[2] Kapitel 29

„Also Shawn, sind Sie bereit?" Detective McMurray kam in den Transporter geklettert, der weit weg von der Union Station geparkt war. Eine Kollegin von ihm war gerade dabei mich zu verkabeln damit ich während der Geld Übergabe mit der Polizei in Kontakt stehen würde.

„Ja, ich bin bereit." Die junge Polizistin nickte McMurray zu und gab mir ein Zeichen, dass ich meinen Pullover wieder anziehen konnte.

„Gut. Es ist genau 19:45 und so gut wie dunkel. Es geht los." Er schaute durch den Transporter, in dem sich weitere vier Cops befanden und vor zwei Bildschirmen aufstellten. Alle hatten Headsets auf und konnten sich so mit mir verständigen. Sie konnten mit mir reden und durch eine Kamera an meinem Kragen meine Umgebung sehen.

„Es wird alles so ablaufen wie geplant. Sie laufen über die Younge Street an der Union Station vorbei und direkt ins Royal Bank Plaza Parkhaus. Wir wissen das die Erpresser gut sind, in dem was sie tun. Deswegen werden sie alleine dort rein gehen. Machen Sie sich aber keine Sorgen. An jedem Ausgang werden zivile Polizisten postiert sein." Ich nickte mechanisch. Diesen Plan waren wir schon hundert mal in den letzten Stunden durchgegangen. Jede Kleinigkeit hatten wir besprochen.

Der Plan war vielleicht gut, aber ich traute der ganzen Sache trotzdem nicht. Ich hatte meinen eigenen Plan, von dem ich bisher noch keinem erzählt hatte. Jeder würde versuchen mich davon abzubringen. Ich würde mich heute selber in Gefahr bringen, aber das war mir egal solange ich Emilia sicher nach Hause bringen würde.

„Also gut. Dann mal los." McMurray gab mir die Hand und klopfte auf meine Schulter.

Sobald ich den Transporter verlassen hatte und in der kalten Abendluft stand, atmete ich tief ein und aus. Ich war ziemlich nervös. Immer hin würde ich mich in wenigen Minuten in große Gefahr begeben. Das schmerzliche Gefühl Emilia zu vermissen und nicht zu wissen wie es ihr ging oder wo sie war, betäubte jedoch jeden Zweifel.

Mit einem Rucksack auf meinem Rücken, in dem das Geld war, einer dicken Jacke an meinem Körper und einer Mütze auf dem Kopf lief ich auf dem Bürgersteig auf die Union Station zu. Von dort aus waren es noch 2 Minuten bis zum Parkhaus und dann weitere 3 Minuten bis ich in der untersten Etage bei den Fahrstühlen ankam. Meine Armband Uhr zeigte 19:49. Ich würde zu früh da sein, aber das kam mir gelegen. So hatte ich genug Zeit um meinen Plan umzusetzen.

„Alles in Ordnung bei Ihnen?" Die Stimme von McMurray erklang in meinem Ohr.

„Ja. Ich sehe das Parkhaus schon" sagte ich während ich auf den Knopf in meinem Ohr drückte. Als keine weitere Antwort kam, senkte ich die Hand wieder und schaute erneut auf die Uhr. 19:52. Ich musste etwas schneller laufen.

Sobald ich das Parkhaus betrat und durch das Treppenhaus in die Unterste Etage lief, schaute ich mich um.

Neonröhren an der Decke beleuchteten den dreckigen, jedoch hellen Betonboden des Parkhauses. Es war ruhig hier unten. Keine Menschenseele war zu sehen. Es erschien mir fast friedlich bis mir wieder der Gedanke kam, dass sich Emilias Entführer hier irgendwo befand und auf das Geld wartete.

Mein Blick schweifte über die geparkten Autos und dann über ein schwarzes Rennmotorrad. Heute Vormittag hatte ich es von einem Freund abgeholt und hier abgestellt um es später dafür zu benutzen, dem Erpresser hinter her zu fahren. Mit dem Motorradhelm auf und auf einem Motorrad würde mich niemals jemand erkennen. Schließlich besaß ich keins und war bisher nur zwei bis dreimal auf so einem Teil gefahren.

Nur mit dem Motorrad konnte ich meinen Plan wirklich umsetzen. Da ich in der letzten Zeit kaum Schlaf bekommen hatte, hatte ich genug Zeit um mir zu überlegen wie ich Emilia so schnell es ging befreien könnte. Die ganzen Cops und Detectives machten vielleicht einen guten Job, aber so wie es aussah konnte es noch lange dauern bis sie wussten wo die Entführer Emilia hingebracht hatten.

Versteckt in einem der Geldbündel hatte ich einen kleinen GPS Sender eingebaut, den nichtmal McMurray und seine Cops entdeckt hatten, die für sowas normalerweise einen Blick haben sollten. Ein Grund mehr, selber tätig zu werden. Jedenfalls konnte ich jetzt über den Display meiner Uhr sehen, wo sich der Rucksack samt Geld befand. Bisher leuchtete der rote Pfeil genau da auf, wo ich war: Im Parkhaus.

„Gut, Sie sind da. Es ist 19:59. Legen Sie den Rucksack in den Mülleimer der neben dem Fahrstühlen steht und machen Sie sich aus dem Staub." Ich summte einverstanden und lief zu den Fahrstühlen, die unmittelbar vor mir waren. Während ich den Rucksack absetzte und in den Mülleimer stopfte, schaute ich mich ununterbrochen um. Jedes kleine Geräusch, jede Bewegung, jedes Flackern kam mir verdächtig vor und ließ meinen Puls schneller werden.

„Sehr gut, kommen Sie über das Treppenhaus zurück zum Transporter. Ihren Auftrag haben sie erfüllt."

Ohne auf die Stimme in meinem Ohr zu hören, eilte ich mit schnellen Schritten auf die Parklücke zwischen zwei großen SUVs, wo ich die schwarze Maschine abgestellt hatte.

„Was soll denn das, Shawn? Was tuen Sie da? Kommen Sie sofort raus! Sie gefährden die Übergabe und machen den ganzen Plan kaputt."

Ich atmete tief ein und drückte auf den Knopf in meinem Ohr.

„Ich kann nicht anders." Mit einem Ruck zog ich den Stecker aus meinem Ohr und riss die Klebestreifen, die das Kabel an meinen Oberkörper befestigt hatten, ab. Achtlos schmiss ich das Kabelgewirr an die Wand und setzte den Helm auf. Ich hatte mir extra eine dicke Jacke angezogen um mich vom kalten Fahrtwind zu schützen.

Leise setzte ich mich auf das Motorrad und rollte langsam ein Stück vor um aus meiner Deckung den Mülleimer zu beobachten. Meine Uhr zeigte 20:01 Uhr an. Mein Herz raste.

Kurz war es mucksmäuschenstill. Nicht mal andere Autos aus den anderen Stockwerken, waren zu hören. Nur die Lüftungsanlagen, machten rauschende Geräusche.

Dann plötzlich vernahm ich das laute Quietschen von durchdrehenden Reifen und wenige Sekunden später hielt ein schwarzer Chevrolet Pick Up vor den Fahrstühlen. Die Beifahrertür öffnete sich und eine maskierte, schwarz-gekleidete Person sprang aus dem Wagen. So schnell wie die Person den Rucksack aus dem Müll gezogen hatte, wieder im Auto saß und wegfuhr vergingen nichtmal zwei Sekunden.

Mit aufheulendem Motor fuhr der Pick Up los.

1.... 2.... 3.... 4.... 5! Ich startete den Motor und folgte dem Auto. Der Abstand war nur dazu da, dass die im Auto nicht sofort mitbekamen, dass ich sie verfolgte.

Mein Plan ging soweit gut auf. Durch gute Entfernung konnte ich erkennen wie der schwarze Pickup durch eine Seitenausfahrt das Parkhaus im schnellen Tempo verließen.

Sobald ich ebenfalls auf der offenen Straße fuhr, konzentrierte ich mich darauf den Pick Up nicht aus den Augen zu verlieren. Die Maschine unter mir ließ sich sehr gut fahren und es machte mir fast etwas Spaß mit so hohem Tempo durch den Verkehr zu fahren, wenn ich nicht daran dachte, warum ich das ganze hier tat.

Ganze 30 Minuten später, auf der wir erst auf die Autobahn gefahren waren und dann etwa 20 Minuten später eine Ausfahrt in ein Waldstück genommen hatten, wurde der schwarze Pick Up langsamer und parkte schließlich vor einer großen Holzhütte, mitten im Wald. Durch die Dunkelheit und weil ich mich während der gesamten Fahrt im Hintergrund gehalten hatte, hatte ich das Gefühl als hätten die Personen im Auto mich nicht bemerkt. Sie hätten vermutlich versucht mich abzuhängen.

Langsam rollte ich über den Waldbolden und machte schließlich den Motor aus. Durch die noch kahlen Bäume konnte ich gut das Geschehen in etwa 200 Meter Entfernung beobachten.

Die Scheinwerfer des Pickups beleuchteten die Frontseite des Hauses, wodurch ich erkennen konnte, das es mindestens zwei Stockwerke haben musste. Mein Herz fing an zu rasen. Emilia musste hier irgendwo sein. So ein verstecktes Haus im Wald war der perfekte Ort um jemanden gefangen zu halten ohne das irgendwer etwas davon mitbekamen. Nachbarn waren hier weit und breit nicht.

Die Türen des Pick Ups öffneten sich und die Scheinwerfer gingen aus. Durch zwei Lichtpegel von Taschenlampen konnte ich die Umrisse der Entführer nur erahnen. Sie liefen gemeinsam zur Haustür und verschwanden wenige Augenblicke hinter der Haustür.

Dann erst ging ein Licht im Haus an. Wenn Emilia sich dort drin befand, dann saß sie vermutlich seit die Entführer das Haus verlassen hatten, im Dunklen. Es sei denn eine dritte Person war in der ganzen Sache involviert. Ein Schauer lief meinen Rücken hinab.

Geräuschlos setzte ich den Helm ab und hängte ihn an den Lenker des Motorrads. Dabei blinkte meine Uhr auf. Es war kurz nach halb neun. Mein Blick heftete sich wieder auf das Haus, in dem es heller wurde. Alle Fenster waren durch Vorhänge verdeckt und machten es so unmöglich, ins Innere zu schauen.

Ich atmete schwer ein und aus, als ich den Griff der Pistole in meinem Gürtel ertastet. Ich hatte sie an meinen Rücken in den Gürtel gesteckt um sie nicht zu vergessen. Es hatte Vor- und Nachteile eine Menge Leute zu kennen, die alles für einen tun würden wenn der Geldbetrag stimmte. Die Pistole zu besorgen war leichter als es eigentlich möglich sein sollte. Ich hatte nicht vor sie heute Abend zu benutzen, aber wenn es so weit kommen würde, würde ich nicht zögern. Es ging hier schließlich um Emilia. Mein Ein und Alles.

Jake hatte mir schon einmal beigebracht wie ich mit einer Pistole umgehen sollte. Er hatte mich mehrmals zu einem Schießstand mitgenommen, auf dem er öfters trainierte. Schießen machte Spaß, aber wenn ich mir vorstellte ein Menschenleben damit zu beenden, wurde mir ganz flau im Magen.

Langsam zog ich die Waffe aus meinem Gürtel und näherte mich dem Haus. Nur die Geräusche von Eulen oder raschelndem Laub waren zu hören. Dadurch, dass der Mond durch Wolken verdeckt war, war es noch dunkler als erwartet. Ich hätte mir auch eine Taschenlampe mitnehmen sollen um wenigstens zu sehen, wo ich hintrat.

Kurz nachdem ich mehrere Gebüsche rechts von der Haustür erreichte, ging diese plötzlich auf und laute Stimmen waren zu hören. Schnell und geräuschlos ging ich in Deckung. Ich konnte die Personen zwar nicht mehr sehen aber durch die Büsche, konnten sie mich auch nicht sehen.

„Toll, hättest du ja auch mal dran denken können als wir in der Nähe der letzten Tankstelle waren." Die Stimme gehörte einer Frau.

„Meine Gedanken waren für einen kurzen Moment wo anders. Du bist sonst diejenige, die immer alles vergisst. Wer muss denn immer wieder losfahren weil Madame noch Zigaretten braucht und keinen Führerschein hat?" Diese Stimme gehörte definitiv einem Mann.

„Halt die Klappe und fahr endlich los. Ich komme aber mit. Ich brauche noch-" mehr konnte ich nicht verstehen, da die Autotür zugeschlagen wurde und der Motor anging. Der Pickup fuhr rückwärts, wobei er auch an dem Gebüsch vorbei fuhr, in dem ich hockte, und entfernte sich dann.

Sobald es wieder still geworden war kroch ich aus dem Busch heraus und klopfte das trockene Laub von meinen Klamotten. Das war knapp, aber besser konnte es nicht kommen: Sie waren weg. Zumindest die, von denen ich wusste. Es konnte ja sein, dass sie noch einen Partner hatten, der darauf aufpasste, dass Emilia nicht flüchtete.

Mit beiden Händen an der Waffe, schlich ich zu einem Fenster. Durch einen alten Bauchstumpf, auf den ich mich stellte, konnte ich durch das Fenster gucken. Die Vorhänge waren teilweise zur Seite geschoben. Der Raum in den ich schaute war eine Küche. Keine Menschenseele war zu sehen.

Vorsichtig stieg ich wieder herunter und lief ums Haus herum. Nur ein veralteter Zaun, der schon so morsch war, dass man ihn ohne Probleme kaputt machen konnte, trennte den Waldweg vom Grundstück. Sobald ich das Eingangstor aufstieß, löste es sich aus seiner Fassung und fiel auf den Boden.

Das trockene Laub raschelte unter meinen Schuhen und eine Eule gab im dunklen Wald, um das Haus herum, ihr bestes.

Hinter dem Haus befand sich ein verwilderter Garten. Das Gras reichte mir bis zu den Oberschenkeln und die Veranda war zugewachsen mit Efeu und reichlich fiel Moos und anderem Grünzeug. Ich schlich zu der Veranda, die unter meinem Gewicht bedrohlich knarrte. Hoffentlich war das Holz noch nicht so morsch, dass es unter mir nachgab.

Mit meiner Hand strich ich über die dreckige Fensterscheibe und schaute ins Innere. Diesmal handelte es sich um ein großes Wohnzimmer. Das Licht aus dem Flur, was die beiden Entführer angelassen hatten, schien durch die offene Tür in den Raum und ermöglichte es mir so, alles genau zu erkennen. Wieder war keine Menschenseele zu sehen. Nicht mal Emilia.

Als ich an dem Griff der Verandatür zog und drückte, öffnete sie sich. Kurz war ich überrascht. Wer ließ denn eine Tür ins Freie auf, wenn man jemanden im Haus festhielt? Vielleicht war auch einfach nur das Schloss kaputt.

Mit meiner hochgehaltenen Waffe betrat ich geräuschlos das Haus.

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