72. Kapitel
Sobald der Zug stand, sprang Tia schon leichtfüßig aus dem Wagon, den schweren Koffer in der Hand, als wäre er federleicht. Sie schaute sich um und sah eine Menge Eltern und Familien, die ebenfalls auf ihre Kinder warteten, aber Tia roch ihre abuelita, bevor sie sie sah.
„Querida!", Carla winkte ihr über die Köpfe hinweg zu und Tia wollte sofort in ihre Richtung gehen, aber Katie und Leanne hielten sie noch zurück.
„Haust du einfach ab, ohne Tschüss zu sagen?", fragte Katie grinsend.
„Natürlich nicht", Tia stellte ihren Koffer ab und umarmte ihre beiden Freundinnen. „Passt auf euch auf", bat sie sie leise. Gefährliche Zeiten standen ihnen bevor und Tia wollte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn sie ihre beiden Freundinnen verlor. Das konnte genauso leicht passieren, wie Cedric gestorben war.
„Natürlich – du aber auch", meinte Leanne und sie lächelte zwar, sah aber doch besorgt aus, „Du lebst ein gefährliches Leben, auch wenn die meisten das vergessen zu scheinen."
Tia war sich nicht sicher, ob Leanne wirklich darauf anspielte, aber Tia meinte, dass ihre Freundin ihr gemischtes Blut ansprach. Mit einer Veela und einem Werwolf im Familienstammbaum, sowie einer Menge Muggel stand Tia beinahe schon als erstes auf der Abschussliste von Leuten, die die Todesser aus dem Weg haben wollten. Tia wusste das ganz genau, aber sie sprach es nicht laut aus.
„Natürlich", versprach sie ihnen, „Wir sehen uns im Herbst wieder."
„Pass auf dich auf", bat Katie sie noch einmal. Tia hob wieder ihren Koffer auf, aber wieder wurde sie aufgehalten.
„Hey! Tia!", George kam auf sie zu, nachdem er gerade erst aus dem Zug stieg. Tia wartete geduldig auf ihn und im Augenwinkel sah sie, wie ihre Großmutter die beiden lächelnd ansah.
„Da bist du ja", Tia lächelte, als er bei ihr ankam, „Ich habe mich schon gefragt, ob ihr beide doch noch vom Zug gesprungen seid."
„Ich lasse dich doch nicht einfach so in den Sommergehen, ohne auf Wiedersehen zu sagen", meinte George und Tia wurde rot, als er sie vor allen Leuten kurz küsste.
„Willst... willst du meine abuelitanoch schnell kennenlernen?", fragte Tia und zeigte in Richtung von Carla.
„Ich glaube, wir haben uns schon einmal kurz gesehen – vor Jahren", erinnerte sich George, „Aber... ich glaubte, nachdem du meine Mutter überlebt hast, muss ich das wohl hinter mich bringen."
„Musst du", stimmte Tia ihm zu und nahm ihren Koffer in die eine Hand, Georges Hand in die andere und schleppte beides zu ihrer Großmutter, die ihnen entgegenkam.
„Abuelita, du kennst doch noch George?", stellte Tia ihn kurz vor.
„Aber natürlich doch – George Weasley", Carla reagierte um einiges freundlicher auf George, als Mrs Weasley auf Tia, „Tia hat mir viel über dich erzählt – und geschrieben. Es freut mich, dass ihre beide jetzt zusammen seid!"
„Oh... ähm", George wusste nicht ganz, was er darauf antworten sollte. Carla war eine Frau, die trotz ihres Alters kaum an Schönheit verloren hatte und wegen ihres Alters wie eine vornehme Dame wirkte, vor der George sich keinen Fehler erlauben wollte, obwohl sie ihn so freundlich ansah, dass er Tia in ihr wiedersah – bestimmt würde sie ihm viel verzeihen. Aber doch verlangte Carla mit ihrer Aura einen gewissen Gehorsam.
„Oh, wo ist die Zeit geblieben", Carla schaute auf ihre Uhr, „Ich würde mich ja noch furchtbar gerne mit dir unterhalten, George, aber Tia und ich müssen nach Hause. Dein Vater erwartet uns schon, Tia."
Bei der Erwähnung ihres Vaters hellte sich Tias Gesicht auf und George hoffte, er würde ihn auch einmal kennenlernen. Es schien so, als würde Tia ihn wirklich mögen.
„Warum ist er nicht mitgekommen?", fragte Tia verwirrt und legte den Kopf schief.
„Er wollte den Hund nicht allein lassen", erklärte Carla und verdrehte die Augen, aber sie lächelte liebevoll und Tia verstand, dass sie von Sirius sprach und nickte.
„Ja, dann", meinte Tia, „Wir sehen uns."
„Hoffentlich noch im Sommer", meinte George hoffnungsvoll und Tia küsste ihm noch auf die Wange, bevor sie mit ihrer Großmutter den Bahnsteig verließ.
Sie fuhren nach Hause und sobald Carla den Motor ihres Autos abgestellt hatte, sprang Tia schon heraus und rannte zum Haus. Carla sah ihr lächelnd hinterher und folgte ihr kopfschüttelnd.
Tia riss die Haustür auf und dort stand schon Remus, der sie schon gehört hatte und hinter ihm war Sirius in seiner menschlichen Gestalt.
„Remus!", Tia hatte sich so darauf gefreut, ihn wiederzusehen und jetzt ließ sie ihren Koffer einfach fallen und rannte auf ihn zu. Dieser breitete seine Arme aus, um seine Tochter in Empfang zu nehmen und fest zu drücken.
„Ihr seid ja richtig niedlich", kommentierte Sirius die Szene, als er im nächsten Moment von Tia in die Umarmung gezogen wurde.
Carla sperrte hinter sie die Tür zu und schaute lächelnd die drei an, während sie begann, die Vorhänge zu verschließen.
„Komm doch auch in die Umarmung", bot Remus ihr an und hielt die Arme auf, aber Carla schüttelte den Kopf.
„Ich habe meine Enkelin schon umarmt – jetzt seid ihr an der Reihe", lehnte sie ab.
„Ich habe euch vermisst", gestand Tia und ließ die beiden Männer los.
„Wir haben viel zu besprechen", Remus lächelte zwar, aber in seinen Augen sah Tia, dass dieses Gespräch wirklich ernst war, „Gehen wir doch in die Küche."
Carla bereitete Tee vor und stellte die Kanne mit Tassen auf den Tisch. Tia schaute zwischen Sirius, ihrem Vater und ihrer Oma hin und her, um eventuell zu erraten, um was es ging, aber sie hatte keine Ahnung. Bestimmt hatte es etwas damit zu tun, was während dem Turnier passiert war – das mit Voldemort, aber sie war sich nicht sicher.
Als alle Platz genommen hatten, sahen sich Carla und Remus an und schienen eine stumme Unterhaltung zu führen. In der Zeit, seit Remus offiziell Tias Vater war, waren sich die beiden nähergekommen und nun waren sie wirklich Schwiegersohn und Schwiegermutter, obwohl Tia sie eher als Mutter und Sohn beschrieben hätte.
„Ihr könnt es mir einfach sagen", sprach Tia schließlich, „Ich kann keine Gedanken lesen und wir verschwenden hier unsere Zeit, wenn ihr es mir weiterhin einfach verschweigt."
„Stimmt", Remus räusperte sich, „Deine Großmutter sollte das dir wohl sagen."
Tia schaute Carla erwartungsvoll an, die ihre Enkelin ansah und in ihren Augen sah sie Trauer. „Tia", begann Carla vorsichtig, „Ich werde umziehen."
„Oh", machte Tia verwirrt, „Warum? Gefällt es dir hier nicht mehr? Wohin ziehen wir?"
„Nein, Tia", Carla schüttelte sanft den Kopf, griff über den Tisch hinweg und nahm Tias Hand, „Ichwerde allein umziehen."
Nun war Tia noch verwirrter. Warum zog Carla allein um? Sie war doch nicht etwa krank. Das hätte ihre Großmutter ihr bestimmt gesagt.
„Und... warum?", fragte Tia und runzelte die Stirn.
„Du weißt doch, was passiert ist", sagte nun Remus ernst, „Voldemort ist zurück und ich sage es nicht gerne, aber du bist gefährdet."
„Aber ich bin doch keine Gefahr für meine abuelita", stellte Tia klar.
„Nein, das bist du nicht", stimmte Carla ihr zu, „Aber andere Leute. Gefährliche Leute."
„Und warum ziehst du deswegen um?", fragte Tia verwirrt.
„Ich werde nach Spanien ziehen – zurück nach Barcelona", gab Carla zu und Tia war erschrocken, wie weit weg ihre Großmutter dann leben würde. Spanien war dann doch ziemlich weit weg.
„Oh", machte sie, „Und... und ich?"
„Du bleibst bei mir", bot Remus ihr an, „Also... wenn du das willst."
Natürlich wollte Tia das – sie liebte ihren Vater, aber sie liebte auch ihre Großmutter.
„Aber... aber wann werden wir uns wiedersehen?", fragte Tia an ihre Oma gerichtet.
Carla und Remus sahen sich an. „Das wissen wir noch nicht", gab Carla zu.
„Wenn der Krieg vorbei ist", schlug Remus sanft vor, „Wenn alles wieder friedlich wird..."
Tia verstand. Es konnte sein, dass sie ihre Großmutter nie wiedersah. Es konnte sein, dass irgendetwas schief lief und dass letztendlich das hier das letzte Mal sein würde, dass sie ihre abuelita sah. Das letzte Mal, dass sie die Frau sehen würde, die sie aufgezogen hatte, die lange Zeit die einzige Person gewesen war, der sie vertraut hatte. Nun hatte sie zwar Freunde und Remus, aber Carla blieb doch ihre Großmutter, die schon immer für sie dagewesen war, selbst, als es sonst niemand getan hatte.
Aber Tia weinte nicht. Sie schrie auch nicht herum oder beschwerte sich. Sie wusste, dass das das beste war. Sie wollte ihre Großmutter nicht in Gefahr bringen, wollte sie in Sicherheit wissen und wenn das bedeutete, dass sie nach Spanien ging, dann war das eben so.
„Ich werde dich vermissen", gestand Tia und drückte Carlas Hand.
„Oh, Querida", seufzte Carla, „Wie könnte ich dich nicht vermissen. Aber wir sehen uns wieder. Ende dieser Woche geht mein Flug."
Tia er erschrocken darüber, wie schnell das schon sein würde, aber je eher, desto besser.
„Wir werden dieses Haus behalten", versprach Carla ihr, „Es gehört mir, Remus und dir und allen, die darin Zuflucht suchen. Remus hat versprochen, es mit Zauber zu schützen, aber..."
„Dumbledore versammelt Leute in Sirius' altem Haus", erzählte Remus und Tia sah, dass Sirius dabei das Gesicht verzog, also war sein altes Haus wohl nicht so toll, „Er will so viele wie möglich auf einem Haufen haben. Einige andere Leute werden ebenfalls dort leben und wir beide auch."
Tia hatte gelernt, nie zu viel zu erwarten und nachdem Sirius so unzufrieden aussah, hieß das wohl, dass das Haus grauenvoll war, immerhin hatte Sirius schon in einer Höhle gelebt und sich nicht beschwert.
„Okay", meinte Tia und die drei Erwachsenen sahen sie an, als würden sie mehr von ihr erwarten, aber das tat es nicht.
„Nun...", meinte Remus, „Das... das ist zwar nicht direkt das, was wir erwartet haben..."
„Ich bin mir nicht sicher, was ihr von mir erwartet", gab Tia zu, „Ich... ich weiß nicht, warum ich mich beschweren sollte. Solange du in Sicherheit bist..."
Carla lächelte ihre Enkelin an.
„Wir schreiben uns weiterhin Briefe", versprach Carla, „Und du wirst sehen – schneller, als du denkst, treffen wir uns wieder.
„Ich hätte nur gehofft, dass –", Tia zögerte. Sie wollte nicht quengelig wirken, immerhin zogen schlechte Zeiten unangenehme Situationen mit sich, aber trotz allem war Tia ein fünfzehnjähriges Mädchen, das ihre Großmutter verließ. „Ich habe nur gehofft, dass wir ein wenig mehr Zeit miteinander verbringen würden, nachdem ich über Weihnachten nicht zu Hause war, aber... aber das ist okay."
„Oh, querida", seufzte Carla, „Ich habe das natürlich auch gehofft, aber leider ist das nicht möglich. Glaube mir, ich habe schon alles andere versucht. Ich habe Professor Dumbledore und Professor McGonagall angeschrieben, ob ich nicht bei dir bleiben könnte oder wenigstens in England, aber ich habe gehört, dass diese... diese Todesser schon stärkere Zauber gelöst haben und schon vorher in Häuser von Zauberern eingebrochen sind. Die Gefahr ist zu groß und ich will euch alles so wenig Sorgen machen, wie möglich. In Spanien bin ich sicher – in meiner Heimat wird es mir gut gehen und sobald das alles vorbei ist, komme ich zurück zu dir."
„Ich werde dich vermissen", Tia umarmte ihre Großmutter fest und Carla umarmte sie zurück.
Remus betrachtete die beiden mit schmerzendem Herzen. Das hier war nur ein kleiner Verlust im Gegensatz zu dem, was ihnen noch bevorstehen konnte. Im ersten Zaubererkrieg gegen Voldemort war der Orden des Phönix gejagt worden und nacheinander hatten die Todesser sie aufgespürt und getötet. Manchmal hatte man nicht einmal mehr Leichen gefunden.
Remus hoffte so sehr, dass dieses Schicksal Tia nicht bevorstand und er versprach sich, dass er alles tun würde, damit Tia sicher aus dem Krieg zurückkehren würde, damit sie ihre Großmutter wiedersehen würde – alles...
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