49. Kapitel

Tia saß mit Sirius und Remus am Küchentisch und aß Abendessen. Carla hatte angefangen für die beiden Herren weniger scharf zu kochen, was aber nicht bedeutete, dass nicht sowohl Remus als auch Sirius immer wieder mit hochrotem Kopf zum Brot griffen oder sich spontan ein Glas Milch einschenkten. Carla und Tia tauschten dann immer belustigte Blicke aus.

„Und, Tia?", begann Sirius an sie gewandt. Er hatte begonnen, alle möglichen Fragen zu stellen, auf die Tia manchmal gar keine Antwort hatte. Wahrscheinlich fühlte er sich ein wenig für sie verantwortlich, nachdem Remus, sein bester Freund ihr Vater war, aber Tia glaubte eher, dass er einfach nur belustigt war, wie ähnlich Tia und Remus sich in vielen Lebenslagen waren, obwohl sich die beiden noch gar nicht so lange kannten. „Kommst du nach deinem Vater? Bestimmt ist Verteidigung gegen die Dunklen Künste dein Lieblingsfach?"

„Nö." Vor Schreck verschluckte sich Sirius an seinem Essen und er hustete, bis Remus ihm stark auf den Rücken schlug – vielleicht ein wenig fester, als nötig, aber wenigstens erstickte Sirius nicht.

„Wie bitte?", keuchte er ungläubig.

„Eigentlich hasse ich das Fach. Ich bin nicht gut darin", gab Tia ruhig zu.

Sirius schaute von Tia zu Remus und wieder zurück zu Tia, als würde er nur darauf warten, dass ihm jemand sagte, dass es ein Witz war.

„Wie es scheint, ist Tias Lieblingsfach Zaubertränke", erzählte Remus und wieder begann Sirius wild zu husten, obwohl er sich dieses Mal nicht verschluckt hatte. Remus ließ es sich trotzdem nicht nehmen, ihm wieder auf den Rücken zu schlagen, sodass Sirius beinahe vom Stuhl fiel.

„Zaubertränke bei Snivellus?", wiederholte er überrascht, „Wa- warum? Wie kannst du nur?"

„Ich bin gut darin", Tia zuckte mit den Schultern, „Es ist logisch, ich verstehe es, ich kenne die Zutaten... außerdem kann Snape mich gut leiden, also ist der Unterricht nicht so anstrengend, wie für alle anderen Gryffindors..."

Sirius runzelte die Stirn. „Snivellus kann eine Gryffindor leiden? Und morgen ist Weihnachten! Wie hast du das denn angestellt?"

„Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht", überlegte Tia, „Immerhin kann ich ihn überhaupt nicht leiden – er ist gemein zu meinen Freundinnen. Ich bin nur wirklich gut in Zaubertränke – dank meiner Nase rieche ich immer sofort, wenn etwas schiefgeht, also kann ich das verhindern. Perfektes Timing ist in Zaubertränke sehr wichtig."

„Warum bist du dann nie gut in Zaubertränke gewesen? Diese Riech-Gene hat sie von dir!", fragte Sirius ihn.

„Meistens habe ich es vermieden, etwas in Zaubertränke zu riechen – ich kann mir besseres Vorstellen, als verbrannte Wellhornschnecken zu riechen."

„Letztes Jahr habe ich Snape dabei helfen dürfen, den Wolfsbanntrank zu brauen – hin und wieder lohnt es sich also doch, gut in einem Fach zu sein", erzählte Tia begeistert.

„So kennen wir den alten Schleimbeutel gar nicht", staunte Sirius schon fast. In seinem Hinterkopf dachte er daran, wie Snape in seiner Kindheit gewesen war. Lily Evans war seine einzige wahre Freundin gewesen – solange, bis er sie „Schlammblut" nannte. Tia war bisher als Muggelgeborene bekannt gewesen. Remus hatte ihm erzählt, dass Tia vom Basilisken angegriffen worden war, der nur andere Muggelgeborene versteinert hatte. Natürlich hätte es auch nur Zufall sein können, immerhin war Tia zusammen mit einem anderen Jungen versteinert worden, aber doch war Sirius sich nicht so sicher, ob Tia nicht in dieser Nacht wirklich das Ziel gewesen war. Zum Teil Muggel, zum Teil Veela, zum Teil Werwolf – im Lebenslauf einer Hexe machte sich dieses Blut nicht gut. Natürlich hatte Sirius selbst nichts gegen ein so bunt gemischtes Blut – immerhin war Remus der Vater der Kleinen, aber er hätte sich nie gedacht, dass Snape eine solche Schülerin mit unreinem Blut und in Gryffindor gut behandeln konnte. Wahrscheinlich war Tia wirklich sehr gut in Zaubertränke, ansonsten konnte Sirius es sich nicht erklären.

„Andererseits wollte Snape, dass ich so herausfinde, dass Remus ein Werwolf ist", vermutete Tia und sofort war allen klar, dass Snape doch noch immer der Alte war.

„Hoffentlich macht Snivellus dir keine Schwierigkeiten im nächsten Jahr – er kann Remus nicht ausstehen, also traue ich ihm zu, dass er diesen Hass einfach auf die überträgt", hoffte Sirius, aber es klang eher wie eine Drohung gegen Snape.

„Keine Sorge, ich komme zurecht", winkte Tia ab, „Und wenn nicht, dann breche ich einfach wieder in sein Klassenzimmer ein und vertausche wieder alle Etiketten. Dann fällt wieder Zaubertränke für alle aus und Snape darf sortieren!"

Sirius und Remus tauschten Blicke aus.

Du hast das gemacht?", fragte Remus ein wenig ungläubig.

„Er ist gemein zu Leanne gewesen – selber schuld", verteidigte sich Tia.

„Ich sollte wohl beginnen eine Strichliste zu führen mit Sachen, die Remus und Tia gemeinsam haben", grinste Sirius, „Sie scheint ja doch ein kleiner Unruhestifter zu sein! Dabei sieht sie so brav aus, man traut ihr das gar nicht zu!"

„Darum bin ich auch so gut darin", grinste Tia und in diesem Moment ähnelte sie Remus so sehr, dass Sirius verwirrt zwischen den beiden hin und her sah.

„Verrückt", murmelte er und schüttelte den Kopf.

Querida, es ist langsam Zeit fürs Bett", meinte Carla, die ihren Kopf in die Küche streckte.

Sí, sí, abuelita, ich komme", sofort sprang Tia auf, aber nicht, ohne noch einmal Sirius und Remus umarmt zu haben und beide von ihnen waren von dieser kleinen Geste überrascht.

„Gute Nacht", meinte Tia lächelnd, bevor sie die Küche verließ.

Travieso", lächelte Remus und schüttelte leicht den Kopf.

„Seit wann kannst du Spanisch?", fragte Sirius ihn überrascht und Remus schien aus einer Gedankenwelt gerissen zu werden.

„Schon länger", winkte Remus ab, „Es bedeutet „Unruhestifterin", wenn es dich interessiert hat."

Travieso...", murmelte Sirius nachdenklich, bevor ihm eine Idee kam, „Hey! Wir nennen uns ab heute nicht mehr „die Rumtreiber", sondern „El traviesos", das ist genial!"

„Bitte nicht", seufzte Remus, „Ich gehe wohl auch schlafen, bevor dir noch weitere solcher Ideen kommen."

„Wir lassen und alle Schnauzer wachsen – so richtig buschige und wir tragen nur noch Anzüge!", meinte Sirius begeistert.

„Sirius! Ins Bett!", rief Carla plötzlich und sofort verstummte Sirius.

„Ja, Carla", murmelte er und verließ wie ein getretener Hund die Küche. Remus konnte nur lächeln und bemühte sich, nicht laut loszulachen.

„Ich sehe dieses Grinsen, Moony, das kannst du dir gleich aus dem Gesicht wischen!", warnte Sirius ihn.

„Ich finde es nur unglaublich amüsant, dass Carla schon jetzt eine Autoritätsperson für dich geworden ist – als hättest du vor ihr Angst", grinste Remus.

„Remus! Bett!", rief Carla wieder und sofort verstummte Remus und dieses Mal war es Sirius, der breit grinste, aber beide Männer gingen in ihre zugeteilten Gästezimmer, ohne Carla zu widersprechen – das hätten sie sich nicht getraut.



Es war schon spät in der Nacht, draußen sah Remus den Sichelmond schon hoch am Himmel stehen und er hörte Sirius am anderen Ende des Zimmers leise atmen.

Carla hatte ein Gästezimmer für die beiden vorbereitet und obwohl es natürlich nicht ganz dasselbe war, fühlte Remus sich ein wenig wie damals in Hogwarts, als er zusammen mit Sirius und seinen beiden anderen Freunden einen Turm geteilt hatte.

Damals war die Welt noch in Ordnung gewesen. Damals hatte James noch gelebt, Peter hatte sie nicht verraten, Sirius war kein gesuchter Verbrecher...

Aber Tia lebte noch nicht.

Dieser Gedanke ließ Remus die Stirn runzeln. Eigentlich konnte er sich ein Leben ohne Tia nicht mehr vorstellen und er wusste eigentlich erst seit Kurzem, dass sie seine Tochter war. Und doch hatte sie es geschafft, dass Remus sie am liebsten nie wieder verlassen würde.

Plötzlich hörte er ganz leise im Nebenzimmer ein leises Wimmern. Eigentlich war es kaum hörbar, aber Remus nahm es sofort wahr und er wusste, dass Tia im Nebenzimmer schlief.

Einen Moment zögerte er noch, aber dann hörte er auch, wie Tia sich in ihrem Bett zu bewegen schien – sie schlief unruhig. Vielleicht hatte sie einen Albtraum.

Remus stand auf und schlich leise, damit Sirius nicht aufwachte aus dem Zimmer hinaus auf den Gang. Vor Tias Zimmertür zögerte er – er war noch nicht in ihrem Zimmer gewesen und Carla hatte ihn gewarnt, dass es ein sehr persönlicher Ort für Tia war. Carla hatte ihm geraten, zu warten, bis Tia ihn in ihr Zimmer einlud, aber sie schien wirklich einen Albtraum zu haben, also öffnete Remus leise die Tür.

Tia war in ihrem Bett und drehte sich unruhig hin und her. Ihre Stirn war besorgt gerunzelt und sie verzog das Gesicht, ein Wimmern entkam ihr und hinter ihren Augenlidern bewegten sie ihre Augen schnell.

Sofort war Remus an ihrer Seite und schüttelte sie sanft, um sie nicht zu erschrecken.

„Tia", wisperte er, „Tia, wach auf. Es ist nur ein Traum."

Sofort riss Tia ihre verschiedenfarbigen Augen auf und blickte Remus einen Moment überrascht an, bevor sie sich umsah, schwer atmend, als hätte sie einen Marathon hinter sich.

„Wo bin ich?", sie schien noch verschlafen und sah sich beinahe schon panisch um.

„In deinem Zimmer", flüsterte Remus sanft, „Du hast nur schlecht geträumt. Nur ein Albtraum."

„Ein Albtraum?", wiederholte Tia, als würde sie erst jetzt selbst realisieren, dass ihre Hirngespinste nicht echt sein konnten, „Oh..."

„Wovon hast du geträumt?", fragte Remus leise, um niemanden sonst im Haus aufzuwecken.

„Von was denn schon", Tia rieb sie verschlafen die Augen, „Vom Basilisken. Irgendwie lässt er mich wohl nicht so schnell los."

Remus vergaß immer wieder, dass Tia beinahe ein Schuljahr lang versteinert verbracht hatte. Hätte man es ihm nicht erzählt, wäre er niemals von allein auf diese Idee gekommen, aber er erinnerte sich, dass Tia seine Tochter war und der Basilisk wohl ihre größte Angst darstellte. Als Vater sollte er sich bewusst sein, vor war seine Tochter sich fürchtete und sie davor beschützen.

„Denkst du, du kannst wieder einschlafen?", fragte Remus.

„Ich weiß nicht", Tia gähnte, „Ich bin noch aufgewühlt – ich werde wohl noch ein wenig zeichnen, bis ich mich beruhigt habe..."

„Würde es helfen, wenn ich bei dir bleiben würde, bis du wieder schläfst?", fragte Remus, bevor er wirklich darüber nachdenken konnte, was er sagte.

Tia musterte ihn und Remus konnte wie so häufig ihren Blick nicht wirklich deuten.

„Es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe", meinte sie schließlich zu Remus' Verwunderung.

„Oh, nein", schnell schüttelte er den Kopf, „Ich bin noch wach gewesen – du hast mich nicht geweckt."

„Dann musst du müde sein – du musst nicht hierbleiben", winkte Tia ab.

„Tia", seufzte Remus, „Wenn es dir hilft, wieder zu schlafen, wenn ich hierbleibe, dann bleibe ich. Ich würde mich dann wohl auch besserfühlen."

„Wenn es dir keine Umstände macht", Tia wurde knallrot und vermied Augenkontakt, „Ich... ich fürchte mich wirklich und ich will nicht noch mehr Albträume haben."

„Dann bleibe ich", bestimmte Remus, „Rück ein Stück."

Tia rückte auf ihrem Bett ein wenig zur Seite, sodass sich Remus bequem neben sie setzen konnte.

Müde schloss Tia wieder ihre Augen, aber Remus blieb wach und achtete darauf, dass sie ruhig schlief. Bald schon hörte er auch Tia tief atmen und sie schien nicht zu träumen, aber trotzdem blieb er neben ihr sitzen.

Unsicher hob er seine Hand, bevor er sie auf Tias Kopf legte und ihr sanft über die weichen Haare strich.

„Ich bin bei dir", wisperte er leise, „Ich lass dich nicht mehr allein – versprochen."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top