Kapitel 54
„Wann sollen wir dich abholen?" Während ich mit Ahmet telefonierte, stand ich im Badezimmer vorm Spiegel und wellte meine Haare. Ich war zwar multitasking fähig, aber zu telefonieren, während man sich die Haare macht und auf seine frisch lackierten Fingernägel achtet, war mehr als kompliziert.
„Wann wollt ihr denn los und wo müssen wir überhaupt hin?" Ich legte schnaufend das Glätteisen neben das Waschbecken als ich endlich fertig war. „In 20 Minuten wollten wir los fahren. Die Verbindung ist etwa eine Viertelstunde von deinem Haus entfernt. Der Campus ist ja nicht so weit von dir weg." Ich nickte und schminkte meine Wimpern.
„Alles klar. Ich mache mich gerade fertig und stehe in 15 Minuten vor der Haustür." Gestresst sammelte ich meine Sachen wieder zusammen und steckte sie in mein Make-up Täschchen. Ich war eindeutig außer Übung was schnelles schminken betraf. Wenn ich mich mal selber schminkte, dann nur zu besonderen Anlässen wie heute Abend. Ich war schon seit einer Ewigkeit nicht mehr feiern.
„Alles klar. Bis nachher und komm nicht wieder zu spät! Wir wissen, dass du nie pünktlich bist." Ich summte und legte schnell auf um in meinem Zimmer Ordnung zu machen. Ich hatte meinen ganzen Kleiderschrank ausgeräumt um ein passendes Outfit für den Abend zu finden. Schließlich hatte ich mich aber für eine schwarze Lederleggins, ein langes graues Top und meine eine schwarze Wildleder Jacke entschieden. Normalerweise war ich nicht so der Typ für Leder, aber da die Sachen wieder in Mode waren, dachte ich mir dass ich mal mitlaufe.
Mum und Dad hatten mir zum Glück nach vielem diskutieren endlich erlaubt zur Party zu gehen, nachdem ich extra noch die Mittagsschicht übernommen hatte. Wenn ich ehrlich war, ging mir das Restaurant langsam ziemlich auf die Nerven. Ich war andauernd eingespannt und hatte kaum Freiraum um irgendwas zu planen. Immer musste ich irgendwelche extra Schichten schieben, damit meine Eltern mir etwas erlaubten.
Ally hingegen durfte tun und lassen was sie wollte. Sie hatte als Entschuldigung, dass sie mal im Koma lag und sich erstmal an den Alltag gewöhnen musste. Lange würde diese Ausrede wohl nicht mehr hinhalten, da sie schon seit 8 Monaten wieder wach war. Bald, wenn sie ihren Abschluss hatte, müsste sie wohl wieder mehr im Restaurant helfen. Mehr als nur manchmal Teller zu spülen oder die Speisekarte auszudrucken.
Seufzend sammelte ich meine Klamotten wieder zusammen und legte sie über meinen Schreibtischstuhl. Jetzt hatte ich keine Zeit mehr, um die Sachen alle wieder ordentlich in meinen Schrank zu räumen.
Schnell schnappte ich mir meine kleine Umhängetasche in der mein Handy, mein Ausweis sowie meine Schlüssel waren und lief herunter ins Wohnzimmer. Mum hatte mir extra noch zwei Stücken Pizza hingestellt, damit ich keinen Alkohol auf leeren Magen trank. Das vertrug ich nämlich überhaupt nicht, wie sie von einer Silvesterparty von vor zwei Jahren wusste. Die Geschichten, die mir danach erzählt wurden, waren mehr als peinlich gewesen. Zum Glück konnte ich mich nur noch an das Feuerwerk und das Essen an dem Abend erinnern.
Als ich auf die Uhr neben der Abzugshaube schaute, bekam ich einen Schreck. Ich war mal wieder viel zu spät dran. Ich schluckte eilig den letzten Bissen der kalten Pizza herunter und schlitterte zum Schuhregal im Eingangsbereich. So schnell wie noch nie stieg ich in die weißen Vans, die ich beim Videodreh zu If I can't have you geschenkt bekommen hatte und schaute das letzte mal in den Spiegel bevor ich das Haus verließ.
„Das zum Thema, dass du immer zu spät kommst." An der Straße stand ein schwarzer Van, dessen Fahrerfenster unten war. Ahmets schwarzer Haarschopf guckte lachend heraus und musterte mich von Kopf bis Fuß, wie ich die Treppen der Veranda herunter sprang und die Einfahrt entlang lief. „Sorry. Ich hab's nicht früher geschafft." Ich machte schnell die Tür auf und ließ mich auf die Rückbank neben Anna und Luca fallen. Leon saß vorne neben Ahmet.
„Sorry aber wer ist dieses Model neben mir?!" Fragte Anna in die Runde und schaute mich ungläubig an. „Hör auf, Anna." lachte ich und dankte dem Make-up, dass es meine Röte versteckte.
Während der Fahrt merkte ich schnell das alle schon getrunken hatten, außer mir und natürlich Ahmet der fuhr. Ich beugte mich etwas zu ihm vor, um trotz der Lautstärke im Auto mit ihm zu reden. „Ich hab's Dir wahrscheinlich schon tausend mal gesagt aber du siehst immer noch aus wie eine Mischung aus Aladdin und Zayn Malik. Hm, eher Zayn Malik." Er verdrehte lachend die Augen. „Ich dachte du wärst über One Direction hinweg?" Ich lachte und nickte. „Ja, aber trotzdem siehst du so aus wie Zayn." Er schüttelte schmunzelnd mit dem Kopf und bog in den St George Campus der University of Toronto ein.
Trotz der Dämmerung konnte ich schon von weitem sehen, wo wir hin mussten. Massenweise Studenten liefen auf ein Haus zu, aus dem laute Musik dröhnte. Ahmet parkte den Leihwagen etwas entfernt von der Party am Straßenrand und ließ uns raus. „Endlich aus dem Auto raus." Murmelte Leon erleichtert und ich bemerkte sofort, dass er schon ein paar Klopfer zu viel hatte. Wie immer.
„Los geht's Leute!" Luca legte seinen Arm um meine und Ahmets Schulter und lief mit uns und den anderen zu dem Verbindungshaus. Schon bei der Wiese ging das Gedränge los. Egal wo man hinsah, überall waren rote Becher mit den dazugehörigen besoffenen Personen.
Sobald wir das Haus betraten, schwärmten alle aus. Nur Luca blieb bei mir, worüber ich sehr froh war. „Weißt du was mir gerade auffällt?" schrie ich in sein Ohr um die laute Musik zu übertönen. Er drehte sich schulterzuckend zu mir und hielt sein Ohr vor meinem Mund.
„Das letzte mal war ich mit Ally auf einer Party vor ihrer Diagnose. Das ist über zwei Jahre her." Er zog überrascht seine Augenbrauen hoch und klopfte mir auf die Schulter. „Dann wird's Zeit, dass du mal wieder ein bisschen Spaß hast." Ich lächelte verunsichert und schaute durch die tanzende Menge.
„Em, komm mit, wir suchen die Bar. Ich brauche auch Alkohol sonst wird der Abend langweiliger als eine Vorlesung bei dem schlimmsten Professor an unserer Uni." Ich lachte und hakte mich bei ihm ein, um nicht zwischen den Leuten verloren zu gehen.
Während er sich den Weg frei kämpfte und die Küche suchte, spürte ich wie mein Handy in meiner Tasche vibrierte, weshalb ich es rausholte. Shawn müsste jetzt mittlerweile auf der Bühne stehen. Sonst schrieb mir eher selten wer um diese Uhrzeit, da alle arbeiten waren.
Unbekannt um 20:54 Uhr
Viel Spaß heute Abend, Em :)
XXX
Ich musterte verwirrt den Bildschirm meines Handys und las die Nachricht noch drei mal durch. XXX hatte mir mal ausnahmsweise eine nette Nachricht geschickt? Ich konnte das kaum glauben.
„Hier." Ein roter Becher, der plötzlich in meinem Sichtfeld auftauchte, zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich packte schnell mein Handy wieder zurück und nahm Luca den Becher ab. „Was ist da drin?" Erkundigte ich mich und schaute die rote Flüssigkeit genauer an. „Bowle. Sie muss gut sein, da die Schüssel schon halb leer ist." Ich zuckte mit den Schultern und stieß meinen Becher gegen seinen.
„Auf einen geilen Abend!" Rief er und exte die gar nicht schlecht schmeckende Bowle runter. Ich dagegen nahm erstmal nur einen kleinen Schluck. Alkohol war schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr in meinem Blutkreislauf gewesen und wenn dann nur von einem Glas Wein oder einem Bier. Ich wollte nicht schon in der Mitte des Abends über der Kloschüssel hängen, weswegen ich es erstmal langsam anging.
Er füllte sich nochmal nach und zog mich dann zur Tanzfläche. Während wir uns zur Musik bewegten beugte er seinen Kopf plötzlich zu meinem Ohr um mir etwas zu sagen. „Weiß Shawn eigentlich, dass du hier bist?" Ich schüttelte mit dem Kopf und lächelte ihn an.
Ich war gestern Abend eingeschlafen bevor ich es ihm sagen konnte und heute hatte ich es schlicht und ergreifend vergessen, was meiner Meinung nach aber nicht schlimm war. Er war auch schon ein oder zwei mal mit seinen Freunden in Clubs gewesen um Party zu machen ohne es mir zu erzählen. Er würde niemals sauer sein, wenn ich ihm morgen in Newark erzählte. Die einzige Sorge die ich hatte war, dass ich einen zu großen Kater morgen haben würde, aber deswegen hatte ich mir vorgenommen mich möglichst nicht ganz so mit Alkohol abzuschießen.
Luca nickte und bewegte sich wieder zur Musik. Ich genoss es zu tanzen und den Bass in meiner Brust zu spüren. Um mich herum waren so weit man gucken konnte, Menschen die Spaß hatten was sich sofort auf mich übertrug. Nach zwei weiteren Bechern der Bowle spürte ich jedoch Druck in meiner Blase.
„Ich bin mal kurz für kleine Mädchen. Bin gleich wieder da okay?" Schrie ich Luca ins Ohr, der nickte und weiter mit einem Mädchen knutschte. Mit meinem Becher, den ich hochhielt damit ich nichts verschüttete, quetschte ich mich durch die Menge im Wohnzimmer, in den Flur. Dort war deutlich weniger los, aber immer noch so viel, dass man als kleine Person keinen Überblick mehr hatte. Ich mit meinem nicht vorhandenen Orientierungssinn sowieso nicht.
„Entschuldigung, darf ich mal."
„Sorry."
„Ich muss hier mal durch."
Als ich bei einer Treppe ankam atmete ich erleichtert aus. Oben würde bestimmt weniger los sein und eine Toilette gab es dort mit hoher Wahrscheinlichkeit auch. Ich lief im Slalom um die knutschenden Studenten herum und bahnte mir meinen Weg nach oben.
Ich hatte recht gehabt mit meinen Vermutungen. Hier trieben sich deutlich weniger Menschen rum als unten und an einer der mehren Türen entdeckte ich eine pinkelnde Männliche Pappfigur. Also war das hier eine Burschenverbindung, super. Nicht.
Zu meinem Glück ging die Tür auf und im Inneren war keiner der sich lautstark über mein hereinplatzen beschwerte. Ich schloss schnell die Tür hinter mir ab und lief durch das unordentliche Badezimmer zur Toilette. Als ich fertig war wusch ich mir meine, vom verschütteten Alkohol verklebten, Hände und nahm wieder meinen Becher, den ich neben dem Waschbecken abgestellt hatte. Unwillkürlich musste ich an Shawn denken. Es wäre viel schöner wenn er hier wäre. Obwohl ich Luca, Anna, Leon und Ahmet dabei hatte, fühlte ich mich irgendwie alleine.
Als ich die Badezimmertür wieder aufschloss wurde die Tür sofort geöffnet und ein knutschendes Pärchen stolperte hinein. Schnell verließ ich das Bad und schloss hinter mir die Tür. Im Badezimmer? Echt jetzt? Da gab es aber bequemere Orte um Spaß zu haben.
Ich kicherte leise und wollte wieder zurück zur Treppe gehen, als sich plötzlich ein großer Typ vor mich stellte. Ich zuckte erschrocken zusammen und schaute hoch in seine blauen Augen.
Als ich mich von der Wand wegdrehen wollte, platzierte er beide Hände neben meinem Kopf an der Wand. Sein Atem roch stark nach Alkohol, weswegen ich angeekelt die Nase rümpfte. „Ich will gehen." Mit gerunzelter Stirn musterte ich sein mit Sommersprossen beflecktes breites Gesicht. Dieser Typ war mehr als muskulös. Sogar mehr als Shawn.
„Wieso willst du denn gehen meine Süße?" Lallte er betrunken und zwirbelte eine meiner gelockten Haaresträhnen um seinen Finger. Wieso drängten mich immer wieder irgendwelche ekligen Typen an irgendwelche Wände?!
„Weil! Fass mich nicht an!" fauchte ich um ihm in seinem betrunkenen Zustand mitzuteilen, das er meine Haare loslassen sollte. Er lachte kurz auf, beugte sich zu mir runter und presste dann plötzlich seine Lippen auf meine. Angeekelt drückte ich ihn weg von mir und verteilte den restlichen Inhalt meines Bechers in seinem Gesicht und auf seinen blonden Haaren. „Verpiss dich du Arsch! Ich habe einen Freund!" schrie ich ihn an und musste feststellen, wie meine Lippen nach Alkohol und Waldmeister schmeckten.
Er taumelte sofort ein paar Schritte zurück nachdem der Inhalt meines Bechers ihn getroffen hatte und beschwerte sich. „Du kleine Schlampe." Hörte ich ihn noch sagen, als ich die Treppe erreicht hatte und runter stolperte. Wenn Shawn erfuhr, das mich ein fremder Typ geküsst hatte, würde er bestimmt vor Eifersucht ausflippen.
Ich bahnte mir meinen Weg wieder zurück ins Wohnzimmer, in die Ecke zu einer Lampe, wo ich Luca das letzte mal gesehen hatte. Er hatte bisher dafür gesorgt, das mit Sicherheit das in meinem Becher landete, was er auch trank. Als ich jedoch dort ankam, war er und das Mädchen mit dem er rumgemacht hatte, weg.
Wie ein Kind was im Supermarkt seine Mutter verloren hat, schaute ich durch die Menge und suchte nach seinen dunkelblonden, fast braunen Haaren. Nirgends war er zu sehen. „Na toll." sagte ich zu mir selber und schob mich in Richtung Küche um mir wieder etwas zu trinken zu holen. Dieses mal dann eben alleine.
Ich schnappte mir die Kelle, die in der großen Schüssel der Bowle schwamm und füllte zwei Kellen in meinen roten Plastikbecher. Jetzt war ich heute Abend extra hier um mit meinen alten Freunden Spaß zu haben und nun war ich alleine auf einer Party wo ich keinen kannte.
„Cheers." Ein Mädchen mit roten langen Haaren stieß ihren Becher gegen meinen, als ich für einen kurzen Moment nicht hingeschaut hatte, da ich nochmal nach Luca gesucht hatte. Verwirrt schaute ich erst auf meinen Becher und dann zu ihr. Sie kippte den Inhalt in sich hinein und schaute dann mich erwartungsvoll an. „Bist du so eine Langweilerin und trinkst keinen Alkohol?!" fragte sie lachend und kippte einen Shot mit weißer Flüssigkeit hinter her.
Beleidigt schaute ich sie an und trank mit einem Zug den Inhalt meines Bechers leer. Ich gab mir große Mühe bei der Menge von Alkohol einen normalen Gesichtsausdruck beizubehalten. Als ich wieder zu ihr schaute, zwinkerte sie mir zu.
"Ich wusste doch, dass du nicht langweilig bist. Die Lederhose betont deinen Arsch gut." Ich lächelte verlegen und nickte nur schüchtern. „Danke... schätze ich mal?" Sie fing an zu lachen.
„Schätzchen, ich habe sofort gemerkt, dass du nicht lesbisch bist. Was dagegen es mal auszuprobieren?" Sie grinste mich zweideutig an und Ich schüttelte sofort mit dem Kopf. „Ich habe einen Freund." Stöhnend verdrehte sie ihre Augen und beugte sich zu meinem Ohr.
„Viel Glück mit ihm." Sie drehte sich um und verschwand so schnell wie sie auch vor mir aufgetaucht war. Komisches Mädchen. Was sie wohl mit ihrem letztes Satz meinte?
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Sorry das gestern nein neues Kapitel kam, aber ich war so erledigt vom Flug und insgesamt von der ganzen Anreise. Hier in Ägypten ist es wirklich unglaublich schön. Vor allem das Meer ist ein Traum!😍 Einfach nur wow! Jetzt im Urlaub werde ich mein Handy erstmal zur Seite legen und meine Nase in Bücher stecken, die ich mitgebracht habe. (Ich hoffe die reichen haha) Ich werde aber versuchen daran zu denken neue Kapitel hochzuladen :)
Hab euch lieb hihi
[Upload am 08.07.2019]
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