69. Kapitel

Vor dem Gespräch, das die Fünftklässler mit ihren jeweiligen Hauslehrern halten mussten, um zukünftige Berufspläne mit ihnen zu besprechen, hatte Tia Angst.

Teils, weil dieses Gespräch bedeutete, dass die ZAGs immer näherkamen, teils weil sie noch keine Ahnung hatte, was sie einmal werden wollte. George hatte schon mit ihr gesprochen und hatte ihr verschiedene Möglichkeiten der Zaubererwelt vorgestellt, nachdem Tia eher wenig von den verschiedenen Berufen der magischen Welt kannte, aber für sie war eher nichts dabei gewesen. Zwar interessierte sie sich ungemein für einen Beruf als Zaubertrankmeister oder Apotheker, aber selbst dafür würde sie eine gewisse Anzahl an ZAGs brauchen, die sie vermutlich nicht schaffen wird.

Schüchtern und vorsichtig klopfte sie an der Tür von Professor McGonagall, ihrer Hauslehrerin und der Lehrerin für Verwandlung – einem Fach, in dem Tia nicht sonderlich gut war.

Ebenso vorsichtig trat sie ins Büro und lugte zunächst hinein.

„Kommen Sie ruhig, Miss Fuego", munterte McGonagall sie auf, „Es gibt keinen Grund, nervös zu sein."

„Es scheint viele Gründe zu geben, sonst wäre ich es nicht", meinte Tia, trat aber trotzdem in das Büro und schloss hinter sich leise die Tür.

McGonagall saß hinter ihrem Schreibtisch, auf dem viele verschiedene Broschüren über verschiedene Berufe und Ausbildungen lagen. Tia warf einen kurzen Blick auf sie, vermied es aber sonst, überhaupt nur an die vielen Berufe zu denken, die es gab.

„Setzen Sie sich, Miss Fuego", bot McGonagall höflich an und erst da realisierte Tia, dass sie noch immer stand, während McGonagall saß. Sie beeilte sich schnell sich der Professor gegenüber zu setzen und erwartete, dass sie sofort über Berufe zu sprechen beginnen würde, aber das tat sie nicht.

„Wie geht es Ihrer Großmutter?", fragte sie und Tia blinzelte verwirrt.

„Gut, denke ich", meinte Tia, „Sie... sie macht sich etwas Sorgen. Remus glaubt, es herrscht eine seltsame Stimmung in der Zaubererwelt und sie macht sich um mich Sorgen. Aber ansonsten geht es ihr gut. Soweit ich weiß, ist sie auch nicht krank oder so... es geht ihr gut..."

„Das ist schön", McGonagall lächelte, „Wie geht es Ihrem Vater?"

„Remus? Den Umständen entsprechend... er hat geschrieben, dass er sich wegen diesem einen neuen Gesetz schlecht fühlt – das wegen... wegen Werwölfe und arbeiten... Er glaubt, es ist seine Schuld..."

McGonagall verzog kurz das Gesicht zu einer unzufriedenen Miene. „Dann richten Sie ihm bitte von mir aus, dass das die Schuld derer ist, die Hass in Massen besitzen, aber ihre Akzeptanz irgendwo verloren haben. Er und alle anderen seiner Art haben meist mehr Recht zu arbeiten, als viele, die ich kenne. Sobald die Menschheit aufhört, solch lächerliche Vorurteile zu hegen, werden wir uns um einiges schneller entwickeln können."

Tia lächelte und fühlte sich etwas lockerer bei den Worten ihrer Professorin. „Danke, ich richte es ihm aus, wenn ich ihm das nächste Mal schreibe."

„Aber nun zu ernsten Gesprächen", McGonagall faltete die Hände und schaute Tia nachdenklich an, „Wie Sie wissen, sollte es bei diesem Gespräch darum gehen, über ungefähre Berufsvorstellungen zu besprechen und Ihnen bei der Auswahl ihrer zukünftigen Fächer zu helfen, die sie für diesen Beruf brauchen würden. Natürlich bietet es sich an, nicht nur die benötigten Fächer zu belegen und zu bestehen, aber vorerst reicht eine ungefähre Vorstellung, was sie in ihrem sechsten und siebten Jahr lernen wollen."

„Ich bin ehrlich gesagt schon froh, wenn ich überhaupt Fächer belegen kann", Tia lachte nervös und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.

„Nun aber still", tadelte McGonagall sie streng, „Solche Gedanken haben im Moment hier keinen Platz. Darüber können Sie sich wieder Sorgen machen, wenn Sie ihre ZAGs hinter sich haben.

„Dann... ähm...", Tia vermied es, Augenkontakt zu halten und fand auf einmal ihre Hände wirklich interessant, „Ich... ich finde Zaubertränke interessant."

„Wirklich?", McGonagall wirkte überrascht, „Professor Snape hat zwar einmal erwähnt, dass Sie ein gewisses Talent zu besitzen scheinen, aber das muss noch lange nicht bedeuten, dass Sie es auch mögen."

„Nun, es macht für mich Sinn", erklärte Tia schüchtern, „Es gibt Regeln, Vorgaben, logische Folgen. Ich... ich bin unter Muggeln aufgewachsen, also ist Zauberei an sich etwas... etwas verwirrend. Ich verstehe nicht ganz, warum ein Zauber so wirkt, wie er eben wirkt. Ist es das Wort selbst, das dem Zauber seine Bedeutung gibt – wohl kaum, denn sonst gäbe es keine wortlose Magie. Ist es der Zauberstab? Warum konnte ich und andere Kinder schon als kleines Kind zaubern? Ist es der Wille, einen Zauber auszuführen? Warum brauche ich dann Zauberstab und Worte?"

„Ich verstehe", McGonagall lächelte und schien einen Moment in Gedanken versunken, „Sie ähneln ihrem Vater sehr, aber in diesem Fall unterscheiden Sie sich wohl."

„Leider", schnaubte Tia – je länger sie sprach, desto sicherer wurde sie, als würde sie mit einem Psychiater sprechen.

„Miss Fuego, Sie wissen, dass Remus Sie nicht nach Ihren Noten beurteilt, oder?", fragte McGonagall streng.

„Nun...", Tia wollte ihre Professorin nicht anlügen, „Ich habe natürlich Angst, seinen Erwartungen nicht zu entsprechen. Er ist... er ist so gut in der Schule gewesen, war Vertrauensschüler, Klassenbester... und das alles neben seinem Zustand..."

„Aber Sie sind nicht Ihr Vater", erinnerte McGonagall sie, „Und das weiß Remus auch. Ich glaube, allein dadurch, dass Sie existieren, haben Sie schon seine Erwartungen übertroffen."

Tia räusperte sich und sagte nichts darauf. So etwas Ähnliches hatte sie schon von einigen Leuten gehört – Katie, Leanne, Alicia, Carla... So wirklich glauben konnte sie es nicht.

„Aber zurück zum Thema", beschloss McGonagall die wohl ebenfalls bemerkt hatte, wie unsicher Tia sich bei diesem Thema fühlte, „Zaubertränke also... Wie wäre es mit Apotheker oder Zaubertrankbrauer?"

„Das habe ich mir schon einmal überlegt, aber ich habe gehört, dass das Ministerium häufig nur Leuten mit guten Noten eine Stelle anbietet – und außer Zaubertränke kann ich nicht viel."

„Dafür können nicht so viele etwas mit Zaubertränken anfangen", zeigte McGonagall auf, „Und im St. Mungos werden immer wieder Apotheker gesucht. Dafür würden Sie nur noch gute Noten in Kräuterkunde brauchen und natürlich ist alles, was besser als „Annehmbar" ist gut, aber letztendlich werden nur diese beiden benötigt. Finden Sie, Sie haben Probleme in Kräuterkunde?"

„Nun... nein, nicht so schlimm, wie in anderen Fächern", überlegte Tia, „Aber... aber trotzdem. Ich weiß nicht, ob ich in dieser Berufssparte mich durchsetzen kann."

„Welche Ideen haben Sie sonst?", fragte McGonagall.

„Ich könnte auch in der Muggelwelt arbeiten", schlug Tia vor, „Vielleicht... vielleicht bin ich nicht für die Zauberer-Welt gemacht."

„Glauben Sie das wirklich?", fragte die Professorin und musterte Tia nachdenklich.

„Also... ja... sonst würde ich es nicht sagen, oder?", erklärte Tia.

McGonagall sagte zunächst nichts, sah Tia an und schien nachzudenken. „Wie wäre es mit einem Deal?", fragte sie schließlich und Tia sah sie verwirrt an, „Sie versuchen zumindest, sich in der Zaubererwelt durchzusetzen, Sie versuchen, als Zaubertrankbrauerin oder als Apothekerin sich irgendwo zu bewerben und sollte das alles nicht funktionieren, können Sie noch immer in die Muggelwelt gehen."

„Also...", Tia wusste nicht ganz, ob sie darauf eingehen wollte, „Okay... na gut... ich kann es ja versuchen."

„Perfekt", McGonagall lächelte sie stolz an und begann Broschüren zusammen zu suchen, „Hier sind einige Vorschläge für Sie – Zaubertrankbrauer werden in vielen Berufssparten gebraucht. St-Mungos braucht Tränke zur Heilung, Zaubertranklehrer sind gefragt, das Ministerium benötigt auch immer wieder Tränke, ... Sie können sich ja einmal einlesen und was ihre ZAGs angeht..."

Tia sah auf, nachdem McGonagall ihr die Broschüren in die Hand gedrückt hatte.

„Geben Sie ihr bestes, dann sind alle zufrieden", wies Professor McGonagall sie an, „Zerstören Sie sich nicht selbst, bleiben Sie aber fleißig und Sie werden sehen, dass sich alles eingliedern wird."

„Wenn Sie das sagen", meinte Tia nicht überzeugt, „Aber... aber ich werde mich bemühen."

Das ist schon genug", winkte McGonagall lächelnd ab, „Und machen Sie sich weniger Sorgen darüber, was andere von Ihnen denken und konzentrieren Sie sich in erster Linie darauf, was Sie wollen."

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