99. Kapitel

Tia war allein auf dem Weg von Zauberkunst in den Gemeinschaftsraum, ihren Skizzenblock in ihrem Arm und gedankenverloren vor sich hin summend.

Plötzlich aus dem Nichts legten sich zwei Arme um ihre Schultern und erschrocken schrie Tia auf – sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie gar nicht auf ihre Umgebung geachtet hatte, ansonsten war es beinahe unmöglich, sich an sie anzuschleichen.

Sie wirbelte erschrocken herum, erblickte aber nur Fred und George, die sie angrinsten.

„Hab ich mir doch gedacht, dass wir unsere Lieblings-Veela summen gehört haben", bemerkte Fred.

„Ihr habt mich erschreckt", tadelte Tia die beiden, blieb aber nicht stehen, sondern ging zwischen den beiden einfach weiter, „Wolltet ihr etwas Bestimmtes von mir?"

„Freddy hier macht sich Sorgen um Agnes", erklärte George, aber Fred schien nicht damit einverstanden zu sein, dass er das verraten hatte und schlug seinem Bruder leicht in die Seite.

„Es ist nichts", widersprach er, aber nicht wirklich glaubwürdig, „ich... sie hat noch auf keinen meiner Briefe geantwortet."

„Bestimmt geht es ihr gut", wollte Tia ihn beruhigen und lächelte ihn aufmunternd an, „Agnes ist... sie ist wirklich einschüchternd und stark. Habt ihr sie schon einmal Quidditch spielen sehen? Ich bin mir sicher, sie ist hartnäckiger, als man es ihr zutraut."

„Oh ja, das ist sie", stimmte Fred ihr lächelnd zu und sah so aus, als würde er sich an etwas erinnern. Tia musterte ihn eindringlich und legte den Kopf schief.

„Okay", bestimmte sie streng, „Was ist zwischen euch beiden passiert? Zwischen Agnes und dir? Rede, Weasley!"

George grinste seinen Zwilling an. „Ui", meinte er, „Sie ist von ganz allein darauf gekommen."

„Halt die Klappe", schnaubte Fred und wurde rot, „Es... es ist nur ein Kuss gewesen. Bevor sie Hogwarts verlassen hat. Das erinnert mich –"

„– hast du gewusst, dass unter der Peitschenden Weide ein Geheimgang nach Hogsmeade ist?"

„Klar", Tia zuckte mit den Schultern, „Er führt in die Heulende Hütte – Remus hat doch in seiner Schulzeit immer seine schwierige Zeit im Monat verbracht. Aber lenkt jetzt nicht vom Thema ab! Du hast sie geküsst?"

„Woher kennt Agnes ihn?", fragte sich George nachdenklich.

„Wahrscheinlich hat Remus es ihr auch einmal erzählt", Tia log nicht direkt – Remus hatte ihr bestimmt davon erzählt. Sie fühlte sich nur nicht in der Position, den Zwillingen zu erzählen, dass Agnes ein Werwolf war und anlügen wollte sie die beiden auf jeden Fall nicht.

„Wir sollten uns das wohl einmal ansehen", beschloss Fred, „Es wäre ein guter Ausweg für die Zukunft."

„Also ob ihr noch so lange hierbleiben würdet, um durch ihn oft nach Hogsmeade zu schleichen", schnaubte Tia.

„Hey!", beschwerte sich George laut, „Noch ist kein Plan fix. Wir verlassen die Schule doch nicht mit einer Menge Chaos."

„Wen haben wir denn da?", fragte plötzlich noch jemand, den Tia nicht wirklich kannte. Es war ein Junge aus Slytherin, der ein Jahr älter war, als sie, wie sie wusste, aber sie kannte keinen Namen und auch sonst nichts von ihm, aber Fred und George schienen ihn zu kennen.

„Montague", begrüßte Fred ihn gefährlich ruhig.

„Wie hässlich, dich hier zusehen", fügte George hinzu, „Was bringt uns zu dem Unglück, deine missgestaltete Visage zu sehen?"

„Wenn ich ihr wäre, würde ich lieber ein bisschen höflicher werden", warnte Montague sie.

„Was wirst du sonst tun?", fragte Fred ihn herablassend.

„Vielleicht petzt du uns bei Umbitch?", schlug George vor.

„Oder vielleicht will er sich auch hier und jetzt duellieren?", vermutete Fred.

„Vielleicht macht er sich auch nur in die Hose, weil er solche Angst vor Legenden wie uns hat."

„Das Lachen wird euch schon noch vergehen", warnte Montague sie und schien etwas zu wissen, das die drei nicht wussten.

„Hey, vielleicht sollten wir ihn einfach ignorieren", schlug Tia fröhlich vor, „Ich kann mir besseres vorstellen, als mich hier zu streiten – das ist doch unter unserer Würde."

„Tia hat Recht", bestimmte George und sah Montague so an, als wäre er eine ekelhafte Nacktschnecke.

„Du hast hier kein Recht zu sprechen, Schlammblut", zischte Montague und im nächsten Moment zückten Fred und George beide ihre Zauberstäbe und richteten sie auf Montague, der seinen eigenen zog.

„Duellieren wird es also", bemerkte Fred, „Ich habe gedacht, wir hätte dir das letzte Mal bewiesen, wer besser ist, Montague."

„Ihr habt wohl noch nichts vom Inquisitionskommandogehört, oder?", Montague sah sie feixend an.

Fred und George tauschten Blicke aus, bevor sie beide fragend zu Tia sahen, aber auch die zuckte mit den Schultern. Sie hatte noch nichts davon gehört – war das eine neue Erfindung der Slytherins?

„Nein, erleuchte uns", befahl George herablassend.

„Das Inquisitionskommando ist von Umbridge ins Leben berufen worden", begann Montague.

„Natürlich", schnaubte George.

„Von wem auch sonst", fügte Tia hinzu.

„Es hätte mich gewundert, wenn nicht", beendete Fred, „So eine lächerliche Idee kann nur von dieser Kröte stammen."

„Das Inquisitionskommando ist jetzt dafür verantwortlich, dass die Regeln dieser ehrenwerten Schule eingehalten werden", Montague grinste hässlich, „Das bedeutet, ich kann euch Punkte abziehen – ich freue mich schon darauf, wenn heute am Ende vom Tag Gryffindor wieder an letzter Stelle steht – dorthin, wohin es gehört."

„Das ist lächerlich", schnaubte Tia, „Warum solltet ihr herumgehen dürfen und allen Punkten abziehen – ohne Grund?"

„Oh, das werdet ihr schon sehen, Schlammblut", zischte Montague, „Am besten, ich beweise es euch hier und jetzt – mal sehen. Ihr beide habt mich mehrmals beleidigt, also fünf–"

Bevor er den Satz beenden konnte, sprang Tia zur Überraschung aller vor und warf sich auf Montague, um ihm den Mund zu zuhalten. Montague wehrte sich, aber Tia war um einiges stärker, als er und er hatte keine Chance, aber trotzdem wand er sich, sodass Tia befürchtete, bald den Halt zu verlieren.

„Wollt ihr beide mithelfen oder einfach nur dastehen?", fragte sie Fred und George, die sie nur mit offenen Mündern ansahen, aber sie riss sie aus ihrer Starre und die beiden halfen ihr dabei, Montague unter Kontrolle zu bringen.

„Was machen wir jetzt mit ihm?", fragte George, „Wir können ihm nicht ewig den Mund zuhalten."

„Das Verschwindekabinett", schlug Fred vor, „Er müsste hier irgendwo in der Nähe sein."

George begann breit zu grinsen und nickte. „Klar – diese Tür!"

Zu dritt zerrten sie Montague zu der Tür, hinter der sich das Verschwindekabinett befand und je näher sie kamen, desto mehr wehrte er sich, aber Tia war um einiges stärker und mit der Hilfe von Fred und George hatte Montague keine Chance.

George riss die Tür auf und die drei sahen sich noch einmal an.

„Machen wir das wirklich?", fragte George die beiden ein bisschen unsicher.

„Klar", schnaubte Tia, „Er hat mich ein Schlammblut genannt."

„Auch wieder wahr", stimmte George seiner Freundin zu und ohne zu zögern stießen sie ihn in das Verschwindekabinett und schlugen die Tür zu.

Einen Moment war es komplett still und sie wartete, aber vom Inneren kam nichts – niemand wehrte sich und vorsichtig öffneten sie die Tür, aber Montague war weg.

„Perfekt", grinste Tia zufrieden mit sich selbst und den Zwillingen, „Gehen wir."

Sie drehte sich auf den Fersen um und marschierte vor. Die Zwillinge blieben noch einen Moment länger stehen und sahen ihr überrascht hinterher.

„George", meinte Fred leise.

„Ja, Fred?"

„Deine Freundin ist ziemlich cool."

„Das weiß ich", meinte George stolz auf Tia, „Deswegen ist sie meine Freundin."

Sie rannten, um Tia einzuholen.

„Wisst ihr, Jungs", begann Tia, als die beiden wieder ihre Plätze links und rechts von ihr eingenommen hatten, „Wenn das in der Schule weiter so geht, folge ich euch noch hinaus. Ich habe es satt, so behandelt zu werden. Ich habe doch etwas Respekt verdient, oder?"

„Meine Rede", stimmte George ihr verbittert zu, „Wenn das so weitergeht, brauchen wir aber auch keinen Grund mehr, hinausgeworfen zu werden."

„Umbitch wird versuchen, uns hinauszuwerfen, sobald sie die Chance dazu hat", bemerkte Fred nachdenklich.

„Sieht so aus, als hätte unser geliebtes Brüderchen auch Probleme gehabt", vermutete George mit einem Blick auf Ron, der zusammen mit Harry und Hermine, sowie Ernie, den Tia aus den DA-Stunden kannte ungläubig auf die Stundengläser sah, in denen die Punkte der Häuser einzusehen waren.

„Ihr habt's mitgekriegt, oder?", fragte Fred die drei und sie drehten sich zu ihnen um.

„Malfoy hat uns allen gerade rund fünfzig Punkte abgeknöpft", schnaubte Harry wütend und sah wieder zum Stundenglas, in dem die roten Steine immer weniger für Gryffindor wurden.

„Ja, Montague hat's eben auch mit uns versucht", grinste George.

„Was soll das heißen versucht?", hakte Ron misstrauisch nach.

„Er kam nicht dazu, zu Ende zu sprechen", erzählte Fred schon beinahe stolz und legte einen Arm um Tia, „dank der Tatsache, dass wir ihn mit dem Kopf voran in das Verschwindekabinett im ersten Stock gezwängt haben."

Hermine schien die einzige zu sein, die das wirklich furchtbar fand und sah sie erschrocken an.

„Aber jetzt kriegt ihr schrecklichen Ärger!", rief sie aus.

„Erst wenn Montague wieder auftaucht, und das kann Wochen dauern, ich hab keine Ahnung, wo wir ihn hingeschickt haben", erwiderte Fred ungewöhnlich kühl, „Jedenfalls... wir haben beschlossen, dass es uns ab jetzt schnuppe ist, ob wir Ärger kriegen."

„War euch das jemals nicht schnuppe?", hinterfragte Hermine.

„Natürlich", George klang beinahe empört, „Wir sind ja nie rausgeworden worden, oder?"

„Wir wussten immer, wo die Grenze war", fügte Fred hinzu.

„Vielleicht haben wir gelegentlich mal 'ne Zehe darüber gesetzt", ergänzte George.

„Aber wir haben immer aufgehört, bevor wir das totale Chaos angerichtet haben", Fred klang stolz auf sich und seinen Zwilling.

„Und jetzt?", fragte Ron zaghaft, der wohl herausgehört hatte, worauf die Zwillinge hinauswollten.

„Nun, jetzt –", begann George.

„– wo Dumbledore fort ist –", fuhr Fred fort.

„– da schätzen wir, ein bisschen Chaos –", sagte George.

„– ist genau das, was unsere liebe neue Direktorin verdient", beendete zur Überraschung aller Tia grinsend.

„Sie hängt eindeutig zu viel mit uns ab", bestimmte Fred und sah Tia amüsiert an.

„Wir haben sie gut erzogen", grinste George und legte ebenfalls einen Arm um das Mädchen.

„Das dürft ihr nicht!", flüsterte Hermine aufgeregt, „Das dürft ihr wirklich nicht! Die würde sich nur über einen Grund freuen, euch rauszuwerfen!"

„Du kapierst es nicht, Hermine, oder?", fragte Fred und lächelte sie an, „Uns ist es inzwischen schnuppe, ob wir hier bleiben. Wir würden auf der Stelle abhauen, wenn wir nicht entschlossen wären, erst mal unseren Teil für Dumbledore zu tun. Also, jedenfalls", er sah auf seine Uhr, „Phase eins beginnt demnächst. An eurer Stelle würd ich in die Große Halle zum Mittagessen gehen, dann können die Lehrer sehen, dass ihr nichts damit zu tun habt."

„Womit zu tun?", fragte Hermine unsicher.

„Das wirst du sehen", erwiderte George, „Los, beeilt euch. Tia, du solltest mit ihnen gehen."

„So schnell willst du die Schule dann doch nicht verlassen, oder?", Fred klopfte ihr auf die Schulter.

„Macht sie für mich fertig", bat Tia die beiden und gab George noch ein schnelles Küsschen, bevor die beiden verschwanden.

„Tia", zischte Hermine und sah das Mädchen eindringlich an, „Du musst die beiden daran hindern! Umbridge wird sie hinauswerfen!"

„Das ist mir egal", Tia zuckte mit den Schultern, „Wenn du ehrlich bist, Hermine, dass siehst du selbst ein, dass Umbridge genau das verdient hat, oder nicht?"

„Du hättest sie daran hindern sollen, Montague da hinein zu schicken!", tadelte Hermine sie, „Das könnte sie in große Schwierigkeiten bringen!"

„Aber ich habe doch damit angefangen", lachte Tia belustigt auf und Hermine wich überrascht einen Schritt zurück, „Schule macht keinen Spaß, wenn uns Spaß verboten wird. Wenn ihr mich entschuldigt – ich will nicht mit ihrem nächsten Streich in Verbindung gebracht werden – Umbridge ist auf meinen Kopf aus, wie ich befürchte."

Sie drehte sich um und ging Richtung Große Halle, aber Hermine hielt sie noch einmal zurück: „Tia!"

Tia stockte und drehte sich lächelnd auf den Fersen herum.

„Warum machst du das?", fragte Hermine verwirrt, „Glaubst du wirklich, das ist das, was Remus will?"

„Hermine", begann Tia und plötzlich lächelte sie finster – etwas, das keiner der drei von ihr gewohnt war, „Ich habe es satt, dass man mich Schlammblutnennt, als wäre es mein Name. Mein Name ist Tia – nicht Halbblut, nicht Schlammblut– einfach nur Tia. Solange die Leute das nicht verstehen, bin ich nicht bereit dazu, kooperativ zu sein."

Sie drehte sich wieder um und ließ Hermine stehen, aber Hermine hatte nicht das Bedürfnis, sie aufzuhalten. Zum ersten Mal verstand sie das Mädchen tatsächlich und sie konnte ihr nicht widersprechen.

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