[2] Kapitel O3

Dienstag, 25.07.2023
„Ich kann's immer noch nicht glauben." Kopfschüttelnd nahm ich einen Schluck Wasser und schaute zu Lea, die ebenfalls mit dem Kopf schüttelte.

„Nach 4 Jahren trefft ihr so aufeinander. Das ist Filmreif." Verträumt schaute ich aus dem Fenster des Restaurants, in dem wir saßen.

„Du hättest mal sehen sollen, wie mich seine Blicke durchbohrt haben. Vor allem als mir die Blumenvase runtergefallen ist und er mir geholfen hat. Mein Herz wäre fast aus meiner Brust gesprungen." Sie nickte mit verständnisvollem Blick und legte ihre Hand auf meine.

„Das ihr zum gleichen Zeitpunkt in New York seid und euch ausgerechnet in Colleen's Café trefft ist einfach ein unglaublicher Zufall. Glaub mir, das was gestern passiert ist, das passiert Dir nicht nochmal. Wenn du ihn nicht sehen willst, dann wirst du ihn auch erstmal nicht wieder sehen. Und wenn, dann werde ich da irgendwie für sorgen. Ich merke, wie sehr dich das aus der Bahn wirft. Tom hat mir erzählt, dass du gestern beim Training überhaupt nicht bei der Sache warst." Seufzend nickte ich.

„Ich will es nicht, aber ich kann an nichts anderes mehr denken. Es ist so als ob Shawn in meinem Kopf sitzt und mir jede kleine Erinnerung an uns wieder erzählt. Ich habe mit ihm abgeschlossen und will absolut nichts mehr von ihm wissen. Also wieso hat mich das gestern so... fertig gemacht? Es ist doch klar, dass er eine neue Freundin hat. Das es Lauren ist, hätte ich allerdings niemals gedacht." Lea zog verwirrt die Augenbrauen zusammen.

„Wer ist denn Lauren?"
„Lauren kenne ich von der Zeit als Shawn und ich frisch zusammen waren. Bei der Geburtstagsfeier von seinem besten Freund war sie da und hat mich ziemlich blöd angemacht. Sie meinte, dass ich Shawn überhaupt nicht verdient hätte und das ich ihr nur im Weg wäre. Vielleicht ist das der Grund, warum ich an nichts anderes mehr denken kann. Noel hat's auch schon gemerkt, als wir gestern im Bett lagen. Ich glaube ich muss dringend auf andere Gedanken kommen." Lea nickte zustimmend und klappte ihren Mac auf.

„Dafür kann ich sorgen. Ich habe massenweise Anfragen bekommen, die wir durchgehen müssen." erleichtert raufte ich durch meine Haare. „Das hört sich mehr als gut an. Bring mich auf andere Gedanken."

***
„Los, bis da hinten zur Laterne, dann können wir eine Verschnaufpause machen!" rief mir Tom zu als ich ihm hinter her rannte. Lauftraining im Central Park fand ich schon immer gut, aber auch verdammt anstrengend.

Auf den letzten Metern überholte ich ihn und bremste lächelnd ab, als ich die Laterne erreichte.

„Das ist die Azalea, die ich kenne. Wo war die Motivation gestern Abend?" Völlig aus der Puste stützte ich meine Hände an meinen Oberschenkeln ab und schnappte nach Luft.

„Sorry, ich will nicht drüber reden." Er nickte und schüttelte seine Arme und Beine aus. „Hauptsache du bist jetzt wieder voll bei der Sache. Ich will nicht, dass du dich verletzt. Montag musst du gesund sein." Ich nickte seufzend und lief im Schritttempo mit ihm weiter.

„Ich bin so aufgeregt. Ich darf mir dort wirklich keinen Fehler erlauben." Tom wank ab. „Ach, das schaffst du mit deinem linken kleinen Finger. Wenn du was willst, dann schaffst du das auch!" Mit tiefen Atemzügen atmete ich frische Luft ein und schaute nach oben in den Himmel, der von grünen Baumkronen verdeckt wurde.

„Wann geht's für dich wieder nach Los Angeles? Nur damit ich weiß, wie ich meinen Terminplan verändern muss."

„In zwei Monaten. Aber Freitag fliege ich wieder zurück nach Toronto zu meiner Familie. Mein Dad hat Geburtstag und außerdem kann ich mich dort ganz in Ruhe auf die Modenschau vorbereiten. Es ist merkwürdig, dass sie dieses Mal nicht hier in New York stattfindet, sondern in Toronto."

Er nickte. Da Tom ebenfalls in Toronto lebte, freute es ihn mit Sicherheit das unser Training dann nicht mehr hier stattfand sondern wieder zu Hause.

Verträumt schaute ich durch die Gegend und beobachtete die Menschen, die sich hier aufhielten. Am meisten waren Familien mit Kindern hier, die auf dem Weg zum großen Spielplatz waren. Aber auch viele Leute saßen auf Bänken oder genossen den schönen Sommertag in dem sie durch den Park spazierten.

Als Tom mich auf einmal mit dem Ellenbogen anstupste, schaute ich zu ihm. „Ist das nicht dein Ex?" Er deutete auf eine Bank auf die wir zu liefen.

„Was?!" Ich folgte seinem Zeigefinger und entdeckte die Bank, die er meinte. Darauf saß tatsächlich Shawn. Mit Lauren. Lachend warf sie sich die dunkelbraunen Haare über die Schulter und lächelte Shawn mit ihrem breiten, leider auch wirklich hübschen Lächeln an.

Leider? Wieso Leider, Emilia? Kann dir doch egal sein!

„Versteck mich." Murmelte ich blitzschnell, als Shawn seinen Blick von Lauren's lächeln abwand und durch den Park schaute, und machte mich hinter ihm klein. „Was?" fragte er lachend nach.

„Versteck mich!"

Im Schnellschrift wichen wir rechts auf eine Abbigung aus. „Warum versteckst du dich vor ihm?" fragte Tom als wir uns außer Sichtweite von Shawn und seiner Begleiterin auf eine Bank setzten.

„Ich habe keine Ahnung. Ich will ihn nicht sehen und er soll mich nicht sehen. Nicht das er noch auf die Idee kommt, mit mir zu reden. Um gottes Willen nein!" Er fing an zu lachen.

„Warum sollte er mit Dir reden wollen? So wie ihr auseinander gegangen seid, besteht da bestimmt kein Redebedarf." Mit vernichtendem Blick schaute ich ihn an, woraufhin er den Mund hielt.

„Nicht alles was im Internet steht entspricht der Wahrheit. Das was damals passiert ist, wurde total verdreht und so umgeformt, dass die Story besser klingt. Obwohl keiner den Grund für unsere plötzliche Trennung wusste, haben sich Leute total lächerliche Geschichten ausgedacht. Shawn hat nie erzählt was echt passiert ist und ich auch nicht. Für die meisten war es komisch das wir uns kurz nachdem ich ihn auf dem Konzert überrascht habe, getrennt haben. Und dann sind da die Videos gewesen wo ich auf meinem Handy herumgetrampelt bin und Schimpfwörter geschrien habe. Alle dachten, dass ich Shawn damit gemeint hatte, was aber nicht stimmte." Tom stöhnte und schaute zurück in Shawn's Richtung.

„Guck da nicht so hin, sonst werden die auf uns aufmerksam!" Er drehte seinen Kopf wieder zu mir. „Warum habt ihr euch eigentlich getrennt? Es geht mich nichts an, ich weiß, aber Lorenzo hat erzählt das das alles ein ziemliches Drama war." Ich wank mit der Hand ab. „Das ist eine viel zu lange Geschichte. Dazu gibt es keine Kurzfassung." Er nickte nur und stand ruckartig auf.

„Komm wir laufen weiter. Noch eine Runde und dann reicht es für heute." einverstanden stand ich von der Bank auf und schaute nochmal in Shawn's Richtung, bevor wir los liefen.

Nein, ich wollte nichts mehr von ihm. Er gehörte der Vergangenheit an. Ich hatte mich von ihm gelöst. Da war nichts mehr, was mich mit ihm verband und das würde so bleiben. Ich könnte mich niemals wieder mit ihm gut verstehen. Dafür hatte er meinem Herzen zu tiefe Wundern zugefügt, die wieder aufreißen würden, bei Kontakt zu ihm.

Mittwoch, 26.07.2023
Eilig lief ich an den Tischen vorbei und konnte schon von weitem Leas dunkelblonde Haare erkennen.

„Es tut mir wirklich leid! Ich habe versucht pünktlich los zu fahren, aber Noel hat mich nicht gehen lassen." Lea wank lächelnd ab und schob ihren Mac zur Seite, um mich zu begrüßen.

„Kein Problem. Ich hab's nicht eilig." Erleichtert setzte ich mich gegenüber von ihr an den Tisch und zog meine Jacke aus. „Also, was gibts neues?" Fragte ich nachdem ein Kellner mir ein bereits von Lea bestelltes Glas Wasser mit Zitronenscheiben gebracht hatte.

„Ich wollte dir deinen Terminkalender für die nächsten Tage geben. Von Heute bis zur Modenschau am Montag. Ich habe dir für Freitag bereits Flugtickets gekauft. Ich muss leider schon morgen losfliegen, aber wir sehen uns spätestens Samstag wieder. Nach der Modenschau hast du dir ja sozusagen frei genommen, um Zeit mit deiner Familie zu verbringen." Nickend überflog ich die E-Mail, mit den Terminen, die sie mir geschickt hatte.

„Was würde ich nur ohne dich machen." Sie lächelte und schaute mir zu, als ich meinen Terminplaner und einen Stift rausholte um alle Termine nochmal ordentlich in das kleine Büchlein zu schrieben.

„Hab ich dir schon mal gesagt, dass ich es total süß finde, dass du dir alles nochmal in so einen Kalender schriebst? Alle anderen haben ihre Termine auf ihrem Handy oder Laptop. Ich hab das echt noch nie gesehen, dass ein erfolgreiches Model wie du so einen Planer hat. Das gefällt mir." Ich lachte und steckte den Planer wieder zurück in meine Handtasche.

„So ist das alles einfach viel übersichtlicher. Wenn ich mal wissen muss ob ich einen Termin habe und mein Handy aus irgendwelchen Gründen keinen Akku mehr hat, bin ich doch total aufgeschmissen." Lea nickte zustimmend und klappte ihr MacBook zu.

„Bevor wir gehen, muss ich noch kurz zur Toilette. Ich bin gleich wieder da." Ich stand schnell auf und eilte zu den Gästetoiletten. Nachdem ich fertig war und meine Hände wusch, schaute ich in den Spiegel.

Mittlerweile hatte ich mich an mein neues Aussehen gewöhnt. Ich bekam massenweise Markenklamotten zugeschickt um sie zu tragen und so andere Frauen darauf aufmerksam zu machen, also sozusagen Werbung zu machen. Deswegen musste mir eigentlich nie selber Klamotten kaufen. Mein Zimmer in Toronto platzte schon aus allen Näten vor lauter Klamotten auf Kleiderstangen.

Für eine eigene Wohnung war ich aber zu viel unterwegs. Zumal ich so oft ich konnte in New York bei Noel war. Hier konnte ich meine Klamotten nicht lagern, da er meinte dass er den Platz selber brauchte. Irgendwann wenn ich nicht mehr so oft unterwegs war, kaufte ich mir eine eigene Wohnung. Das war schon lange ein Punkt auf meiner To Do Liste.

Seit ich modelte durfte auch mein Make-up nicht fehlen. Ich brachte mir viel selber bei aber bekam auch „Nachhilfestunden" bei meiner Agentur. Um ein Model zu sein musste man so etwas können meinten die Leute dort.

Meine langen blonden Haare gefielen mir sehr gut. Damals hatte ich sie mir färben lassen, da ich eine Veränderung brauchte und um ehrlich zu sein gefiel es mir so viel besser. Manchmal vermisste ich meine schwarzen Haare, aber sie von blond wieder auf schwarz zu färben wär bei weitem einfacher als von schwarz zu platinum blond. Ich kann mich noch erinnern, dass ich gefühlte tausend mal zum Friseur musste.

Heute müsste ich einfach Lea Bescheid sagen und sie würde einen Termin bei einem hervorragenden Friseur machen. Berühmt zu sein und genug eigenes Geld zu haben, hatte wirklich seine Vorteile. Durch meinen Verdienst hatte ich meinen Eltern ein neues Auto gekauft und ihnen finanziell unter die Arme gegriffen. Jeden Monat bekamen sie einen Zuschuss um etwas Geld zusätzlich zu haben. Ich hatte genug um die Dinge zu kaufen, die ich wollte und deswegen war es mir ein Anliegen meinen Eltern zu helfen.

Insgesamt war ich wirklich sehr zufrieden mit mir selber und meinem Leben. Zum ersten Mal akzeptierte ich mich. Dieses Gefühl war unglaublich stärkend und gab einem Selbstbewusstsein. Zu viel war niemals gut, aber ein bisschen davon zu haben erleichterte vieles. Außerdem ging es mir und meiner Familie sehr gut und ich hatte einen Freund der mich liebte und unterstützte. Ja, ich liebte ihn auch wenn er manchmal etwas... unliebevoll war.

„Azalea Valente?!" eine schrille Stimme hinter mir ließ mich zusammenzucken. Ich drehte mich um und entdeckte ein Mädchen hinter mir.

„Ja?" Ihre Augen wurden größer und mit einem Mal fing sie an zu zittern.

„K-können wir ein Foto machen? Ich b-bin dein größter F-Fan!!" Ich fing an zu lächeln und nahm ihr das Handy ab. Wir machten ein Spiegelselfie was etwas ungewöhnlich für mich war und mich deswegen zum Lachen brachte. Manche Fans die ich traf kamen wirklich auf außergewöhnliche Ideen.

„Oh Mein Gott, Danke! Ich glaube es nicht. Ich bin schon ein Fan von Dir seit Shawn. Schade, dass eure Beziehung nicht gehalten hat, aber du bist echt ein wunderschönes Model geworden." Dankbar und etwas überrumpelt umarmte ich sie und verabschiedete mich von ihr.

„Vielen dank! Äh, das ist total lieb von dir. Ich muss wieder los, aber vielleicht treffen wir uns ja nochmal." Das Mädchen nickte heftig und wank mir zu, bis ich die Toilette verlassen hatte.

Grinsend musterte ich den Boden und fuhr durch meine offenen Haare. Solche Momente bedeuteten mir so viel. Es machte mir Spaß Fans zu treffen und ihnen eine Freude zu bereiten. Das sie das Thema Shawn und mich ansprachen passierte leider öfter. Blöd, dass einem die Vergangenheit immer wieder einholt.

Als ich gegen etwas hartes knallte, taumelte ich zurück und rutschte mit meinen hohen Sandaletten auf den glatten Fliesen aus. Unsanft landete ich auf meinem Hinterteil.

„Können Sie nicht aufpassen?" Der Mann mit dem ich zusammen gelaufen war, fluchte laut und stand wieder auf. Er seufzte genervt und hielt mir seine Hand hin, um mir hochzuhelfen. Als ich erkannte wer vor mir stand fuhr ich durch meine Haare um sie aus meinem Gesicht zu wischen und stand ohne seine Hilfe vom Boden auf.

Ein leises Raunen entkam seinem Mund, als auch er erkannte wer ich war. „Ich wusste nicht, dass du es bist." Murmelte er und ich nickte.

„Vielleicht habe ich nicht aufgepasst, aber mit so einem Tempo um die Ecke zu rennen ist auch nicht gerade vorsichtig." Ich schaute in Shawn's Gesicht und bemerkte wie er auf einmal ganz kleinlaut wurde.

Seine braunen Augen wirkten mit einem Mal traurig und auch sein Gesichtsausdruck sah erschöpft aus. Seine Braunen Haare waren etwas kürzer, aber er hatte immer noch ein breites Kreuz und sah trainiert aus. In den 4 Jahren hatte er sich wirklich fast gar nicht verändert.

Ich hob meinen Ohrring vom Boden auf und lief ohne noch etwas zu sagen an ihm vorbei. Shawn sagte ebenfalls nichts mehr jedoch bemerkte ich, wie er mir hinter her schaute.

Wieso zum Teufel traf ich ihn so oft und was machte er immer noch in New York? Warum verstand der Zufall nicht, dass ich ihn nicht sehen wollte? Es tat mir überhaupt nicht gut ihn im Moment so oft zu sehen.

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