[2] Kapitel 31
Er kam ohne etwas zu sagen auf mich zu und kniete sich zu mir herunter. Mit seiner Hand packte er mein Kinn, um mein Gesicht wieder zu sich zu drehen. Unsere Gesichter waren sich so nah, dass ich seinen warmen Atem auf meiner kühlen Haut spürte.
„Bald sind wir hier weg." Er schaute tief in meine Augen und drückte dann seine Lippen auf meine. Vor Shawn.
Ich zog angewidert den Kopf weg. Zumindest versuchte ich das. Er hielt mein Kinn so fest, dass es mir nicht möglich war, auszuweichen. Damien hatte mich in letzter Zeit öfters geküsst und begrabscht.
„Shawn" murmelte ich angewidert und presste die Augen zusammen. Kurz darauf hörte ich ein dumpfes Geräusch und Damien, der Aufschrie während er mich küsste. Wenige Augenblicke später sackte er auf mir zusammen.
Erschrocken zuckte ich zusammen und sah, dass Shawn hinter ihm stand. In seiner Hand hielt er einen Baseballschläger.
„Woher hast du den?"
Er warf ihn weg und zerrte Damien's Körper von mir runter.
„Hab ich direkt neben der Tür im Kellergang gefunden. Ich kann mir schon denken was dieser Mistkerl damit vorhatte, nachdem er dir seine Zunge in den Hals gesteckt hatte." Ich schaute zu Damien's bewusstlosem Gesicht, dann wieder zu Shawn.
„Ihn haben wir schonmal geschafft. Ich mache dich jetzt los und dann kümmern wir uns um Nicki." Ich nickte und Shawn machte sich an den Eisenschnallen an meinen Händen zu schaffen.
Wenige Minuten später hatte er es geschafft auch mich zu befreien.
„Komm ich helfe dir hoch." Er zog mich an meiner Hand auf die Beine und stützte mich. Als meine Knie plötzlich weich wurden, griff er um mich und hinderte mich am Fallen. So fest er konnte, drückte er mich an sich. Mein Kopf lehnte an seinen Hals. Sein Kinn lag auf meinem Kopf. Langsam und sanft streichelte er über meinen Rücken.
Trotz unseren Herzschläge, die schnell gingen, und wir uns beeilen musste um hier aus dieser Hölle raus zu kommen, schien die Zeit plötzlich stehen zu bleiben. In Shawn's Armen zu sein, seinen Geruch zu riechen, seinen Atem zu spüren und seine Hände auf meinem Körper zu fühlen, ließ mich um uns herum alles vergessen. Er war mein Fels in der Brandung.
„Emilia?" fragte er nach einem kurzen stillen Moment. Ich nickte. „Lass uns sofort heiraten wenn wir hier raus kommen." Ich löste mich von ihm und schaute nach oben in seine braunen Augen.
„Das ist der beste Vorschlag den ich seit langem gehört habe." Er lächelte und küsste mich auf die Stirn. „Aber erstmal müssen wir hier raus kommen." Nickend stimmte ich ihm zu und schaute in Richtung Tür. Der Kellergang war hell erleuchtet.
„Du bleibst hinter mir. Egal was passiert." Shawn bückte sich runter zu dem bewusstlosen Damien und zog aus dessen Jacke eine Waffe raus. Dann lief er voraus. Ich hielt mich an seinem Pullover fest und folgte ihm. Shawn lief langsam. In jede Ecke und jeden Raum schaute er vorsichtig hinein. Mein Herz klopfte wild sobald wir die Treppen erreicht hatten.
„Shawn?" flüsterte ich und hielt mich noch fester an seinem Pullover fest. Er drehte sich kurz um. „Ja?"
„Bitte sei vorsichtig." Er nickte ernst und stieß leise die angelehnte Kellertür auf. Schritt für Schritt liefen wir in den Flur. Zuerst gingen wir ins Wohnzimmer. Der Fernseher lief, jedoch war Nicki nirgendwo zu sehen. Shawn deutete auf den Tisch.
"Ihr Handy!" flüsterte er und deutete mit dem Lauf der Waffe auf das Smartphone was auf dem Couchtisch lag. Ich nahm es sofort in die Hand und wählte den Notruf. Shawn sah sich im Wohnzimmer erneut um und seufzte als er erkannte, dass die Verandatür verriegelt war. Fluchend drehte er sich in Richtung Tür und hielt die Waffe auf sie gerichtet. Falls Nicki herein kommen sollte, waren wir darauf vorbereitet.
"Police Department Richmond Hill, wie kann ich Ihnen helfen?"
"Hallo, mein Name ist Emilia Valente. Ich wurde vor zwei Wochen entführt und werde in einem Waldhaus festgehalten. Bitte kommen Sie schnell!" Ich stotterte aufgeregt und versuchte noch so laut zu flüstern, dass die Frau am anderen ende der Leitung mich verstehen konnte.
"Bleiben Sie ruhig Frau Valente, wir haben das Handy geortet. Zwei Einsatzwagen sind bereits auf dem Weg zu Ihnen. Verstecken Sie sich und begeben Sie sich auf keinen Fall in Gefahr. Hilfe ist unterwegs. Sie können jetzt auflegen." Genau in diesem Moment, als ich das Handy von meinem Ohr entfernte und auflegen wollte, erschien plötzlich Nicki im Türrahmen. In ihrer Hand hielt sie einen Teller. Ich erstarrte und schaute zu Shawn, der die Waffe sofort auf sie richtete.
"Keine. Bewegung." warnte er sie. Ihr erst überraschter Blick verzog sich zu einer finsteren und zugleich erfreuten Miene. Zwei Emotionen, die überhaupt nicht zusammen passten. Diese Frau machte mir Angst.
Langsam lief sie zur Kommode, die neben der Tür stand und stellte ihren Teller ab. Was von keine Bewegung hatte sie nicht verstanden?!
„Shawn, süßer, leg die Waffe weg. Wir beide wissen, dass du nicht schießen kannst."
Ich zuckte vor Schreck zusammen als plötzlich ein lauter Knall ertönte und die Vase, die neben Nickis Kopf, auf der Kommode, in tausend Teile zersprang. Auch Nicki war für einen kurzen Augenblick zusammen gezuckt.
„Der nächste Schuss geht nicht an deinem Kopf vorbei wenn du nicht das tust, was ich dir sage." Seine Stimme klang ruhig und ernst. Todesernst.
„Du gehst jetzt langsam zu diesem Balken." er deutete auf die Säule neben den Sofas. „Dort lehnst du dich ohne eine falsche Bewegung dagegen. Wenn nicht, dann kann ich für absolut gar nichts garantieren, Nicki." Er spuckte ihren Namen verächtlich aus.
Sie starrte in seine Augen und ihre Mundwinkel zuckten leicht, als sie sich langsam von der Tür entfernte und rüber zur Säule lief.
Ich beobachte still jede Bewegung die sie tat. Ich wusste das sie niemals so schnell aufgeben würde.
Mit rasendem Herzen fasste ich an meinen Bauch in dem sich einer der Jungs bewegte. Ich schaute nach unten und streichelte über den Pullover, was mich kurz ablenkte. Ein lauter Knall ertönte. Ein Schrei folgte. Als ich wieder aufschaute bot sich mir ein schlimmes Bild.
Shawn lag auf dem Boden. Seine rechte Hand drückte er auf seine Schulter. Sein Pullover verfärbte sich an dieser Stelle blutrot. Er verzog das Gesicht und stöhnte schmerzerfüllt. Mein Mund stand offen und ich schaute geschockt zu Nicki, die es geschafft hatte, ihre Waffe aus dem Gürtel zu ziehen und auf Shawn zu schießen.
„Oh Gott, Shawn!" rief ich und ließ mich neben ihm auf die Knie fallen. Ich fasste an seinen Kopf und nahm sein Gesicht in meine Hand. Er öffnete seine Augen, aus denen Tränen liefen, und schaute in mein Gesicht. Seine Augen strahlten so viel Schmerz aus, dass sich mein Herz zusammen zog und ich unglaubliches Mitgefühl spürte.
„Hinter dir" flüsterte er plötzlich und riss die Augen auf. Im nächsten Augenblick riss mich eine Hand nach hinten und ich landete wie ein Käfer, der es nicht alleine schaffte sich umzudrehen, auf dem Rücken.
Nicki lachte laut und richtete ihre Waffe direkt auf mein Gesicht.
„Wie schade, dass es jetzt so endet."
Sie kam mir noch etwas näher.
„Wie ihr wisst haben nicht alle Geschichten ein Happy End. Eure zählt dazu." Sie schaute zu Shawn.
„Schau dich an, Shawn. Wie erbärmlich du hier auf dem Boden liegst, dich hin und her wälzt und dich vor schmerzen krümmst. Wenn du deine Finger von Emilia gelassen hättest, hättest du jetzt noch ein paar schöne Jahre vor dir. Ein erfülltes, erfolgreiches und reiches Leben wäre wie ein ganz normales Leben geendet. Und jetzt, musst du zu sehen wie die Mutter deiner zukünftigen Kinder vor deinen Augen, direkt neben dir auf dem Boden stirbt. Ich würde sagen, dass sind nicht gerade die schönsten letzten Minuten, die man vor seinem Tod erleben kann." Sie schaute wieder zu mir, da Shawn sich während der ganzen Zeit nicht zu ihr umgedreht hatte.
Ich schloss langsam die Augen und legte meine Hände auf meinen Bauch. Was ich tat? Ich bereitete mich auf den Schuss vor, der mein Leben beenden würde. Meine letzten Minuten waren gekommen. Ich hatte das Gefühl als hätte mich Nicki schon die letzten zwei Wochen auf diesen Moment vorbereitet obwohl Damien andere Pläne gehabt hatte.
„Shawn?" flüsterte ich und schaute zu ihm. Er hatte mir und Nicki den Rücken zugedreht.
„Ich liebe dich." Hauchte ich und wischte die Tränen weg, die über mein Gesicht liefen.
„Ich dich auch." Er drehte sich plötzlich ruckartig um und richtete eine Waffe auf Nicki, aus der mit einem lauten Knall eine Kugel schoss, die Nicki direkt im Bauch traf. Sie zuckte zusammen, ließ ihre Waffe fallen und legte ihre Hände auf die Wunde aus der immer mehr Blut trat.
Sie schnappte nach Luft, schaute fassungslos zu Shawn und sank dann auf die Knie.
„Fahrt zur Hölle." Zischte sie und kippte nach hinten um.
In diesem Moment ging die Haustür auf und mit lautem Stampfen und Gebrüll kamen mehrere schwer bewaffnete Polizisten rein. Shawn und ich lagen gegenseitig in den Armen und hatten die Augen geschlossen.
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