[2] Kapitel 28
Shawn's POV
Es war noch viel zu früh, als mich das vibrieren meines Handys weckte. Ich schielte zu meinem Nachttisch auf dem ein Wecker und mein Handy lag. 4:43 Uhr? Was konnte um diese Uhrzeit schon so wichtig sein?
Als ich meinen Arm streckte, nach meinen Handy griff und auf dem Display Pauls Nummer stand, war ich sofort hellwach. Er war bei Emilia im Krankenhaus. Er passte auf sie auf. Es konnte nichts gutes bedeuten wenn er mich so früh am Morgen anrief.
„Ja?" mit rasendem Puls kickte ich die Bettdecke von meinen Beinen und stieg aus meinem Bett.
„Paul, was ist los?" fragte ich als ich nur ein Seufzen hörte.
„Emilia. Sie..." mein Herzschlag verschnellerte sich.
„Was ist mit Emilia? Paul rede mit mir!"
„Ich wurde auf dem Flur in einen Raum gezogen und betäubt. Als mich eine Schwester gefunden hat, war Emilia bereits weg." Ungläubig riss ich meine Augen auf und lief angespannt in meinem Schlafzimmer auf und ab.
„Wie weg?!"
Paul holte tief Luft. Er war wohl noch nicht ganz bei sich wenn er erst vor kurzem aufgewacht war. Wie konnte es überhaupt passieren, dass er betäubt wurde? Und was hatte das damit zu tun, dass Emilia nicht mehr auf ihrem Zimmer war?
„Sie wurde.. entführt. Emilia wurde entführt." Ich musste mich beherrschen um nicht auf den Boden zu sacken. Meine Knie wurden weich und mein Atem stockte.
„Sie wurde entführt? Wie konnte das passieren?" flüsterte ich fassungslos. Das konnte nur ein Traum sein. Ein Alptraum.
„Komm am besten sofort zum General Hospital. Detective McMurray ist bereits da, mit einem riesigen Team von Cops."
Aufgewühlt stimmte ich ihm zu, zog mir schnell eine Jeans und einen Hoodie an und fuhr so schnell ich konnte ins Krankenhaus. Auf der Station, wo eigentlich Emilia sein sollte, herrschte ein hohes Aufgebot von Männern und Frauen in Uniform und mit Waffen in den Gürteln.
„Mister Mendes!" Detective McMurray kam mit einer schnellen Handbewegung auf mich zu.
„Detective! Wo ist meine Verlobte? Wo ist Paul?" Mein Atem ging viel zu schnell und mein Herz pochte so laut, dass ich es in meinen Ohren hören konnte.
„Paul Brady geht es den Umständen entsprechend. Die Dosis des Betäubungsmittels war nicht tödlich, setzte ihren Bodyguard aber für eine lange Zeit außer Gefecht." Ich nickte. Auch wenn ich froh war, dass es Paul gut ging, interessiert mich nur eines: Wo war Emilia?
„Wo ist Emilia?!" fragte ich erneut nach und mit einem ernsten Ton in der Stimme. McMurray atmete tief ein und aus. Dann deutete er mit einer Handbewegung an, dass ich ihm folgen sollte.
Zusammen liefen wir in ein Zimmer, in dem ein noch unbenutztes Bett und eine Freie Stelle war. Emilias Mantel und eine Sporttasche, die ihr ihre Mutter vorbeigebracht hatte, lag auf einer Fensterbank neben der freien Stelle auf der eigentlich ein Krankenbett stehen sollte.
Ich schaute mich suchend im Raum um. Zwei Cops standen mit uns im Raum und befragten, genau wie andere Polizisten auf dem Flur, Krankenpfleger und Ärzte.
„Das kann doch alles nicht wahr sein! Wie konnte sie entführt werden? Wer hat sie entführt? Wie kann es sein, dass es keiner bemerkt hat? Ein Krankenbett sowie eine Patientin kann doch nicht einfach aus diesem Krankenhaus verschwinden!" Der Detektive nickte.
„Wir haben etwas in den Aufnahmen von Überwachungskameras gefunden. Kommen Sie bitte mit." Wieder folgte ich dem Mann mittleren Alters zu einem Tisch im Zimmer, an dem ein schmaler junger Mann mit Brille und Laptop saß. Über den Bildschirm flackerten schwarz weiße Aufnahmen mit Zeitstempel.
„Anhand des Videomaterials konnten wir feststellen, dass gestern um 01:22 ein Krankentransport stattgefunden hat, der nie vom Krankenhaus beantragt wurde." Der Junge spulte mit Anweisung des Detectives die Aufnahme vor. Lange bewegte sich nichts beim Hinterausgang, bis plötzlich ein Krankenwagen vorfuhr und ein Rettungssanitäter ausstieg um die großen hinteren Türen aufzumachen. Dann tauchte eine Krankenschwester in weißem Kittel und Arbeitshose auf, mit dessen Hilfe sie plötzlich eine Trage in den Krankenwagen schob. Das Gesicht der Person auf der Liege konnte man nicht erkennen, aber was man erkennen konnte war, dass die Person schwanger war. Mein Magen zog sich krampfhaft zusammen.
„Das ist Emilia!" rief ich laut und deutete auf den Bildschirm. Anscheinend schienen das alle in diesem Raum zu wissen außer ich. Detective McMurray nickte in schaute weiter auf den Bildschirm auf dem der Krankenwagen losfuhr.
„Das Kennzeichen haben wir bereits überprüft. Der Wagen stammt aus diesem Krankenhaus und wurde gestohlen. Meine Leute fahnden noch nach dem Krankenwagen."
Unruhig lief ich im Raum auf und ab und raufte durch meine Haare, die ohnehin schon aussahen als wäre ich gerade erst aus dem Bett aufgestanden, was auch stimmte.
„Shawn, jetzt machen Sie sich nicht so viele Gedanken und bleiben ruhig. Wir werden Emilia finde-"
„Ich soll mir nicht so viele Sorgen machen??!" Ich schnaubte und zog die Aufmerksamkeit einiger herumstehender Cops und Krankenhauspersonal auf mich.
„Meine Verlobte wurde wahrscheinlich von der Stalkerin entführt, die sie schon seit mehren Jahren terrorisiert und bei einer nicht öffentlichen Veranstaltung fast tödlich zusammen geschlagen hat. Wie soll ich mir da bitte keine Sorgen machen?! Keiner weiß wo sie ist und keiner weiß wie es ihr geht. Wie es unseren Babys geht!" Meine Stimme überschlug sich und Hitze schoss in meinen überforderten Kopf.
„Ich brauche frische Luft!" Ohne auf ein weiteres Wort von McMurray zu warten, stürmte ich aus dem Raum.
***
Kalter Wind wehte durch meine verwuschelten Haare und blies den Rauch meiner Zigarette weg. Ich hatte aufgehört zu rauchen nachdem ich es nach der Trennung von Emilia angefangen hatte, aber manchmal brauchte ich das Nikotin noch, um mich zu beruhigen. Es war bereits meine zweite Zigarette und ich fühlte wie ich mich etwas entspannter. Die Sorge um Emilia, ließ mich immer noch nicht klar denken.
Seufzend schnippte ich den Zigarettenstummel auf den nassen Boden und trat sie aus. Mit einem lauten Atemzug ließ ich mich auf die Bank hinter mir fallen und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Ich musste Emilias Familie informieren, bevor sie es durch die Medien erfuhren. In wenigen Stunden würde es bestimmt der Renner im Netz werden. Hier im Krankenhaus hatten genug Leute von Emilias Entführung mitbekommen, durch die ganzen Cops, die überall rum liefen.
„Shawn!" Als ich Ally's Stimme hörte, schaute ich auf. Zusammen mit Benny stieg sie aus ihrem Auto und rannte schnell auf mich zu. Als sie mir in Arme fiel, atmete ich stockend aus. Benny klopfte mir auf die Schulter und sah mich mitleidig an.
„Ihr geht es gut! Ich spüre das, Shawn!" Sie löste sich von mir und schaute mir durchdringend in die Augen. Ihre Augen sahen Emilias wirklich ähnlich.
Ich nickte schweigend und presste meine Lippen aufeinander. Ich hatte das Gefühl, als würde ich anfangen zu weinen, wenn ich etwas sagen würde.
„Wir haben es gerade eben in den Nachrichten gesehen. Die Polizei bittet in den lokalen Nachrichtensendern nach Hinweisen. Wir sind sofort hergefahren. Du bist nicht an dein Handy gegangen, aber wir wussten das du auch hier sein würdest."
Ich hatte mein Handy ausgeschaltet, weil ich es nicht ertragen konnte das mich alle anriefen oder anschrieben um zu fragen ob die Entführung wirklich real war.
„Hat die Polizei etwas herausgefunden? Haben sie schon Hinweise wer Emilia entführt hat oder wohin sie gebracht wurde?"
Ich nahm einen tiefen Atemzug bevor ich anfing zu sprechen. Ich erzählte Ally und Benny alles was ich wusste und lief währenddessen mit ihnen zurück zur Station, auf der immer noch mehrere Cops herumstanden. Ich wünschte mir in diesem Moment nichts mehr, als meine Verlobte in meinen Armen zu halten.
***
Stöhnend drehte ich mich im Wirrwarr meiner Bettdecke herum. Helle Sonnenstrahlen schienen durch die großen hohen Fenster auf mich und machten es mir schwer die Augen zu öffnen. Ich drehte mich auf die entgegengesetzte Richtung der Sonne und machte langsam die Augen auf.
Wie jeden Morgen der vergangen zwei Wochen wurde mir erneut klar, dass ich allein in dem Kingsize Bett in unserem großen wunderschönen Schlafzimmer lag. Mit einem ziehenden Schmerz in der Herzgegend strich ich über die unberührte Bettdecke neben mir.
Erst am zweiten Tag, nach Emilias Entführung, hatten sich die Entführer gemeldet. Sie hatten mich auf meinem Handy angerufen, während eine Menge Cops eine Abhöranlage und einiges an Elektronischem Zeug im Wohnzimmer installiert hatten. Der Anrufer hatte seine Stimme, wie man es aus Filmen kannte, mit einem Stimmenverzerrer verstellt. Ich erinnerte mich immer noch gut daran, wie mir das Blut in den Adern gefroren war.
Er, oder sie, hatte gefordert in zwei Wochen, also der heutige Tag, um 20:00 Uhr einen Koffer mit zwei Millionen Euro in dem Parkhaus bei der Union Station zu deponieren. Ich sollte das Geld in der untersten Etage in einem Mülleimer in der Nähe der Fahrstühle werfen. Dort würde es sich der Entführer oder ein Komplize abholen.
Der oder die Entführerin wussten, dass die Polizei eingeschaltet war. Das war auch nicht gerade schwer zu erfahren durch die sozialen Medien und Nachrichten im Fernseher, in dem Suchmeldungen ausgestrahlt wurden.
Die Forderung war klar und deutlich:
Wenn im Parkhaus auch nur ein einziger Polizist zu sehen war oder an dem Koffer irgendwas nicht stimmte, würde ich Emilia nie wieder sehen und das glaubte ich auch.
Gähnend erhob ich mich aus dem Bett und schlurfte mit Hausschuhen über den dunklen Paketboten. Den fand Emilia sofort wunderschön als wir das alte, aber renovierte, Landhaus bei der ersten Besichtigung betraten hatten.
Sie hatte nichtmal eine Nacht in unserem neuen zu Hause verbracht.
In der Küche betätigte ich lustlos den Knopf der Kaffeemaschine und stellte eine große Tasse darunter. Ich hatte schon seit der ersten Nacht in der Emilia in den Händen ihrer Entführer war, kein Auge zubekommen. Schlafstörungen waren neben Panikattacken noch harmlos. Schon drei mal wäre ich fast zusammengebrochen wegen der Sorge um sie.
Andrew hatte erneut einen Termin bei meiner alten Psychotherapeutin gemacht, die mir in der anfangszeit von meiner Karriere ebenfalls bei Panikattacken geholfen hatte. Das die Termine etwas brachten, bezweifelte ich. Schließlich konnte mir Doktor Pinberg Emilia auch nicht wieder her zaubern.
„Ich hab dir einen Topf mit vorgekochtem Eintopf auf den Herd gestellt." Als ich Emilias Mutter, Maria, an der Kücheninsel sitzen sah, zuckte ich vor Schreck zusammen und ließ beinahe meine Tasse fallen. Ich hatte ganz vergessen, dass sie heute vorbeikommen wollte.
„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Als du nicht aufgemacht hast, hab ich mir schon gedacht, dass du noch schläfst. Ich hab den Ersatzschlüssel genommen und wollte auch gleich wieder gehen." Ich fuhr durch meine zerzausten Haare und setzte mich neben sie. Sie sah mit ihren tiefen Augenringen und dem müden Blick nicht viel besser aus als ich.
„Du siehst müde aus, Shawn." Ich nickte und schaute auf meinen Kaffee hinunter. In letzter Zeit musste mein Kamillentee für eine ordentliche Menge Kaffee platz machen.
„Du auch." Maria nickte ebenfalls und ließ den Blick durch das große Helle Wohnzimmer gleiten an dem die Küche anschloss.
"Ihr habt es hier so schön. Die Zwillinge werden hier eine wundervolle Kindheit haben." Ich folgte ihrem Blick.
„Ja, wenn das heute alles gut geht, vielleicht schon. Ich kann seit drei Tagen überhaupt nicht mehr schlafen. Alpträume wie ich Emilia und unsere ungeborenen Kinder nie wieder sehe oder wie Emilia leiden muss, geistern mir durch den Kopf und rauben mir jede Nacht den Schlaf."
Seufzend legte sie ihre Hand auf meine Schulter.
„Wir haben Sie bald wieder, Shawn. Ich bin mir ganz sicher." Ich nickte und war in Gedanken wieder bei der Geldübergabe in wenigen Stunden.
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