🌸 Kapitel 13 🌸

Folterkammer

,So eine undankbare Bitch!', dachte Jasper zum gefühlt dreißigsten Mal seit seinem Tod. ,Ich will sie retten und zum Dank macht sie nen Polnischen und lässt mich hier allein!' Mit grimmigem Blick presste er das Klemmbrett und das Schächtelchen, das die Empfangsdame ihm überreicht hatte, an sich.

Vor ihm ragte ein hoher Bogengang auf. Inspektionsgang Nummer Zwei. Er lag rechts neben der großen Flügeltür der Empfangshalle. Jasper schaute zu dem glänzenden Messingschild auf, das zwischen zwei Granitsäulen hing, eine lästige Locke fiel ihm dabei in die Stirn. ,,Jugendliche" stand dort in altertümlicher Blockschrift. Unverschämtheit! Die Empfangsdame hatte ihn offensichtlich dem falschen Gang zugeordnet, immerhin war er schon seit zwei Jahren volljährig und würde bald - mehr schlecht als recht - sein Abi machen. Falsch; er hätte bald sein Abi gemacht, wenn er nicht wegen dieser verdammten Egoistin gestorben wäre. Vor Wut boxte er im Vorbeigehen gegen eine der Säulen, ein lupenreiner Seiken-Karateschlag, den er sich per Youtube beigebracht hatte. Schlechte Idee. Der Schmerz ließ ihn aufjaulen, das Klemmbrett fiel ihm aus der Hand, und als er sich bückte, um es aufzuheben, spürte er die Blicke der anderen Jugendlichen auf sich. Wenigstens kannte ihn hier niemand. Er wollte sich gar nicht erst ausmalen, welche Sprüche er von seinen Kumpels wegen dieses albernen weißen Kleidchens kassieren würde. Und dafür hatte er seinen schönen Nike Hoodie abgeben müssen!

,Verficktes Jenseits. Nur Spasten hier!', dachte er wütend, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf den dunklen Gang vor sich richtete. Mit jedem Schritt veränderte sich die Atmosphäre, und das nicht gerade zum Positiven. Das natürliche Licht der Empfangshalle wich dem roten Schein verschnörkelter Eisenlaternen, die in regelmäßigen Abständen neben den Türen angebracht waren. Sie beleuchteten die verzierten Wände und den glatten Boden, ließen ihn unheilvoll glimmen. Rechts und links der Türen saßen Mädchen und Jungen aus allen Ländern der Welt. Alle Volksgruppen und Hautfarben waren vertreten, egal ob Inder, Japaner, Afrikaner oder Inuit. Die Jüngsten waren um die vierzehn Jahre alt, die Ältesten im Studentenalter. Sie unterhielten sich flüsternd, spielten nervös mit dem bernsteinfarbenen Schächtelchen oder füllten den Fragebogen aus.

Jasper setzte sich auf einen freien Platz vor Raum Sechs, der in der Mitte des Gangs lag. Er fühlte sich unwohl nach allem, was geschehen war. Neben ihm öffnete sich die Tür und ein apathisch lächelnder Junge mit Afro trat heraus. Das Licht der Laterne wechselte im selben Moment wie eine Ampel von rot auf grün. Ein zerstreut wirkender Mann im Apotherkerkittel tätschelte die Schulter des Jungen und übergab ihn an einen Gardisten, der ihn wegführte. Jasper konnte es nicht erklären, aber er hatte das unbestimmte Gefühl, dass in diesen Räumen etwas Unheimliches vor sich ging. Der Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen war jedenfalls alles andere als normal gewesen.

Plötzlich versperrte ihm die breite Brust einer Wache die Sicht. Jasper schaute auf, direkt in das strenge Gesicht eines Gardisten. ,,Sie dürfen die Schachtel nun öffnen!", sagte er, sein Tonfall war freundlich aber bestimmt. Jasper zog den Deckel des Schächtelchens nach oben und holte eine kleine Kapsel heraus, in der sich orangefarbenes Pulver befand. Der Gardist kam einen weiteren Schritt auf ihn zu, auf seinem Arm leuchtete die rote Triskele. ,,Die Pille wird Ihnen helfen, sich zu entspannen. Bitte nehmen Sie sie jetzt ein und füllen Sie danach den Bogen aus."

Jasper fielen Leos Worte wieder ein: ,,Nimm nichts von dem an, was sie dir anbieten. Geh vom Schlimmsten aus und vertraue niemandem außer dir selbst!" Anschließend hatte sie ihm noch "Viel Glück!" gewünscht. So als hätte er es nötig. So als wäre er zu blöd, um sich ohne Glück durchzuschlagen. ,,Natürlich!", antwortete Jasper dem stämmigen Mann mit einem breiten Grinsen und legte sich die Kapsel auf die Zunge. Er schluckte. Der Wachmann schien zufrieden. ,,Sie werden bald aufgerufen. Im Grunde ist es dasselbe Prinzip wie in einer Arztpraxis auf der Erde. Wenden Sie sich bei Fragen an mich und verlassen Sie unter keinen Umständen Ihren Platz." Jasper beobachtete ihn, wie er zurück an seinen Posten zwischen den Türen Fünf und Sieben auf der anderen Seite des Ganges ging.

Als Jasper sich sicher war, dass niemand zu ihm blickte, spuckte er die Kapsel, die er unter seiner Zunge versteckt hatte, in seine Hand.
,Jasper Neumann, meine Damen und Herren - Meisterdetektiv und Künstler der Tarnung', dachte er selbstgefällig, wandte sich dann dem Klemmbrett zu und las die erste Frage: ,,Auf einer Skala von eins bis zehn – wie zufrieden sind Sie mit ihrer bisherigen Existenz?" Was war das denn für ein merkwürdiger Psychotest? ,,Hatten Sie zu Lebzeiten öfter Déjà-Vus? Verspüren Sie Rachegelüste oder liegen ungelöste Konflikte vor? Waren Sie Atheist?" Jasper kam sich schon vor, wie ein Teeniegirl, das versuchte mithilfe der Bravo herauszufinden, welcher Social-Media-Star in ihm steckte. Er blätterte bis zur letzten Seite vor. ,,Einverständniserklärung'' stand ganz oben und das machte Jasper nicht gerade Lust weiterzulesen. Er überflog die absichtlich komplex gewählten Satzstrukturen. Mit seiner Unterschrift gab man anscheinend all seine Rechte an den ,,ORDEN – Obersten Rat Domines et Nuntius" ab. Darüber stand noch etwas von wegen ,,Ich erteile der gräulich-weißen Garde die Genehmigung mich zu fusionieren, falls die Notwendigkeit auftritt." Jasper runzelte die Stirn. Kein Plan, was das hieß. Im Schnelldurchlauf kreuzte er wahllos Kästchen an und setzte seine Unterschrift unter die Einverständniserklärung. Konnte schon nicht schlimmer sein als der Tod.

Es dauerte gut zehn Minuten, bis er aufgerufen wurde. Zehn Minuten, in denen seine Gedanken schon wieder zu einer grünäugigen Halbfranzösin wanderten; er konnte rein gar nichts dagegen tun. Ihr gebräuntes Gesicht erschien wie von selbst vor seinem inneren Auge und sein Puls beschleunigte sich. Warum hatte er diese eingebildete Bonzin überhaupt retten wollen? Die Antwort darauf kannte er leider nur zu gut, doch er wollte nicht schon wieder an seine Mutter denken. Der Schrecken seiner Reflexion wirkte noch zu stark nach. Wo Leontien wohl gerade war? Hatte Conan der Barbar sie mit in seine Steinzeithöhle geschleppt? Vielleicht wollte er sie ja als Sex-Sklavin halten, jedenfalls wirkte dieser Hüne nicht gerade wie ein Gentleman der gehobenen Klasse ... Ein Schauder durchlief ihn. Dann dachte er daran, wie der merkwürdige Cosplayer mit der Maske aufgekreuzt war. Sein eiskalter Blick hatte ihn aufgespießt wie einen toten Schmetterling und es war fast so gewesen, als hätte er gespürt, dass Leos Entführung Jasper näher ging, als den anderen Neutoten. Und was waren das für kranke Menschen gewesen, die plötzlich überall herumtorkelten und herumknutschten? Am Ende hatte Mister Mysterious ein Massaker angerichtet.

Und all das nur wegen Leontien! Konnte ihm doch egal sein, was mit ihr geschah: Sie war hochnäsig, selbstverliebt und konnte ihn nicht ausstehen. Es war Jasper ohnehin ein Rätsel, warum er in ihrer Nähe immer so nervös wurde. Warum fühlte er sich so unterlegen und verletzlich, wenn sie neben ihm stand? Er erinnerte sich an das elektrisierende Gefühl, das ihn durchflutet hatte, als sie ihn mit ihrer kleinen Hand gegen eine Säule gepresst hatte, um sich und ihn vor den Blicken der Gardisten zu verstecken. Oder die Art, wie ihre Augen Funken sprühten, wenn sie wütend war. Ihr analytischer Blick machte ihm Angst, aber zu behaupten, dass es ihn nicht gleichzeitig auch auf eine kranke Art scharf machte, sie so aufgebracht zu sehen, wäre gelogen. Bei dieser Erkenntnis verzog sich sein Mund. Der einzige Grund sie wiedersehen zu wollen, sollte der sein, dass sie ihn hier rausbringen musste. Schließlich saß er wegen ihr hier fest. ,Und was ist, wenn es keinen Weg hier raus gibt?', flüsterte Jaspers innere Stimme, aber er war ein Profi darin, sie zu überhören.

,,Jasper Neumann!"

Sein Name ließ ihn aufhorchen und verscheuchte alle erbärmlichen Gedanken. Doctor Brown aus ,,Zurück in die Zunkunft" stand in der Türöffnung und schaute sich nach seinem nächsten Patienten um.
,,Anwesend!", sagte Jasper und hob die Hand. Er zwang sich ein Lächeln aufs Gesicht. Die Augen des Mannes blitzten erfreut hinter den blauen Gläsern seiner Halbmondbrille auf. ,,Na dann komm mal herein in die gute Stube, Jasper! Ich bin dein Einstiegshelfer, aber du kannst mich auch Karteus nennen." Er schüttelte Jaspers Hand, nahm ihm das Klemmbrett ab und zog ihn gleichzeitig in den Raum. Die Tür schloss sich hinter ihnen.

Kaum waren sie allein, veränderte sich Karteus Tonfall. ,,So, Schluss mit dem Kasperletheater", sagte er und musterte Jasper von oben bis unten. ,,Ich liebe es, wie willenlos euch diese kleine Kapsel macht. Wie gefügig und devot. Was immer ich dir jetzt befehle ... Du würdest es ohne zu Zögern tun und mir auch noch dafür danken!" Er kam Jasper so nah, dass dieser seinen stinkenden Atem riechen konnte. Die Augen hinter den getönten Brillengläsern blitzten immer noch, doch jetzt wirkten sie alles andere als freundlich. Eine unheimliche Vorfreude lag in ihnen.

Jasper beschlich das Gefühl, dass es besser war, mitzuspielen. Er kontrollierte seinen Atem und versuchte kein Anzeichen von Angst oder Abscheu zu zeigen. Karteus schnippste gegen seine Wange. ,,Gefällt dir das?", fragte er. Jasper spürte, wie seine rechte Augenbraue anfing zu zucken. ,,Ich bin mir sicher, du würdest jetzt gerne in einem bequemen Stuhl sitzen, hab ich Recht? Wie schön, dass ich hier direkt einen habe! Mach es dir gemütlich, Jasper!"

Er wies mit einer ausladenden Geste auf einen Behandlungsstuhl, wie er üblicherweise in Zahnarztpraxen stand. Jasper zwang sich, darauf zuzugehen, auch wenn sich alles in ihm dagegen sträubte. Wenn die Horrorfilm-Marathons mit seinen Kumpels ihn eines gelehrt hatten, dann, dass auf einen Zahnarztstuhl immer ein kranker Eingriff folgte. Das weiße Leder war von seinem Vorgänger noch warm und schwitzig, eine helle OP-Leuchte schien direkt in sein Gesicht. Das gleißende Licht ließ ihn die Augen zusammenkneifen. Als er sie wieder öffnete, sah er, dass Karteus mit dem Rücken zu ihm stand und sich lila Einweghandschuhe überstreifte. Dann tippte er einen Code auf seinem Adium ein und ein knirschendes Geräusch ertönte. Die schmucklose schwarze Wand fuhr nach oben und dahinter kamen mehrere Einmachgläser zum Vorschein. In ihnen war etwas eingelegt, das aussah wie ein leuchtender blauer Faden. Karteus griff nach einem leeren Glas und stellte es auf einen metallischen Rollwagen, auf dem sich allerhand medizinische Instrumente befanden. Er schob den Wagen neben Jasper, dessen Kopf mit einem Mal leerer war als sein Bankkonto. Alles, was er zustande brachte, war, wie paralisiert auf die Pinzetten, Scheren, Zangen und Skalpelle zu starren. Das hier war eindeutig eine Folterkammer.

,,Sooo", sagte Karteus und griff nach einer langen Metallzange. ,,Das wird jetzt ein klein wenig wehtun ... Ist aber nichts gegen den seelischen Schmerz, den du durchleben müsstest, wenn ich ihn dir nicht entferne, glaub mir Jasper! Also sei ein guter Junge und sperr den Schnabel auf, damit der liebe Onkel Doktor auch drankommt! Mach: Ahhhh." Er lächelte aufmunternd und ließ die Zange ein paar Mal klacken.

,Niemals lasse ich mir dieses Gerät in den Hals schieben! Auf keinen! Eher sterbe ich!', dachte Jasper, bis er merkte, dass er schon gestorben war. Er musste Zeit schinden, vielleicht fiel ihm dann ja doch noch ein genialer Plan ein. Er räupsterte sich und fragte mit aufgesetzter Höflichkeit: ,,Was genau gedenken Sie zu entfernen?" Karteus blinzelte verdutzt und seine Stirn legte sich in Falten. ,,Deinen Lebenswillen natürlich. Damit du nicht die Biege machst und auf die Erde zurück willst. Stell dir mal vor, was das für ein Chaos wäre, wenn jeder plötzlich zurück wollte!" ,,Verzeihen Sie mir meine Neugier, aber welche Rolle spielt diese ... ähmm ... Zange dabei?" Jasper begann unter der hellen Leuchte zu schwitzen, seine Locken klebten ihm an der Stirn und ein Schweißtropfen rann seinen Nacken herab. ,,Damit ziehe ich ihn dir raus. Er sitzt nämlich genau hier ..." Karteus berührte Jaspers Kehle mit dem Zeigefinger. Das kalte Elastan des Handschuhs ließ Jasper erschaudern und sein gekünsteltes Lächeln erstarb. ,Fuck!'

Aber Karteus war noch nicht fertig. Er tippte sich an das Gestell seiner Brille und sagte: ,,Diese stylischen Gläser helfen mir dabei, deinen Lebenswillen durch dein Miasma - den Nachschein deines menschlichen Körpers - hindurch zu sehen. Dann kommt er in dieses Glas, und das schicke ich per Rohrpost an die NL-Abteilung." Er musterte Jasper eingehend. ,,Warum willst du das eigentlich wissen, Jasper? Hat die Wirkung der Kapsel etwa schon nachgelassen?" Jaspers Herzschlag beschleunigte sich. Karteus schien es zu bemerken. Die kindliche Freude kehrte auf sein Gesicht zurück und er rang die Hände. ,,Das ist ja sogar noch besser! Ich liebe es, wenn ihr euch windet und wehrt, bis nach und nach das Feuer aus euren Augen weicht. Heute muss mein Glückstag sein!" Er hob die Zange und beugte sich über Jasper.

Das war der Moment. Jetzt oder nie! Scheiß auf nen Plan, er musste so schnell wie möglich hier raus, das sagte ihm sein Gefühl. Jasper zog die Beine an und versetzte Karteus mit beiden Füßen einen kräftigen Tritt gegen die Beckenknochen. Der flog nach hinten und krachte gegen das Regal. Bei dem Versuch, Halt zu finden, fegte Karteus mit dem Arm mehrere Einmachgläser aus den Regalreihen, die auf dem Boden zerschellten. Mit einem Satz war Jasper aus dem Stuhl und bei ihm. Es tat gut, endlich die ganze angestaute Anspannung herauszulassen. Ein Grübchen bildete sich in Jaspers Mundwinkel. Doch er hatte keine Zeit, das Gefühl auszukosten, denn schon im nächsten Augenblick stürzte sich der Einstiegshelfer auf ihn, die Zange immer noch in der Hand.

Jetzt, im Kampf, war Jaspers Kopf alles andere als leer. Verschiedene Wurf- und Abwehrtechniken erschienen blitzartig vor seinem inneren Auge. Sollte er den Kragen des Apothekerkittels ergreifen, den rechten Fuß gegen Karteus' Hüfte stemmen und sich rückwärts fallen lassen? Dann würde Karteus über seinen Kopf nach hinten geschleudert, ein sauberer ,,sacrifice throw". Aber hinter Jasper befand sich der Behandlungsstuhl und außerdem musste er Doktor Brown diese Zange abnehmen. Jasper entschied sich, ohne viel zu überlegen, für einen ,,Juji-Gatame". Blitzschnell griff er nach den ausgestreckten Armen des grauhaarigen Mannes und platzierte seinen rechten Fuß auf dessen Hüfte. Dann ließ er sich mit ganzem Gewicht nach links kippen. Durch die Hebelwirkung verlor Karteus das Gleichgewicht und wurde mitgerissen. Noch im Sturz hob Jasper sein rechtes Bein und legte es um den Hals seines Gegners. Sie knallten auf den von Scherben bedeckten Boden.  Jaspers Beine fixierten Karteus: Die Kniekehle seines rechten Beins drückte auf Karteus Hals, das andere schlang sich über dessen Körper. Nun packte Jasper Karteus' Arm mit beiden Händen und überdehnte ihn. Der Griff des Einstiegshelfers lockerte sich, er schrie auf und Jasper entriss ihm die Zange. Doch kaum hatte Karteus' Schock nachgelassen, ging er zum Angriff über - und er war unerwartet stark. Mit dem freien Arm tastete er nach einer Scherbe und rammte sie Jasper in die Schulter. Ein ungeheurer Schmerz durchzuckte seinen Arm und er ließ Karteus los. Kaum hatte der seine Arme befreit, drehte er sich zur Seite und drückte von unten gegen Jaspers Oberschenkel, um seinen Hals aus der Beinfessel zu befreien.

Jasper kugelte nach hinten gegen den Rollwagen, der scheppernd umfiel. Es war ein Glück, dass die Wände des Raums schalldicht waren. Jaspers Augen tränten vor Schmerz, doch er schaffte es, sich am Behandlungsstuhl auf die Knie zu ziehen. Als er sich umdrehte, blickte er direkt in die Augen des Einstiegshelfers, die Halbmondbrille war im Kampf verloren gegangen. Sie rangen miteinander, hielten sich an den Armen fest und keuchten. Jaspers Wunde pochte und er merkte, wie Karteus die Oberhand gewann. In dieser Sekunde riss Karteus ihn am Arm herum, so dass Jasper unter ihm lag. Karteus' Knie drückten auf Jaspers Oberarme, welcher schmerzerfüllt aufstöhnte. Die Augen des Einstiegshelfers glänzten verzückt. ,,Was für ein süßer Ton." Jasper begann, sich unter ihm zu winden. ,,Oh ja, wehr dich! Je mehr du dich wehrst, desto mehr Schmerzen wirst du haben!" Sein fauliger Atem schlug in Jaspers Gesicht. Unglücklicherweise war die Zange direkt neben Jaspers Kopf gerutscht. Karteus griff nach ihr und drückte mit der linken Hand Jaspers Stirn nach hinten. ,,Mund auf!"

Jaspers Blick brannte vor Wut, sein Atem ging stoßweise. ,,Hörst du dir manchmal selbst beim Reden zu, Perversling?", presste er hervor. Dann stemmte er seine Füße auf den Boden und hob ruckartig das Becken, um das Gleichgewicht seines Gegners zu brechen. Es funktionierte. Karteus kippte nach vorn und musste sich neben Jaspers Kopf abstützen. In diesem Moment konnte Jasper seine Arme befreien. Jetzt musste er nur noch irgendwie in die Mount Position kommen. Mit aller Kraft presste Jasper Karteus zur Seite und rollte sich auf ihn. Schweißtropfen fielen von seiner Stirn auf den weißen Kittel und seine braunen Augen waren zu Schlitzen verengt, als er auf seinen Gegner herabblickte. ,So, du Wichser!', dachte er, ,Freust du dich immer noch über meine Gegenwehr?' Was jetzt kam, war für einen geübten Judokämpfer wie ihn Routine: Mit überkreuzten Armen griff er weit hinten in den Kragen des Kittels und zog ihn dann um Karteus' Hals zu. Ein Juji-Jime, auch Kreuzwürger genannt. In zehn Sekunden würde Karteus ohnmächtig werden, weil ihm der Stoff die Blutzufuhr der Halsarterie abschnürte. ,,Ist das immer noch dein Glückstag?", fragte Jasper.

Karteus Gesicht lief dunkelrot an, doch es gelang ihm zu lächeln. ,,Du kannst mich nicht töten! Wir sind ... im Jenseits. Und ...", er schnappte geräuschvoll nach Luft, ,, ... ich ... werde meine ... Rache ... bekommen ... Jasper ..." Sein Kopf kippte zur Seite.

Wenige Sekunden später lockerte Jasper den Griff. Er wollte Karteus nicht umbringen, obwohl das Adrenalin noch durch seinen Körper jagte und dieser Sadist es sicherlich verdient hätte. Schnaufend stand Jasper auf und lehnte sich an den Behandlungstuhl. Als er auf seine Schulter schaute, um die Wunde zu begutachten, war sie verschwunden. Allein die silbrig-rosafarbenen Blutkleckse zwischen den Scherben und den am Boden verstreuten Utensilien zeugten von der Verletzung. Jasper wischte sich den Schweiß aus der Stirn und ein einziger Gedanke erfasste ihn:
Er musste hier weg!

I

ch bin nicht zu 100% zufrieden mit diesem Kapitel. Falls euch etwas auffällt, was man verbessern könnte, sagt mir doch bitte Bescheid😊🙈


Wie immer würde ich mich trotzdem über Votes oder aufmunternde Worte freuen!❤

▪️2957 Wörter

Eure Jojo🔮

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