177. Kapitel
Es war seltsam, Agnes zu sehen.
Sie schien sich unter den anderen Toten vollkommen wohl zu fühlen und sie scherzte mit ihnen, als wäre sie nicht gerade gestorben. Als sie sich an den Gryffindortisch zu Fred setzte, gesellte sich auch Grant zu ihnen und es bildete sich eine kleine Gruppe, die munter miteinander quatschte und scherzte und Tia war kein Teil davon.
Niemand konnte sie sehen, aber sie musste dabei zusehen, wie die Toten miteinander kommunizierten. Tia war überrascht, dass offenbar keine gedrückte Stimmung herrschte. Stattdessen schienen alle locker zu sein, als hätte man ihnen eine schwere Last abgenommen und Tia vermutete, dass das auch wirklich so war. Der Tod konnte einen von vielen Lasten befreien, aber letztendlich waren die Lasten des Lebens doch das, was einen lebendig machte.
Das Leben klang furchtbar langweilig, wenn dort alles nur noch Friede, Freude, Eierkuchen wäre...
Wieder öffnete sich die Tür hinter Tia und sie drehte sich erwartungsvoll um – vielleicht würde auch noch Remus oder George oder sonst irgendjemand vorbeikommen, den sie liebte und kannte, aber es war ein Mann, der Tia fremd war.
Er war alt, aber nicht so alt wie Dumbledore, wie Tia schätzte, aber sie hatte noch nie gut Alter schätzen können. Irgendetwas an ihm kam Tia bekannt vor und erst, als er neugierig weiter in die Halle eintrat, erkannte Tia in ihm Voldemort.
Es war Voldemort, wenn er nicht so unmenschlich aussehen würde, wie er es nun einmal tat, wenn er nicht gerade tot war.
Erleichterung durchflutete Tia und sie atmete sichtlich aus – Voldemort war tot, aber dieser hatte ihre Bewegung wohl bemerkt, denn sein Blick fixierte sich auf sie und voller Schrecken erkannte Tia, dass er sie sehen konnte. Das bedeutete wohl, dass es ihm vorherbestimmt war, wieder zurück zu gehen – das stand schon fest, so, wie auch sie zurück ins Leben kehren konnte.
Voldemort sah Tia einen Moment lang mit seinem kühlen Blick an, bevor er sich weiter umsah und er blickte voller Neid oder Hass auf den Gryffindortisch, an dem die Kämpfer gegen Voldemort gerade laut lachend Karten spielten mit den Karten, mit denen Grant gerade eben noch einen riesigen Turm gebaut hatte.
Tia verstand die Regeln nicht und sie fragte sich, ob es überhaupt Regeln gab... vermutlich nicht.
Mit großen, bedrohlichen Schritten trat Voldemort auf die Gruppe zu, aber diese ignorierten ihn, nein... sie sahen ihn nicht und deswegen kümmerten sie sich nicht um ihn, während sie vergnügt weiterspielten.
Voldemort wich einen Schritt zurück, als hätte man ihn geschlagen, bevor er zum Slytherintisch ging, wohl in der Erwartung, dort empfangen zu werden, aber auch dort sah ihn niemand.
Panisch sah Voldemort sich um und er irrte von Tisch zu Tisch, wohl in der Hoffnung, dass jemand auf ihn reagierte und er wanderte auch zum Lehrertisch und stellte sich direkt vor Snape, aber niemand beachtete ihn.
Tia hatte Mitleid mit ihm und vorsichtig trat sie näher an ihn heran.
Zuerst bemerkte er sie gar nicht, aber dann räusperte Tia sich. „Entschuldigen Sir, Mr Voldemort... Sie können Sie nicht sehen."
Er wirbelte zu ihr herum und einen Moment lang durchbohrte sein hasserfüllter Blick sie, aber Tia kümmerte das nicht – sie waren mehr oder weniger schon tot.
„Was soll das bedeuten?", schnaubte Voldemort, „Warum sollten sie mich nicht sehen? Ich stehe direkt vor ihnen! Wissen sie nicht, wer ich bin?"
„Warum sollte das sie interessieren?", fragte Tia und legte den Kopf schief, „Sie sind doch schon tot. Warum sollten sie noch Angst vor Ihnen haben?"
„Ich kann nicht tot sein, Mädchen!", zischte Voldemort wütend und Tia runzelte die Stirn, „Verschwende nicht meine Zeit!"
„Natürlich sind wir nicht tot, aber sie sind es... jedenfalls für den Moment...", erklärte Tia, „Professor Dumbledore hat es mir erklärt, aber... ich glaube nicht, dass dieser Ort dafür gemacht worden ist, um ihn zu verstehen. Manchmal muss man einfach verstehen, dass man nicht alles verstehen muss, denke ich mir dann immer. Manche Dinge sind nicht dafür gemacht, dass man sie versteht und man muss sie einfach so hinnehmen, wie sie sind."
Die Türen wurden schwungvoll geöffnet und herein trat niemand anderer als Konstantin Gregorovich mit einem Grinsen im Gesicht.
„Ladies und Gentlemen! Ich bin jetzt offiziell tot!", rief er feierlich, als wäre es etwas Positives, „Rotte in der Hölle, Davies!" Er schrie in Richtung Slytherintisch und dort war Leto Davies, die Konstantin wohl umgebracht hatte, aber sie reagierte nicht. Sie blickte nur weiter mit einem glasigen Blick auf den Tisch, als wäre sie betrunken. Das taten viele der Todesser.
„Setz dich zu uns, Kon!", lud Fred ihn herzlich ein und Konstantin setzte sich zu der lachenden Gesellschaft.
Voldemort und Tia hatten beide das Geschehen stumm beobachtete und Voldemort runzelte die Stirn und schien in Gedanken versunken. Tia beschloss, ihn nicht zu unterbrechen.
„Aber... ich bin nicht tot?", fragte er nach.
„Wir sind nicht tot – wir sind nur auf der Schwelle zum Tod, aber wir können wieder zurück. Etwas hält uns noch am Leben fest. Die anderen hier sind wohl entweder wirklich tot oder liegen im Sterben... es ist noch nicht sicher, ob sie es schaffen..."
Voldemort sah sich um und sein Blick fiel auf seine Todesser am Slytherintisch, aber er schien keine Reue zu verspüren.
Tia verstand das nicht. Diese Leute waren für ihn gestorben und trotzdem kümmerte er sich nicht um sie. Natürlich war es möglich, dass Tia sich irrte und auch sie umsonst gestorben war. Es war möglich, dass Remus sich überhaupt nicht um ihren Tod gekümmert hatte. Hatte er wenigstens eine Träne vergossen? Vermutlich. So, wie Tia ihn kannte, ging es ihm nicht gut mit dem Wissen, dass sie für ihn gestorben war. Vermutlich wäre es ihm lieber gewesen, sie hätte es nicht getan und Tia verstand das auch, aber sie hatte eigentlich nie direkt geplant, für ihren Vater zu sterben... sie wollte ihn nur beschützen – um jeden Preis.
„Warum tun Sie das, Mr Voldemort?", fragte Tia ihn und Voldemort richtete seinen kühlen Blick auf sie.
„Was tun, Mädchen?", fragte er patzig.
„Tia", korrigierte Tia ihn streng, „Mein Name ist Tia Fuego. Und ich habe Sie gefragt, warum Sie diesen Krieg gebracht haben... was haben Sie gegen Muggelstämmige und Muggel?"
„Sie sind eine Krankheit", zischte Voldemort, „Ratten, die man verbrennen sollte!"
„Meine abuelita ist ein Muggel", erzählte Tia heiter, „Ich mag sie sehr. Ich würde es nicht fair finden, wenn einer Ihrer Todesser sie umbringen würde und ich kenne niemanden, der bisher noch keinen Respekt vor meiner abuelita gehabt hätte. Professor McGonagall und sie treffen sich sogar regelmäßig zum Tee... also... haben sie, bevor sie vor dem Krieg geflohen ist..."
„Das interessiert mich nicht, Mädchen!", zischte Voldemort, aber Tia ignorierte ihn.
„Tia", korrigierte sie ihn wieder geduldig, „Ich finde es seltsam, dass es Sie überhaupt nicht interessiert, dass Ihre Todesser für Sie gestorben sind... ich habe fast zu weinen begonnen, als Agnes gekommen ist."
Voldemort sah zu Agnes, die einen Arm um Fred gelegt hatte und mit einem selbstsicheren Grinsen ihre Karten auf den Tisch warf. Grant schrie herum, dass sie geschummelt hatte; jemand anderer jammerte, dass seine Karten schrecklich gewesen waren; ... Fred schob Agnes grinsend noch ein Ass zu.
„Ein Verlust", sagte Voldemort gefühlslos und Tia wusste nicht, ob er es sarkastisch meinte oder nicht, „Verschwendetes Talent."
„Sie ist meine Schwester gewesen", erzählte Tia, „Also... nicht wirklich meine Schwester, aber mein papáhat sich aufgenommen, nachdem ihr eigentlicher Vater ihr Greyback auf den Hals gehetzt hat... seitdem ist sie wohl irgendwie meine Schwester... niemand weiß so genau, wie es begonnen hat, aber... ich bin froh, dass sie meine Schwester gewesen ist und... das neben ihr ist Fred... sie haben sich erst... ich glaube es war gestern... verlobt... Sie werden wohl nicht heiraten können..."
„Ich habe nicht gefragt, Mädchen", zischte Voldemort wieder.
„Tia", korrigierte Tia ihn wieder, „Wissen Sie, die letzten Monate sind wirklich interessant für mich gewesen, aber auch irgendwie schön... ich bin mit ein paar Leute unterwegs gewesen... Liza, Sirius, Konstantin und Agnes... natürlich ist es nicht immer schön gewesen, aber wenn wir einmal nicht beinahe gestorben sind, dann war es ganz nett..."
„Ich habe nicht –"
„Wissen Sie, ich bin davor einen Moment lang erleichtert gewesen, dass ich gestorben bin, als ich meinen papá beschützen wollte... ich habe immer wieder Albträume gehabt, dass ein Basilisk mich umbringen wird."
„Ein Basilisk? Tatsächlich?", fragte Voldemort tatsächlich interessiert – jedenfalls interpretierte Tia es als Interesse.
„Danke dafür, Mr Voldemort... vor ein paar Jahren hat mich ein Basilisk einfach versteinert... seitdem ist es meine größte Angst. Was ist Ihre größte Angst, Mr Voldemort?"
Voldemort sah sie nicht an, sondern sah zum Slytherintisch. „Der Tod."
Tia runzelte die Stirn und folgte seinem Blick, aber als sie wieder zu Voldemort sah, war dieser fort und Dumbledore stand an den Toren.
„Tara!", rief er sie zu sich und Tia wusste, dass sie zurückkonnte.
Sie ging an dem Gryffindortisch vorbei und sie hätte schwören können, dass Agnes und Fred ihr zublinzelten, als könnten sie sie sehen, aber Tia dachte nicht mehr daran, als Dumbledore ihre Hand nahm und sie zurückführte.
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