95. Kapitel
In Tias Kopf machte vieles schon lange keinen Sinn mehr. Sie verstand nicht, warum das Ministerium sich gegen Harry und Dumbledore stellte, sie verstand nicht, wie niemand bemerkte, dass Voldemort ganz offensichtlich wieder zurück war, sie verstand aber auch nicht, wie nach diesem Zeitungsbericht noch irgendjemand glauben konnte, dass alles in Ordnung in der Welt der Zauberer und Hexen war.
„Ich verstehe das nicht", äußerte sie ihre Gedanken laut und starrte auf den Artikel, den Katie ihr mit ernster Miene zugeschoben hatte.
MASSENFLUCH AUS ASKABAN
MINISTERIUM BEFÜRCHTET, BLACK KÖNNTE „MAGNET" FÜR VORMALIGE TODESSER SEIN
„Da gibt es nicht viel zu verstehen", schnaubte George offensichtlich aufgebracht, „Fudge verschließt noch immer seine Augen vor all dem und macht einfach nichts!"
„Gleich zehn von ihnen sind ausgebrochen", wisperte Leanne ängstlich, „Und dazu noch die schlimmsten der schlimmsten."
Tia musste ihr recht geben. Obwohl sie nicht in der Zaubererwelt aufgewachsen war, hatte sie schon von Todessern gehört – unter anderem vom Orden, ihrem Vater oder auch ihren Freunden, die sich verpflichtet fühlten, sie über alles aufzuklären, was man über Zauberei wissen musste. Sie trug ihre Brille und ihre Augen huschten über die Zeilen, als sie den unzufrieden stellenden Bericht las.
Das Zaubereiministerium gab gestern am späten Abend bekannt, dass es zu einer Massenflucht aus Askaban gekommen ist.
Zaubereiminister Cornelius Fudge bestätigt im Gespräch mit Reportern in seinem Privatbüro, dass zehn Hochsicherheitsgefangene gestern am frühen Abend ausgebrochen sind und er bereits den Premierminister der Muggel von dem gefährlichen Charakter dieser Personen unterrichtet hat.
„Wir befinden uns leider in der gleichen Lage wie vor zweieinhalb Jahren, als der Mörder Sirius Black geflohen ist", sagte Fudge gestern Abend. „Überdies sehen wir durchaus einen Zusammenhang zwischen den beiden Ausbrüchen.
Eine solche Massenflucht lässt auf Hilfe von außen schließen, und wir müssen uns erinnern, dass Black, als der Erste, der je aus Askaban entkommen ist, am besten in der Lage wäre, anderen zu helfen, in seine Fußstapfen zu treten. Wir halten es für wahrscheinlich, dass diese Personen, darunter Blacks Cousinen Bellatrix Lestrange und Agnolia Tripe, sich um ihren Führer geschart haben. Wir tun jedoch alles in unseren Kräften Stehende, um diese Kriminellen zu stellen, und wir bitte die magische Gemeinschaft, wachsam und vorsichtig zu bleiben. Auf keinen Fall sollte man sich einer dieser Personen nähern."
Darunter waren die Bilder der Ausgebrochenen und Tia sah sich jeden einzelnen an.
„Die hier sieht aus wie Agnes", bemerkte sie, als sie die hellen Locken und das schöne Gesicht von Agnes Tripe erkannte. Die Frau auf dem Bild Grinste spöttisch und allein dieser Blick ließ Tia unsicher fühlen und das war nur ein Zeitungsbild. Sie war sich sicher, dass in echt ein Blick dieser Frau reichen würde, um sie zu verunsichern und sich unbedeutend zu fühlen. Diese klugen Augen verrieten Tia, dass diese Todesserin um einiges gefährlicher war, als sie den Anschein machte und dazu kam noch die erschreckende Ähnlichkeit mit Agnes.
„Das ist Agnolia Tripe", erklärte George leise und Tia bemerkte, dass sogar der Name ähnlich klang – Agnes und Agnolia klangen sich sehr ähnlich. Und dazu noch derselbe Nachname – Tripe. Die beiden mussten irgendwie verwandt sein.
„Sie ist Agnes' Mutter", fügte George leise und nur für sie hörbar hinzu und erst jetzt fiel Tia wieder ein, dass sie das schon einmal gehört hatte. Sie hatte gewusst, dass Agnes' Eltern Todessern gewesen waren, aber dieses Bild zu sehen machte es nur noch realer und erschreckender.
„Oh nein", Tia sah sich um, um Agnes vielleicht zu erblicken, „Sie muss sich schrecklich fühlen."
„Ich glaube nicht, dass sie es schon weiß", meinte George leise, „Fred wollte nach ihr suchen, aber wahrscheinlich schläft sie noch."
Wie auf ein Stichwort kamen Agnes und Fred nebeneinander in die Große Halle. Fred sprach mit Agnes, aber diese schien zu abgelenkt, um ihn wirklich zu hören. Ihre klugen Augen, die wie auch die ihrer Mutter sehr kalkulierend und aufmerksam über die aufgeregten Schüler in der Großen Halle huschten, formten sich zu Schlitzen, als ihr offensichtlich auffiel, dass etwas nicht in Ordnung war.
Kurzerhand sah Tia dabei zu, wie sie einem Schüler die Zeitung aus der Hand riss und schnell las und Tia sah, wie sich ihr sowieso schon bleiches Gesicht noch bleicher färbte und sie riss ihre Augen erschrocken auf.
Plötzlich rannte sie los in Richtung Ravenclawtisch und sie machte sich nicht einmal die Umstände, die Tische zu umgehen, sondern sprang einfach über sie und warf dabei Schüler von den Bänken, die erschrocken zurückwischen und Essen vom Tisch.
Tia folgte ihrem Blick und am Ravenclawtisch war ein schwarzer Vogel – riesig und doch wunderschön.
„Wir sollten wohl nach ihr sehen", schlug George vor, der sich Sorgen um seine Freundin machte, „Agnes sieht nicht so aus, als hätte sie die Neuigkeiten positiv aufgenommen."
Tia und George eilten zum Ravenclawtisch und Tia wollte eine beruhigende Hand auf Agnes' Schulter legen, als diese plötzlich ihren Zauberstab zückte und mit einem stummen Zauber alle einige Meter zurückwarf – auch Tia.
Sie kam unsanft auf dem Boden auf, rappelte sich aber schnell wieder auf.
„Miss Tripe, was hat das zu bedeuten? Kein Zaubern ist auf den Gängen und in der großen Halle erlaubt – nachsitzen!", sagte Umbridge triumphierend, als sie von dem Chaos angezogen zu ihnen kam, obwohl jeder sehen konnte, dass gerade nicht der Moment war, um seine Macht zu demonstrieren. Agnes war panisch und das war nie gut – normalerweise war Agnes eher gefasst und kalkulierend, aber ihre Fähigkeit, rational zu denken schien sie wohl ausgeschaltet zu haben.
„Vernichten Sie sie!", schrie Agnes und zeigte mit zitternden Fingern auf eine schwarze Rose, die auf dem Ravenclawtisch lag. Tia wusste nicht genau, warum sie so ein Chaos wegen einer Blume machte, aber Agnes war klug – bestimmt hatte sie ihre Gründe.
„Ich bin mir sicher, Sie sind selbst in der Lage eine einfache Blume zu entsorgen!", spottete Umbridge, die wohl nicht wie Tia zu denken schien, sondern mit Agnes sprach, als wäre sie ein kleines Kind.
„Sie verstehen nicht!", widersprach ihr Agnes, „Diese Blume – sie ist verflucht! Das ist doch ihr Fach, oder nicht? Verteidigung gegen die dunklen Künste! Diese Blume kommt von meiner Mutter – ich weiß es, ganz bestimmt! Zerstören Sie sie!"
Wenn diese Blume wirklich von Agnes' Mutter war, dann hatte sie bestimmt ganz viele Gründe, die Blume zerstört zu sehen. Tia traute dieser kleinen, unschuldig wirkenden Blume tatsächlich sogar zu, dass sie tödlich war – immerhin traute sie Agnolia Tripe alles zu.
„Sie befehlen mir nicht!", zischte Umbridge zickig und Tia seufzte – warum konnte diese Frau nicht einmal nur nicht nur an sich denken, sondern an das Wohl der Schüler?
„Was ist hier los? Miss Tripe, was machen Sie für einen Aufstand –", McGonagall kam zu ihnen gestampft und ihr Blick fiel auf die schwarze Blume und sie stockte und verstand sofort: „Alle weg von der Blume! Es ist die schwarze Rose!"
Die schwarze Rose... Tia kannte diesen Ausdruck nicht, aber McGonagall war eine intelligente Frau und wenn diese sogar Angst vor dieser Blume hatte, dann hatte sie bestimmt ihre Gründe. Vorsichtshalber machte Tia einen Schritt zurück.
„Professor McGonagall, was hat das zu bedeuten?", fragte Umbridge sie.
„Keiner hat sie angefasst, oder?", fragte McGonagall, ohne Umbridge zu beachten und sah sich in der Reihe der Schüler um, aber offenbar hatte sie niemand angefasst.
„Professor, bitte zerstören Sie sie", bettelte Agnes schon beinahe panisch – Tia hatte das Mädchen noch nie so aufgelöst gesehen.
„Tretet zur Seite", befahl eine Stimme und die Autorität, die darin lag ließ sofort alle zur Seite springen. Dumbledore trat nach vorne und richtete seinen Zauberstab auf die Blume. Zuerst passierte nichts, aber dann löste sich etwas wie schwarze Tinte von der Blume und stieg in die Luft, bevor Dumbledore wieder seinen Zauberstab schwang und die Tinte wie ein Feuerwerk in der Luft zersprang.
„Mr Weasley, bringen Sie Miss Tripe in den Krankenflügel und schauen Sie darauf, dass Madam Pomfrey ihr ein Beruhigungsmittel gibt", befahl McGonagall dem Zwilling von George und dieser zögerte nicht, sondern nickte und führte Agnes von der Menge weg.
„Das verstehe ich auch nicht", gab Tia unsicher zu und nahm Georges Hand in die ihre, „Was hat das zu bedeuten?"
„Das bedeutet, dass es jetzt so richtig beginnt", meinte George finster, „Und das Ministerium ist noch keine Front, auf die wir uns verlassen können. Aber jetzt hat der Krieg begonnen."
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