60. Kapitel
Tia war zusammen mit Katie und Leanne auf dem Weg hinunter ins Dorf. Katie und Leanne unterhielten sich darüber, was sie alles in Hogsmeade machen wollen, bevor sie zurück zum Schloss gingen, aber Tia war etwas weniger enthusiastisch. Diese Nacht würde wieder Vollmond sein und sie hoffte, dass sie dem Stress gut genug aus dem Weg gegangen war, um nicht wieder diese Schmerzen zu verspüren. Sie wollte das eigentlich nie wieder erleben, also hatte sie sich wirklich bemüht, weniger gestresst zu sein und sich zu entspannen, aber in letzter Zeit war das keine von Tias Talenten.
„Gehen wir einen Sprung in den Drei Besen?", schlug Leanne vor, „Ich könnte jetzt ein Butterbier vertragen."
„Was sagst du, Tia?", Katie wandte sich an sie.
„Klar", Tia zuckte mit den Schultern. Sie mochte zwar Kakao lieber, als Butterbier, aber im Drei Besenwar das Butterbier um einiges besser, als der Kakao, also trank sie dort lieber das.
Tia öffnete die Tür und wollte hineingehen, als sie plötzlich gegen jemanden stieß.
Derjenige war größer, als sie, also stolperte sie einen Schritt zurück, wurde aber von Katie aufgefangen, bevor sie ganz hinfallen konnte.
„Oh, Entschuldigung, das wollte ich nicht", entschuldigte sich Tia sofort, als sie sah, in wen sie gekracht war. Vor ihr stand Fleur Delacour, der Champion aus Beauxbatons.
„Pass auf, wo'in du ge'st!", fuhr Fleur sie an, aber dann bemerkte sie wohl, wer vor ihr stand und sie musterte Tia interessiert auf eine Art, die ihr etwas unangenehm war, „Du bischt nischt wie die anderen, oder?"
„Was?", Tia war verwirrt, was die Französin meinte, „Ich... ich weiß nicht, was du meinst."
„Du 'ast Veela-Blut in dir", vermutete Fleur.
„Oh, ja", Tia zuckte mit den Schultern, „Wo-woher weißt du das?"
„Isch weisch so etwasch", Fleur sah sie etwas überheblich an, „Immer'in bin isch selbst zum Teil eine."
„Oh, das freut mich für dich", Tia lächelte sie an, „Dann kannst du wohl auch nicht bei der Schulhymne mitsingen!"
„Was?", nun war es Fleur, die verwirrt aussah.
„Ich... ich sollte weiter. Aber hat mich wirklich gefreut, mit dir zu sprechen", Tia wollte schon an ihr vorbeigehen, während Katie und Leanne die Unterhaltung teils amüsiert teils verwirrt beobachteten.
„Warte", Fleur hielt sie zurück, „Warum nutzt du das nischt ausch? Warum zie'st du disch... so an?"
Tia sah an sich herunter. Zugegeben, sie hatte sich noch nie wirklich um ihr Aussehen gekümmert. Ihre Großmutter hatte ihr beigebracht, dass Schönheit nicht alles war. Ihre abuelitahatte alles getan, damit Tia möglichst normal aufwuchs und nicht in den Schönheitswahn fiel, den ihre Großmutter gehabt hatte.
„Isch könnte dir 'elfen", bot Fleur an, offenbar interessiert daran, wie Tia aussah, „Mit meiner 'ilfe liegen dir alle bald zu Fußen!"
„Nein, danke", Tia lächelte weiterhin freundlich, „Ich bin mit Alicia ganz zufrieden und die interessiert es nicht, wie ich aussehe. Meine abuelitafindet, man muss seine Schönheit nicht ausnutzen. Sie ist eine halbe Veela, weißt du, aber auch ein Muggel und sie hat nur für ihre Schönheit gelebt – das hat sie beinahe zerstört. Aber dann ist ihr aufgefallen, dass es wichtigeres gibt, als nur ihr Aussehen."
„Wasch könnte wischtiger sein", schnaubte Fleur nicht überzeugt, „Mein Aussche'en 'at misch erscht so weit gebrascht!"
„Familie", antwortete Tia ihr ruhig, „Meiner abuelitaist die Familie wichtiger geworden. Ich hoffe, dir fällt das auch auf. Aber bitte – zerstöre dich nicht selbst für dein Aussehen."
Fleur musterte Tia mit einer Mischung aus Unzufriedenheit und Verwirrung. Tia zuckte mit den Schultern, lächelte das Mädchen noch einmal freundlich an und quetschte sich an ihr vorbei in den Drei Besen.
Katie und Leanne sahen sich an, bevor sie ihrer Freundin folgten. Fleur stand noch immer verwirrt da und es schien das erste Mal zu sein, wo etwas sie aus der Fassung gebracht hatte.
„Und du bist sicher, dass es dir gut geht?", fragte Katie besorgt zum mindestens hundertsten Mal an diesem Abend.
„Klar", seufzte Tia, langsam genervt von ihrer Sorge, obwohl sie wusste, das die beiden es nur gut meinte, „Ich habe bis jetzt keine Schmerzen, mir geht es gut. Ich habe nicht einmal Kopfschmerzen."
„Mh", Leanne schien noch immer nicht wirklich überzeugt, aber es wurde langsam spät, „Sobald du denkst, dass du wieder diese Schmerzen bekommst, rufst du uns, okay? Und ist egal, wie spät es sein wird, wir stehen auf und sind bei dir, okay?"
„Ich weiß", versicherte Tia ihnen, „Aber mir geht's gut. Ich werde nur heute Nacht nicht schlafen, aber das bin ich ja gewohnt."
„Na gut", Katie sah sie noch immer besorgt an, aber auch müde, immerhin hatten die beiden nicht die Eigenschaft, in Vollmondnächten nicht zu schlafen, „Dann... gute Nacht."
„Gute Nacht", Tia lächelte sie an und sah zu, wie sie im Schlafsaal verschwanden. Sie selbst machte es sich mit ihrem Verwandlungsbuch auf einem Sessel eher im Schatten bequem. Nur noch wenige Schüler waren im Gemeinschaftsraum und es wurden immer weniger, aber sie wollte die Nacht nutzen, um in Verwandlung ein wenig vor zu lernen, damit sie vielleicht in der nächsten Stunde besser mitkam. Ihre Hausaufgaben hatte sie schon alle erledigt und sie hatte nicht wirklich Lust zu zeichnen.
Sie war noch nie wirklich gut in Verwandlung gewesen. Eigentlich war sie noch nie wirklich gut in irgendeinem Fach gewesen, außer Zaubertränke, also brauchte sie nicht nur lange, bis sie irgendetwas in ihrem Hirn gespeichert hatte, sondern sie verlor auch schnell das Interesse, zwang sich aber, weiter zu lernen.
Der Gemeinschaftsraum leerte sich langsam, bis Tia allein im flackernden Licht des Feuers zurückblieb. Eine dämmrige Stimmung senkte sich auf den Raum, aber Tia sah noch immer sehr gut die kleinen Buchstaben, obwohl sie natürlich die Hilfe ihrer Brille brauchte.
Plötzlich, mitten in der Nacht, es war schon nach Mitternacht schwang das Portrait der Fetten Dame zur Seite, aber als Tia aufsah, um zu sehen, wer hineinkam, war da niemand.
Verwirrt witterte sie in der Luft und roch tatsächlich jemanden, aber sie konnte ihn nicht sehen.
Schon machte sie sich Sorgen, dass sie diesen Vollmond nicht von Schmerzen, sondern von Halluzinationen geplagt werden würde, als plötzlich jemand auftauchte. Es war Harry Potter und er erschien aus dem Nichts, als hätte er einen Unsichtbarkeitsmantel abgezogen und, wie Tia bemerkte, warf er tatsächlich einen Umhang auf einen der Sessel.
Er sah sie um, aber weil Tia im Schatten saß, bemerkte er sie nicht. Harry schien nach etwas zu suchen, als sein Blick auf dem Kamin hängenblieb.
Harry kniete sich vor den Kamin und Tia befürchtete schon, dass er sich in die Flammen stürzen würde, aber das tat er nicht. Stattdessen begann er mit jemanden im Kamin zu sprechen – so leise, dass Tia es nicht gehört hätte, wenn sie nicht ein so gutes Gehör gehabt hätte. „Sirius!"
Harry überraschte Tia. Sie hatte gewusst, dass Harry von Sirius' Unschuld wusste, aber trotzdem warf das Tia ein wenig aus der Bahn. Bestimmt hatten sich die beiden über Briefe genau an diesem Abend verabredet und Tia war nur aus Zufall hier. Eigentlich wollte sie nicht lauschen, aber sie wollte nun auch nicht mehr aufstehen und gehen. Harry würde das sofort auffallen, also blieb Tia in den Schatten versteckt und blieb leise, während Harry mit Sirius sprach. „Wie geht's dir?"
„Wie's mir geht, ist nicht so wichtig, wie geht's dir?", fragte Sirius zurück. irgendwie machte es Tia wütend, dass er einfach so nach England zurückgekommen war. Ihre Großmutter hatte alles riskiert, um ihn außer Lande zu schaffen, aber er kam einfach nach wenigen Monaten schon zurück, als wäre nichts passiert.
Tia überlegte hin und her, ob sie sich lieber bemerkbar machen sollte, lieber in den Schatten blieb oder sich einfach die Ohren zuhielt, damit sie nichts hörte. Während sie überlegte, erzählte Harry von seinen letzten paar Tagen.
Er erzählte, wie er wirklich nicht dafür verantwortlich war, dass er Teil des Trimagischen Turniers wurde, wie Rita Kimmkorn, die Journalistin ihn in einem Bericht ganz falsch dargestellt hatte, wie andere Schüler ihn ärgerten, wie er sich mit seinem besten Freund gestritten hatte und auch von Drachen – etwas, das Tia noch nicht gewusst hatte. Offenbar hatte die erste Aufgabe des Trimagischen Turniers irgendetwas mit Drachen zu tun und Harry hatte – zurecht – Angst davor.
„Klingt so, als hättest du ein ernsthaftes Problem", bemerkte Tia, bevor sie sich selbst davon abhalten konnte und sie fragte sich selbst, warum sie das gesagt hatte.
Harry wirbelte überrascht herum, den Zauberstab in der Hand, aber er sah sie immer noch nicht, also legte Tia das Buch zur Seite und kam aus den Schatten. Harry ließ seinen Zauberstab nicht sinken.
„Harry, was geht hier vor? Wer ist da?", erklang Sirus' Stimme im Kamin.
„Es ist...", stammelte Harry verwirrt, „Es ist..."
„Ich bin's, Sirius!", sagte Tia so laut, dass auch Sirius es hörte.
„Baby-Lupin?", fragte Sirius verwirrt und Tia verdrehte die Augen, „Was machst du denn hier?"
„Es ist Vollmond", erklärte Tia und Sirius schien zu verstehen, „Ich habe mir gedacht, ich lass euch wissen, das ich auch noch hier bin. Eigentlich wollte ich gar nicht lauschen, aber dann ist es schon zu spät gewesen und ich habe nicht mehr gewusst, was ich tun soll, also bin ich geblieben und hab doch noch gelauscht."
„Typisch Mini-Lupin", schnaubte Sirius amüsiert.
„Was geht da vor? Was ist hier los?", fragte Harry verwirrt, „Woher kennt ihr euch?"
„Nun, Harry...", begann Sirius, „Bestimmt kennst du Tia schon – Remus' Tochter."
„Wir haben uns eigentlich schon getroffen", erinnerte sich Tia, „Am Anfang vom Jahr am Bahnhof."
Harry schien sich zu erinnern und nickte.
„Nun, Tias Familie hat mit kurze Zeit Unterschlupf geboten im Sommer", erzählte Sirius, „Und ihre Großmutter hat mich dann in den Süden gebracht. Ein Hund kann ja nicht allein im Flugzeug reisen."
„Haben sie das?", Harry schien das alles nicht ganz zu glauben und sah Tia ungläubig an.
„Wie geht es dir, Tia?", fragte Sirius an sie gerichtet.
„Meine abuelita und Remus sind ziemlich sauer, weil du nicht mehr in Spanien bist", gab Tia zu, „Außerdem bin ich dauerhaft gestresst, ich habe Angst, dass ich meine ZAGs nicht bestehe und meinen Vater enttäusche, Vicky ist die Pest und Snape ist mir gegenüber noch misstrauischer geworden, aber sonst geht's mir gut."
„Oh, ja", Sirius nickte wissend, „Ich habe mir schon gedacht, dass deine Familie nicht so begeistert sein wird..."
„Aber ich sollte euch jetzt allein lassen", vermutete Tia, „Du kannst bestimmt nicht ewig reden und Harry hier braucht dich dringender."
„Oh, nein, fühl dich nicht gezwungen –", wollte Harry sie aufhalten, aber Tia winkte ab.
„No, no, no. Ich gehe einfach eine Runde durchs Schloss", meinte sie entspannt und Sirius lachte laut auf.
„Ha! Wie Vater so Tochter", bemerkte er und Tia zeigte ihm die Zunge.
„Was ist, wenn dich jemand erwischt?", fragte Harry ein wenig ängstlich.
„Keine Sorge", Tia lächelte, weil er sich scheinbar ernsthafte Sorgen zu machen schien, „Ich habe eine ziemlich gute Nase dafür."
„Bitte sag das nie wieder", bat Sirius sie ernst und Tia kicherte.
„Aber vielleicht hast du einmal die Chance, bei meiner abuelitavorbeizuschauen", bat Tia ihn noch, „Ich glaube, sie macht sich Sorgen um dich."
„Die Frau hat Remus und mich ja auch sofort adoptiert", schnaubte Sirius, aber er lächelte dabei. Insgeheim hatte auch er die alte Frau ins Herz geschlossen.
„Und pass auf dich auf", erinnerte Tia ihn noch streng.
„Ja, ja, Baby-Lupin", winkte Sirius ab und verdrehte die Augen.
Tia lächelte, aber sie sagte nicht auf Wiedersehen. Vielleicht auch aus der Angst heraus, dass es das letzte „Auf Wiedersehen" sein könnte, das sie zu Sirius sagte. Also verschwand sie einfach aus dem Gemeinschaftsraum und ließ Pate und Patensohn allein ihr Gespräch fortfahren.
Sie hoffte wirklich, dass Sirius auf sich aufpasste und nicht leichtsinnig wurde. Sie wollte gar nicht daran denken, was dann passieren würde und wie sich Remus und Carla auf fühlen würden.
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