7. Kapitel

Die erste Schulwoche verging schneller, als gedacht. Der Unterricht hielt Tia auf Trab und obwohl sie noch nicht wirklich viel gelernt hatte, bemerkte sie schon jetzt, dass es schwierig sein würde, in jedem Unterricht ihre Hausaufgaben zu bringen.

Am Freitag saß sie zusammen mit Katie am Frühstückstisch, während Leanne noch im Schlafsaal war sich umziehen.

Plötzlich kamen viele Eulen in die Große Halle und tatsächlich flog ein großer Kauz direkt auf Katie und Tia zu.

„Oh, das ist unsere Familieneule!", freute Katie sich und nahm den Brief endgegen.

Tia gab ihr kurz Zeit, ihn zu lesen, bevor sie fragte: „Was schreiben sie?"

„Dad schreibt, dass er mich vermisst – jetzt ist niemand mehr zu Hause, mit dem er Quidditch spielen kann und Mom findet, dass es leise geworden ist, nachdem ich nicht mehr dauerhaft die Treppen hinunter trampele – als ob ich trampeln würde!", schnaubte Katie.

„Du trampelst wirklich – wie eine Elefantenherde!", stimmte Tia Katies Eltern zu.

„Wow, danke, Tia", meinte Katie trocken, „Ich weiß dein Lob zu schätzen."

Tia war gar nicht aufgefallen, dass noch eine Eule bei ihnen gelandet war, die die beiden neugierig und ein wenig ungeduldig ansah.

„Oh, meine abuelitahat geschrieben!", freute Tia sich und bemerkte ein ziemlich großes Paket, das an die Beine der Eule gebunden worden war.

„Die arme Eule", lachte Katie, „Das sieht wirklich schwer aus."

Die Eule warf Katie einen bösen Blick zu, als hätte sie ganz genau verstanden, was sie gesagt hatte.

„Sag so etwas nicht", tadelte Tia ihre Freundin und streichelte die Eule ein paar Mal über den Rücken und gab ihr einige Nüsse vom Frühstück zu Essen, die die Eule dankbar annahm, bevor sie sich auch noch an Katies Schinkenbrot bediente. Katie wollte sich beschweren, aber Tia hielt sie zurück und band das Paket los.

Sobald sie frei war, verschwand die Eule mit einem Schinken im Schnabel wieder, als hätte sie Angst, dass sie mit einem anderen Paket zurückgeschickt werden könnte.

„Mach schon auf!", drängte Katie sie und schnell löste Tia das Band, das um das Päckchen gebunden war und riss das Papier auf.

„Gewürze?", fragte Katie verwundert, als das erste Geschenk zum Vorschein kam, aber Tia freute sich wirklich enorm darüber. Sie hatte ihrer Großmutter geschrieben, dass das Essen eher fad gewürzt war und sofort hatte ihre Oma natürlich ein Päckchen mit ihren Gewürzen geschickt. Endlich würde das Essen nach etwas schmecken.

„Schokolade!", schwärmte Katie, als sie weiter in dem Paket wühlte, „Ab jetzt liebe ich deine Oma!"

„Pass auf – sie könnte mit Chili sein!", warnte Tia ihre Freundin, die sie fassungslos ansah.

„Warum sollte man auch noch scharfe Schokolade essen?", fragte Katie sie, aber Tia zuckte nur mit den Schultern.

Ihre abuelita wusste natürlich auch, wie sehr ihre Enkelin Schokolade vergötterte und hatte geschwind auch einige Tafeln Schokolade dazugelegt. Tatsächlich war eine von ihnen eine dunkle Schokolade mit Chiliflocken darin, aber die anderen waren ganz normale Schokoladen, also gab Tia Katie gerne ein Stück ab.

„Was schreibt deine ablita?", fragte Katie und Tia lächelte in sich hinein.

„Katie, es heißt abuelita, nicht ablita", korrigierte sie ihre Freundin, „Und sie schreibt, dass sie zwar von den meisten Sachen keine Ahnung hat, von denen ich schreibe, aber sie freut sich, dass ich in Gryffindor bin und schon Freunde gefunden habe."

„Irgendwann muss ich deine abuelita kennenlernen", beschloss Katie, „Sie klingt wirklich nett – außerdem schickt sie dir Schokolade!"

„Sie kennt mich eben am besten", seufzte Tia, die ihre abuelitadoch ziemlich vermisste, aber in Hogwarts war sie auch glücklich.

Als Katie und Leanne bemerkt hatten, dass Tia wirklich spanisch sprach und nicht nur einen spanischen Namen hatte, waren sie vollkommen aus dem Häuschen gewesen und hatten erst einmal einen Abend damit verbracht, sie alle möglichen Wörter auf spanisch sagen zu lassen, was Vicky wirklich gestört hat, die wieder einmal schon um acht schlafen gehen wollte.

Für Tia war es schon immer ganz normal gewesen, nicht nur Englisch und Spanisch zu lernen, sondern auch noch beide Sprachen zu vermischen, wie sie es mit ihrer Großmutter tat. Es dauerte nicht lange, bis sie bemerkte, dass nicht alle Leute zweisprachig waren und sie nicht verstanden, wenn sie so sprach, aber es war schwer, sich solche Angewohnheiten abzugewöhnen.

Dazu kamen noch die spanischen Bücher, die Tia mitgenommen hatte, von denen besonders Katie beeindruckt war und sie hatte versucht, daraus zu lesen – es war seltsam für Tia, wenn jemand anderer in spanisch vorlas.

Leanne konnte auch nicht glauben, dass sich ihre Fotos nicht bewegten, wie es ihre taten, die sie über dem Bett befestigt hatten. Tia hatte Fotos von sich und ihrer Großmutter mitgenommen, was bei den anderen Mädchen die Frage aufwarf, wo denn ihre Eltern waren. Tia hatte diese Frage einfach ignoriert und schnell das Thema gewechselt.

Während Leanne eher unmotiviert war, was Unterricht anging, war Katie genau das Gegenteil. Sie hatte die Fähigkeit, sich für alles zu interessieren und brachte es sogar so weit, Tia in die Bibliothek mitzuschleppen, nachdem Leanne hoch und heilig geschworen hatte, dass sie unbedingt woanders sein mussten.

Tia musste aber zugeben, dass sie selbst noch einen Aufsatz für Verteidigung gegen die dunklen Künste schreiben musste. Ihr Professor, Professor Nogard war eine seltsame Person, die Tia irgendwie an eine Echse erinnerte. Er war groß mit einem langen Hals und großen Händen. Dazu hatte er noch eine Vorliebe für Drachenhaut-Kleidung – Anzüge, Mäntel, T-Shirts, scheinbar alle seine Kleider bis zu seinen Schuhen schienen aus Drachenhaut zu bestehen. Tia hatte gehört, dass ihr Vertrauensschüler, Charlie deswegen schon einmal in Tränen ausgebrochen ist, aber es könnten auch nur Gerüchte sein.

Dazu war er noch ziemlich seltsam zu weiblichen Personen – nicht nur zu Lehrerinnen (und auch nicht nur zu jungen, gutaussehenden Lehrerinnen; Katie schwor, dass sie ihn einmal dabei erwischt hatte, wie er mit der Bibliothekarin, Madam Pince geflirtet hatte), sondern auch zu Schülerinnen. Dabei machte er keinen Unterschied, ob sie Siebtklässlerinnen oder Erstklässlerinnen waren – immer versuchte er sie wohl zu beeindrucken.

Schnell hatten die Schülerinnen in Tias Klasse – also die Mädchen von Gryffindor und Ravenclaw gelernt, dass sie sich am besten eng beieinander setzen mussten, um einschüchternder zu wirken und es war wohl die einzige Stunde, in denen die Mädchen wirklich zusammenhielten und selbst Vicky nichts dagegen hatte, neben Tia zu sitzen.

Professor Nogard war dazu noch vollkommen fasziniert von Veela, wundersamer Frauen mit silbernen Haaren, die allein mit ihren Aussehen Männer verzaubern konnten. Professor Nogard versicherte ihnen allen, dass er, sobald er auf eine Veela treffen würde, seine Karriere an den Nagel hängen würde und ihr überall hin folgen würde.

Tia hatte sich noch nie so gewünscht, dass eine Stunde schneller vorrübergehen würde.

Das Positive an seiner fanatischen Vorliebe für Drachenhaut und Veela war, dass sie nur Aufsätze über genau diese Themen schreiben mussten und beides war nicht sonderlich schwer, da sich nicht nur im Lehrbuch, sondern auch in anderen Büchern in der Bibliothek unzähliges Wissen über beides zu finden war.

Seufzend schlug Tia ihr Buch zu und sah auf ihre Uhr. Es kam ihr so vor, als wäre sie schon eine halbe Ewigkeit in der Bibliothek – eigentlich waren es kaum zehn Minuten gewesen.

„Jetzt schon genervt?", fragte Katie, ohne von ihrem eigenen Aufsatz aufzusehen.

Ein weiteres Problem, das sich aber erst in der Schule so richtig bemerkbar gemacht hatte, war, dass Tia nicht lange stillsitzen konnte und wollte, wenn sie bei einem Thema gelangweilt war, was so ziemlich immer vorkam. Es war nicht direkt so, als würde sie die Zaubererwelt nicht interessieren, aber irgendwie fand sie die ganze trockene Theorie einschläfernd. Ihre Großmutter hatte, als sie sie zu Hause unterrichtet hatte, darüber hinweggesehen und Tia im Raum herumgehen lassen, während sie lernte, aber in der Schule war das nicht mehr möglich.

„Wir haben Veelas jetzt schon dreimal durchgekaut", seufzte Tia, „Und wir haben erst seit drei Wochen Schule! Ich würde gerne etwas anderes auch noch lernen!"

„Warum schreibst du nicht schnell deinen Aufsatz zu Ende und liest dann ein wenig vor? Oder du zeichnest einfach die Veela und schreibst danach den Aufsatz? Ich bin mir sicher, du findest eine Möglichkeit, die Sache interessanter zu gestalten", schlug Katie abgelenkt vor.

„Hmpf", schnaubte Tia, aber sie zückte tatsächlich ihr Skizzenbuch, in dem sich die letzten Wochen schon einige kleine Zeichnungen vom Schloss und Leuten in ihrer Umgebung angesammelt hatten. In Geschichte der Zauberei hatte sie ihre Zeit damit verbracht, die Riesen und Trolle aus ihren Büchern abzuzeichnen, anstatt dem toten Professor Binns zuzuhören, der so monoton und einschläfernd redete, dass sie nicht anders konnte, als nicht aufzupassen. Immerhin tat sie es nicht so offensichtlich wie Leanne in jeder Stunde, die laut schnarchend Schlaf nachholte, aber Tia hatte es aufgegeben, sie aufwecken zu wollen.

Veela waren tatsächlich faszinierende Wesen und Tia zeichnete eine Veela in ihr Skizzenbuch – einmal als wunderschöne Frau und gleich daneben in ihrer anderen Form, wenn sie wütend waren und sich in gruslige, geierartige Wesen verwandelten, die Feuerbälle spuckten und anderen kranken Kram konnten, aber Professor Nogard schien davon nur noch mehr... angetan zu sein.

Gleich daneben waren Zeichnungen von Dumbledore, McGonagall und natürlich ihren Freundinnen. Dazu noch von der Großen Halle eine ausführliche Skizze, da sie in der Früh immer als erstes wach war und immer viel Zeit zum Zeichnen hatte.

Am Ende des Tages, als es Zeit war, zum Abendessen zu gehen, packte Katie zwei fertig geschriebene Aufsätze in ihre Tasche und sah zum ersten Mal nach Tia, die in ihre Arbeit vertieft war. Sie war gerade dabei, mit Kohle eine sehr detaillierte Zeichnung einer Veela anzufertigen und sofort wusste Katie, dass ihre Freundin an diesem Tag nichts vollbracht hatte.

„Und, Tia", riss sie Tia aus ihren Gedanken und das Mädchen schreckte auf und rief erschrocken: „Oyo!", bevor sie merkte, dass sie noch immer in der Bibliothek war und es nur Katie gewesen war.

„Hast du etwas gesagt?", fragte Tia verwirrt, die erst jetzt bemerkte, dass sie eigentlich müde und hungrig war.

„Ich wollte dich nur fragen, ob du deinen Aufsatz fertiggeschrieben hast", kicherte Katie und sah dabei zu, wie Tia rot wurde.

„Oh... dafür habe ich ja noch Zeit", winkte Tia ab, packte ihr Skizzenbuch weg und wollte sich endlich an ihren Aufsatz setzen, aber nachdem Katie einfach weiter kicherte, vermutete sie, dass irgendetwas los war und stockte.

„Ist etwas?", fragte Tia misstrauisch und Katie schüttelte den Kopf.

„Ich wollte gerade zum Abendessen gehen – du scheinst die Zeit vergessen zu haben", erklärte Katie und Tia wurde noch roter im Gesicht und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.

„Oh, nein! Es tut mir leid, Katie! Ich wollte wirklich arbeiten, aber ich war so konzentriert auf meine Arbeit und –"

„Hey, kein Grund, sich zu entschuldigen", winkte Katie ab, „Ich bin froh, dass ich nicht allein in der Bibliothek war, wie sonst immer. Wenn man zu zweit an einem Tisch sitzt, wirkt man schon viel weniger wie ein Streber."

„Du bist doch kein Streber, Katie", Tia packte ihre Sachen weg und folgte ihrer Freundin aus der Bibliothek, „Du bist nur motiviert. Ich bin mir sicher, wenn du irgendwann deine Motivation auf ein anderes Hobby lenken kannst, dann wirst du all deine Motivation da hineinstecken und genauso faul in der Schule werden, wie wir anderen."

„Tia, wir reden einmal darüber, wie Aufmunterungsgespräche klingen sollten", beschloss Katie.

„Das hat meine Großmutter auch einmal gesagt, als sie einen Frosch überfahren hat – sie hat es bis heute nicht getan", erinnerte sich Tia und Katie schüttelte den Kopf.

„Komm, gehen wir zum Essen – ich habe einen Mordshunger!"

„Da sage ich nicht nein", Tia zuckte mit den Schultern und folgte ihrer Freundin in die Große Halle.

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