[2] Kapitel 19
Ein lautes und gleichmäßiges Piepsen, sowie ein leises Schnarchen weckte mich. Mir fiel es unglaublich schwer die Augen zu öffnen und ich scheiterte beim ersten Versuch. Auch beim zweiten konnte ich nur mein rechtes Auge öffnen.
Mit jeder Sekunde die ich länger wach war, spürte ich jede einzelne schmerzende Faser an meinen Körper mehr.
Mein Gesicht schmerzte höllisch sowie mein Hals, meine Arme und Hände die ich langsam über den Stoff meiner Bettdecke rieb.
Meine Augen mussten sich erst an die Helligkeit gewöhnen und mein Kopf brauchte einen Moment um zu erkennen wo ich mich befand.
Ich lag in einem Bett. In einem weißen steril aussehenden Zimmer. Meine Beine sowie mein gesamter Oberkörper waren von einer schweren Bettdecke bedeckt und der Geruch von Desinfektionsmittel drang in meine Nase. Als ich Schläuche auf meinem zugedeckten Brustkorb entdeckte schnappte ich nach Luft.
Auch dies stellte sich als sehr schwer heraus. Ein Schlauch befand sich nämlich in meinem Hals und machte es mir unmöglich selber Luft zu holen. Hilflos und panisch machte ich Geräusche um auf mich aufmerksam zu machen. Aus dem Augenwinkel sah ich einen dunklen Haarschopf.
Ich versuchte nach Hilfe zu rufen oder wenigstens das Wort Hilfe zu sagen, jedoch scheiterte ich kläglich. Mit der linken Hand fuhr ich über die Bettdecke und versuchte etwas anzufassen. Einen Notknopf vielleicht.
Als sich der dunkle Haarschopf in meinem Augenwinkel bewegte, versuchte ich meinen Kopf zu drehen, was nicht funktionierte. „H-hil-fe" röchelte ich und eine Träne kullerte meine geschwollene Wange hinunter.
„Oh mein Gott, Emilia! Du.... bist wach!" Als Shawn's Gesicht in meinem Blickfeld auftauchte schielte ich zappelnd auf den Schlauch in meinem Mund. Er streichelte mit besorgtem Blick über meine Haare und versuchte zu verstehen was ich ihm mitteilen wollte. Ich bekam zwar Luft, aber der Schlauch fühlte sich scheußlich an.
„Was ist los? Hast du sehr Schmerzen? Soll ich den Arzt holen?" Sein Blick wurde immer verzweifelter.
„S-sch-lau-ch" Ich presste die Augen zusammen.
„Der Schlauch? Kriegst du keine Luft? Ich hole einen Arzt, warte." Er ließ meine Hand los und stürmte sofort aus dem Zimmer.
Als ich kurz darauf eilige Schritte hörte, öffnete ich wieder meine Augen. Ein Mann im weißen Kittel, mit Brille und blonden Haaren tauchte über mir auf, sowie eine Krankenschwester und Shawn der wieder meine Hand in seine nahm.
Der Arzt entfernte endlich den Schlauch aus meinem Hals, sodass der Würgereiz aufhörte.
„Miss Valente! Schön, dass sie wieder wach sind. Versuchen sie erstmal nicht zu sprechen. Ihr Hals ist mit einer Halskrause geschützt also bewegen Sie ihren Kopf bitte nicht. Zeigen Sie einfach mit dem Daumen nach oben für ein Ja oder nach unten für ein nein, wenn sie meine Frage beantworten können." Ich nickte leicht und hielt meinen Kopf dann wieder gerade.
„Wie fühlen sie sich?" Ich hielt meinen Daumen schief, sodass er zwischen gut und schlecht war. Der Arzt nickte und Shawn küsste seufzend meinen Handrücken.
„Können Sie sich daran erinnern, was passiert ist? Wissen Sie warum Sie hier sind?" Ich schaute mich nochmal um und konnte nun zu hundert Prozent sagen, dass ich mich in einem Krankenhaus befand.
In meinem Kopf ratterte es. Ich sah ein rothaariges Mädchen vor meinem inneren Auge und spürte Schmerzen an meinem Körper die ich noch nie zuvor gespürt hatte. Eine Träne lief meine Wange herunter und ich zeigte mit dem Daumen nach oben, für ein Ja.
„Das sie sich an die Geschehnisse erinnern ist schon mal ein gutes Zeichen. Das schließt schon mal aus, dass sie durch die Verletzungen am Kopf Gedächtnisverlust erlitten haben." Ich schaute zu Shawn, der erleichtert ausatmete.
„Ich werde in einer halben Stunde nochmal vorbei schauen, um sie weiter zu untersuchen. Bitte halten Sie Ruhe. Die Polizei wird heute oder morgen bei Ihnen vorbei schauen um Sie zu befragen." Shawn nickte und schüttelte die Hand des Arztes. Er lächelte mir mitleidig zu und verschwand aus meinem Sichtfeld. Als die Tür ins Schloss fiel, seufzte Shawn laut aus und setzte sich auf die Bettkante.
„Ich hatte so Angst um dich!" Er wischte sich übers Gesicht und fasste wieder an meine Hand.
„Ich wünschte du könntest mir sofort alles erklären, aber ruh dich erstmal aus. Ich rufe deine Familie an und sage ihnen, dass du wach bist. Ich wecke dich in einer halben Stunde wieder." Ein gutes Gefühl durchfuhr meinen Körper als er über meine Haare streichelte und mich sanft und vorsichtig küsste. Es dauerte nicht lange bis ich wieder eingeschlafen war.
Als ich eine halbe Stunde später wieder von Shawn geweckt wurde und der Arzt ins Zimmer kam, ging es mir viel besser. Ich war nicht mehr so benebelt, wobei die Schmerzmittel meinen Kopf immer noch ziemlich verschleierten. Der Arzt nahm endlich die Halskrause ab wodurch ich erleichtert ausatme und meinen Kopf in das weiche Kopfkissen kuschelte.
„Also Miss Valente, wie geht es Ihnen jetzt? Können sie sprechen?" ich räusperte mich leicht, was in meinem Hals wehtat.
„I-ich.." Ich hörte mich etwas kratzig an aber sprechen funktionierte halbwegs.
„I-ich glaube schon." Der Arzt nickte lächelnd und nahm meine Hand vorsichtig in seine um sie zu schütteln. „Ich bin Doktor Michael Gerber, ihr behandelnder Arzt." Ich nickte und atmete durch.
„Wissen Sie immer noch warum Sie hier sind? Vor einer halben Stunde konnten Sie sich noch an die Geschehnisse erinnern." Verwirrt schaute ich den Arzt an.
„Ich war vorhin schonmal wach?" Krächzte ich und der Arzt nickte. Shawn schaute erst mich und dann Doktor Gerber besorgt an. „Ist das ein schlechtes Zeichen, dass sie sich nicht erinnert?"
„Nein, Mister Mendes. Durch die Schmerzmittel ist das normal. Können Sie sich trotzdem daran erinnern, warum Sie im Krankenhaus sind, Miss Valente?" Ich nickte und ein Film spielte sich vor meinem inneren Auge ab.
„Ein rothaariges Mädchen beim Spiegel.. sie ist XXX... sie hat mich geschlagen... sie hat mich bestraft... es war nur ein Vorgeschmack... mein Kopf." Gequält fasste ich an meine Schläfen, die mit einem Mal stark pochten.
Der Arzt nickte und Shawn setzte sich wieder neben mich auf das Bett.
„Ihre Kopfschmerzen kommen von einer Gehirnerschütterung und zwei Platzwunden an ihrer Stirn und Augenbraue. Außerdem haben sie zwei geprellte Rippen. Es ist ein gutes Zeichen, dass sie sich erinnern. Die Polizei wird morgen bei ihnen vorbei kommen um Sie zu dem Sachverhalt zu befragen." Ich nickte.
„Mein Bauch schmerzt und ich bekomme kaum Luft. Kann ich noch mehr Schmerzmittel bekommen?" Der Arzt lief zu einem Ständer neben meinem Bett und beäugte den Beutel mit Flüssigkeit der mit meinem Arm verbunden war.
„Ihr Hals ist noch geschwollen, weil Ihre Luftröhre etwas eingedrückt wurde. Ihre Bauchschmerzen kommen von einer gebrochenen Rippe. Aber sie können beruhigt sein, Miss Valente. Ihrem Baby geht es gut, auch wenn es erst so groß ist wie ein Orangenkern." Er lächelte beruhigend und klemmte meine Krankenakte unter seinen Arm.
„Meinem Baby?" Ich musste mich verhört haben. Die Schmerzmittel betäubten bestimmt immer noch meinen Kopf.
„Ihrem Baby?" fragte Shawn nun auch. Also hatte ich mich nicht verhört? Nein, das konnte nicht wahr sein. Ich träumte das alles.
„Ja, sie sind Schwanger. Bereits knapp in der fünften Schwangerschaftswoche. Wussten sie das nicht?" Ich schüttelte fassungslos mit dem Kopf. Mir wurde plötzlich flau im Magen und ich hatte das Gefühl als müsste ich mich übergeben. Auch Shawn war blass wie eine Wand.
„Oh, dann Herzlichen Glückwunsch!" Er schüttelte Shawn lächelnd die Hand und dann mir. „Das kann nur ein Scherz sein. Sagen Sie mir bitte, dass die Schmerzmittel zu stark sind und ich mir das alles nur einbilde." Doktor Gerber schüttelte mit dem Kopf.
„Nein, Miss Valente. Ihre Medikamente sind richtig eingestellt. Die Schwangerschaft war also nicht gewollt?" Ich schüttelte mit dem Kopf wobei ich wieder Kopfschmerzen bekam. Auch Shawn schüttelte mit dem Kopf und starrte den Arzt mit offenem Mund an.
„Sind Sie der Vater?" Der Arzt schaute erst Shawn an, der mich im Moment darauf anschaute. Er war der letzte mit dem ich etwas hatte.
„Shawn, bevor du nach Los Angeles geflogen bist..." Erinnerte ich ihn mit rasendem Herzen. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Wir hatten verhütet und das doppelt. Mit Kondom und meiner Pille.
„Also sind Sie der Vater, Mister Mendes. Herzlichen Glückwunsch, auch wenn das jetzt alles sehr überraschend für Sie beide sein mag. Eine Schwangerschaft ist etwas ganz besonderes." Er lächelte verträumt, dann fing er sich wieder.
„Gut, ich muss dann weiter. Jede Stunde wird eine Schwester nach ihnen schauen. Bitte merken Sie sich drei Begriffe, die sie der Schwester jedes Mal erzählen. So können wir überprüfen ob ihr Gedächtnis keinen bleibenden Schaden davon getragen hat." Immer noch sprachlos starrte ich den Arzt an, der mir und Shawn die Hand schüttelte und dann verschwand.
„Oh. Mein. Gott." Flüsterte ich und starrte an die weiße Decke. Shawn ließ sich geschockt auf einen Stuhl fallen und fuhr durch seine Haare.
„Wir haben doch verhütet! Wie kann das sein?" Ich zog ahnungslos die Schultern hoch. Ich fühlte mich wie in Trance. Ich war nicht Schwanger, nein. Ich durfte nicht Schwanger sein. Meine Agentur würde mich im hohen Bogen auf die Straße setzen und die Fashionweek in Paris konnte ich auch vergessen. Außerdem war ich noch nicht bereit für ein Baby. Vor allem nicht mit Shawn. Nicht jetzt.
Tränen rollten über meine Wangen und ich schluchzte tief. Das war alles einfach zu viel für mich. Erst mein Gefühlschaos mit Shawn, dann die Begegnung mit XXX die mich krankenhausreif geschlagen hatte und jetzt war ich auch noch Schwanger? Nein, nein, nein.
Ich legte weinend meine Hände aufs Gesicht und versuchte meine Schluchzer zu unterdrücken.
„Hey, hey." Shawn's Hand streichelte sanft über meinen Arm und zog mir dann die Hände vom Gesicht. Tränen verschwommen meine Sicht. „Komm mal her." Er half mir hoch und nahm mich in den Arm.
Liebevoll und ganz sanft drückte er mich an seinen Oberkörper und streichelte über meinen Rücken.
„Das kann alles nicht wahr sein, Shawn." Er nickte und küsste meinen Haaransatz.
„Ich weiß. Es ist alles zu viel gerade. Beruhig dich erstmal und dann können wir drüber reden." Ich nickte und zog die Flüssigkeit in meiner Nase hoch. Tränen hatten seinen Pullover schon ganz durchnässt. Das Piepen der Maschine neben mir, war auch deutlich schneller als vorhin bevor Doktor Gerber die Hiobsbotschaft übermittelt hatte.
Shawn bettete sanft meinen Kopf wieder im Kopfkissen ein und ich gähnte erschöpft.
„Ich glaube du musst erstmal etwas Ruhe haben. Ich bleibe hier, keine Sorge." Ich schloss meine Augen und nickte. Während er meinen Arm streichelte schlief ich mit Tränen in den Augen ein.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top