91. Kapitel

Am letzten Tag vor den Ferien waren Fred, George und auch alle anderen Weasleys verschwunden, sowie auch Harry, aber Tia war noch nie wirklich die Art von Person gewesen, die neugierig herumfragte, wo sie waren. Bestimmt hatten sie alle miteinander ihre Gründe, warum sie am letzten Schultag vor den Ferien verschwanden.

Tia selbst hatte nur wenige Stunden, die sie brav absaß, bevor sie es sich mit einem Notizblock und Stift vor dem Kamin im Gemeinschaftsraum gemütlich machte und zeichnete. Mit Fred und George, die immer wieder ihre Hilfe bei ihrem Scherzartikelladen brauchten hatte sie in letzter Zeit immer weniger Zeit für sich gehabt, aber das war in Ordnung. Sie fühlte sich nicht direkt überfordert, immer unter Freunden zu sein, sondern empfand es sogar als angenehm.

„Da ist sie ja!", Leanne und Katie betraten zusammen den Gemeinschaftsraum und hatten wohl nach ihr gesucht. Tia sah von ihrer Arbeit auf und setzte ihre Brille ab.

„Hi", sagte sie nur, bevor sie ihren Skizzenblock zuklappte. Katie und Leanne setzten sich zu ihr und Leanne lehnte sich entspannt zurück.

„Ahh", seufzte sie zufrieden, „Endlich Ferien. Ich habe schon gedacht, Weihnachten würde nie kommen."

„Ich freue mich schon auf Morgen", gestand Katie und wurde rot, „Alicias Eltern haben mich eingeladen, die Ferien bei ihnen zu verbringen."

Nachdem Katie ihren Eltern gestanden hatte, dass sie kein Interesse an Jungen oder dem anderen Geschlecht hatte, war ihre Familie so großzügig gewesen und hatte sie prompt aus dem Haus verwiesen. Soweit Tia wusste, hatte Katie seitdem keinen Kontakt mehr mit ihnen gehabt, aber obwohl Tia wusste, dass es ihre Freundin manchmal störte, wenn andere über ihre Eltern sprachen, so wusste Tia auch tief im Inneren, dass es vielleicht besser so war. Katie fühlte sich nicht mehr so gestresst, perfekt zu sein – perfekte Noten zu schreiben, perfekt in der Schule zu sein und konnte sich auf die Dinge konzentrieren, die wichtig für sie waren. Ihre Freundinnen, Alicia und Quidditch. Das änderte natürlich nichts daran, dass Katie unter den drei Freundinnen wohl die beste in der Schule war, aber man merkte es daran, dass Katies oberste Priorität nicht mehr lernen und Hausaufgaben waren.

„Ich freue mich auf das Essen", gab Leanne verträumt zu und schaute in die Ferne, als könnte sie das Weihnachtsessen schon schmecken, „Meine Mom kocht zu Weihnachten immer ausgefallen. Vielleicht könnt ihr uns ja einmal besuchen kommen? Alicia ist natürlich auch eingeladen."

„Oh, ich weiß nicht", sagte Tia die Wahrheit, „Ich bin bei Remus und ich weiß nicht, ob sich das ausgeht." Sie sagte die Wahrheit – nur nicht die volle Wahrheit. Remus würde wahrscheinlich im Grimmaultplatz bleiben und Tia wusste nicht, ob es nicht zu viel Aufwand wäre, sie in den Ferien einmal zu Alicia zu bringen. Sie wollte auch keine Last darstellen, aber sie freute sich auch, dass Remus sich wenigstens ein bisschen Zeit für sie nahm. Natürlich verstand sie, dass er eine wichtige Aufgabe für den Orden erledigen musste, aber nachdem ihre Oma in Spanien war, hatte sie sonst nicht wirklich jemanden. Sirius würde auch da sein, aber auch ihm wollte Tia nicht die ganzen Ferien über auf die Nerven gehen.

„Wir schreiben uns einfach Briefe, wenn wir es wissen", schlug Katie vor und sah ihre Freundin so an, als wüsste sie ganz genau, was in ihrem Kopf vorging, obwohl das Tia bezweifelte. Die meiste Zeit war sie sich selbst nicht einmal sicher, was sie dachte.

Das Portrait schwang zur Seite und Tia erwartete einen Schüler, aber stattdessen war sie überrascht, als sie Professor McGonagall eintreten sah. Die Hauslehrerin kam selten in den Gemeinschaftsraum und deswegen war es ein seltener Anblick.

Ihr Blick glitt kurz durch den Gemeinschaftsraum, bis sie Tia erblickte – natürlich hatte sie genau sie gesucht.

„Miss Fuego", begrüßte McGonagall sie, als sie nähergekommen war.

„Professor", Tia stand auf und schaute sie verwirrt an, „Haben Sie nach mir gesucht?"

„Professor Dumbledore erwartet Sie in seinem Büro", meinte die Lehrerin und Tia warf Katie und Leanne einen fragenden Blick zu, aber die beiden schienen ebenfalls so überrascht und verwirrt, wie sie.

Okay?", es klang mehr wie eine Frage, aber Tia konnte ihrer Professorin nicht widersprechen und sie wusste, es war im Moment nicht der Moment für Fragen. Wahrscheinlich war es etwas über ihre Winterferien, die sie bei ihrem Vater verbringen würde oder auch etwas über den Orden und wenn das der Fall war, durften Katie und Leanne nichts davon wissen. „Wir sehen uns später", versprach Tia ihren beiden Freundinnen und folgte McGonagall aus dem Gemeinschaftsraum in Richtung Dumbledores Büro.

Das Passwort für sein Büro war Zischende Zauberdrops, aber Professor McGonagall ließ sie allein hochgehen, um noch andere Schüler zu suchen, wie sie erklärte und Tia machte sich langsam doch Sorgen. Was war, wenn ihrem Vater bei seinem Auftrag etwas passiert war? Sie würde das Dumbledore niemals verzeihen. Sie wusste, dass die Arbeit im Orden riskant war – besonders für Remus, der auch noch im Ministerium keine Unterstützung finden würde, aber doch konnte Tia nicht anders, als sich große Sorgen um ihren Vater zu machen. Es wäre alles Dumbledores Schuld, das wusste sie.

Tia ging die Treppen hoch in Dumbledores Büro. Sie war schon einmal dort gewesen und doch war sie im ersten Augenblick wieder erstaunt den Raum zu sehen. Sie fand ihn sehr beeindruckend und nahm sich vor, ihn später aus ihrer Erinnerung zu zeichnen, wenn sie das schaffte. Er hatte sie wohl schon erwartet, denn er saß an seinem Schreibtisch und sah auf, als sie schüchtern eintrat.

„Tara", er lächelte freundlich, aber irgendetwas in seinen Augen war sorgenvoll und sie hoffte noch mehr, dass dieses Gespräch nicht wegen ihrem Vater war. Alles andere wäre ihr egal, Hauptsache es ging Remus gut.

„Professor Dumbledore", Tia ging einige unsichere Schritte näher, „Sie... sie wollten mit mir sprechen?"

„In der Tat", mit einer Handbewegung winkte er sie näher, „Setz dich doch."

Tia war unsicher, aber sie tat, wie er gesagt hatte und setzte sich auf einen der drei vorbereiteten Stühle. Das letzte Mal, als sie im Büro gewesen war, war dort nur ein Stuhl gewesen, aber vielleicht kamen noch zwei andere für dieses Gespräch oder auch später.

„Worum geht es, Sir?", fragte Tia unsicher und betete im Inneren schon, dass es Remus gutging.

„Wir müssen noch auf Hermine und Agnes warten", erklärte Dumbledore geduldig, „Du wirst dich wohl noch einen Moment gedulden müssen."

„Oh", machte Tia und sie nahm diese neue Information als Anker für ihre Sicherheit, dass es Remus gutging, „Okay."

Sie schaffte sich, ein wenig zu entspannen und wartete geduldig, während sie sich in Dumbledores Büro neugierig umsah.

Dumbledore musterte sie interessiert. Vermutlich hätte jeder andere Schüler versucht, trotzdem Antworten herauszufinden und ihn mit Fragen durchlöchert, aber Tara nahm es einfach hin und stocherte nicht weiter. Aber Tara war auch nicht wie alle anderen Schüler, das wusste Dumbledore. Nicht nur, weil sie eine interessante Familiengeschichte hatte, sondern auch, weil Tara an sich schon immer anders gewesen war. Aber Dumbledore hatte gelernt, sie nicht zu unterschätzen. Im ersten Moment mochte sie vielleicht nicht so intelligent wirken, wie Hermine, Agnes oder auch ihr Vater, aber immer wieder überraschte Tara ihn mit Taten und Antworten, die man nicht von ihr erwartet hatte.

Dumbledore hatte sie als schüchtern eingeschätzt, aber doch hatte sich um das Mädchen herum eine Gruppe geformt, die Dumbledore mehr als beeindruckend fand. Einige der talentiertesten Hexen und Zauberer von Hogwarts waren jederzeit bereit für Tara zu kämpfen. Tara versammelte Leute um sich herum und verband sie – sie war der Leim, der sie zusammenhielt und so bildeten sie eine mächtige Gruppe innerhalb von Hogwarts, die sich gegenseitig unterstützte.

Natürlich wusste Dumbledore von Harry Potters geheime Gruppe – immerhin war er Dumbledore, aber Tias Freundesgruppe war anders – beinahe schon loyaler ihr gegenüber.

Es klopfte an der Bürotür und Dumbledore wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Hermine Granger das Büro betrat.

Sie sah weniger ruhig aus, als Tia und eilte sofort zum Schreibtisch von Dumbledore.

„Professor Dumbledore", sprach sie ihn sofort an, „Erfahren wir jetzt, wo Harry und die andere hin sind?"

Tia hatte gewusst, dass Hermine Granger kommen würde, als war sie nicht überrascht, die jüngere Schülerin zu sehen. Hermine war noch nie ein besonders großer Fan von ihr gewesen, das wusste Tia, aber wenn sie sie nicht gerade direkt angriff, hatte Tia nichts gegen die junge, talentierte Hexe. Immerhin war sie nicht nur Teil und einer der Gründerinnen von DA, sondern auch in den Orden des Phönix' eingeweiht, also musste Tia ihr vertrauen. Wenn sich Freunde zu misstrauen begannen, gab das nur noch mehr Angriffsfläche für den Feind, das wusste Tia und sie hoffte, Hermine würde das auch irgendwann erkennen und nicht alles, was sie machte kritisieren.

„Setz dich, Hermine", bot Dumbledore entspannt an und ignorierte ihre Frage. Hermine schnaubte unzufrieden, tat aber, wie ihr geheißen worden war.

„Wo sind Harry? Ron? Die Zwillinge?", fragte Hermine weiter, obwohl es offensichtlich war, dass Dumbledore noch keine Antworten geben würde.

„Wir warten noch auf Agnes Tripe", erklärte Dumbledore ruhig.

„Aber –", Hermine war noch nicht bereit, aufzugeben, aber Dumbledore unterbrach sie, indem er die Hand hob und das Mädchen verstummte sofort.

„Sie sind bald da", wollte Tia sie lächelnd beruhigen, „Agnes kommt schon die Treppen hoch – ich höre sie."

Hermine, die Tia noch gar nicht bemerkt hatte, zuckte zusammen und warf Tia einen überraschten Blick zu, der bald missbilligend wurde. Sie schnaubte und wandte sich schon beinahe demonstrativ von ihr ab, aber Tia machte das nichts aus. Hermine musste sie ja nicht mögen.

Tatsächlich klopfte kurz darauf jemand an der Tür, wie Tia prophezeit hatte und ohne auf eine Antwort von Dumbledore zu warten, traten Professor McGonagall gefolgt von Agnes Tripe ein.

Agnes sah wie immer müde aus. Unter ihren schönen eisblauen Augen waren dunkle Augenringe, ihre Wangen schienen eingefallen und sie ging vorsichtig – es erinnerte Tia ein wenig an ein Raubtier. Aber trotz allem fielen ihre weißblonden Locken noch immer wundervoll über ihre schmalen Schultern. Tia war schon immer ein wenig neidisch auf ihre Haare gewesen. Zwar schienen sie hin und wieder chaotisch verwirrt untereinander, wie die von Hermine, deren Haare buschig waren, aber Tia liebte diese Haarfarbe. Dieselbe Haarfarbe hatte auch dieser Slytherin-Junge, der sie immer wieder ärgerte – Malfoy und Tia meinte sich zu erinnern, dass Agnes und Malfoy tatsächlich irgendwie verwandt waren.

Seit Agnes in Hogwarts war, verzauberte sie ihr Gesicht auch immer so, dass man die Narben nicht sah, von denen Tia aber wusste, dass sie dort waren und dieser Zauber hatte natürlich Folgen – ihre Haut wirkte ein wenig wächsern und falsch, als hätte sie eine Maske auf, aber Tia war sich sicher, man sah das nur, wenn man genau hinsah.

„Setz dich doch, Agnes", bot Dumbledore an und deutete auf einen freien Stuhl.

Agnes' Blick fiel auf den freien Stuhl, der neben Tia ihrem stand und erst da schien ihr aufzufallen, dass Tia auch da war. Einen Moment wirkte sie verwirrt, aber dann ging sie vorsichtig zum Stuhl und setzte sich unsicher, als wüsste sie nicht, was sie erwarten würde, was sie vermutlich nicht tat.

Professor McGonagall verließ das Büro wieder wortlos und Tia fragte sich, ob wohl noch ein Schüler fehlte, aber Dumbledore begann zu sprechen: „Wie ihr vielleicht wisst, haben Harry und die Weasley-Kinder gestern Nacht das Schloss verlassen. Der Grund dafür war ein sonderbarer Traum von Harry, der sich leider als wahr herausstellte."

Das hatte Tia nicht gewusst, aber sie hatte auch nicht nachgefragt. Natürlich war ihr aufgefallen, dass sie alle fehlten, aber sie hatte sich nicht viel dabei gedacht, sondern hatte es einfach hingenommen.

„Was für ein Traum? Worum ging es darin?", fragte Hermine ungeduldig, aber Dumbledore ließ sich von ihr nicht beirren, sondern sprach genauso ruhig weiter: „Harry sah in seinem Traum, wie eine Schlange Arthur Weasley angriff und schwer verletzte."

Hermine sog scharf Luft ein und Tia runzelte besorgt die Stirn. Mr Weasley war freundlich gewesen, aber selbst, wenn er es nicht gewesen wäre, hätte Tia sich wohl Sorgen gemacht. Immerhin war es nie nett, wenn man angegriffen und verletzt wurde.

„Aber es war doch nur ein Traum... oder?", fragte Agnes verwirrt.

„Tatsächlich war es mehr als ein Traum", widersprach Dumbledore ihr, „Es war eine Art Vision, wie ich glaube aus dem Blickwinkel von Lord Voldemort."

„Seit wann ist der Dunkle Lord eine Schlange? Ist er ein Animagus?", hinterfragte Agnes, aber Dumbledore verneinte wieder: „Nein, nichts dergleichen ist er, obwohl er schon immer eine Verbindung zu Schlangen hatte."

„Wie schwer ist Mr Weasley verletzt?", fragte Tia ruhig und legte den Kopf schief.

„Molly und seine Kinder haben ihn heute besucht – er ist nicht mehr in Lebensgefahr und schon wach", beruhigte Dumbledore Tia und diese nickte erleichtert. Wenigstens irgendetwas. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn Mr Weasley es nicht geschafft hätte.

„Leider kann ich euch nicht erlauben, sofort abzureisen, wie den anderen – es würde zu viel Aufsehen erregen. Ihr werdet wie alle anderen Schüler morgen Vormittag mit dem Zug zurück nach London fahren und ich schlage vor, ihr nehmt den Fahrenden Ritter zum Grimmaultplatz", schlug Dumbledore ihnen vor und Tia legte den Kopf schief. Sie hatte schon vom Fahrenden Ritter gehört, war aber noch nie mit ihm gefahren.

„Ich befürchte, Sie haben beide Ihre letzte Stunde verpasst, aber verzeiht mir. Diese Informationen waren für euch beide wahrscheinlich wichtig – vielleicht sogar wichtiger, als eine letzte Schulstunde", entschuldigte sich Dumbledore, aber bei Tia hatte er gar keinen Grund gehabt – sie hatte gar keine Stunde mehr gehabt. Nachdem sie nur so wenige ZAGs bestanden hatte, musste sie auch nicht viele Stunden besuchen.

Die drei verließen zusammen das Büro, aber sie teilten sich schon bald darauf auf, um ihre Koffer zu packen. Agnes war eine Ravenclaw und musste in ihren eigenen Turm und Hermine schien kein Interesse daran zu haben, zusammen mit Tia zurück zu gehen und eilte voraus, um dem Mädchen wohl möglichst aus dem Weg zu gehen, aber Tia hatte es nicht eilig. Ihr Koffer war schon gepackt und alles war vorbereitet. Natürlich freute sie sich auf die Ferien, aber sie hatte gehofft, ihre Ferien anders starten zu können und nicht mit einer solch beunruhigenden Nachricht, aber tief im Inneren wusste sie, dass das erst der Anfang sein würde.

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