9. Kapitel

Beim ersten Quidditch-Spiel – Ravenclaw gegen Gryffindor war es Katie, die ihre Freundinnen zum Spiel schleppte, obwohl außer ihr es niemand sehen wollte. Katie war mit Quidditch aufgewachsen, aber Tia konnte damit nichts anfangen. Katie hatte ihr zwar einen Crashkurs gegeben, damit sie wenigstens wusste, welcher Ball wohin musste, aber ansonsten hatte sie noch nicht ganz den Sinn hinter einem solchen Spiel verstanden, aber bis jetzt war Tia kein sonderlich großer Sportfan gewesen, egal, ob es um Muggelsport oder Zauberersport ging.

Trotzdem schleppte Katie sie zusammen mit Leanne zum Spielfeld hinunter. Es war November geworden und der Winter kam mit großen Schritten näher. Man konnte den ersten Schnee schon beinahe in der Luft riechen, aber bis jetzt wehte nur ein eisiger Wind und es herrschte eine ewige Kälte.

„Ich glaube, ich spüre meine Hände jetzt schon nicht mehr", gestand Leanne, sobald sie kaum fünf Schritte aus dem wärmeren Schloss herausgetreten waren, „Müssen wir wirklich? Ich würde lieber im Gemeinschaftsraum eine Tasse Tee genießen. Jetzt, wo das Spiel ist, sind bestimmt die besten Plätze frei."

„Sei nicht so ein Jammerlappen", tadelte Katie sie, „Schau dir Tia an – sie jammert nicht herum."

„Weil meine Zunge schon ein Eiszapfen ist", nuschelte Tia, die sich schon in ihren Schal verkrochen hatte. Sie war in England geboren und aufgewachsen, was wohl nichts daran änderte, dass ihre Familie aus Spanien kam – dem warmen Spanien, in denen die Temperaturen nie so niedrig wurden, wie in England. Diese Gene hatte sie wohl übernommen, denn Kälte hatte sie noch nie gut vertragen, während sie bei der noch so großen Hitze trotzdem ohne zu schwitzen draußen bleiben konnte.

„Ihr seid alles solche Mimosen", schimpfte Katie, aber auch ihre Nase war schon rot und sie schniefte.

Beim Spielfeld hatten sich schon viele versammelt und Katie hatte sie zum Glück nicht schon lange vor Spielbeginn mitgeschleppt, sondern gewartet, bis es schon fast zu spät war, damit sie nicht lange unnötig der Kälte ausgesetzt waren, also standen die Ravenclaws schon bereit mit ihren Besen.

„Hier ist ein guter Platz", Katie führte sie zu einer Bank und sie kuschelten sich dicht beieinander, um möglichst die Kälte abzuhalten.

Lange mussten sie nicht auf das leere Spielfeld starren, denn schon bald trat das Gryffindorteam zu den Ravenclaws, die Besen in der Hand und vorneweg der Kapitän, wie Katie schon Länge Mal Breite erklärt hatte, Charlie Weasley.

Die Teams trafen sich in der Mitte und Charlie schüttelte Hände mit Crembley, dem Kapitän der Ravenclaws.

Madam Hooch, die Lehrerin für Besenflug und Schiedsrichterin bei den meisten Quidditchspielen ließ die Spieler auf ihre Besen steigen, wovor sie in ihre Pfeife blies und das Spiel begann.

Sofort waren alle Spieler in der Luft und Lee Jordan, der ein Jahr älter war, als Tia, sprach als Kommentator.

„Willkommen zum ersten Quidditch-Spiel der Saison! Es scheint spannend zu werden, wenn beide Teams haben viele Neuzugänge! Auf Seiten der Ravenclaws haben wir nicht nur zwei neue Jäger, Davies und Burrows, sondern auch eine brandneue Treiberin – ja genau! Eine weibliche Treiberin. Soweit ich weiß, kam dies zuletzt vor fünfzig Jahren im Ravenclawteam vor! Agnes Tripe sieht zwar nicht sonderlich stark aus, aber ich warne alle davor, sie zu unterschätzen!"

Tia verfolgte mit ihrem Blick die Ravenclaw-Treiberin, die tatsächlich im Gegensatz zu den anderen Spielern ziemlich klein war und vielleicht die Größe von Leanne zu haben schien, aber so hoch oben in der Luft war das schwer einzuschätzen.

„Dazu haben wir noch die alten Hasen des Ravenclaw-Teams – Page als Hüter, Inglebee als zweiten Treiber, Richard als Sucher und natürlich Crembley, Jäger und Teamkapitän! Auf der Gegnerseite ebenfalls viele Neuzugänge – Russell hat sich zwei wundervolle Jägerinnen als Mitspieler zugelegt – Johnson und Spinnet, und natürlich dürfen wir unsere neuen Treiber nicht vergessen – Fred und George Weasley, die Brüder von Sucher und Teamkapitän Weasley. Als Hüter immer noch Oliver Wood – lass dir dieses Jahr nicht sofort einen Klatscher gegen den Kopf werfen!"

„Jordan, konzentrieren Sie sich auf das Spiel!", erklang McGonagalls tadelnde Stimme und sofort gehorchte Lee Jordan.

„Gryffindor in Quaffelbesitz, Johnson fliegt damit quer über das Feld, aber – hoppala, das hat schmerzvoll ausgesehen! Tripe hat sie mit einem Klatscher erwischt – ich habe euch ja gesagt, ihr sollt sie nicht unterschätzen! Bis jetzt steht es noch null zu null, aber das wird sich bald ändern, denn Davies hat nun den Quaffel und – wow, Tripe wehrt einen Klatscher ab und Davies kann ungehindert weiterfliegen! Wood versucht zu halten – und er schafft es auch, aber oh, da steht schon Burrows und – dieses Mal ist der Quaffel im Ring und es steht zehn zu null für Ravenclaw!"

Die Ravenclaws jubelten, aber Katie fluchte neben Tia. Tia selbst verstand das Spiel nicht ganz, aber ihr war kalt und sie sehnte sich nach einer heißen Tasse Kakao mit Marshmallows und Sahne.

„Die beiden Weasleys können wirklich gar nichts", fluchte Katie, „Seht sie euch an! Wie konnten die überhaupt Treiber werden? Noch kein einziger Klatscher hat getroffen! Trefft endlich einmal! Ich will Blut sehen!"

„Warum kann ich keine normalen Freundinnen haben?", seufzte Leanne und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen – Tia war sich nicht sicher, ob sie ihr Gesicht nicht mehr zeigen wollte, oder ob sie eingeschlafen war.

Es folgten viele weitere Tore und Tia fiel auf, dass nicht die Zwillinge das Problem waren, sondern tatsächlich die neue Treiberin von Ravenclaw. Sie schien sich schon beinahe über das Spielfeld teleportieren zu können, denn sie schien immer genau dann bereit zu stehen, wenn ein Klatscher drohte, einen ihrer Mitspieler zu treffen.

Zusammen mit ihrem Partner, Inglebee, der mit seinen tödlichen Klatschern beinahe immer traf, waren die beiden ein wirklich gutes Team.

Das Spiel endete knapp. Charlie Weasley fing den Goldenen Schnatz, aber es reichte nicht ganz aus und es stand zum Schluss doch dreihundertsiebzig zu dreihundertfünfzig für Ravenclaw.

Die Gryffindors schienen froh zu sein, dass dieses Horror-Spiel endlich vorbei war und verließen mit hängenden Köpfen das Spielfeld, während die Ravenclaws noch jubelnd zurückblieben.

„So ein Mist", fluchte Katie, „Kein guter Start in die Saison."

„Hu?", Leanne schreckte auf, also hatte sie wohl wirklich geschlafen, „Was habe ich verpasst? Was ist passiert?"

„Wir haben verloren", klärte Katie sie kurz und knapp auf, „Gehen wir zurück ins Schloss, bevor ich noch ein paar Finger verliere."

„Davor verlierst du diesen Klumpen von einer Nase in deinem Gesicht", neckte Tia sie und Katie schlug ihr leicht in die Seite.

Zurück im Schloss wärmten sich die Freundinnen in der Großen Halle auf, bevor Tia losging, um irgendwoher heiße Schokolade zu besorgen. In einen ihrer nächtlichen Vollmond-Ausflüge durchs Schloss war sie tatsächlich auf die Küche gestoßen und sie holte gleich ein ganzes Tablett voller Tassen mit heißer Schokolade und das war auch gut so, denn als sie zurückkam, war das Quidditch-Team ebenfalls schon da und starrte eher unzufrieden und niedergeschlagen zu den jubelnden Ravenclaws hinüber.

„Meine Heldin!", freute sich Leanne und schnappte sich sofort eine heiße Schokolade und trank einen Schluck, seufzte zufrieden und lächelte breit.

Tia gab auch an Katie eine Tasse, bevor sie zum Team ging.

„Ich habe hier heiße Schokolade", sagte sie leise und schüchtern, „Wollt ihr auch welche?"

Charlie Weasley sah als erstes auf und lächelte.

„Für uns? Danke, es war wirklich kalt", er nahm ihr das Tablett ab und reichte die Tassen weiter. Tia sah, wie Fred und George betrübt etwas abseits saßen. Es war ungewöhnlich, die beiden mit langen Mienen zu sehen und es kam Tia schon beinahe falsch vor.

Während George auf seine Hände starrte, starrte Fred zu den Ravenclaws – genauer gesagt zu Tripe, der Treiberin.

Tia erhaschte einen Blick auf die hübsche, junge Schülerin, denn mit ihren langen, lockigen, weißblonden Haaren war sie kaum zu übersehen. Einige ihrer Mitspieler klopften ihr auf die Schulter und jubelten und feierten sie, aber obwohl Tia selbst eine Gryffindor war, musste sie doch zugeben, dass sie den Sieg verdient hatten.

Tia setzte sich wieder zu ihren Freudinnen, Katie hatte aufgehört, sich laut über das Spiel zu beschweren und trank nachdenklich ihren Kakao, während Leanne neben ihr versuchte, mit den Fingern die Marshmallows herauszufischen.

„Leute", plötzlich sah Katie auf und alle um sie herum schreckten zusammen, „Nächstes Jahr trete ich dem Team bei und dann war's das mit verlieren!"

„Endlich hat sie einen Traum!", rief Leanne erfreut auf, „Vielleicht hört sie jetzt auf, uns mit der Bibliothek zu quälen!"

„Oh, nein, das ist erst nächstes Jahr – bis dahin werde ich natürlich dafür sorgen, dass eure Hausaufgaben immer erledigt sind!", schwor Katie und die beiden stöhnten auf.

Währenddessen ging Charlie mit zwei Tassen heißer Schokolade zu seinen beiden Brüdern und setzte sich neben sie, aber keiner von beiden beachtete ihn.

„Hey", sagte er sanft, „Ihr müsst euch nicht die Schuld dafür geben – wir haben alle Tripe unterschätzt. Ich hätte niemals gedacht, dass sie wirklich alles abwehren würde, was ihr in die Quere kommt."

„Kein Grund, uns aufmuntern zu wollen", bemerkte George trocken, „Wir wissen selbst, dass wie heute Nieten waren."

Charlie war einen Moment lang ruhig, bevor er seufzte.

„Wenigstens seid ihr nicht von einem Klatscher erschlagen worden – wie Wood bei seinem ersten Spiel. Und ihr seid auf nicht vom Besen gefallen, wie ich bei meinem ersten Spiel. Es war euer erstes Spiel – kein Wunder also, dass es nicht so gelaufen ist, wie geplant, aber beim nächsten werdet ihr allen beweisen, was in euch steckt", erinnerte Charlie die beiden, bevor er die Tassen vor sie hinstellte.

„Woher hast du die? Bist du in die Küche eingebrochen oder hat Liza die dir besorgt?", fragte Fred überrascht.

„Weder noch", antwortete Charlie, „Diese kleine Gryffindor – ich glaube, sie heißt Tia hat sie fürs Team gebracht. Sie scheint nett zu sein, wenn sie nicht gerade die ganze Schule im Armdrücken besiegt."

„Tia Fuego?", hinterfragte George und sah sich um. Sein Blick fiel auf Tia, die zusammen mit ihren Freundinnen nicht weit von ihnen saß und ebenfalls Kakao trank.

„Wisst ihr – ihr beide schafft immer das Unmögliche", Charlie stand auf und legte jeweils eine Hand auf die Schulter seiner Brüder, „und ihr werdet es schaffen, jeden zu bezwingen, wenn ich das wollt. Ihr werdet Tripe besiegen und ihr werdet Tia auch noch irgendwann drankriegen. Ich glaube an euch, und ihr solltet dasselbe machen."

Mit diesen Worten ließ er seine Brüder in Ruhe und beide fühlten sich durch seine kleine Rede tatsächlich ein wenig besser.

Fred sah zu Agnes Tripe, dieser blonden Treiberin, während George nicht anders konnte als Tia Fuego dabei zuzusehen, wie sie mit ihren Freundinnen lachte und beide hofften, dass Charlie Recht behalten würde.

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