44. Kapitel
Als Tia über die Weihnachtsferien nach Hause fuhr, ließ sich Carla nichts anmerken, dass sie ihren Vater kennengelernt hatte.
Stattdessen hörte sie ihr geduldig dabei zu, wie sie Professor Lupin nahezu in den Himmel lobte und was für ein guter Professor er war. Dank ihm lernte sie leichter und dafür war ihm Carla dankbar.
Vielleicht war Eva keine gute Mutter für Tia gewesen, aber vielleicht konnte Remus irgendwann, wenn das Schicksal es wollte, ein Vater für Tia sein.
Im Hinterkopf hatte Carla noch immer das Gespräch, dass sie nachher mit Remus gehabt hatte.
Er hatte einige von Tias seltsamen Eigenschaften und Merkmale mit einer einfachen Antwort erklärt. Warum Tia so ausgeprägte Sinne hatte, zu Vollmond nicht schlafen konnte, für unbewegliche Dinge eine Brille brauchte? Weil ihr Vater ein Werwolf war.
Bisher hatte es noch keine Aufzeichnungen von einem Werwolfkind gegeben, das halb Mensch oder Zauberer und halb Werwolf war. Vielleicht war Tia sogar die erste, aber jetzt, da Carla wusste, was mit ihrer Tochter los war, konnte sie auch viel besser auf sie reagieren und auf einmal klärte sich auch, warum Tia hin und wieder auch gerne rohes Fleisch aß.
Belustigend fand Carla auch, dass Tia wohl auch die Schokoladensucht von Remus geerbt hatte und als Remus am Weihnachtsmorgen zerkratzt, zerschunden und müde nach einer Vollmondnacht in sein Büro kam, fand er einen großen Haufen mit Schokolade vor, die Carla ihm geschickt hatte.
In diesem Moment wusste er nicht genau, ob er weinen oder lachen sollte, aber letztendlich einigte er sich auf eine Mischung aus beidem.
Tia hingegen ahnte nichts davon, dass Professor Lupin ihr Vater war und freute sich über die Geschenkte, die sie von ihren Freundinnen bekommen hatte.
Von Alicia war dieses Jahr mehr als nur Schokolade dabei, denn das Mädchen hatte Tia eine wunderschöne Kette mit einem Schmetterlingsanhänger geschickt. Sie war wunderschön, sah aber nicht sonderlich teuer aus, also fühlte Tia sich nicht schlecht, als sie sie sofort anlegte. Sie war sich noch nicht sicher, was sie von Alicia halten sollte, aber sie mochte sie eigentlich ganz gerne und war offen für alles.
Als Tia ihrer Oma ihre Zeichnungen zeigte, bemerkte Carla sofort, dass Tia einige Seiten aus ihrem geliebten Skizzenblock herausgerissen hatte, aber Carla durchlöcherte sie nicht mit Fragen. Wenn Tia nicht wollte, dass Carla gewisse Zeichnungen sah, musste sie sie nicht sehen, aber sie hoffte, dass es ihrer Enkelin gut ging.
Nach den Ferien begann die Schule genauso, wie zuvor.
Professor Lupin war immer noch der Alte, obwohl Tia hin und wieder meinte, ihn sie anstarren zu sehen.
Langsam holte sie mit ihrer restlichen Klasse auf und hatte beinahe den ganzen Stoff des letzten Jahres schon nachgelernt und als es Februar wurde, freute sie sich schon auf das Spiel Ravenclaw gegen Gryffindor.
Harry hatte zu Weihnachten einen neuen Feuerblitz bekommen und Tia kannte sich zwar nicht wirklich mit Besen aus, aber nach dem, was Katie davon erzählte, war es wirklich ein guter Besen.
Es herrschte eine Anspannung unter den Gryffindors, denn wenn sie dieses Spiel verlieren würden, könnten sie den Pokal zum achten Mal in Folge an Slytherin abgeben und das war etwas, was so ziemlich jeder verhindern wollte.
Je näher das Spiel rückte, desto seltsamer verhielten sich Fred und George – oder besser gesagt, Fred verhielt sich seltsam und George tat alles, um ihn aufzumuntern.
Als Tia ihre Sorgen über die Zwillinge bei Katie und Leanne geäußert hatte, hatten sich die beiden nur vielsagend angelächelt.
„Wir denken nur, dass Fred sich ein wenig schwer tun wird, gegen Ravenclaw zu spielen", vermutete Leanne grinsend, aber Tia verstand noch immer nicht, was mit den beiden los sein sollte, aber sie beließ es dabei. Egal, was wirklich los war, irgendwie hatte Tia das Gefühl, als würde George ihr schon länger aus dem Weg gehen. Sie hatte ihn einmal als einen ihrer besten Freunde gesehen, aber sie hatten in letzter Zeit kaum miteinander gesprochen und immer, wenn Tia mit dem Quidditch-Team unterwegs war, hielt George sich ein wenig zurück. Tia fragte sich häufig, ob sie schuld daran war, aber egal, was in Georges Kopf vorging, sie konnte keine Gedanken lesen, also konnte sie nichts an ihrem Verhalten ändern, solange er nicht mit ihr sprach.
Gryffindor gewann das Spiel gegen Ravenclaw, unter anderem dank Harry mit seinem Feuerblitz und im Gemeinschaftsraum gab es eine große Party. Fred und George hatten Butterbier besorgt und steckten das ganze Haus schon bald mit ihrer Feierstimmung an.
„Komm schon, Tia! Nur ein Butterbier", Katie hielt ihr eines direkt vor die Nase, aber der süße Geruch stieg ihr in die Nase und sie verzog diese.
„Nein, danke, wirklich nicht", lehnte sie ab, „Ich bleibe lieber bei Kürbissaft und Kakao."
„Du verpasst wirklich etwas", meinte Leanne laut, die selbst ein Butterbier in der Hand hatte.
Tia lächelte und schüttelte den Kopf, bevor sie sich wieder ihrer Zeichnung widmete. Sie zeichnete eine schnelle Skizze des Gryffindor-Quidditchteams mit ihren scharlachroten Uniformen und Besen in der Hand.
Plötzlich wurde sie von zwei starken Händen zur Seite geschoben und George ließ sich neben ihr nieder.
„Was ist los?", fragte er sie lächelnd, aber er sah ein wenig besorgt aus.
„Redest du wieder mit mir?", fragte Tia verwirrt. Sie klang weder beleidigt, noch unfreundlich, sondern einfach nur überrascht und das überraschte George. Tia konnte wohl nie wirklich wütend sein, außer man beleidigte ihre Freunde.
„Ich...", stammelte George unsicher, was er sagen sollte, „Ja, ich denke schon."
„Oh, wie nett", lächelte Tia und konzentrierte sie wieder auf ihre Zeichnung.
„Fred hat in letzter Zeit nur ein paar Probleme", brach es aus George heraus und Tia sah ihn erstaunt an.
„Wirklich? Er wirkt aber so fröhlich, wie immer", bemerkte sie ahnungslos mit einem Blick auf Fred, der sich gerade mit Angelina und Alicia unterhielt.
„Jaa", George kratzte sich am Nacken, „Es geht ihm auch nicht wirklich schlecht... Es ist nur... Er hat sich wohl verliebt."
„Oh, wie nett", wiederholte Tia lächelnd, „In wen? Kenne ich denjenigen?"
„Er gibt es selbst nicht zu, aber ich weiß, dass er ein Auge auf Agnes Tripe geworfen hat", wisperte George und jeder andere hätte es wegen dem Partylärm nicht verstanden, aber nicht so Tia.
„Agnes Tripe? Die Treiberin aus Ravenclaw?", fragte Tia und George nickte, „Sie sieht nett aus. Ich kenne sie nicht wirklich gut..."
„Sie ist wirklich nett", bestätigte George schnell, „Und witzig... außerdem kann sie wirklich gut backen", sein Blick wurde abwesend, als würde er sich daran erinnern, wie gut Agnes' Backkünste waren.
„Wenn Fred sie mag, warum fragt er sie nicht, ob sie mit ihm ausgeht?", fragte Tia unschuldig.
George wusste nicht genau, was er darauf antworten sollte.
„Ich... also...", stammelte er, „Würdest du jemanden sofort ansprechen, wenn du ihn magst?"
„Ich weiß nicht – ich mag eigentlich niemanden auf diese Art", gab Tia zu und wurde ein wenig rot.
„Wirklich nicht?", George wusste nicht, ob er froh darüber sein sollte, oder nicht, „Was ist mit Alicia?"
„Das weiß ich auch nicht", seufzte Tia, „Sie ist eine Freundin wie jeder andere auch, aber ich denke, das sieht sie nicht so..."
Eigentlich war George davon ausgegangen, dass Tia auch an Alicia interessiert war, immerhin hatte sie häufiger Andeutungen gemacht und die beiden Mädchen hingen wirklich oft miteinander ab, aber jetzt, wo George so zurückdachte, bemerkte er, dass Tia häufig mit dem ganzen Team abhing und auch mit Angelina viel unternahm, aber deswegen waren die beiden noch lange nicht zusammen.
Und George war in letzter Zeit ein Idiot gewesen und war Tia aus dem Weg gegangen, weil er sie nicht ansehen konnte, ohne daran zu denken, dass sie mit Alicia zusammenkommen würde und er niemals eine Chance haben würde. Vielleicht sollte er wieder anfangen, sich mit Tia zu unterhalten – immerhin waren die beiden auch Freunde, ohne eine romantische Beziehung und selbst wenn Tia ihn niemals als mehr sehen konnte, als einen Freund, war sie doch immer eine treue Freundin gewesen.
Ihre Unterhaltung wurde unterbrochen, als McGonagall im Morgenmantel sie alle ins Bett schickte.
Vicky war im Bett und hatte sich ihr Kissen über ihren Kopf gelegt.
„Will sie sich ersticken oder waren wir so laut?", fragte Tia unschuldig, aber beide Leanne und Katie brachen in lautes Gelächter aus, obwohl Tia nicht einmal wusste, warum.
Die Mädchen machten sich bettfertig und schon bald war es komplett still. Tia hörte, dass auch in den anderen Schlafsälen langsam Ruhe einkehrte und sie fiel schon bald in einen traumlosen Schlaf, bis...
„AAAAAAAAAAAAAAARRRRRRRRRHHHHHHHHHH! NEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIN!"
Tia war schon in den Tiefschlaf gefallen, aber dieser Schrei war für ihre empfindlichen Ohren so laut, dass sie vor Schreck aufsprang, sich in ihrem Bettzeug verhedderte, gegen ihren schweren Vorhang ihres Himmelsbettes fiel, dieser hielt sie aber nicht davon ab, dass sie auf den Boden fiel.
„Au", bemerkte sie, während sie hörte, wie auch noch andere Schüler aufgewacht waren und auch die Mädchen in ihrem Schlafsaal waren hellwach.
„Tia, was ist?", fragte Katie sie verschlafen.
„Jemand hat geschrien", meinte Tia nervös, während sie sich aus ihrem Bettzeug befreite, „Was ist passiert?"
„Könnt ihr nicht ein einziges Mal die Klappe halten?", beschwerte sich Vicky, „Daphne von Slytherin hat erzählt, dass es bei ihnen nie Probleme mit Lärm gibt. Alle gehen zugleich schlafen und keiner feiert bis nach Mitternacht noch wegen einem dämlichen Quidditchspiel!"
„Sehen wir lieber nach, was passiert ist", schlug Leanne vor und half Tia hoch, während alle drei Vicky einfach ignorierten.
Einige andere Mädchen waren ebenfalls schon auf dem Weg nach unten und Tia erblickte Alicia und Angelina, die schon im Gemeinschaftsraum standen und sich müde und verwirrt umsahen.
„Wer hat geschrien?", fragte Leanne ein wenig genervt.
Tia trippelte hinter Leanne her. Sie hatte in der Aufregung ihren Morgenmantel nicht gefunden und nachdem sie sowieso schon darin eingewickelt gewesen war, hatte sie einfach ihre Decke mitgenommen und zog sie nun hinter sich her.
„Professor McGonagall hat uns doch gesagt, wir sollen ins Bett gehen!", erinnerte Katie alle.
„Gute Idee, machen wir weiter?", fragte Fred strahlend, aber in diesem Moment hätte Tia ihm lieber weniger höflich gesagt, dass sie müde war.
„Fred und George Weasley, wenn ich darauf komme, dass ihr beide schuld seid, dass ich wach bin –", drohte Katie ihnen mit erhobenem Finger, aber Tia hielt sie zurück.
„Entschuldigt sie, sie ist müde", meinte sie lächelnd und schob Katie von den Zwillingen weg.
„Alle zurück in die Betten!", befahl Percy Weasley, der Schulsprecher von Hogwarts, der sich immer wichtig zu machen schien, aber Tia empfand es als ziemlich mutig, sich vor eine Horde müder Jugendliche zu stellen und ihnen zu sagen, dass sie wieder ins Bett gehen sollen, obwohl es offensichtlich einen Grund gab, warum alle wach waren.
„Percy – Sirius Black", hörte Tia Ronald Weasley stammeln, "In unserem Schlafsaal! Mit einem Messer! Hat mich geweckt!"
Mit einem Schlag wurde es totenstill und auch Tia zog sich noch ein wenig mehr nervös in ihre Decke zurück.
„Unsinn!", rief Percy, um alle zu beruhigen, aber sogar er wirkte ein wenig verdutzt, „Du hast zu viel gegessen, Ron – davon hat man Albträume –"
„Ich sag dir doch –", wollte Ron sich verteidigen, aber in diesem Moment kam McGonagall wieder herein.
„Jetzt aber wirklich, genug ist genug!", rief sie und sah überhaupt nicht mehr glücklich mit ihrem Haus aus, als sie das Portrait hinter sich zuschlug und wütend in die Runde blickte, „Ich bin ja froh, dass Gryffindor das Spiel gewonnen hat, aber Ihr Betragen wird allmählich lästig. Percy, ich hätte mehr von Ihnen erwartet!"
„Ich habe das natürlich nicht erlaubt, Professor!", widersprach Percy empört, „Ich hab sie alle ins Bett zurückgeschickt. Mein Bruder Ron hier hatte einen Albtraum –"
„Es war kein Albtraum!", rief Ron wieder, „Professor, ich bin aufgewacht und da stand Sirius Black über mir mit einem Messer in der Hand!"
Auch McGonagall schien ihm die Geschichte nicht abzukaufen und starrte ihn an.
„Machen Sie sich nicht lächerlich, Weasley, wie hätte er denn durch das Portraitloch kommen sollen?"
„Fragen Sie doch den!", Ron wies auf den Hüter des Turmes, Sir Cardogan, der nach der Beschädigung der Fetten Dame eingesprungen war und seitdem die Passwörter einholte, bevor er die Schüler einließ, „Fragen Sie ihn, ob er –"
McGonagall schien endgültig genug davon zu haben und riss das Portrait zur Seite, ging hinaus und fragte laut und für alle gut hörbar: „Sir Cardogan, haben Sie soeben einen Mann in den Gryffindor-Turm gelassen?"
„Gewiss, verehrte Dame!", rief Sir Cardogan, als hätte er eine Heldentat vollbracht und im Gemeinschaftsraum wurde es wieder still.
„Sie – sie haben ihn eingelassen?", kreischte Professor McGonagall entsetzt, „Aber – aber das Passwort!"
„Er hat sie gehabt!", meinte Sir Cardogan stolz, „Hatte alle von der ganzen Woche, Mylady! Hat sie von einem kleinen Zettel abgelesen!"
McGonagall kam wieder in den Gemeinschaftsraum und schaute in die Menge von Gryffindors, die sich versammelt hatten.
„Wer von Ihnen", ihre Stimme zitterte und sie schien nicht ganz zu glauben, was sie jetzt fragte, „welcher unsägliche Dummkopf hat die Passwörter von dieser Woche aufgeschrieben und sie herumliegen lassen?"
Es herrschte vollkommene Stille und obwohl es etwas war, was wohl normalerweise Tia machen würde, wusste sie ganz sicher, dass sie es nicht gewesen war. Vielleicht konnte sie sich die Passwörter nicht so gut merken, aber sie war immer in Begleitung von mindestens einem ihrer Freunde und die wussten sie immer, also hatte sie keinen Grund, sie aufzuschreiben.
Aber plötzlich vernahm man ängstliches Quieken und Fiepen, wie von einem verletzten Tier und ein Drittklässler trat vor, am ganzen Körper zitternd, bevor er die Hand hob.
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