54. Kapitel

Tia, Katie und Leanne waren schon oben im Turm und betraten gerade den Mädchenschlafsaal. Vicky Frobisher schien dort schon auf sie zu warten, die Händen in die Hüften gestemmt und den Kopf überheblich erhoben.

„Wen haben wir denn hier?", fragte sie und keiner der drei Freundinnen wusste genau, worauf sie hinauswollte.

„Dir auch einen schönen Abend, Vicky. Wir sehen, du schläfst noch nicht wir die Langweilerin, die du sonst bist", bemerkte Katie zickig.

„Ah, ah, ah", tadelte Vicky sie, „Nicht so vorlaut, Bell. Ihr wollt doch keine Punkte verlieren oder nachsitzen, oder?"

Erst da bemerkten sie das glitzernde Abzeichen, das Vicky sich an ihren Pyjama gepinnt hatte – das Vertrauensschülerabzeichen. Katie und Leanne stöhnten genervt auf, während Tia einfach nur seufzte.

„Anscheinend kann jetzt jeder Idiot Vertrauensschüler werden", bemerkte Leanne an ihre beiden Freundinnen gewandt und Vicky wurde rot im Gesicht vor Wut.

„Du bist jetzt besser leide, Travis, bevor ich dir Punkte abziehe", warnte Vicky drohend.

Katie und Leanne sahen sich an und schienen zu einem stummen Einverständnis zu kommen, denn sie stürzten sich zeitgleich auf Vicky, die laut aufkreischte und nach ihrem Zauberstab griff, zu spät aber bemerkte, dass dieser auf ihrem Nachkästchen neben ihrem Bett lag und sie schon ihren Pyjama trug.

Katie und Leanne packten ihre Arme, während Tia unsicher danebenstand. Sie wusste nicht genau, was sie tun sollte. Auf der einen Seite wollte sie nicht mithelfen, weil sie dann bestimmt Ärger bekommen würde, aber auf der anderen Seite wollte sie eigentlich wirklich gerne mithelfen, Vicky eins auszuwischen.

„Komm schon Tia! Wir brauchen dich!", ermutigte Leanne sie und das gab Tia den letzten Stupser, dass sie selbst sich in die kleine Rangelei einmischte und mithalf, Vicky nach draußen zu zerren, die sich mit Händen und Füßen wehrte, aber sie hatte keine Chance. Sie waren zu dritt undhatten Tia auf ihrer Seite – Vicky hatte niemals auch nur den Hauch einer Chance.

Die drei Freundinnen stießen Vicky aus dem Schlafsaal hinaus und Katie schlug schnell die Tür zu. Tia und Leanne hielten sie zu (obwohl Tia die Tür auch allein hätte zuhalten können, immerhin war sie stark genug, aber Leanne kicherte so sehr und hatte viel zu viel Spaß, um das Tia allein zu überlassen), während Katie ihren Zauberstab holte.

Sie richtete ihn auf die Tür und sagte: „Colloportus", sodass die Tür versperrt wurde. Natürlich hätte Vicky es einfach so mit Alohomorawieder öffnen können, aber ihr Zauberstab wir im Schlafsaal und stattdessen hämmerte und schlug sie zornig gegen die Tür und kreischte, damit die drei sie wieder hineinließen.

Katie und Leanne legten sich auf ihre Betten und taten so, als würden sie es nicht hören. Tia fühlte sich schon ein wenig schuldig, aber hauptsächlich hatte sie Sorgen, dass sie von der Schule geworfen wird, aber sie konnten nicht einfach so drei Schülerinnen von der Schule werfen, weil sie eine nervige Kröte aus ihrem Schlafsaal aussperrten.

„Ich sag es Professor McGonagall!", kreischte Vicky so laut, dass schon einige andere Mädchen die Köpfe aus ihren Schlafsälen streckten, um zu sehen, wer zu einer solchen Zeit noch so schrie.

Als Alicia und Angelina sahen, woher das Geschrei kam und von wem, sahen sie sich wissend an und gingen wieder ins Bett.

„Ich will gar nicht wissen, was die drei jetzt schon wieder angestellt haben", kicherte Alicia.

„Bestimmt bekommen sie einen Riesenärger", stimmte Angelina ihr zu, „Aber Vicky hat es verdient."

Vicky stand noch einige Zeit draußen und hämmerte gegen die Tür, aber irgendwann wurde es still und die drei Mädchen glaubten, dass sie endlich aufgegeben hatte, aber stattdessen kam sie wenig später mit McGonagall zurück und Katie, Leanne und Tia fanden sich im Büro ihrer Hauslehrerin, aber die drei schafften es einfach nicht, ernst zu bleiben, weil Vicky mit einer wichtigtuerischen Miene neben McGonagall saß und die drei feixend ansah.

McGonagall sah zwischen den vier Mädchen hin und her und schien genau zu verstehen, was passiert war.

„Miss Bell, was haben Sie sich dabei gedacht?", fragte McGonagall streng, aber sie klang auch müde, als hätte sie so etwas wie diesen kleinen Streit satt.

„Nun, wir haben uns so einiges gedacht", gab Katie ohne Scham zu, „Wir haben uns gedacht, wie nervtötend Vicky ist, wie wichtigtuerisch und dämlich. Außerdem –"

„Danke, das genügt", unterbrach McGonagall sie streng mit einem scharfen Blick und wandte sich an Leanne, „Miss Travis, warumhaben Sie das getan?"

„Ich glaube, Katie hat unsere Gründe schon ziemlich gut aufgezählt", Leanne zeigte auf ihre kichernde Freundin, „Vicky ist eine Pest und wir haben es ihr gezeigt. Sie kann doch nicht einfach mit ihrem neuen Abzeichen herumstolzieren und uns ohne Grund drohen, uns Punkte abzuziehen. Das nenne ich Machtmissbrauch und das dulde ich nicht!"

„Was hier geduldet wird und was nicht entscheide immer noch ich", blaffte McGonagall sie an, aber sie wirkte selbst auch wütend auf Vicky, denn sie warf ihr einen scharfen Blick zu, sodass das Grinsen aus Vickys Gesicht verschwand, aber zuerst wandte die Professorin sich an Tia.

„Miss Fuego, was hat Sie dazu bewegt, das zu tun. Ihre Großmutter und ihr Vater sind bestimmt enttäuscht von Ihnen." Etwas an McGonagalls Worten reizte Tia. Sie lebte doch nicht für ihre abuelita oder für Remus. Sie war ein eigener Mensch und es drehte sich nicht alles darum, ihrer Familie zu gefallen. Sie konnte es selbst nicht erklären, aber plötzlich wurde sie irrational wütend.

„Nun, Vicky ist, seit wir uns kennen eine einzige Pest zu mir. Sie beleidigt mich, verletzt mich und versucht ständig mir das Leben hier in Hogwarts zur Hölle zu machen! Ich verstehe nicht, warum meineabuelitaund mein Vater enttäuscht von mir sein sollten, wenn ich mich ausnahmsweise einmal wehre! Ich bin nicht dumm, ich bin nicht schwach, ich bin nicht hier, um nur herumgeschubst zu werden!"

Selbst Katie und Leanne wirkten überrascht von diesem Ausbruch an Gefühlen und als Tia sich beruhigte, wusste sie selbst nicht mehr, warum sie so geschrien hatte. Irgendwie fühlte sie sich seltsam, aber das hätte sie niemals vor Vicky zugegeben.

„Fühlen Sie sich nicht wohl, Miss Fuego?", fragte McGonagall sanft, aber Tia murmelte: „Nein, alles okay", und McGonagall gab sich vorerst damit zufrieden und wandte sich an Vicky.

„Miss Frobisher, was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?"

Vicky sah wie vom Blitz getroffen auf. Ihr Mund stand offen und sich sah McGonagall ungläubig an, als könnte sie nicht glauben, wie schnell sieder Täter geworden war.

„Wa-?", stammelte sie, aber McGonagall gab ihr nicht viel Chance, sich zu verteidigen.

„Miss Frobisher, sollte mit noch einmal zu Ohren kommen, dass Sie ihre neue Position als Vertrauensschülerin in einer solchen Art ausnutzen, werde ich persönlich dafür sorgen, dass Ihnen dieser Titel aberkannt wird."

Nun waren es Leanne, Katie und Tia, die Vicky feixend angrinsten.

„Und Sie", McGonagall wandte sich doch noch einmal an sie, „Das nächste Mal wenden auch Sie sich an einen Professor. Ein solches Benehmen habe ich niemals von Ihnen erwartet, ich bin maßlos enttäuscht von ihnen. Ihnen allen werden jeweils zehn Punkte abgezogen – alle vier. Damit Sie sich erinnern, dass ein solches Verhalten nicht geduldet wird! Und ich werde an Ihre Familien schreiben."

„Was?", rief Katie erschrocken aus, die damit überhaupt nicht begeistert war, aber sie konnte nichts machen. McGonagall sah sie warnend an und Katie verstummte wieder.

„Gehen Sie nun alle in Ihre Schlafräume – alle. Und morgen erwarte ich natürlich, dass Sie ausgeruht zum Unterricht erscheinen. Wer Mitschülerinnen aussperren kann, kann auch im Unterricht aufpassen!"

„Ja, Professor", murmelten die Schülerinnen und Katie, Leanne und Tia tuschelten noch miteinander, während Vicky wütend vor ihnen stapfte, offensichtlich wütend auf sie.

Alle vier kamen dieses Mal in den Schlafsaal und Vicky legte sich sofort in ihr Bett, zog etwas zu fest ihre Vorhänge zu und wurde still, während die anderen drei Mädchen sich noch leise unterhielten, bevor auch sie fanden, dass es langsam spät wurde und sie schlafen gingen.

Der erste Tag ihres fünften Jahres in Hogwarts hatte auf jeden Fall aufregend begonnen, wie Tia fand, aber sie fragte sich immer noch, warum sie auf einmal so wütend geworden war. Sie hatte Katie und Leanne davon erzählt, die kichernd es auf die Pubertät geschoben hatten, aber Tia war sich sicher, dass mehr dahintersteckte. Aber darüber konnte sie sich morgen noch Sorgen machen, jetzt sollte sie erst einmal schlafen.



Remus war sich nicht sicher, wie er reagieren sollte, als McGonagalls Brief ihn erreichte. War er ein guter Vater, wenn er über das, was Tia angestellt hatte laut gelacht hatte und schon beinahe stolz auf sie gewesen ist. Sollte er nicht wütend sein, wenn sie eine Mitschülerin aus dem Schlafsaal aussperrte? Sollte er nicht lieber streng sein, damit Tia lernte, dass es nicht in Ordnung war, Mitschüler auszusperren? Oder sollte er lieber ehrlich sein – stolz darauf, dass sie lernte, sich zu wehren. Remus erinnerte sich noch an Vicky Frobisher und er hatte sie negativ in Erinnerung. Bei der ersten Stunde schon hatte sie Tia verletzt, sodass sie noch immer eine Narbe davontrug. Und Tia hatte ihm erzählt, dass das normal war zwischen ihr und Vicky.

Aber Remus war noch Anfänger in der ganzen Vater-Geschichte. Er wusste nicht, ob er ehrlich oder streng sein sollte, also apparierte er zu Carla.

Sie schien ihn schon erwartet zu haben, denn sobald er an der Haustür läutete, öffnete sie und begann sich sofort laut auf Spanisch zu beschweren.

Zuerst dachte er, sie würde ihm Vorwürfe machen, weil Tia etwas angestellt hatte, aber dann hörte er einige Wörter in Spanisch heraus und verstand, dass sie sich weder über ihn noch über Tia aufregte, sondern über Vicky.

„Darf ich reinkommen?", fragte Remus lächelnd und Carla bat ihn hinein. Sie hatte schon ihren Morgentee gekocht und schenkte Remus eine Tasse ein, bevor sie sich ihm gegenübersetzte und weiter in Spanisch schimpfte.

Remus nahm einen Schluck und lächelte, weil Carla einfach weiter in Spanisch fluchte, bevor er sie unterbrach: „Carla, ich verstehe dich kaum. Geht das auch langsamer oder in Englisch?"

„Verbessere dein Spanisch, sonst kann ich mich nie bei dir beschweren", befahl Carla ihm, „Wie soll ich mich über jemanden auslassen, wenn du mich nicht verstehst?"

Remus zuckte mit den Schultern, aber Carla erwartete auch gar keine Antwort.

„Hast du gehört, was diese Frobisher mit mi querida gemacht hat? Was denkt die sich? Und dann bekommt auch noch Tia Ärger, weil sie sich wehrt! Es el colmo!"

„Beruhige dich, Carla, Professor McGonagall hat geschrieben, dass auch Vicky bestraft worden ist. Und ganz in Ordnung ist es auch nicht, wie Tia reagiert hat."

„Du bist doch nicht auf der Seite von dieser Frobisher?", fragte Carla misstrauisch.

„Natürlich nicht. Vicky ist –"

Carla schlug einige Wörter vor, die Remus niemals in den Mund genommen hätte, aber in diesem Fall musste er ihr zustimmen.

„Ja, genau. Alles davon", nickte Remus, „Aber sie sind immer noch zu dritt auf eine Mitschülerin losgegangen. Ich finde, Professor McGonagall hat genau richtig reagiert, indem sie alle bestraft hat."

Carla schaute Remus finster an, bevor ihr Blick weicher wurde und sie seufzte.

„Du hast ja Recht", meinte sie geschlagen, „Tia ist nicht ganz unschuldig, aber ich mache mir auch Sorgen um sie. Sie ist immer so weit weg und woher weiß ich, dass es ihr wirklich so gut geht, wie sie immer sagt? Sie hat sich verändert, seit sie versteinert worden ist. Sie ist etwas ruhiger geworden. Ich wollte es ihr noch nie sagen, immerhin ist sie ein junges Mädchen und das ist normal in diesem Altern, aber..."

Remus überlegte, ob er Carla von den Zeichnungen erzählen sollte, die Tia vom Basilisken angefertigt hatte, aber er entschied sich dagegen. Er selbst sollte nichts davon wissen.

„Wahrscheinlich ist das der Stress", vermutete er stattdessen, „Dieses Jahr schreibt sie ihre ZAGs und sie hat eine Freundin und sie wird älter... das sind doch alles Gründe, ein wenig gestresster zu sein. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass Stress auf Dauer auf Gemüt schlägt und...", Remus wollte Carla nicht sagen, dass die Verwandlungen in einen Werwolf schlimmer wurden, wenn er im Monat davor häufig gestresst war, „...und ich bin mir sicher, es geht ihr ansonsten gut. Tia ist ein starkes Mädchen."

„Ja, das ist sie", stimmte Carla ihm zu, „Sie ist ja auch mein Mädchen – und deins."

Remus lächelte bei diesem Gedanken und die beiden tranken stumm ihren Tee und dachten über Tia nach, die in Hogwarts ihren ersten Schultag antrat.

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