8.1 In Our Memories

Eigentlich sollte es mich freuen meine zweiten Eltern endlich mal wieder zu sehen.
Als Namjoon und ich damals noch beste Freunde waren, da haben sich auch unsere Eltern zusammengerauft, so dass wir schon fast eine ganze Familie waren.
Wirklich alles haben wir zusammen getan und gefeiert.
Wir fuhren zusammen in den Urlaub, feierten Weihnachten, Geburtstage und Silvester mit unseren kompletten Familien gemeinsam und nie gab es Streitereien oder Langeweile.
Immer war es lustig, laut und munter.
Namjoons Familie war wie die meine und umgedreht eben so.

Doch alles das was uns damals so sehr zueinander gebracht hat, diese ausgelassene Stimmung, dieses muntere, von dem war nun nichts mehr zu spüren, oder in der Luft zu sehen.
Unwohl und mulmig rührte ich in meinem Kaffee herum, während Namjoons Eltern versuchten ein stockendes Gespräch auf den Beinen zu halten.
Früher hatten wir vor unseren Eltern, gleich ob seine oder meine, die Essenschlachten in der Schulmensa mit dem Kuchen zum Kaffee nachgespielt und hatten den Spaß unseres Lebens, selbst als wir älter wurden, änderte sich nichts daran.
Aber nun sagten wir kaum einen Ton.
Nickten nur mit den Köpfen oder gaben kurze Antworten, so als wären wir nicht mehr die besten Freunde von damals, sondern nur noch Fremde.
Nun merkte ich, wie sehr ich diese muntere und laute, fröhliche Art von Namjoon vermisste.
Früher, als Kinder und Teenager, da waren wir unbeschwert und flogen durch unsere Tage, aber nun schleppten wir uns mit lasten durch die Gegend, die wie selber kaum tragen konnten.

Die Stimmung am Tisch war eigenartig. Eine gewisse Anspannung herrschte in der Luft und ließ Namjoon und mich abwechselnd seufzen, oder uns auf unseren Gartenstühlen zurechtrücken.
Keiner von uns traute sich ein Wort zu viel zu sagen.
Dabei verstand ich Namjoon überhaupt nicht.
Er wollte, dass ich aus meiner Hülle brach, aber verschanzte sich selber in einer?
Vielleicht spiegelte er auch einfach nur gekonnt mein Verhalten wieder, damit es mir irgendwann auf die Nerven ging und ich ein Bild davon bekam, wie er sich fühlen musste.
Und das Dumme an seinem Plan, wenn er ihn so angelegt hatte, er klappte.

"Wie geht es deiner Schwester Jin?" Leeju, Namjoons Mutter, lächelte mich verzweifelt an.
Ich schmunzelte. "Seoji geht es super. Sie ist bei einer Freundin für die nächsten Tage." 
Mehr als nur ein oder zwei Wörter, das war doch ein guter Anfang um Namjoon endlich mal aus seiner Haut fahren zu lassen.
"Hat sie denn schon einen Plan, was sie nach der Schule machen möchte?" Namjoons Vater legte den Kopf fragend schief und runzelte die Stirn.
Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf.
"Vermutlich wird sie auf ewig ein kleines und nerviges Fangirl bleiben." kommentierte ich und nahm das deutliche Lächeln auf Namjoons vollen Lippen war, was mir einen warmen Schauder durch den Körper jagte.
Das war das, was ich von ihm sehen wollte.
"Damit kann sie sicherlich eine Menge Geld  verdienen." merkte er an und richtete sich in seinem Stuhl zurecht.
"Ich meine Fifty Shades of Grey basiert auf einer Twilight Fanfiktion. Wenn sie Yoongi, Hoseok und mich in eine packen würde, hätte sie sich ihren Lebensunterhalt gesichert." scherzte er.
Das er sowas so locker sehen konnte.
"Mich würde es nicht freuen, wenn man über mich einen solchen Mist schreibt." merkte ich spitz an und schlürfte an meinem Kaffee herum.
An den plötzlichen Blicken von Namjoons Eltern war deutlich abzulesen, dass sie erleichtert darüber waren, dass wir nun endlich mal ein wenig miteinander redeten.
"Für mich ist es ein Zeichen, dass unsere Leute kreativ sind. Ob das was sie über uns schreiben gut ist, darüber lässt sich streiten, aber es ist niedlich."
Niedlich?
Er findet es niedlich, wenn er mit einem seiner Kumpels von seinen Fans in eine Beziehung gesteckt wird, in dem einer von beiden einen heftigen Kink hat?
Na ja ich weiß ja nicht, bei dem was Seoji mir so von den Fanfiktions erzählt die sie liest, dabei hatte sie aber noch nie eine über Namjoon erwähnt.
Immerhin schien sie noch so viel Respekt zu besitzen, dass sie solche Dinge über ihn nicht las.
"Wenn du das niedlich findest." brummte ich kopfschüttelnd.
"Du weißt gar nicht, was da draußen für grausame Geschichten im Internet über euch herumlungern." mischte sich nun Jangyoung, Namjoons Vater, belustigt ein.
"Da ist Fifty Shades of Grey noch ein Witz, mein Junge." richtete er sich schmunzelnd an seinen Sohn.

Namjoon schoss mit seinem Kopf in die Richtung seines Vaters.
"Ihr liest nicht ernsthaft Fanfiktions über euren eigenen Sohn!" rief er aus und riss die braunen Augen weit auf.
"Uns ist langweilig, wenn wir Abends unsere Serien schauen, und da kam deine Mutter auf die Idee mal so zu schauen, was diese Fanfiktionen sind." grinste der Vater über beide Backen.
Namjoon lief knallrot an und hätte sich am liebsten unter dem Tisch versteckt.
Seine Mutter setzte noch einen oben drauf.
"So lange du nicht wirklich Kabelbinder und Peitschen hinter deiner Garderobe in deiner Wohnung in New York versteckt hast, musst du uns auch nicht so geschockt ansehen."
Ich prustete los und spuckte den Kaffee einmal quer über den Küchentisch.
Damit hatte ich absolut nicht gerechnet und dann kam dieser Spruch auch noch von einer der prüdesten Erwachsenen, die ich kannte.
Leeju hatte sich wirklich über die Jahre und die Abwesenheit ihres Sohnes verändert.
Namjoons Gesicht wurde noch röter als die Tomaten hinter im auf dem Gemüsebeet und spätestens jetzt würde er am liebsten das Weite suchen und wieder nach Seoul zurück düsen.
"Nein, Eomma, Appa ich habe keine kranken Sexkinks wenn ihr das damit vom Tisch haben wollt und Jin, bekomm dich wieder ein, sonst landest du mit Kabelbinder gefesselt an meiner Schlafzimmerdecke."
Ich lachte noch einen Moment, dann verstummte ich, als ich verstört wahrnahm, was er gesagt hatte.
Es wurde ihm selber bewusst, als ich ihn noch verstörter anstarrte und dann meine Wangen rot wurden, nicht dass mir dieses Bild in meinem Kopf gefallen würde
Dass das nur ein schlechter Scherz aus der Situation heraus war, war mir mehr als nur bewusst, dennoch war all die Leichtigkeit der Situation auf einmal verflogen, als nun seine Eltern anfingen zu lachen.

Als sie sich wieder gefangen hatten und ich mir noch ein kleines Stück vom Kuchen nahm, um daran zu knabbern, stand Leeju mit einem Schwung auf und stellte das Besteck auf das Korbtablett, um es ins Haus zu bringen.
Jangyoung seufzte und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
"Ihr Zwei habt euch echt nicht verändert." stellte er fest.
Namjoons Blick flog zu mir und ich wagte es nach seinem dummen Kommentar zu ihm zu schielen.
"Ein merkwürdiger Satz von einem von euch beiden, und sofort ist alles von zuvor im Eimer." sprach er weiter und schüttelte den Kopf.
Meine Reaktion war nur ein Schulterzucken und ich konzentrierte mich wieder auf mein Kuchenstück.
Namjoon dagegen starrte auf die Tischkante und blinzelte nur stumm und ohne ein Wort.
Aber Jangyoung hatte recht.
Selbst damals war es schon so gewesen, ab einem gewissen Punkt.
Ich glaube es war um die Zeit, als Namjoon angefangen hatte mit Mädchen auszugehen.
Manchmal sagte er Dinge, die ich nie von ihm erwartet hatte und dann brach eine angespannte Ruhe zwischen uns aus, bis er oder ich nach einem Thema zum reden haderten, bis wir eines gefunden hatten.
So sehr ich Namjoon damals wirklich mochte, so sehr hatten mich diese Bemerkungen schon damals verwirrt und verwundert.
Nicht nur ich hatte das mitbekommen, wie man merkte und meine Eltern hatten mich damals auch schon darauf angesprochen.

"Namjoon! Jin! Kommt doch mal rein. Ich habe etwas gefunden, was euch gefallen könnte!" Leeju unterbrach die unangenehme Stimmung und stand mit munter schwingenden Armen an der Türschwelle zum Hintereingang des Hauses.
Namjoon blickte mich ein wenig verdattert an, aber erhob sich dann, um den Worten seiner Mutter zu folgen.
Da sie mich ebenfalls gerufen hatte, tat ich es Namjoon gleich und trottete hinter ihm her in sein Elternhaus.
"Ich habe letztens ein paar alte Bilder von euch rausgekramt." fing sie an und legte einen Arm um meine und einen Arm um Namjoons Schultern.
Da wir beide einen Kopf größer waren als sie, musste sie auf Zehenspitzen laufen, aber Leeju störte das nicht wirklich.
Munter redete sie aufeinmal darüber los, was für süße Kinder wir waren und dass sie nicht glauben konnte, dass die Zeit so schnell verging und wir auf eigenen Beinen standen und unser eigenes Geld verdienten und uns so lange nicht mehr gesehen hatten.
"Sobald eure Eltern wieder hier sind Jin, machen wir wieder eine Grillparty, eine so wie damals immer." schwärmte Leeju. "Und Namjoon, du setzt dich dafür ein, dass du deinen Arsch öfters nach Korea bewegst." wetterte sie munter und gut gelaunt weiter und drückte uns auf den weichen Teppichboden in der geräumigen Wohnstube.
"Wollt ihr noch was trinken?" Leeju rauschte durch die Stube in die Küche und kam mit zwei Gläsern wieder zurück.
"Limo, Alkohol, noch einen Kaffee?" bat sie uns an und verschwand wieder, aber diesmal tauchte sie mit einem Stapel gigantischer Ordner auf.
Namjoon sprang sofort vom Boden auf, um seiner Mutter beim tragen zu helfen.
"Nein danke, Eomma. Wir brauchen erstmal nichts." lehnte Namjoon das Angebot der Getränke ab.
Dabei hätte ich mir gerne einmal die Kante gegeben, bevor ich mit Namjoon in unseren alten Bildern herumblätterte, denn Alkohol hätte das ganze so viel einfacher gemacht.

Leeju ließ die Gläser auf dem Tisch in der Stube stehen und setzte sich mit den Ordnern die sie geschleppt hatte zu uns auf den Boden, bevor sie einen von ihnen aufschlug und anfing breit zu grinsen.
"Kaum zu glauben, dass das zwanzig Jahre her ist." sie drehte das Bilderalbum zu uns und zu sehen waren Bilder, auf denen wir nicht älter als sechs Jahre waren.
Geschossen wurden sie im Kindergarten zum Fasching.
Ich trug eines dieser schrecklichen Prinzenkostüme und blickte wenig begeistert in die Kamera.
Namjoon war in ein selbst genähtes Drachenkostüm gesteckt wurden und versuchte mit einer dummen Grimasse meinen gelangweilten Blick auszugleichen, was ihm eher mäßig gelang.
Dieses Bild stellte perfekt da, dass ich ein unglaublich schweres Kind war.
Also nicht vom Gewicht, sondern vom Charakter.
Ich hasste es mich zu verkleiden, als eine Person die ich eh nie sein würde.
Schon damals war ich immer ein kleiner Pessimist gewesen und konnte mich nur mit wenigen Dingen begeistern.
"Du konntest es nie ab, dich zu verkleiden, selbst beim Karneval in der Grundschule." schmunzelte Namjoon und fuhr mit einem nachdenklichen Lächeln über das Bild.
"Nope. Ich habe es gehasst. Vor allem wenn die Mädchen sich alle als Prinzessinnen verkleidet haben und immer eine weinen musste, weil sie sich so hässlich fand." kritisierte ich den Grundschulkarneval.
Meine Eltern konnten mich immer nur dazu bewegen Teufelshörner zu tragen oder mir wenigstens eine Clownsnase mitzugeben.
Versuchten sie mich nach meiner Zeit im Kindergarten nochmal in ein Kostüm zu stecken, hatte die ganze Nachbarschaft mitbekommen, dass dies Klein-Jin nicht gefiel.
"Ich fand das immer toll. Einfach mal für einen Tag in die Rolle einer anderen Person oder eines anderen Wesen schlüpfen und sich um nichts Gedanken machen." malte Namjoon das ganze wieder bunt an und blätterte das Kindergartenkarnevalbild weg.

Was danach folgte stammte ebenfalls aus unser Kinderzeit.
Namjoon und ich lagen als einziger eingekuschelter Knoten und mit unseren Kuscheltieren in der Kuschelecke und das so, dass man nicht mehr erkennen konnte von wem welches Bein oder welche Hand war.
Ein seichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
Als Kind störte es niemand mit wem man Kuschelte, da waren alle deine Freunde und man unterschied noch nicht von Freundschaft oder mehr.
Du konntest als Junge einen anderen Jungen auf die Wange küssen und alle fanden es niedlich.
Außer vielleicht intolerante und dumme Eltern, die dachten, dass Hetero die einzige Sexualität auf diesem vielseitigen Planeten sei.
Viel zu oft hatte ich den Wunsch, dass dies selbst noch im Teenageralter egal sein würde.

"War das nicht noch am selben Tag? Nach dem Karneval?" harkte Namjoon nach und betrachtete das Bild, auf dem wir in einander eingekuschelt eingeschlafen waren.
"Kann gut sein, aber ihr habt öfters so dagelegen, wenn wir euch am Nachmittag abgeholt haben, da ihr in der eigentlichen Mittagspause immer nur Blödsinn gemacht habt." enthüllte Leeju mit einem in Erinnerungen schwelgenden Lächeln und griff nach einem anderen der Alben, um eines der Bilder zu uns zu schieben.
"Mein Lieblingsbild." gab sie zu und reichte es uns, als sie es aus dem Album gelöst hatte.
Namjoon nahm es entgegen und ich erkannte, dass es das vom Abschlussball in der Schule war.
Weder er noch ich hatten ein Mädchen gefunden, was mit uns hingehen wollte, deshalb sind wir einfach gemeinsam hingegangen.
Als Freunde verstand sich, aber dennoch bedeutete mir dies so viel.
Denn wäre Namjoon mit einem seiner Dates hingegangen, dann wäre ich höchstwahrscheinlich Zuhause geblieben und dann wäre dieses Bild nicht entstanden.
Wir beide hatten um die Zeit schon ziemlich einen an der Krone, und Namjoon kam auf die geistreiche Idee, dass wir uns aus Spaß einfach bei diesem schrecklichen Pärchenfotografen hinstellen könnten. 
Der staunte natürlich nicht schlecht, als da aufeinmal zwei Typen vor ihm standen und ein Bild haben wollten.
Das Bild hatte ich jedoch noch an dem Tag durch den Schredder gejagt, als Namjoon sich nach Amerika verzogen hatte.
Mir hatte das Bild immer mehr bedeutet, als Namjoon und somit bereute ich es ein wenig, dass ich es nicht mehr hatte.

"Oh Gott. Da waren wir so dicht." erinnerte Namjoon sich nun und schüttelte den Kopf. "Aber den Blick vom Fotografen war es wert." hing er an und ließ seine Augen über sich und mich in viel zu förmlichen Anzügen wandern.
Im Gegensatz zu ihm wirkte ich in meinem, als würde ich in einem Kartoffelsack hängen.
Namjoon dagegen sah aus wie ein Model für Armani. Makellos und selbstbewusst.
"Ich konnte immer noch grade laufen, du musstest ja damals mit Shownu Vodka in die Bowle kippen." setzte ich ihm die Pistole auf die Brust.
Er lachte und nickte. "Stimmt. Du hast damals deine Mutter angerufen, damit sie uns abholen konnte, während ich mich über den Mülleimer gehangen hatte." 
Ich nickte. "Als wir dann im Auto saßen, hast du den Rücksitz auch noch vollgekotzt. Eomma war kurz davor dich zu Fuß nach Hause laufen zu lassen." 
Auch ich konnte mich zu einem Lachen ringen und hatte das viel zu starke Bedürfnis meinen Kopf gegen seine Schulter zu lehnen, so wie damals, als es nie etwas bedeutet hatte und es immer das normalste er Welt für uns war.
Doch ich kämpfte gegen diesen Drang an, den ich eigentlich nicht spüren sollte und wollte.
"Aber deine Mutter hatte mich viel zu sehr Lieb, um mir das anzutun." säuselte Namjoon und griff nach einem der anderen Alben, die um uns auf dem Boden lagen.
Kaum zu glauben, dass wirklich so viele Bilder von uns existierten.

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