Zwei: Die verborgene Wahrheit hinter der Finsternis
Eigentlich hätten alle etwas sehen oder zumindest hören können. Sie hätten sehen können, wie dieser Mann einen nach dem anderen tötete. Wie die Köpfe der Enthaupteten zu Boden fielen, ein unbeschreiblich elendes Geräusch erzeugend. Doch merkwürdigerweise schienen alle wie eingefroren. Niemand bewegte sich, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Ich raffte mich zusammen und verschwendete keine Zeit. Leise schlich ich mich durch die Menge, um Yamada zu finden. Schließlich entdeckte ich ihn, und mein Herz erleichterte sich: "Zum Glück ist er in Ordnung." Aber die Zeit schien tatsächlich stillzustehen. Wie konnte es sein, dass nur ich mich hier bewegen konnte? Hing es mit dem Kind zusammen, das ich gesehen hatte?
Vorsichtig nahm ich Yamada und trug ihn in einen Schrank. Wir versteckten uns dort und warteten ab, was als Nächstes passieren würde. Eine Weile geschah nichts, aber das Gefühl, mich übergeben zu müssen, stieg immer weiter an. Der Grund dafür war natürlich das grausame Schauspiel, das sich vor mir abspielte. Jeder, wirklich ausnahmslos jeder, wurde enthauptet. Sie alle waren zum Teil Freunde und Bekannte von mir, und doch konnte ich mich nicht bewegen. Es war, als würde mich etwas zurückhalten.
Plötzlich kam der Mann genau vor den Schrank. Vermutlich hatte er alle hier Anwesenden umgebracht. Er stand da, ohne sich zu rühren, und starrte mit einem blutrünstigen Blick auf den Schrank. Nein, er schaute mir genau in die Augen! In dem Moment, als ich das realisierte, packte mich erneut die Angst.
Gleichzeitig zog der Mann sein Schwert und stach es ohne zu zögern in den Schrank – und durchbohrte Yamada. Nach wie vor fühlte ich weder Trauer noch spürte ich Wut in mir. Selbst als ich Yamada ansah, der nicht mehr von der gestoppten Zeit betroffen schien und mir einen bemitleidenswerten Blick zuwarf.
Ich blickte direkt zu dem Mann, doch plötzlich sah er für einen kurzen Moment nicht mehr wie ein Mensch aus, sondern eher wie ein Dämon mit zwei Hörnern am Schädel, wie aus einem Märchen. Er zog das Schwert wieder aus Yamada heraus. Er starb, einfach so – ein ruhiger und unbedeutender Tod.
"Ah... jetzt bin ich der Nächste", flüsterte ich leise vor mich hin. Langsam öffnete ich die Schranktür, stand erhobenen Hauptes auf und blickte dem Mörder, dem Dämon, dem Biest, das hier alle getötet hatte, in die Augen. "Das wird also mein Ende sein?", fragte ich mich selbst, als er das Schwert schwang. Ich entspannte mich. Er schnitt so schnell, dass ich nur kurzzeitig spürte, wie die Klinge meinen Kopf vom Körper trennte.
Alles wurde schwarz, und ich sah nichts – nichts außer purer Finsternis.
"Willst du tatsächlich sterben?", fragte plötzlich eine Stimme aus dem Nichts.
"Ich frage dich nochmal, willst du jetzt einfach so sterben?", fragte die Stimme erneut.
Ein leichtes Brennen in meiner Brust wurde spürbar, doch meine Augen sahen weiterhin nur Dunkelheit.
"Du... du bist doch das Mädchen von vorhin... oder?", fragte ich mühsam, da es mir schwerfiel, auch nur ein einziges Wort herauszubringen.
"Hmm, du hast mich an meiner Stimme erkannt, das freut mich. Dann kann ich mich dir ja jetzt auch zeigen", entgegnete sie.
In der Dunkelheit erschien plötzlich ein helles Leuchten, und ich konnte das Mädchen sehen.
"Also, Tatsuya. Willst du einfach so sterben? Willst du dich gar nicht rächen, nachdem dein bester Freund und schließlich auch du von einem Dämon aus Asukamia getötet wurdest?", fragte sie.
"Ich...", mein Herz begann vor Wut schneller zu schlagen, so heftig, dass ich es hören konnte. "Ich will diesen Bastard zur Strecke bringen!", schrie ich wutentbrannt.
Das Mädchen grinste und sagte spöttisch: "Du bist aber tot. Was willst du da schon machen? Und so etwas wie Wiederbeleben kann selbst ich als Dämonin nicht."
Ich sah sie mit einem hasserfüllten, aber auch enttäuschten Blick an.
"Aber!", sagte sie, "Ich kann dich in eine andere Welt schicken, genauer gesagt dorthin, wo dieser Dämon lebt. In die Welt namens Asukamia."
"Ich...", ich wollte etwas sagen, schwieg aber und beruhigte mich. Ich fühlte mich hilflos.
"Ich kann doch nichts ausrichten, selbst wenn du das so sagst, würde ich doch nur wieder sterben. Was hätte das für einen Sinn? Er ist ein Dämon, und ich..."
Sie unterbrach mich: "Und du nur ein Mensch? Das ist es doch, was du denkst. Aber ich muss dich enttäuschen. Dank mir bist du ein Halbdämon! Ich bin eigentlich ein Dämon, der kein Dämon ist, wenn man das so sagen kann. Ich habe mich, als du klein warst, in deinem Körper versteckt. Wieso? Damit mich die anderen Dämonen nicht finden, weil ich vor ihnen geflohen bin, nachdem ich sie verraten hatte."
"Also, du willst mir weismachen, dass ich kein Mensch mehr bin?", fragte ich ernst.
"Du warst schon von deiner Geburt an keiner. Was ist daran so schlimm? Du bist und bleibst immer noch derselbe, Tatsuya. An dir hat sich nichts geändert, außer der Tatsache, dass du jetzt weißt, dass du kein Mensch bist bzw. es nie warst", entgegnete sie.
"Okay. Ich kann es zwar noch nicht ganz verarbeiten, aber das werde ich mit Sicherheit bald. Gib mir bitte etwas Zeit. Ich habe übrigens noch eine Frage. Warum ist der Dämon überhaupt erschienen? Wie kommt er hierher? Mit einem Portal? Gibt es mehrere Fälle wie diese, die auf der Welt passieren,ohne dass wir es mitbekommen?", fragte ich sie.
"Erinnerst du dich an unsere erste Begegnung am Bahnhof? Da, wo ich sagte, du sollst auf deine weiteren Handlungen aufpassen?", sie stoppte.
Ich schaute sie an und fragte leicht eingeschüchtert: "Was, was ist denn?"
"Die Zeit rennt uns davon! Ich muss uns nach Elyndora bringen, sonst stirbst du endgültig und ich gleich mit!", sagte sie hastig.
Plötzlich wurde alles um uns herum extrem hell, so hell, dass ich nichts mehr erkennen konnte. Ein unbeschreibliches Gefühl durchströmte meinen Körper, als ob ich durch Raum und Zeit geschleudert würde. Inmitten des gleißenden Lichts hörte ich das Mädchen noch flüstern: "Bereite dich vor, Tatsuya. Wir- betreten jetzt Elyndora."
Und im nächsten Moment waren wir dort, in einer Welt, die sowohl vertraut als auch fremdartig erschien. Hier würde ich mich dem Dämon stellen und meinen besten Freund rächen – und vielleicht sogar mehr über meine wahre Natur als Halbdämon erfahren.
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