Ghost Town
Falscher Nebel kroch durch den stickigen Raum und hüllte die wild tanzende Menge in eine gespenstische Atmosphäre. Die laute Musik hallte von den Wänden und lies die Luft um mir vibrieren.
Vor mir auf der Theke erzitterte das Glas ‚Blue Raven'; ein Mix aus Vodka, Sprite, Blue Curacao Sirup, Kokossirup und gecrashtem Eis. Ein Rezept das ich und meine beste Freundin und Geschäftspartnerin Clarence Fraser, von allen nur Clary genannt, bei einem unserer legendären Mädels Abenden erfanden. Bei dem Gedanken an diesen Abend musste ich lächeln.
Heute Morgen war die E-Mail gekommen: Nach drei Jahren bestehen war unser Club nun schon das zweite Jahr in Folge das Best Besuchte Nachtlokal der Stadt. Wir hatten unsere Konkurrenz mühelos mit unserem Konzept ausgestochen. Ein Konzept, das zuerst auf wenig Zuspruch stieß doch sich schließlich als Erfolg herausstellte. Dabei war es nicht einfach gewesen jemanden davon zu überzeugen zwei zwanzigjährigen Mädchen diese Räume zu überlassen, doch am Ende haben wir es doch geschafft. Ghost Town war der am besten besuchte Club in der Stadt. Das sah man heute wieder: Es war gerammelt voll. Und das auf alle beiden Ebenen.
Meine Augen fanden meine Geschäftspartnerin am anderen Ende der Theke, die gerade hochkonzentriert eine Flüssigkeit in den Handmixer schüttete die ich als Vodka identifizierte. Ihre langen hellbraunen Haare fielen ihre wie ein Fächer über die rechte Schulter. Ihre Hände waren flink und ruhig beim Mixen und wechselten gekonnt von einer Flasche zur anderen. Nun schüttete sie Kaffeelikör in den Mixer, verschloss ihn und schüttelte den Behälter.
Mein Herz begann wie wild zu klopfen als Clary den Mix in ein Glas füllte und Sprühsahne darauf sprühte. Hitze stieg in mir hoch. Ein White Russian. Diesen Cocktail kannte ich in und auswendig und es gab nur wenige die ihn tranken. Zufällig kannte ich jemanden.
Eine Hand griff nach dem Glas. Eine männliche Hand die ich genauso gut kannte wie den Cocktail nach dem sie Griff. Jede Narbe und jede Schwiele kannte ich. Zu oft hatte sie mir schon geholfen. Die Hand schloss sich um das Kristallglas. Die dunkelbraune Flüssigkeit mit der weißen Sahnehaube tanzte im Licht der Scheinwerfer als es angehoben wurde.
Ich spürte wie sich mein Körper von selbst in Bewegung setzte. Stolpernd kämpfte ich mich durch die Menge zum anderen Ende der Theke. Meine Hände begannen zu zittern je näher ich meinem Ziel kam.
Schließlich lichtete sich die Menge und vor mir saß er: Jamie Clifford. Er saß mit seinem breiten Rücken zu mir; zusammengesunken lehnte er an der Theke und schaute nachdenklich in das Glas White Russian, dass er schon fast ausgetrunken hatte. Sein hellblonder kurzer Haarschopf leuchtete wie pures Gold im Licht der Scheinwerfer.
Nervös blieb ich stehen. Er hatte mich noch nicht bemerkt. Clary's Augen hinter der Theke trafen auf meine. Sie nickte aufmunternd und wandte sich dann an einen anderen Gast um dessen Bestellung aufzunehmen. Seufzend setzte ich mich auf den Barhocker neben ihm. Überrascht hob er den Kopf. Auf seinem Gesicht erkannte ich kurz das aufflackern von Freude doch schnell schaute er wieder auf sein fast leeres Glas. Ich lehnte mich zu ihm wobei mir der frische Geruch von Zitrone und der herbe Geruch von Alkohol und Kaffee in die Nase stieg. Ein Geruch, der mir wahnsinnig gefehlt hatte und der mir so vertraut war wie der meine.
„Hey Jamie" hauchte ich ihm ins Ohr. Zufrieden sah ich wie ein Lächeln auf seinem Gesicht erschien und er sich leicht zu mir drehte.
„Hey Maddison" Seine Mundwinkel zuckten nervös, doch alles was ich sah waren seine Augen, die die Farbe von klarem reinem Wasser hatten. In der Dunkelheit des Clubs waren sie zwei reine Diamanten sie mir entgegen leuchteten und meine Knie zum Zittern brachten. Ich griff auffordernd nach seiner Hand. „Komm, ich muss mit dir sprechen"
Widerwilligt folgte mir Jamie die Treppe hoch in die obere Ebene des Clubs. Seine starke Hand in meiner führte mich zurück in die Vergangenheit. Seit meinem fünfzehnten Lebensjahr war er mein Vertrauter, mein Lehrer, der mich in den Wächterdienst einführte und mich leiten sollte. Doch heute leitete ich ihn. Ich führte ihn durch den vollen Pub, bis zum Durchgang in den VIP Bereich wo nur ausgewählte Gäste durften und wo heute glücklicherweise niemand war. Wir wären ungestört.
„Gehen wir auf die Terrasse. Ich brauch dringend frische Luft" sagte ich zu ihm und steuerte die Glastür an. Als ich sie öffnete strömte mir frische Luft, entgegen die ich gierig in mich zog. Der Geruch von Zitrone holte mich wieder in die Gegenwart zurück und ich ging vor bis zum Dachgeländer.
„Ich weiß warum du hier bist, doch ich werde nicht mit dir nachhause fahren" stellte ich klar. „Ich habe ihr nix zu sagen" murmelte ich.
Jamie trat seufzend neben mich. Seine Augen strahlten mit den Sternen am Himmel um die Wette. Sein Gesicht war eine neutrale Maske. Nichts von den sanft geschwungenen Lippen bis zu seinen strahlend blauen Augen, die von langen feinen blonden Wimpern umgeben waren, sagte mir was dieser Mann fühlte oder dachte.
„Es ist zum Verzweifeln" murmelte ich kaum hörbar.
Sein Mundwinkel hob sich. „Ich könnte das selbe von dir sagen" hörte ich seine sanfte Stimme. Wieder seufzte er und richtete seine Augen auf mich. „Kannst du dich noch an die Nacht erinnern als ich dich hierhergebracht habe?"
Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. „An den Anfang ja, danach ist nur noch Nebel" Ich blickte in den sternenklaren Himmel und lies meine Gedanken zurückwandern.
„Damals war es genauso: Die Sterne standen hoch am Himmel" begann Jamie zu erzählen. „Doch ich glaube nicht das du dich daran erinnerst."
Ich schüttelte den Kopf. „Der Himmel war mir an diesem Abend nicht sonderlich wichtig gewesen"
„Als du mich angerufen hast, mit tränenerstickter Stimme, war ich vom schlimmsten ausgegangen" gab er zu.
„Sie hat gesagt, ich wäre den Namen Grant nicht würdig. Geht es noch schlimmer?" knurrte ich und sah ihm von der Seite an. Zehn Jahre trennten uns und doch konnte ich mit niemanden so gut reden wie mit Jamie. Er war nach Clarence der einzige der mich verstand. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und er lies es ohne Worte geschehen.
„Danke" murmelte ich.
„Für was?" wollte er wissen.
„Das du immer da bist" stellte ich schläfrig fest.
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