[2] Kapitel O2
Montag, 24. Juli 2023
Der harte Aufprall eines Kissens an meinem Kopf weckte mich.
„Ey!" beschwerte ich mich stöhnend und umklammerte das Kissen was mich getroffen hatte. Als das nächste Kissen dieses Mal meinen Arm traf, öffnete ich seufzend die Augen.
„Kannst du mich nicht wecken wie jeder andere normale Mensch auch?" Er bückte sich zu mir runter und gab mir einen sanften Kuss auf meine Lippen.
„Aufwachen mein Schatz, du hast deinen Wecker nicht gehört." Sofort schreckte ich hoch und schaute auf den Radiowecker, rechts vom Bett. 12:34 Uhr.
„Shit!" Schnell sprang ich aus dem Bett und eilte an ihm vorbei. „Colleen hat mich schon abgerufen und gefragt wo du bist!" Rief er zu mir in Richtung Badezimmer. „Ja, sorry! Deine Schwester nimmt es mit Pünktlich ja auch nicht gerade genau." Ich schaute in den Spiegel und entdeckte ihn im Türrahmen, wo er stand und mich beobachtete.
„Im Gegensatz zu dir ja."
Während ich mich fertig machte, stand er tatsächlich die ganze Zeit im Türrahmen und beobachtete mich während wir uns unterhielten. Er war heute morgen bereits im Fitnessstudio gewesen, war einkaufen und hatte sich mit seinem Manager getroffen. Das er heute schon so viel geschafft hatte, musste er mir natürlich unter die Nase reiben.
„Ja, ja. Du weißt, dass ich nie verschlafe!" Er lachte und verschwand ohne etwas zu sagen aus dem Badezimmer. Ich verdrehte genervt die Augen und packte meine Make-up Sachen zurück in meine Tasche. Meine Blonden Haare steckte ich hoch in einen etwas misslungenen Dutt. Ich hoffte einfach mal, dass mich auf dem Weg keiner erkannte.
Auf Socken schlitterte ich über die Mamorfliesen im Flur, zum Schlafzimmer wo ich mich umzog und dann zur Treppe die nach unten führte. In der Küche roch es schon lecker nach Essen.
„Hm, dass sieht lecker aus!" Mir lief das Wasser im Mund zusammen als ich die Pute und den Reis in der Pfanne sah. „Das ist meins! Hol dir auf dem Weg dein eigenes Essen. Außerdem ist das viel zu fettig und wir wollen ja nicht, dass du wieder fett wirst." Ich seufzte augenrollend und holte mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank.
„Du hast mal wieder super Laune, Noel." Er lachte und rührte in der Pfanne herum. „Wann wirst du wieder hier sein?" Ich nahm einen Schluck und lehnte mich gegen die Arbeitsplatte neben ihm. „Weiß noch nicht. Ich schätze mal, das ich zwei Stunden im Café sein werde. Um 17:00 Uhr treffe ich mich mit meinem Trainer. Ich werde also erst heute Abend wieder hier sein." Er nickte und kam zu mir rüber, um sich vor mich zu stellen.
„Alles klar." Er bückte sich zu mir herunter und küsste mich. „Du siehst.. gut aus. Aber willst du wirklich deine Haare so lassen? Du siehst aus als hätte ein Vogel auf deinem Kopf ein Nest gebaut." Ich hatte gehofft, dass er es bei dem „gut" beließ und seufzte. Er wandte sich wieder seiner Pfanne zu während ich meine Haare zu einem ordentlichen Knoten band.
„Besser?" Er zog mich an meiner Taille zu sich und küsste mich erneut. „Viel besser, babe." Ich gab ihm einen Kuss auf seine Wange, wobei mich die Stoppeln seines Dreitage-Bart kitzelten, und schnappte mir einen Apfel aus der Obstschale.
„Ich muss los. Bis heute Abend, Schatz." Er nickte ohne mich anzusehen und schüttete sein Essen auf einen Teller. „Ja, bis nachher, Babe."
Mit meiner dünnen Jacke, meiner Handtasche und meinen hohen Stiefelletten machte ich mich auf dem Weg zum Fahrstuhl. Wenn die Wohnung meines Freundes nicht ganz oben im Penthaus wäre, würde ich die Treppen bevorzugen. Da es mir lieber war mit hohen Schuhen nicht 9 Stockwerke runter zu laufen, nahm ich eben den Fahrstuhl.
Auf den Straßen von New York war mal wieder das Chaos ausgebrochen. Egal wo man hinsah, sah man Touristen oder Leute die hier wohnten und so schnell es ging irgendwo hinmussten. Wenn das Café von Noels Schwester nicht einen Block entfernt wäre, hätte ich mir vermutlich eines seiner Autos geliehen.
In den vergangen 4 Jahren war eine Menge passiert. Sogar mehr, als in meinen 19 Jahren davor. Nachdem Shawn unsere Beziehung beendete, war ich zurück nach Toronto geflogen. Ganze zwei Wochen verbarrikadierte ich mich in meinem Zimmer und hatte nicht mal Ally zu mir gelassen. Ich hatte so lange geheult, bis irgendwann keine einzige Träne mehr da war. Von dem einen auf den anderen Tag, waren die dunklen Wolken von meinem Himmel verschwunden und ich kam wieder aus meinem Zimmer raus.
Ich beschloss endlich meine Weltreise zu machen. Unzwar von dem Geld, das ich gespart hatte. Meine Eltern ließen mich gehen und erst knapp ein Jahr später kam ich wieder. Ich war durch ganz Europa und Asien gereist und hatte meinen Traum erfüllt. Und wieder zu mir selbst gefunden. Diese Trennung von Shawn hatte mich völlig aus der Bahn gebracht.
Während meiner Reise erholte ich mich extrem. Durch Fotos die ich auf Instagram postete wurde nach meiner Rückkehr ein Fotograf auf mich aufmerksam. Durch den Liebeskummer, das Reisen und das fremde Essen hatte ich extrem viel abgenommen. Um ehrlich zu sein, fühlte ich mich mit meinem Körper noch nie so wohl wie nach meiner Reise. Ich fühlte mich so, als müsste ich mich nicht mehr verstecken und fühlte mich viel selbstsicherer. Das das mein Selbstbewusstsein stärkte, war Gold wert.
Nach dem Fotoshooting mit dem Fotograf nahm mich eine Modelargentur in New York unter Vertrag. Innerhalb weniger Wochen hatte ich einen Durchbruch. Niemals hätte ich damit gerechnet, da mich nach Shawn's und meiner Trennung eine große Welle von wütenden Fans traf. Die Kommentare unter meinen Bildern auf Instagram waren nahezu unerträglich. Manche wünschten mir sogar den Tod. Aber ich ließ mich davon nicht runterziehen. So war ich noch nie, und so würde ich nie werden.
Ich bekam „Unterricht" in Sachen Fotoshootings und walking auf dem Laufsteg. Das alles ging so schnell, dass ich gar nicht richtig mitbekam, wie sich mein Leben veränderte. Ich war ständig unterwegs um zu verschiedenen Jobs zu fliegen, die ich ohne meine persönliche Managerin von meiner Modelagentur niemals geregelt gekriegt hätte. Das mich die Agentur entdeckte und unter Vertrag genommen hatte, war das beste was mir passieren konnte.
Nach Shawn hätte ich niemals gedacht, dass ich nochmal in die Öffentlichkeit gehen würde. Jetzt war ich durch mich selber bekannt. So gut wie überall wurde ich erkannt, was extrem anstrengend war. Model zu sein war ein toller Beruf aber auch verdammt gefährlich für die Gesundheit.
Neben dem Modeln bekam ich zusätzlich noch ein Angebot für eine Hauptrolle in einem Film für den es mittlerweile schon einen zweiten Teil gab. Zumindest war er in Arbeit. Da sich einer der anderen Hauptdarsteller beim Dreh verletzt hatte, hatte ich für 3 Monate Drehpause und die verbrachte ich bei meinem Freund.
Noel und ich waren nun schon seit 2 Jahren zusammen. Kennengelernt hatten wir uns am Set des ersten Films wo ich die Hauptrolle spielte und er eine weniger große Rolle hatte. In der Zeit am Set verliebten wir uns ineinander. Es war ziemlich praktisch, dass er in New York wohnte, da ich so immer bei ihm sein konnte wenn ich Termine bei meiner Agentur hatte oder sonstige Termine für Jobs.
Leider war ich deswegen aber auch immer unterwegs. Ich pendelte andauernd zwischen Toronto, um meine Familie zu besuchen, Los Angeles, wo die Dreharbeiten stattfanden und New York wo ich regelmäßig Termine hatte und ja auch Noel wohnte.
Meine Eltern waren extrem stolz auf mich. Aber nicht nur auf mich, sondern auch auf meine anderen Geschwister. Ally war nun schon das dritte Jahr am College in Toronto. Zusammen mit Benny sind sie nach ihrem Abschluss ans College gegangen um zu studieren.
Lorenzo und Ella waren nun stolze Eltern einer 4 Jährigen Tochter. Das zweite Kind war im Moment sogar schon auf dem Weg. In drei Monaten würde es auf die Welt kommen. Ich freute mich extrem für meine Geschwister und war glücklich, dass wir alle unsere Wege gefunden hatte. Sie beschwerten sich zwar immer, dass ich so selten da war, aber das würde sich auch wieder ändern, wenn die Dreharbeiten vorbei waren. Dann könnte ich nämlich öfters in Toronto bei ihnen sein.
Was Shawn in den letzten Jahren getrieben hatte, wusste ich nicht. Um ehrlich zu sein interessierte es mich mit der Zeit nicht mehr. Ab und zu bekam ich was mit oder mir wurde es erzählt, da manche Leute es immer noch für nötig hielten mich mit ihnen über Shawn und unsere damalige Beziehung zu unterhalten. Was ich wusste war, dass er sein 4. Album rausgebrachte, nach einer halbjährigen Pause. Danach folgte wieder eine Tour und so wie ich es verstanden hatte, hatte er eine Rolle in einem Film bekommen. Das war aber auch das einzige was ich über ihn wusste. Ich wollte nicht alte Wunden aufreißen, wenn ich mehr über ihn erfuhr oder ihn sah. Obwohl ich auf zahlreichen Events war, auf dem er auch war, hatten wir es immer geschafft uns nicht über den Weg zu laufen. Das könnte aber auch das Werk von meiner Managerin Lea und von Andrew sein.
Ich war glücklich an Noels Seite und das war das was zählte.
„Da bist du ja endlich!" Rief Colleen und warf die Hände in die Luft. „Ich dachte schon du kommst nicht mehr." Ich lächelte schief und lief auf sie zu. „Haben dich Leute erkannt? Und wo ist dein Schatten?" Schulterzuckend setzte ich mich auf einen Hocker und zog meine Jacke aus.
„Keine Ahnung, ich war zu vertieft in meine Gedanken. Habe gar nicht mitbekommen, dass ich so schnell bei dir war. Jackson, der nicht mein Schatten ist sondern mein Bodyguard und immer versucht mich zu schützen, ist draußen und kommt gleich nach." Sie lachte übertrieben laut und bückte sich dann zu mir herunter.
„Also, so wie immer ja?" Ich nickte augenrollend und nahm meine Sachen, um mich an einen Tisch am Fenster zu setzen. Ich wusste selber nicht wieso ich das hier immer machte. Vielleicht aus liebe zu Noel. Freiwillig würde ich mich nämlich nicht als Kundenköder ans Fenster setzen damit mich Leute oder Paparazzos erkannten und ins Café gestürmt kamen. Alles nur, damit die Kasse des Cafés klingelte. Das ich Colleen überhaupt nicht mochte, hatte zum Glück weder Noel noch sie bemerkt. Sie war einfach total unfreundlich und behandelte mich so wie einen Gegenstand. Als ob ich nur dafür gut war, damit sie mit ihrem Café Umsatz machte.
Seufzend setzte ich mich an meinen Stammplatz und holte meinen Mac raus. So wie immer wenn ich hier meine Zeit Tod schlagen wollte, nahm ich meine Arbeit eben mit hier her. Mails zu beantworten, meinen Instagram Feed zu planen und Nachrichten zu lesen war meistens mein Zeitvertreib. Neben dem zugegeben leckeren Tee und den Muffins.
Auch wenn ich eigentlich jede Erinnerung an Shawn und mich vernichten wollte, blieb dieses kleine Ritual immer noch: Kamillentee mit einem Chocolate Chip Muffin. Wie damals im Restaurant was 24 Stunden geöffnet hatte. Manchmal dachte ich darüber nach wie es Kian wohl jetzt ging. Nochmal zu ihm ins Café kommen, hatte ich erstmal nicht geplant. Damit waren viel zu viele Erinnerungen an Shawn verbunden.
Nach etwa zwei Stunden in denen ich fleißig an meinem Laptop gearbeitet, genug Kunden für heute angelockt und meine Bestellung aufgegessen hatte, packte ich meinen Laptop wieder ein und lief zur Theke an der Colleen alle Hände voll zu tun hatte.
„So, ich geh dann mal." Überrascht schaute sie mich an und stellte die Tablets voll mit Bestellungen ab. „Jetzt schon?" Ich nickte lächelnd um nicht zu zeigen wie genervt ich von ihrer aufdringlichen Art war.
„Na gut. Kommst du morgen wieder?" Innerlich schüttelte ich heftig mit dem Kopf, äußerlich zuckte ich mir mit den Schultern. „Mal gucken. In den nächsten Tagen habe ich haufenweise Termine." Sie seufzte und bereitete einen Kaffee zu. „Okay, ich schreibe Noel einfach wenn ich dich brauche." Ich seufzte um die Worte beleidigenden Worte, die fast aus meinem Mund gesprudelt wären, runterzuschlucken.
„Alles klar." Ich machte mich auf dem Weg zur Tür, blieb jedoch stehen, als ich hörte wie sich ein Gast über die lange Wartezeit beschwerte. Ich kämpfte innerlich dagegen an, jedoch drehte ich mich um und lief wieder zu ihr.
„Warte ich helfe dir. Ich kann nicht mit ansehen wie deine Kunden verschwinden, nur weil du keine Zeit hast um sie zu bedienen." Ich legte meine Jacke und meine Tasche hinterm Tresen ab und schnappte mir zwei Tablets. Ich hatte schon lange nicht mehr im Restaurant von Mum und Dad gearbeitet, also mal schauen ob ich es immer noch konnte.
„Wo sollen die hin?" Colleen wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und schaute auf einen Zettel. „Nach oben. Tisch 24 am Fenster." Ich nickte und machte mich auf dem Weg zur Treppe. Sobald ich oben angekommen war, musterte ich konzentriert die Zahlen auf dem Boden. Dort waren die Nummern der Tische aufgemalt, damit man wusste wo man hin musste.
Als ich bei der Zahl 24 ankam, atmete ich erleichtert aus, da die Tablets ziemlich schwer waren, und stellte sie schnell auf den Tisch. „So, ihre Bestellungen. Guten Appe-" als ich aufschaute blieb mein Herz fast stehen.
Vor mir saß Shawn. Aber nicht allein. Gegenüber von ihm saß ein Mädchen, was ihre Hand auf seiner abgelegt hatte und mich breit anlächelte.
„Emilia? Ich glaub's ja nicht." quiekte sie und bei genauerem hinsehen erkannte ich sie. Lauren.
„Eh ja, aber ich heiße jetzt Azalea.." ohne mir wirklich zugehört zu haben stand sie auf und umarmte mich. Ihr viel zu intensives Perfume machte mir Kopfschmerzen.
„Oh mein Gott was ein Zufall! Du siehst ja... total anders aus." Ich lächelte um nicht zu zeigen wie sehr mich diese Situation überforderte. Ich würde es nicht ertragen Shawn anzusehen, weswegen ich nur Lauren anschaute. Trotzdem bemerkte ich, wie sein Blick mich förmlich durchbohrte.
„Die blonden Strähnen stehen Dir und wow.. du bist dünn geworden! Ich hab gesehen, dass du jetzt modelst. Deine Plakate hängen ja wirklich überall in der Stadt. Sogar als wir heute beim Times Square vorbei gegangen sind, habe ich dich gesehen. Was ein Zufall, dass wir dich jetzt hier treffen. Arbeitest du hier?"
Ich bekam kein einziges Wort raus. Innerlich schrie ich. Alles drehte sich. Ich könnte anfangen zu weinen und loszulaufen. Einfach weg von hier. Weg von Shawn.
„Nein. Ich arbeite hier nicht. Ich muss los." Rasant drehte ich mich um und riss dabei die Blumenvase vom Tisch, die scheppernd auf dem Boden landete. „Shit!" fluchte ich und bückte mich um die Scherben und die Blume aufzuheben.
Als plötzlich eine Hand meine berührte, zuckte ich zusammen. Nein, das durfte jetzt echt nicht war sein.
Shawn hatte sich ebenfalls auf den Boden gekniet und hatte mir geholfen die Scherben aufzusammeln. Ich erstarrte als er meine Hand streifte und ich das Schwalben Tattoo auf seinem Handrücken erkannte. Es fühlte sich an als würde die Zeit stehen bleiben, als seine braunen Augen in meine schauten. Gott sei dank fing ich mich aber schnell wieder und stand auf.
„Danke."
So schnell ich konnte lief ich davon und ließ Shawn sowie Lauren zurück.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top