24. Kapitel
„Wo wirst du die Ferien verbringen?", fragte George Weasley, als er zusammen mit Tia beim Frühstück saß. Es war eine Vollmondnacht gewesen und zu Tias Erstaunen hatte er wieder beschlossen, diese Zeit mit ihr zu verbringen, sodass sie jetzt beide schon viel zu früh wach waren und mehr oder weniger die ersten beim Frühstück waren.
„Bei meiner abuelita. Ich freue mich schon, sie wiederzusehen", gab Tia zu, „Fährt ihr auch nach Hause?"
„Dieses Jahr nicht – Mom und Dad besuchen mit Ginny Charlie in Rumänien – er arbeitet dort jetzt mit Drachen und erforscht sie."
„Charlie? Wirklich?", fragte Tia ungläubig nach, „Klingt wirklich toll."
„Ist es auch bestimmt – ich wünschte nur, ich könnte mitkommen", seufzte George, „Nicht nur, um Drachen zu sehen – ich habe Charlie auch schon lange nicht mehr gesehen. Es ist irgendwie seltsam, ihn nicht mehr jeden Tag zu sehen oder beim Quidditchtraining herumschreien zu hören."
„Ich bin mir sicher, du bekommst schon noch die Möglichkeit, ihn zu sehen", versprach Tia, „Immerhin ist er dein Bruder – ich denke, die sieht man, egal, ob man will oder nicht."
„Mh, ja", brummte George, „Du hast wohl recht."
Als es Zeit war, für die Schüler über Weihnachten nach Hause zu fahren, verabschiedete sich Tia auch von Fred und George.
„Wir sehen uns im neuen Jahr", versprach sie, „Und euch schöne Weihnachten!"
„Werden wir haben – und nach den Ferien hast du die Ehre, uns wieder bei einem Streich zu helfen!", warnte George sie vor und Tia war sich nicht sicher, ob sie sich freuen sollte oder nicht.
Die Heimfahrt verbrachte sie zusammen mit Katie, nachdem Leanne schon in Hogsmeade von ihren Eltern abgeholt worden war. Katie saß ihr gegenüber und las ein Buch, während Tia den Innenraum des Abteils zeichnete, als Katie plötzlich und ohne Vorwarnung das Buch in ihren Schoß fallenließ und Tia streng ansah.
„Schluss mit Spielchen", sagte sie ernst und musterte Tia, „Was läuft da zwischen dir und dem halben Quidditch-Team?"
Tia sah von ihrer Zeichnung auf und egal, was sie erwartet hatte, wovon Katie sprechen wollte, mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet.
„Was soll denn sein? Ich kenne sie, weil du sie kennst und weil ich bei jedem Training und jedem Spiel dabei bin", zählte Tia auf, „Ansonsten fällt mir nichts ein, warum?"
Katie begann breit zu grinsen und wechselte ihren Platz, sodass sie neben Tia saß.
„Dann muss ich dir unbedingt erzählen, was ich immer höre", wisperte Katie aufgeregt, als hätte sie Angst, jemand könnte sie belauschen, obwohl sie allein im Abteil waren, „Ich glaube nämlich, dass Alicia dich mag."
„Ich mag Alicia auch – sie ist nett", meinte Tia unschuldig.
„Nein, nicht so", widersprach Katie, „Ich glaube, dass sie dich... anders mag. Eben mehr, als nur als Freundin."
„Warum sollte sie?", fragte Tia, „Wir kennen uns kaum."
„Vielleicht wirkt dein Veela-Blut bei ihr", überlegte Katie, „Auf jeden Fall hast du bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Nach den Auswahlspielen hat sie mich häufiger Sachen über dich gefragt – was du gerne machst, wie wir uns kennengelernt haben, welche Süßigkeiten dir am besten schmecken, ... Zuerst habe ich auch gedacht, dass sie nur neugierig ist, aber sie redet nach den Trainings kaum über etwas anderes und Angelina macht auch immer solche Andeutungen..."
„Glaubst du wirklich, sie könnte mich mögen?", fragte Tia unsicher, „Ich meine... ich bin nur Tia..."
„Ich weiß auch nicht – du bist schon nett, darum sind wir Freundinnen", Katie zuckte mit den Schultern, „Ich weiß nur, dass dir es bis jetzt noch nicht aufgefallen ist, also bist du entweder blind oder einfach unschuldig."
„Wenn nur diese beiden Sachen zur Auswahl stehen, dann bin ich wohl unschuldig", vermutete Tia, „Aber ich denke, du interpretierst einfach zu viel hinein."
„Auch möglich", stimmte Katie ihr zu, „Leanne hat zwar auch schon einmal angedeutet, dass Alicia sich in deiner Nähe seltsam verhält, aber was weiß ich schon. Früher habe ich auch gedacht, George Weasley würde dich auch mögen, aber mittlerweile denke ich, er ist einfach nur ein guter Freund von dir."
„Und das ist er auch – er ist wirklich nett und hilfsbereit", stimmte Tia ihr zu.
„Und das ist er nur bei dir – wirklich seltsam, aber was weiß ich schon", Katie zuckte wieder mit den Schultern.
„Außerdem interessiert mich dieses ganze Liebeszeug gar nicht – ich meine, meine Mutter hat es geschafft, meinen Dad in einer Nacht zu verführen – wie real kann dann schon Liebe sein?"
„Außerdem sind wir zwölf", fügte Katie hinzu.
„Nur, weil Leanne heimlich einen Stand auf Charlie Weasley gehabt hat, bedeutet das noch lange nicht, dass wir uns alle schon dafür interessieren müssen", stimmte Tia ihr zu, „Ich bin froh, wenn ich diesen komplizierten Kram noch nicht durchstehen muss."
„Meine Rede", nickte Katie, „Wenn es soweit ist, werden wir schon sehen, wohin uns die Liebe führt."
„Das war gerade ziemlich kitschig", kicherte Tia.
„Du bist auch kitschig – lass mich in Ruhe", beschwerte Katie sich und schubste Tia leicht, aber die beiden Mädchen kicherten.
Als sie beim Bahnhof ankamen, wartete Tias Großmutter schon auf sie und winkte. Wie der Zufall es wollte, standen Katies Eltern gleich daneben, also hatten die Mädchen noch die Chance, ein Stück miteinander zu gehen.
„Querida!", begrüßte Carla ihre Enkelin, „Hier bist du ja!"
„Hallo, abuelita!", begrüßte auch Tia sie, „Kennst du schon Katie?"
„Mom, Dad, das ist Tia – meine Freundin", stellte auch Katie sie vor.
„Du bist also Tia – Katie hat schon viel von dir erzählt", meinte Katies Mutter.
„Freut mich, euch kennenzulernen, Mrs und Mr Bell", brachte Tia heraus und wurde etwas rot.
„Können wir los, Tia?", fragte Carla sie, „Ich habe das Auto im Halteverbot geparkt."
„Oh, dann sollten wir lieber los", meinte Tia, „Tschüss, Katie! Bis nächstes Jahr!"
Carla und Tia gingen zum Auto, an dem zu ihrem Glück noch kein Strafzettel klebte und zusammen fuhren sie nach Hause.
Zu Hause setzte Carla einen Kessel mit Wasser auf, um einen Tee zu machen und stellte eine Schale mit Ingwerkeksen auf den Tisch.
„Wie ist dein Jahr bisher gewesen?", fragte Carla ihre Enkelin und Tia begann von den Unterrichtsstunden zu erzählen, von Katie und Leanne und auch von Vicky und dem Unfall (oder Absicht) in Zaubertränke. Das alles unterstrich Tia mit Zeichnungen vom Jahr – eine Zeichnung von den Unterrichtsräumen, von Katie und Leanne natürlich und auch von Vicky, aber diese war eher in einem schlechten Licht gestellt, während Vicky schlief und dabei ein wenig wie ein Schwein aussah.
Carla blätterte weiter und kam zu der Seite mit Zeichnungen von Fred und George.
„Oh, ist das der Junge, den du magst?", fragte Carla und sah ihre Enkelin vielsagend an.
„Was? Nein!", rief Tia schnell und wurde rot, „Das sind Fred und George – sie sind meine Freunde."
„Zwillinge also, hu?", fiel es Carla jetzt auf und sie las die Bildunterschriften, die Tia bei jeder Zeichnung hinzufügte.
„Ja, sie haben mir geholfen, Vicky einen Streich zu spielen", erzählte Tia und musste bei der Erinnerung lächeln.
„Streiche? Travieso", tadelte Carla ihre Enkelin, aber sie lächelte dabei, „In deinem Alter habe ich auch immer Streiche gespielt."
„Wirklich?", Tia konnte nicht glauben, dass eine so anständige und stilbewusste Frau einmal Streiche gespielt hatte.
„Oh, ja", Carla nickte, „Und deine Mutter auch – vermutlich liegt es in der Familie."
Als das Thema ihrer Mutter angesprochen wurde, wurde Tia nachdenklich und das bemerkte Carla sofort. Irgendetwas war anders, seit Tia nach Hogwarts ging. Es waren Kleinigkeiten, aber der Umgang mit anderen Leuten zeigte ihr wohl immer häufiger, dass ihr Leben nicht so normal war, wie sie immer gedacht hatte. Nicht, dass Carla es schlimm fand – sie hatte gehofft, dass ihre Enkelin einmal einen Ort finden würde, an dem sie sich selbst finden konnte und den hatte sie wohl in Hogwarts gefunden.
„Abuelita, glaubst du, meine Mutter wollte mich nicht, weil sie noch so jung war?", fragte Tia schließlich, „Denkst du, wenn ich einige Jahre später geboren wäre, hätte sie mich behalten?"
„Es ist nicht deine Schuld, querida!", versicherte Carla ihrer Enkelin sofort, „Rede dir das bloß nie ein! Du kannst nichts dafür, dass deine Mutter dich nicht aufgezogen hat."
„Aber sie muss Gründe gehabt haben und...", Tia wusste selbst nicht, wie sie es formulieren sollte, „Ich frage mich, ob sie mich gerne kennenlernen würde..."
Carla seufzte und sah ihre Enkelin nachdenklich an. Ihre nächsten Worte mussten wohl überlegt sein, damit sie ihr nicht das Gefühl gaben, dass Tia schuld daran war, dass Eva ihre Tochter verlassen hatte.
„Querida, es liegt nicht unbedingt an ihrem Alter", meinte Carla sanft, „Ich denke, sie hat Angst vor deinen Kräften gehabt. Immerhin warst du ihr erstes Kind, sie hat keinen Vater gehabt, an den sie sich hätte wenden können, sie und ich haben uns zu dieser Zeit meistens gestritten... Ich denke, sie ist einfach überfordert mit dem Gedanken gewesen, dich als Kind zu haben."
„Also will sie mich nicht kennenlernen?", Tia sank ein wenig zusammen. Sie war sich nicht sicher, ob sie enttäuscht oder traurig war. Vielleicht etwas dazwischen, aber tief im Inneren hatte sie es schon immer gewusst.
„Im Moment nicht, nein", seufzte Carla, „Aber vielleicht, eines Tages, wenn sie erwachsen ist..."
„Aber sie ist doch schon erwachsen", meinte Tia verwirrt.
„Tia, nur, weil eine Person körperlich erwachsen ist, bedeutet das noch lange nicht, dass sie es auch geistig ist. Eva genießt noch eine gewisse Freiheit, die ein Erwachsener nicht hat. Vielleicht ist es ganz gut, dass du bei mir aufgewachsen bist – so bist du zu diesem wunderbaren, talentierten, besonderen Mädchen geworden, dass du heute bist."
Tia lächelte leicht und schob das Thema „Mutter" zur Seite, aber Carla dachte noch lange darüber nach – Tia verstand langsam, dass es sehr wohl die schuld von Eva gewesen war und dass sie zwar alles Recht dazu hatte, sie zu hassen, aber Carla wusste, dass dieses Mädchen nicht wirklich in der Lage war, jemanden zu hassen.
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