit Joon." Eomma lächelte warm.
"Genau. Du bist einfach so vor seiner Nase aufgetaucht und hast beschlossen ihn wieder in dein Leben zu lassen.
Für dich mag das vielleicht einfach sein, aber du weißt, dass Jin einen schwierigen Charakter hat." stärkte Appa mir den Rücken und zwinkerte mir ermutigend zu.
"Ihr beide packt das schon. Ihr seit alt genug um eine Freundschaft wieder aufzubauen." redete er bestätigend weiter auf mich ein.
"Vielleicht schafft ihr es sogar zu mehr?"
Jetzt zwinkerte mir meine Mutter und überstürzt und perplex verzog ich die Augenbraue.
"Jin ist nicht an Männern interessiert." machte ich klar.
"Er ist nie mit einem Mädchen ausgegangen." konterte mein Vater.
"Weil er wählerisch ist." setzte ich dagegen.
"Als alle in der Schule sich zum Abschlussball eine Begleitung gesucht haben, hat er dir doch den Vorschlag gemacht mit ihm zu gehen, wenn du kein Mädchen findest." argumentierte meine Mutter.
"Weil wir beste Freunde sind. Da macht man so was. Das sieht man in jedem zweigen amerikanischen High School Film." setzte ich fest.
Meine Eltern warfen sich belustigte Blicke zu.
"Wir sind aber nicht in Amerika, Joonie, sondern in Korea."
"Und Korea ist homophob. Setzt meinem Liebesleben nicht höhere Hoffnungen, als möglich."
Nun strahlten meine Eltern über beide Wangen und ihre Augen den Anschein zu leuchten.
"Du magst ihn immer noch so, wie vor sieben Jahren." stellte Appa fest und lächelte mich väterlich an.
"Vielleicht." murmelte ich und hätte mich am liebsten in einer Ecke versteckt, aus der ich nie wieder hervorgekrochen wäre.
Wir drei horchten auf, als wir hörten, wie sich das Schloss der Badezimmertür drehte und verstummten sofort in unserer Diskussion.
"Das Thema ist noch nicht abgehakt." wie meine Mutter mir an und scheuchte Paps auf die Beine.
"Wir lassen euch mal alleine und machen den Pizzateig fertig.
Es dämmert immerhin schon und das ist ein Zeichen für Abendbrot." säuselte, sie als Jin wieder in Hörweite und ich den beiden am liebsten ihre Bilderalben um die Schädel geschlagen hätte.
Ich hoffte Jin hatte nichts von dem geredeten eben mitbekommen.
Die Wände in diesem Haus sind zwar verhältnismäßig dick, aber man konnte nie wissen.
"Ich... hab noch gar keinen Hunger." murmelte Jin, als er mit großen Augen meinen Eltern hinterher sah, wie sie in die Küche tappelten.
"Der wird noch kommen, wenn wir den Teig belegen Jinnie." rief meine Mutter und schmiss die Tür hinter sich zu.
Ich liebte meine Eltern abgöttisch, wirklich.
Seit ich denken konnte, hatten sie mich bei allem unterstützt und waren immer ehrlich zu mir, nur war das wieder einer dieser Momente, an denen ich hoffte, dass der Sensenmann sie in die Hölle schickte.
Aber ich glaube für meine Eltern wäre das nicht mal eine Strafe.
Selbst den Saftladen würden sie aussehen lassen, wie den Himmel.
Jin ließ sich auf einem der bequemen Sessel in der Stube fallen und starrte durch das Fenster hinaus auf die Straße, während ich ohne nachzudenken wieder das wohl dämlichste sagen konnte, was mir in den Sinn kam.
"Du hast das Bad wiedergefunden."
Erkannte ich.
Er gab nicht viel auf meine dummen Worte und nickte nur.
"Hat sich nichts verändert. Es sieht immer noch alles gleich aus."stellte er fest.
Ich grinste dümmlich.
Was hätten meine Eltern auch verändern sollen?
Hätten sie die Wände des Hauses einmal komplett umsetzen lassen sollen, so das die Räume sich woanders befanden?
Würde bestimmt nicht einfach werden dieses Gespräch auf die Beine zu stellen und nicht an das zu denken, was meine Eltern eben angesprochen hatten.
Aber sie hatten recht.
Jin hatte sich nie bemüht einem Mädchen in der Schule zu gefallen.
Er verstand sich mit einigen gut, war aber mit keiner von ihnen befreundet und ja er hatte den Vorschlag gemacht zusammen zum Abschlussball zu gehen.
Aber ich hatte die Idee mit diesem dämlichen Pärchenbild, weil ich einen sitzen hatte und nicht mehr bei Sinnen war.
Außerdem waren wir nicht die einzigen besten Freunde die hingegangen sind, jedoch die einzigen besten Freunde die nicht aus der Kombination Mädchen und Junge bestand.
Das einzige Klischee was wir erfüllt hatten war, dass wir zwar als Freunde da waren, aber ich mir insgeheim das unmöglichste Wünschte, nämlich vielleicht mehr als nur Freundschaft zwischendurch, hätte ich die Gewissheit, dass es ihm mit mir nicht anders ging.
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