[2] Kapitel 1O
3 Monate später, 1. Oktober 2023
„Hey Mum, hey Dad" rief ich in den Eingangsbereich unseres Hauses herein und stellte meinen Koffer neben der Garderobe ab. Ich kam gerade vom Flughafen nach einem langen Flug. In den letzten Monaten war ich ohne Pause am Set gewesen und hatte mit der ganzen Crew mit Hochdruck die letzten Scenen gefilmt. Zum Glück waren die Dreharbeiten jetzt abgeschlossen und wir konnten auf die Premiere warten, die nächstes Jahr im Januar stattfand.
Aus dem Wohnzimmer hörte ich stimmen, die mit einem Mal leise wurden. „Mum? Dad?" sagte ich nun leiser und lief ins Wohnzimmer. Sobald ich durch den Türrahmen gelaufen war, gab es einen lauten Knall und tausend Konfetti Schnipsel flogen durch die Luft.
„Herzlichen Glückwunsch!" riefen alle gleichzeitig und klatschten. Mum war die erste, die mich fest umarmte. „Herzlichen Glückwunsch zum zweiten Film, mein Schatz. Endlich sind die Dreharbeiten vorbei!" Vor Freude kullerte mir eine Träne herunter als Mum mich losließ und ich die anderen entdeckte. Anthony und Finn, Ally und Benny, Dad, Lorenzo und Ella die hochschwanger war Und Charlotte, die sofort auf mich zugerannt kam.
„EMMI! Ich hab dich vermisst!" rief sie mit ihrer süßen hohen Kinderstimme und umarmte mich stürmisch als ich mich auf den Boden kniete. „Ich dich auch, süße." Ihr kleiner schwarzer Zopf kitzelte mich woraufhin ich anfing zu lachen und aufstand. „Es ist so schön euch alle wiederzusehen!" sagte ich und umarmte nun auch die anderen.
Wir setzten uns an den gedeckten Esstisch und aßen das leckere Abendessen, was Dad gekocht hatte. Während wir aßen erzählte ich von den letzten zwei Monaten. Von Erlebnissen am Set, mit Fans oder meinen Schauspielkollegen.
Der Abend ging noch bis tief in die Nacht. Erst um halb zwei verabschiedeten sich Anthony und Finn und wir gingen alle in unsere Zimmer. Ich war wirklich total müde und wollte einfach nur schlafen.
Gähnend stieg ich über Kartons in meinem Zimmer und bahnte mir den weg zum Bett. Dieses Zimmer musste dringend ausgemistet und aufgeräumt werden! Jetzt, wo die Dreharbeiten zu Ende waren und in nächster Zeit keine Termine oder Jobs anstanden, hatte ich genug Zeit um das zu tun, was ich wollte. Ich hatte sogar schon darüber nachgedacht in den Urlaub zu fliegen. Irgendwo hin wo ein langer wunderschöner Sandstrand, Palmen, heiße Sonne, leckeres Essen und keine Menschenseele war. Ich brauchte mal wieder Zeit für mich. Es war schon eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich wirklich Urlaub hatte wo ich mich entspannen konnte.
Morgen würde ich jedenfalls erstmal mein Zimmer aufräumen und vielleicht etwas mit den anderen unternehmen. Es war wirklich ein schönes Gefühl, keinen Stress zu haben und selber zu bestimmen wie ich meinen Tag gestalten wollte.
***
Es war bereits halb 4 in der Nacht, als ich genug hatte vom herumwälzen und nicht schlafen können. Mein Handydisplay leuchtete mir entgegen und ließ mich aufstöhnen. Ich wollte endlich schlafen! Dieser Jetlag war wirklich kaum zum aushalten.
Seufzend schwang ich die Bettdecke von mir und stand auf. Ich hatte schon vor zwei Stunden mit dem Gedanken gespielt, zu Kian in sein Café zu fahren. Das letzte mal war ich mit Shawn da, vor etwa vier Jahren. Als wir uns getrennt hatten, wollte ich keine alten Wunden mit Erinnerungen aufreißen also hielt ich mich von dem Café fern, aber irgendwie interessierte es mich doch was aus Kian geworden war. Erst um 6 Uhr in zweieinhalb Stunden würde er sein Café schließen also hatte ich noch genug Zeit für eine Tasse Kamillentee und für ein kleines Gespräch mit ihm.
Ich schlüpfte schnell in eine Jeans und warf mir einen Pullover über. Dann nahm ich mein Portemonnaie, mein Handy und meinen Autoschlüssel und verließ mein Zimmer. Das Knarren der alten Holztreppe, als ich runter zur Haustür lief, brachte mich zum lächeln. Wenn ich jetzt noch jünger wäre, wäre ich wahrscheinlich wieder aus meinem Fenster geklettert, damit Mum und Dad nichts von meinem nächtlichen Ausflug mitbekamen. Zum Glück war ich jetzt alt genug damit sie mich machen ließen was ich wollte.
Die kalte Oktobernachtluft wehte mir um die Ohren und ließ mich bereuen, dass ich mir zusätzlich zu dem Mantel nicht noch einen Schal angezogen hatte. Fröstelnd lief ich zu meinem Auto was etwas weiter weg an der Straße stand und fuhr durch die leeren Straßen. Obwohl Kians Café relativ Stadtnah war, konnte ich, als ich durch die großen Fensterscheiben sah, schon vom Parkplatz aus sehen, dass nicht viel los war.
Eingemummelt in meinen Pullover lief ich auf die Eingangstür zu, die ein klingelndes Geräusch von sich gab, als ich sie öffnete. Die kleinen Glöckchen über der Tür waren also immer noch an Ort und Stelle so wie ich es in Erinnerung hatte. Aber nicht nur die Glöckchen waren gleich geblieben. Der leckere Duft von Zimt und frisch gebackenen Muffins stieg mir in die Nase und erfüllte mich mit einem Gefühl von Vertrautheit.
So oft wie Shawn und ich nachts hier waren, hatte ich mich damals an den leckeren Geruch gewöhnt. Mir fiel jetzt erst auf wie sehr ich ihn vermisst hatte. Aber auch die Einrichtung war gleich geblieben. Hier und da hatte sich die Dekoration minimal verändert aber die dunkelblauen Lederbänke und die Tische wie aus einem Diner waren immer noch gleich geblieben.
„Nein! Niemals.... Emilia? Bist du es?" Kian tauchte plötzlich vor mir auf und zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich nickte lächelnd woraufhin wir uns sofort umarmten. „Wow, wie lange ist es jetzt her? 3 Jahre?"
„Um genau zu sein 4." Er schüttelte baff mit dem Kopf und schaute an mir hoch und runter. „Du bist ja kaum wieder zuerkennen mit deinen blonden Haaren und den dünnen Beinen." Ich zuckte verlegen mit den Schultern und fuhr durch meine Haare. „Komm mit, dein Stammplatz ist frei." Ich folgte ihm und musterte ihn von hinten. Er sah aus wie früher, nur das seine kurz rasierten Haare etwas hellblonder waren und er ein bisschen rundlicher geworden war. Wenn ich mich nicht irrte hatte ich sogar einen Ring an seinem Ringfinger funkeln sehen.
„Setz dich." Er deutete mit einer Hand auf das dunkelblaue, schon abgewetzte Leder der Bank dessen Tisch, an dem Shawn und ich früher immer saßen. Ich schluckte schwer, setzte mich dann aber doch gegenüber von ihm an dem Tisch.
„Ich hab im Internet gesehen, dass man dich jetzt nur noch Azalea nennt. Du bist ja ganz schön erfolgreich. Herzlichen Glückwunsch" Ich lächelte dankend und legte meine Sachen ab.
„Danke! Ja, in letzter Zeit läufts wieder gut. Das ist auch der Grund warum ich so lange nicht hier war." Er zog eine Augenbraue hoch und schüttelte schmunzelnd mit dem Kopf.
„Also du kannst mir ja alles weiß machen, aber nicht das du nicht hergekommen bist, weil du zu viel zu tun hattest. Ich bin mir sicher das du vieles um die Ohren hast, aber das du nicht hier warst, liegt eher an einem anderen Grund, stimmt's? Und dieser Grund fängt mit Sh an und hört mit awn Mendes auf."
Stumm kaute ich auf meiner Unterlippe herum und vermied es ihn anzuschauen. Er hatte vollkommen ins Schwarze getroffen mit seiner Vermutung. Natürlich hatte ich ab und zu Zeit gehabt herzukommen um ihn zu besuchen, aber wie schon gesagt: viel zu viele Erinnerungen mit Shawn waren mit diesem Ort verbunden.
„Ich kann das schon verstehen, keine Sorge. Man soll ja eigentlich nicht glauben was im Internet steht, aber was Dir in den letzten Jahren mit Männern passiert ist, wünsche ich keinem. Irgendwo hab ich gelesen, dass Noel dich betrogen hat. So ein Schwein." Ich nickte und fummelte an einer Serviette herum, die vor mir auf dem Tisch lag.
„Shawn war nach eurer Trennung sehr oft hier. Alleine." Bei dem Wort Shawn schaute ich auf.
„Er hat mir damals alles erzählt.... aber um ehrlich zu sein, kann ich mir nicht vorstellen das du ein Mädchen bist, das jemanden einfach betrügt. Shawn meinte auch, dass du irgendwas von einem ‚lächerlichen' Stalker erzählt hast. Ich habe immer noch ein offenes Ohr für dich, falls du nochmal drüber reden willst." Seufzend schüttelte ich mit dem Kopf und legte die Serviette beiseite.
„Ich kann Dir alles erzählen wenn du es hören willst, es bringt nur nichts. Mit der Zeit ist Gras über die Sache gewachsen und egal ob Shawn jetzt noch die Wahrheit erfahren würde oder nicht, ändert es nichts an der Tatsache, dass er das was wir hatten einfach weggeworfen hatte. Die letztem Vier Jahre haben ihn verändert und mich erst recht. An der Vergangenheit kann man nichts mehr ändern."
Als Kian auf einmal seine warme Hand auf meine legte und ich den goldenen Hochzeitsring sah fing ich an zu schmunzeln.
„Wie wäre es, wenn ich Dir jetzt einen Kamillentee und einen Schokoladenmuffin bringe und du mir dann trotzdem alles erzählst? Ein bisschen neugierig bin ich ja schon und vielleicht tut es dir immer noch gut, Dir alles von der Seele zu reden. Hier ist sowieso nichts mehr los." Ich nickte einverstanden. „Aber nur wenn du mir alles über deinen Hochzeitsring erzählst." Er drehte an seinem Ring und nickte breit grinsend.
„Abgemacht."
Ganze zweieinhalb Stunden und 2 Kamillentees später, schaute ich das erste mal auf die Uhr. Es war bereits 7 Uhr morgens und die letzten Gäste hatten sich verabschiedet. Als Kian das Geschlossenschild aufgehangen und sich wieder zu mir gesetzt hatte, seufzte er.
„Das ist alles wirklich kaum zu glauben. Warum hast du es ihm damals nicht erzählt? Wenn er von dieser oder diesem XXX gewusst hätte, wäre es vielleicht nie zu der Trennung gekommen." Ich rührte im letzten Schluck meines Tees herum und seufzte.
„Zu dem Zeitpunkt, als das alles erst richtig angefangen hat, ist er auf Tour gegangen. Ich hatte Angst, dass er alles abbläst um bei mir zu sein oder heraus zu finden wer hinter XXX steckt. Du kennst Shawn genau wie ich, er hätte es getan. Ich habe gedacht, dass es besser wäre ihm erst von allem zu erzählen, wenn die Polizei etwas herausgefunden hätte. Wer hätte denn ahnen können das XXX sich so etwas gestörtes und krankes ausdenkt um Shawn und mich auseinander zu reißen? Ich habe in den letzten Jahren so oft an Shawn und an die Vergangenheit gedacht. An alle Möglichen Szenarien wie es jetzt zwischen uns wäre wenn ich ihm alles erzählt hätte oder wenn wir uns nicht getrennt hätten. Aber ich habe auch gelernt, dass man nicht an der Vergangenheit klammern sollte. Was passiert ist, ist passiert. Was gesagt wurde, wurde gesagt. Man kann nichts rückgängig machen. Und weißt du was, Kian? Ich wäre vermutlich nicht die Person, die ich heute bin ohne Shawn und ohne all das was wir erlebt haben. Ich meine damit die guten sowie schlechten Zeiten. Alles passiert aus einem Grund."
Kian nickte stöhnend und trank ebenfalls den letzten Schluck seines Wassers.
„Ich muss sagen, dass ich so noch nie über das alles nachgedacht habe. Du hast ja echt eine richtig poetische Ader." Schmunzelnd zuckte ich mit den Schultern.
„Ohne diese Ansicht wäre ich vermutlich immer noch ein Häufchen Elend was bei seinen Eltern im Restaurant arbeitet, ohne ihre Träume zu erfüllen. Anders kann ich es wirklich nicht sagen. Das Leben als Model und Schauspielerin ist hart, aber ich lebe meinen Traum. Besser geht es wirklich nicht." Er zog eine Augenbraue hoch.
„Ohne einen Mann an deiner Seite?" Ich nickte.
„Im Moment habe ich erstmal genug von Männern. Wenn ich später mal alt, schrumpelig und alleine bin, hat mir schon mein bester Freund Matteo versprochen, dass wir uns zusammen irgendwo niederlassen. In irgendeinem kleinen süßen Altenheim." Kian lachte herzhaft und stapelte unsere Tassen, sowie Teller.
„Das ist süß! Ich bin mir sicher das du bald den richtigen findest! Danke, dass du mir alles erzählt hast. Ich wusste doch, dass du Shawn niemals so hintergehen würdest. Schade, dass er Dir nicht eine Chance gelassen hat um alles zu erklären. Wenn er damals ein Funken von Verständnis oder sogar Vertrauen gehabt hätte, hätte er dich bestimmt nicht rausgeschmissen." Er stand auf und nahm die Geschirrstapel mit.
„So, ich glaube ich gehe jetzt mal wieder nach Hause. Der Jetlag sitzt immer noch tief in meinen Knochen. Außerdem muss ich den Tag eigentlich ausnutzen. Meine ganze Familie sowie Freunde sind gekommen um mit mir die abgeschlossenen Dreharbeiten zu feiern." Ich folgte Kian zur Theke und zog meinen Mantel an. Er nickte gähnend und lief wieder um die Theke herum, nachdem er das Geschirr abgestellt hatte.
„Von mir auch nochmal herzlichen Glückwunsch! Ich verspreche dir, dass ich einer der ersten sein werde, die vorm Kino stehen um in die Premiere zu gehen." Lachend umarmte ich ihn.
„Komm gut nach Hause und komm mich bald mal wieder besuchen! Ich bin immer hier." Ich nickte, wank ihm zu und fuhr nach Hause.
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