73. Kapitel
Beim Festessen am Ende des Jahres herrschte eine seltsame Stimmung, wie Tia fand. Die Halle war nicht festlich geschmückt, sondern für Cedric hingen schwarze Tücher dort, wo sonst die Farben des Siegerhauses hingen. Die Tücher erinnerten alle daran, dass ein Schüler gestorben war und das dämpfe die Stimmung noch einmal.
Es war ruhiger, als würde ein Schleier über allen liegen, die jeden Geräusch erstickten. Es herrschte auch keine festliche Stimmung, sondern eine ernste, getrübte.
Dumbledore erhob sich vorne beim Lehrertisch und es ging schneller als sonst, bis es komplett leise war damit er sprechen konnte – es war ja schon beinahe leise gewesen.
„Wieder einmal geht ein Jahr zu Ende", begann Dumbledore und ließ seinen Blick über die Tische schweifen, „Es gibt viel, was ich euch heute Abend sagen möchte, doch will ich zuerst daran erinnern, dass wir einen großartigen Menschen verloren haben, der hier unter uns sitzen und das Essen mit uns genießen sollte."
Dumbledore meinte natürlich Cedric und wies, um das zu unterstreichen noch einmal zum Hufflepufftisch, an dem Cedric eigentlich sitzen sollte und Tia fiel auf, dass dort die betrübteste Stimmung herrschte, „Ich möchte euch bitten, aufzustehen und die Gläser zu Ehren Cedric Diggorys zu erheben."
Tia sprang schnell auf und neben ihr erhoben sich George und Katie. Tia erhob ihren Kelch mit Kürbissaft und nahm sich diesen Moment wirklich, um an Cedric zu denken. Natürlich hatte sie ihn eigentlich nicht gekannt, aber sie fand es nutzlos, einen Toast für ihn auszusprechen, ohne wenigstens einen Moment an ihn zu denken. Das wäre in ihren Augen nicht ehrenhaft gewesen.
„Cedric war ein Mensch, der viele der Tugenden, welche das Haus Hufflepuff auszeichnet, in sich vereinte", fuhr Dumbledore fort, „Er war ein guter und treuer Freund, ein fleißiger Schüler, ein Mensch, der das Fairplay schätzte. Sein Tod hat euch alle berührt, ob ihr ihn gut kanntet oder nicht. Deshalb glaube ich, dass ihr das Recht habt, genau zu erfahren, wie es dazu kam."
Tia war neugierig. Sie hatte Gerüchte gehört, aber noch nie die ganze Geschichte oder auch nur etwas, dass in ihren Ohren als seriös klang.
„Cedric Diggory wurde von Lord Voldemort ermordet."
Tia kannte diesen Namen. Sie war zwar nicht mit den Geschichten aufgewachsen, wie Hexenkinder, aber in der Schule hatte sie so einiges von diesem dunklen Zauberer gehört. Neben ihr zuckte Katie erschrocken zusammen; Leanne konnte kaum einen Aufschrei unterdrücken.
„Das Zaubereiministerium wünscht nicht, dass ich euch dies sage", gab Dumbledore zu, „Vielleicht werden manche eurer Eltern entsetzt darüber sein – entweder weil sie nicht glauben wollen, dass Lord Voldemort zurückgekehrt ist, oder weil sie meinen, ich sollte es euch nicht sagen, weil ihr noch zu jung seid. Es ist jedoch meine Überzeugung, dass die Wahrheit immer der Lüge vorzuziehen ist und dass jeder Versuch, so zu tun, als wäre Cedric durch einen Unfall gestorben oder durch einen eigenen Fehler, eine Beleidigung seines Andenkens ist."
Tia nickte zustimmend, obwohl niemand in ihre Richtung sah. Es wäre eine Beleidigung, über den Tod von Cedric zu lügen. Sie fühlte sich generell beleidigt, wenn sie jemand belog – egal, ob es zu ihrem eigenen Schutz war oder nicht. Natürlich verzieh sie den meisten mit der Zeit, aber das bedeutete nicht, dass sie in diesem einen Moment nicht beleidigt war.
„Und noch jemand muss im Zusammenhang mit Cedrics Tod erwähnt werden", bestimmte Dumbledore, „Ich sprechen natürlich von Harry Potter."
Tia war sich nicht sicher, warum Dumbledore genau da Harry erwähnen musste. Immerhin hatte er schon genug Aufmerksamkeit und jetzt blickte auch noch jeder in seine Richtung – Tia schaute demonstrativ weiter auf Dumbledore.
„Harry Potter ist es gelungen, Lord Voldemort zu entkommen", berichtete Dumbledore und Tia war tatsächlich beeindruck – sie wusste nicht, wie Harry es geschafft hatte, aber die Tatsache allein war schon bemerkenswert, „Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt, um den toten Cedric nach Hogwarts zurückzubringen. Er hat Tapferkeit in jeder Hinsicht bewiesen, wie sie bislang nur wenige Zauberer im Angesicht von Lord Voldemort gezeigt haben, und dafür ehre ich ihn."
Dumbledore sah nun auch zu Harry und erhob seinen Kelch. Tia tat es ihm gleich, auch, wenn sie sich nicht sicher war, ob andere ihrem Beispiel folgten. Aber warum sollte sie negative Stimmung verbreiten, indem sie sich weigerte? War es nicht einfach nett, ein Zeichen der Freundlichkeit auszudrücken, ohne wirklich zu wissen, warum man freundlich ist? Zum Glück folgten viele Tias und Dumbledores Beispiel, also stand sie nicht als einzige in der Menge an Schülern – das wäre dann doch peinlich geworden, wie sie fand.
„Ziel des Trimagischen Turniers war es, das gegenseitige Verständnis unter den Magiern verschiedener Länder zu fördern. Im Lichte dessen, was geschehen ist – der Rückkehr Lord Voldemorts –, sind partnerschaftliche Bande wichtiger denn je."
Wieder schweifte Dumbledores Blick über die Schüler – über alle Schüler. Nicht nur Hogwartsschüler, sondern auch denen aus Beauxbatons und Durmstrang.
„Jeder Gast in der Halle, sollte er oder sie uns wieder einmal besuchen wollen, ist hier jederzeit willkommen. Ich sage es euch noch einmal – angesichts der Rückkehr Lord Voldemorts sind wir so stark, wie wir einig, und so schwach, wie wir gespalten sind." Dumbledore schaute jeden an und sprach damit jeden an – Freundschaften sind wichtiger, als Feindschaften. Tia konnte es nicht lassen, zu Vicky zu blicken, die überhaupt nicht betroffen von dem allem schien. Am Gryffindortisch war sie die einzige, die weder für Cedric noch für Harry den Kelch erhoben hatte.
„Lord Voldemort besitzt ein großes Talent, Zwietracht und Feindseligkeit zu verbreiten. Dem können wir nur entgegentreten, wenn wir ein nicht minder starkes Band der Freundschaft und des Vertrauens knüpfen. Unterschiede in Lebensweise und Sprache werden uns nicht im Geringsten stören, wenn unsere Ziele die gleichen sind und wir den anderen mit offenen Herzen begegnen."
Tia stellte sich an der Stelle vor, wie sie wirklich mit aufgeschnittener Brust auf jemanden zuging und beschloss, das lieber nicht wörtlich zu meinen – immerhin konnte das nach hinten losgehen und alles andere als einladend sein.
„Es ist meine Überzeugung – und noch nie habe ich so sehr gehofft, mich zu irren –, dass auf uns alle dunkle und schwere Zeiten zukommen. Manche von euch hier haben bereits spürbar unter der Hand Lord Voldemorts gelitten. Viele eurer Familien wurden entzweigerissen. Vor einer Woche wurde ein Schüler aus unserer Mitte genommen. Denkt an Cedric. Erinnert euch an ihn, wenn einmal die Zeit kommt, da ihr euch entscheiden müsst zwischen dem, was richtig ist, und dem, was bequem ist. Denkt daran, was einem Jungen, der gut und freundlich und mutig war, geschah, nur weil er Lord Voldemort in die Quere kam. Erinnert euch an Cedric Diggory."
Die Rede war sehr dramatisch gewesen und selbst beim Essen war es ruhiger und angespannter, als sonst. Tia und Leanne lieferten sich kein Wettessen, obwohl es herrlichen Schokokuchen gab, George und Fred rissen keine lauten Witze und verteilten nicht einmal ihre Scherzartikel.
Nach dem Essen wollte Tia hinauf, um ihren Koffer zu packen. Heute hatte sie ein Brief von ihrer abuelitaerreicht, der besagte, dass Carla sie vom Bahnsteig abholen würde und sie zusammen nach Hause fahren würde, aber sie noch etwas zu besprechen hatten. Tia hätte am liebsten nachgefragt, warum Remus nicht dort sein würde, aber dafür war keine Zeit mehr gewesen, also ließ sie sich überraschen.
„Tia?", rief jemand und Tia erkannte die Stimme als die von Fleur. Sie wusste nicht, woher die Französin ihren Namen kannte, immerhin hatte sie ihn ihr nie gesagt, aber bestimmt hatte Fleur ihre Wege.
Katie und Leanne sahen sie fragend an, aber Tia scheuchte sie weiter. „Wir treffen uns oben", versprach sie und wartete auf Fleur.
„Tia, gut, dass isch disch nosch einge'olt 'abe", Fleur lächelte freundlich, „Wie ge't es dir?"
„Oh", damit hatte Tia nicht gerechnet, „Eigentlich ganz gut... Und dir?"
Fleur beantwortete ihre Frage nicht und lehnte sich näher zu Tia. „'ast du jemanden gefunden, der 'inter die Fassade sie't?"
Tia erinnerte sich an das Gespräch, das sie mit Fleur beim Weihnachtsball gehabt hatte. Gerade, als Alicia mit ihr Schluss gemacht hatte, war Fleur da gewesen und hatte sie getröstet. Jetzt war sie mit George zusammen, von dem sie hoffte, dass er hinter die Fassade sah. Vielleicht hatte seine Mutter doch Recht und er mochte sie nur wegen ihrem Aussehen, aber das glaubte Tia nicht.
„Ich... ich denke schon", stammelte Tia und wurde etwas rot, „Und... und du?"
„Isch weiß noch nicht", Fleurs Augen glänzten schelmisch, „Isch 'abe nosch nischt mit ihm gesproschen, aber es fü'lt sisch rischtig an."
„Das ist ein gutes Zeichen", Tia lächelte. Jeder andere hätte es vermutlich als einen unschuldigen Crush abgestempelt, aber nicht Tia. Sie glaubte an so etwas wie Liebe auf den ersten Blick.
„Das von dir zu 'ören bedeutet mir viel", meinte Fleur, „Isch 'offe, wir se'en uns wieder. Isch zie'e nasch England um mein Englisch zu verbessern – vielleischt se'en wir uns einmal?"
„Das würde mich freuen!", Tia lächelte. Sie hatte nicht erwartet, dass Fleur noch so freundlich zu ihr sein würde, aber sie glaubte, dass viele Fleur unterschätzten, ähnlich wie sie es bei Tia taten. Für andere war Tia nur ein hübsches Gesicht, aber eigentlich war sie so viel mehr, aber keiner war bereit, das zu sehen. Nur wenige hatten sich die Mühe gemacht, um sie kennen zu lernen und für Tia waren diese Leute ihre wichtigsten Schätze."
„Einen schönen Sommer, Tia", wünschte Fleur ihr und küsste ihre Wangen. Tia lächelte – es fühlte sich so an, als wäre Fleur eine richtig gute Freundin von ihr und sie winkte Fleur noch, bevor sie in den Turm hinaufging.
Bei der Rückreise im Zug saß Tia bei Katie und Leanne. George und sie hatten ausgemacht, dass sie sich einmal während der stundenlangen Fahrt treffen würden, aber Tia wollte auch etwas Zeit mit ihren anderen Freunden verbringen und das verstand George, der selbst mit Fred und Lee noch einiges zu besprechen hatte.
Aber als Tia mit einem Haufen Schokolade und Süßigkeiten in den Armen auf den Rückweg in ihr eigenes Abteil war, wurde sie plötzlich in ein Abteil gezogen.
Es ging so schnell, dass sie nicht einmal aufschrie und verwirrt schaute sie Fred und George an, die sie breit angrinsten.
„Ihr habt ja wirklich Probleme", meinte sie kopfschüttelnd und aß eine Schokokugel.
„Was machst du so über den Sommer?", fragte George sie.
Tia zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Meistens bleiben meine abuelitaund ich einfach zu Hause – einmal sind wir nach Spanien, aber das ist schon länger her. Meine Oma mag es nicht wirklich, in der Öffentlichkeit viel Aufsehen zu erregen, weil... nun... sie mag es eben nicht... Warum fragst du?"
„Nun", George schaute zu Fred, „Vielleicht, wenn du nichts anderes zu tun hast, könntest du ja einige Zeit zu uns in den Fuchsbau kommen."
„Wirklich?", Tia war überrascht von dieser Einladung – besonders, da Mrs Weasley nicht sonderlich begeistert von ihr schien, „Habt... habt ihr das auch mit eurer Mutter abgesprochen?"
Die Zwillinge sahen sich schuldbewusst an und das war Antwort genug für Tia – Nein.
„Ich habe ja nichts gegen eure Mutter, aber... ich weiß nicht... das letzte Mal hat sie ein wenig... feinselig gewirkt", bemkerte Tia vorsichtig.
„Die kriegt sich schon wieder ein", winkte Fred ab.
„Sie ist nur überrascht gewesen, dass ich eine Freundin habe – ich habe ihr noch nichts davon erzählt", gestand George.
„Oh", machte Tia, aber sie glaubte trotzdem nicht wirklich daran.
Plötzlich hörte sie, wie vor dem Abteil drei Schüler vorbeigingen, die sich nicht gerade freundlich über Harry Potter unterhielten.
„Was ist?", fragte George, der ihren Blick sah, aber Tia öffnete die Abteiltür, damit die beiden ebenfalls mithören konnten und die drei sahen sich an.
„Folgen wir ihnen", bestimmte Fred und die anderen beiden nickten. Es war Zufall, dass George sich ein wenig vor Tia stellte, als würde er jederzeit einen Kampf erwarten, als sie die drei Viertklässler verfolgten. Einen von ihnen kannte Tia – Draco Malfoy, ein Schüler, der das Wort „Schlammblut" in ihrer Gegenwart verwendet hatte.
Tatsächlich schienen die drei etwas vorzuhaben, denn sie gingen direkt zu dem Abteil, indem Harry und seine Freunde saßen.
Tia hörte noch, wie Malfoy sagte: „Die sind die Ersten, die verschwinden, jetzt, wo der dunkle Lord zurück ist! Schlammblüter und Muggelfreunde zuerst! Und – zweitens – Diggory war der ver–"#
Fred und George richtete ihre Zauberstäbe auf das widerliche Wiesel, aber dieselbe Idee schienen Harry und seine Freunde im Abteil gehabt zu haben, die sie ja nicht sehen konnten und es endete in einem großen Feuerwerk aus Zaubersprüchen. Tia duckte sich schnell unter einem hinweg und entging somit, verhext zu werden, aber sie selbst hatte ihren Zauberstab nicht einmal gezückt mit dem Wissen, dass sie nicht gut in so einem Zeug war. Sie bevorzugte Zaubertränke.
Malfoy und seine beiden bulligen Lakaien lagen bewusstlos am Boden und versperrten den Weg ins Abteil, aber nachdem Fred und George einfach über sie hinwegschritten, tat es Tia ihnen gleich und sprang über die Körper.
„Dachten, wir schauen mal nach, was diese drei so vorhaben", meinte Fred, als er über einen der Jungen stieg.
„Interessante Wirkung", meinte George mit einem Blick auf den anderen, „Wer hat den Furunkulus-Fluch genommen?"
„Ich", meldete sich Harry.
„Seltsam", George schmunzelte, „Ich hab Wabbelbein genommen. Sieht aus, als sollte man die beiden nicht mischen. Dem sprießen ja kleine Tentakel aus dem Gesicht. Und hört mal, wir wollen sie nicht hier drinlassen, die passen doch nicht zum Ambiente."
„Außerdem stinken sie ein wenig", meinte Tia und half, indem sie einen der größeren Jungen ohne größere Schwierigkeiten aus dem Abteil trug, während Fred und George den anderen zu zweit anpacken mussten, während Harry, Ron und Hermine Malfoy hinausrollten.
„Du bist wirklich stark", bemerkte Ron mit einem verwirrten Blick auf Tia, als hätte er ihr nicht zugetraut, dass sie das konnte. Warum sollte er auch – Tia sah nicht sonderlich stark aus.
„Ich glaube, ich gehe wieder zurück zu Katie und Leanne", meinte Tia, als sie bemerkte, dass auch Hermine einen ähnlichen Blick wie Mrs Weasley in ihre Richtung warf – als könnte sie nicht glauben, dass hinter Schönheit auch Charakter stecken konnte.
„Wir sehen uns noch beim Bahnsteig, oder?", fragte George hoffnungsvoll und Tia nickte.
„Klar doch – also... das hoffe ich. Meine abuelitahat geschrieben, dass wir es eilig haben werden."
Tia gab George noch ein Küsschen und verschwand dann. Ron schmollte und schaute seinen älteren Bruder beinahe schon beleidigt an.
„Ich kann es immer noch nicht fassen, wie du dir jemanden wie sie verdient hast", maulte er.
George zuckte mit den Achseln. „Scheint mein natürlicher Charme zu sein", seufzte George dramatisch, „Es ist eine Gabe und ein Fluch."
„Halt doch die Klappe", maulte Ron und das Thema war damit beendet.
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