164. Kapitel

Es war schon beinahe so, als wären Agnes und Sirius nie fort gewesen. Alle scherzten, stritten und lachten sogar miteinander, als wäre der letzte Monat nie passiert.

Nachdem Agnes nicht wollte, dass sie länger als nötig im Haus am Grimmauldplatz blieben, zogen sie um und die Wahl fiel auf eine Ferienwohnung in Bristol. Bristol war auf der einen Seite weit genug von London entfernt, um nicht sofort auf sie aufmerksam zu werden, aber gleichzeitig war es nur ein oder zwei Apparier-Sprünge vom Zaubereiministerium entfernt und damit auch von der derzeitigen Hauptzentrale.

Das Haus, in dem sie untergekommen waren, war eigentlich ziemlich niedlich, obwohl es ein bisschen heruntergekommen war und die Möbel nicht wirklich auf dem neuesten Stand waren, aber Liza wollte nicht wirklich Aufmerksamkeit auf sie ziehen, also hatten sie diese billige Unterkunft gewählt.

Sie würden, so hatten die anderen es ausgemacht, bis kurz vor Vollmond in diesem Haus bleiben und dann würden sie weitersehen.

Agnes hatte gesagt, sie würde es bevorzugen, wenn sie den Vollmond alleine verbringen könnte, aber mit dem Wolfsbanntrank wäre sie keine so große Gefahr für Tia und die anderen, also könnten sie auch in ihrer Nähe bleiben und ihr helfen, sollte etwas schiefgehen.

Am zweiten Tag kam Agnes mit einem Tagespropheten zurück – sie war nun auch zusammen mit Sirius auf der Liste der meistgesuchten Verbrecher von Großbritannien, Irland und scheinbar der ganzen Welt, wie es Tia vorkam, denn die ganze Welt schien sich gegen sie, ihre Freunde und Harry zu verschwören, während sie schon beinahe in einer Ferienwohnung eingesperrt waren und Tia in einer Badewanne einen Trank braute. Natürlich nicht direkt in der Badewanne, immerhin genoss Konstantin jeden Abend ein Bad, aber der Kessel mit dem Trank stand, wenn sie daran arbeitete, im Bad, damit der Boden nicht voll werden konnte, wie Liza ihr sagte.

Keiner hatte Agnes gefragt, woher sie den Tagespropheten hatte und nachdem es Konstantin einige Zeit lang versucht hatte, aber kein Wort aus Agnes herausbekommen hatte, einigten sie sich wohl alle stumm darauf, es lieber nicht noch einmal zu erwähnen.

Nach einer Woche begann Tia mit dem Wolfsbanntrank – sechs Tage vor Vollmond. So hatte sie noch genug Zeit, selbst wenn etwas schiefgehen sollte und dann drei Tage vor Vollmond drückte Tia Agnes drei Phiolen in die Hand.

Agnes trank die erste Phiole aus und einen Moment lang fragte Tia sich, ob der Trank wirken würde. Natürlich würde er wirken – sie hatte keinen Fehler gemacht.

Agnes verzog angeekelt das Gesicht – der Trank schmeckte scheußlich, das sagte sie jedenfalls zu Tia und sie musste sich hinlegen, als sie wohl das erste Mal die Nebenwirkungen von Wolfsbanntrank verspürte ein leichter Schwindel einsetzte. Bisher war sie davon verschont geblieben, das erzählte Agnes jedenfalls Tia und das wunderte Tia, immerhin war es eine ziemlich häufige Nebenwirkung von diesem Trank und für genau fünfzehn Stunden machte Tia sich selbst Vorwürfe, weil Professor Snape den Trank gut genug brauen konnte, dass diese Nebenwirkungen nicht auftauchten, aber dann versicherte Liza ihr, dass auch Remus diese Nebenwirkungen von den Tränken von Snape kannte und dieser hatte die Tränke einige Zeit lang für Remus und Agnes zugleich angefertigt, als würden sie auch dieselbe Qualität haben.

Am Abend vor der nächsten Vollmondnacht apparierte Agnes sie zu dem Ort, an dem sie sich verwandeln würde und im düsteren Dämmerlicht konnte Tia eine zerfallene Hütte sehen, die inmitten eines Waldes stand, den Tia natürlich nicht einfach so erkennen konnte, immerhin war sie in London aufgewachsen und obwohl ihre abuelita ihr viel beigebracht hatte, so hatte sie doch nie gelernt, die Wälder von Großbritannien anhand der Baumarten oder so zu unterscheiden. Tia wusste nicht einmal, ob das überhaupt möglich war.

„Das Haus ist sicher", sagte Agnes sicher, „Es sieht vielleicht nicht so aus, aber es kann unter keinen Umständen einstürzen, also müsst ihr euch heute Nacht keine Sorgen machen, ihr braucht nur immer einen Zauberstab, wenn ihr es verlassen wollt oder betreten und –"

„Warte, warte, warte", unterbrach Konstantin sie, „Was redest du da? Das klingt so, als würden wir da drinnen die Nacht verbringen..." Tia stimmte ihm zu – das klang wirklich so.

„Ja, klar", schnaubte Agnes, „Du hast doch nicht ernsthaft gedacht, dass ich mich mit dem Wolfsbanntrank trotzdem noch selbst einsperre, oder? Ich meine... deswegen habe ich diesen Ort hier ausgesucht – weit und breit keine Zivilisation und selbst, wenn ich auf die Idee kommen würde, dass Mensch heute Nacht doch ziemlich gut schmecken könnte, wäre vermutlich niemand in der Nähe."

„Du wirst dieses Bedürfnis nicht haben", versicherte Tia ihr, „Ich habe bestimmt keinen Fehler bei diesem Trank gemacht."

Agnes lächelte Tia freundlich an und Tia wusste, dass Agnes ihr vertraute. „Danke, Tia – ich weiß, dass du bestimmt keinen Fehler gemacht hast, aber trotzdem... so funktioniert die Verwandlung zu Vollmond mit einem Wolfsbanntrank nicht. Die Instinkte werden nur unterdrückt und verschwinden nicht ganz – aber ich denke nicht, dass ich jemanden umbringen würde."

„Du willst frei herumlaufen?", fragte Liza sie, „Bist du sicher, Agnes? Du könntest dich verletzen..." Tia hoffte das nicht – das wäre schrecklich.

„Hör mal, Liza – ich habe Erfahrungen mit dem Wolfsbanntrank und ich weiß, wie es bei mir wirkt", erklärte Agnes und sah unzufrieden aus, „Ich bin auch dann nicht gerne eingesperrt – ich habe euch doch gesagt, dass ihr mich nicht begleiten müsst."

„Tja, ich komme trotzdem mit dir mit", bestimmte Sirius.

Agnes widersprach ihm nicht, stimmte ihm aber auch nicht zu, sondern wandte ihren Blick hoch zum dunkler werdenden Nachthimmel. Sie zog ihren Mantel aus und reichte ihn zur Aufbewahrung an Sirius weiter. Tia hatte eigentlich noch nie einen Werwolf gesehen, aber sie vermutete, dass Kleidung bei der Verwandlung zerstört werden könnte, also war es kein Wunder, dass Agnes ihren Mantel lieber zurückließ, wo er nicht kaputt werden konnte.

„Ich verwandle mich alleine – das muss niemand sehen. Ich rate euch trotzdem im Haus zu bleiben, damit euch wirklich nichts passiert", sagte Agnes ernst.

„Pass auf dich auf", bat Liza sie besorgt und einen Moment lang sah Agnes so aus, als würde sie noch etwas sagen wollen, aber dann nickte sie doch nur und winkte ihnen zu. Wortlos drehte sie sich um und ging in den Wald alleine und in diesem Moment bemerkte Tia, wie einsam und verlassen Agnes aussah und sie hatte das Bedürfnis, sie zu begleiten, damit Agnes nicht so klein und verlassen aussah, aber gleichzeitig wusste sie, dass Agnes lieber alleine war, wenn sie sich verwandelte.

Tia sah ihr hinterher, bis sie zwischen den Bäumen verschwunden war und selbst danach horchte sie noch auf ihre Geräusche, bis auch diese verstummten.

„Also...", begann Konstantin und klatschte in die Hände, „dann wollen wir einmal unseren heutigen Schlafplatz untersuchen! Das klingt doch nach einer Menge Spaß!"

„Ich schwöre bei Merlin, bei Dumbledore oder bei Gott – such dir einen aus, Kon", zischte Liza und sah ihren großen Bruder warnend an, „wenn du weiterhin so eine verwöhnte Göre bleibst, sorge ich dafür, dass du nie wieder schlafen kannst!"

„Ist ja schon gut, Lizzie", grinste Konstantin und drehte sich auf den Fersen zu der Hütte um, „Ich mache ja nur Spaß!"

Konstantin ging leise vor sich hin summend zur Hütte, während Liza Tia schon beinahe hilfesuchend ansah, aber auch Tia wusste nicht, wie man auch jemanden wie Konstantin reagieren sollte.

„Ich warte hier, bis Agnes sich verwandelt hat", bestimmte Sirius und drückte Liza Agnes' Rucksack und ihren Mantel in die Hand, während er ihren Zauberstab an Tia weiterreichte, „Könnt ihr darauf aufpassen? Danke. Und könntet ihr auch auf Konstantin aufpassen?"

„Klar doch, solange du ein Auge auf Agnes hast", bot Liza an und sie ließen Sirius alleine zurück, während sie zusammen zum Haus gingen.

„Wie funktioniert das?", fragte Tia und nickte in Richtung Hütte, „Solche Häuser für Werwölfe... Mein papahat bestimmt ein paar von denen vorbereitet, oder nicht? Und für Agnes... und dann gibt es natürlich auch noch die Heulende Hütte, aber... ich habe einmal gelesen, Werwölfe sind außergewöhnlich stark und agil, wie kann man sich also sicher sein, dass ein Werwolf nicht ausbricht?"

„Spezielle Zauber", erklärte Liza geduldig und nachdem sie als Heilerin im St. Mungos so einige Erfahrungen hat sammeln dürfen, kannte sie sich wohl auch etwas aus, „Es gibt eine ganze Reihe davon – manche sind sehr simpel, andere wiederum benötigen einfache Muggeltechnik. Der Zauber, den das St. Mungos benutzt, ist absolut simpel – es gibt eine einzige Tür in einen Raum, in dem sich die Werwölfe verwandeln und diese Tür kann man nur von außen öffnen. Wenn man natürlich alleine ist und keine Heiler darauf warten, bis man sich wieder zurück verwandelt, funktioniert das natürlich nicht... Ich weiß, dass Remus einige Häuser so verzaubert hat, dass man sie nur betreten und verlassen kann, wenn man einen Zauberstab hält – normalerweise sollten solche Zauber Muggel davon abhalten, in Gegenden mit Zauberern zu kommen, aber gegen verwandelte Werwölfe nützen sie natürlich auch."

Tia hielt Liza die Tür auf, da deren Hände mit Agnes' Sachen voll waren und sie schloss sie hinter sich wieder. Offenbar lag noch ein anderer Zauber auf der Hütte und sie sah von innen nicht ganz so heruntergekommen aus, wie von außen. Natürlich war es trotzdem noch immer kein Fünf-Sterne-Hotel, aber es war besser, als dieses Gebäude mit eingestürztem Dach, das Tia gesehen hatte.

„Oh, es ist eigentlich ganz nett!", freute sie sich und sah sich um.

„Wir werden zurechtkommen, oder nicht, Kon?", fragte Liza ihren Bruder und etwas in ihrer Stimme klang warnend.

„Was?", Konstantin sah zu ihnen, bevor er schelmisch grinste und schnell nickte, „Natürlich, Schwesterherz! Ich bin ja keine verwöhnte Göre, wie du es so elegant ausgedrückt hast!"

„Du bist nur eine Drama-Queen", murmelte Liza leiser und verdrehte die Augen, bevor sie Agnes' Sachen behutsam auf den Boden legte.

„Was denkt ihr –", Konstantin hatte seinen eigenen Zauberstab gezückt und wirbelte herum, als er die Hütte begutachtete, „Wie viel hält das alles wirklich aus?"

Expelliarmus", Liza zögerte nicht, Konstantin zu entwaffnen und sein Zauberstab sprang aus seiner Hand direkt in die ihre, „Kon, das ist nicht unser Haus, nicht unser versteckt und wir werden es in keiner Weise verändern!"

„Schon okay!", Konstantin hob abwehrend die Hände in die Luft und grinste auf eine Weise, die Tia vermuten ließ, dass er eigentlich immer nur gewollt hatte, dass Liza so reagierte, „Wie lange noch bis Vollmond?"

„Sicher noch mindestens eine halbe Stunde – vielleicht auch noch eine ganze... es ist nicht ganz so einfach, eigentlich ist der Mond erst in der Früh ganz voll, in solchen Nächten variiert der Zeitpunkt der Verwandlung immer", meinte Liza mit einem Blick auf ihre Uhr, „Warum?"

„Ich bringe Sirius eine Decke, während er da draußen auf Agnes wartet", bestimmte Konstantin und nahm eine der Decken, die sie bei sich trugen aus seinem Rucksack, „Der arme Junge sollte nicht erfrieren."

„Er ist doch älter, als du, oder nicht?", fragte Tia verwirrt, aber Konstantin zwinkerte ihr nur zu und verließ mit der Decke im Arm das Haus und Tia und Liza sahen ihm misstrauisch durch eines der Fenster hinterher, als sie sahen, dass Konstantin stocksteif stehenblieb.

„Kon?", fragte Liza ihn spöttisch, aber Konstantin reagierte zunächst nicht.

„Sirius!", rief er seinen Freund plötzlich zu sich und jegliche Belustigung war aus seiner Stimme war verschwunden, „Komm zurück! Wir haben ein Problem!"

„Ein Problem?", wiederholte Tia nervös – es war nicht gut, wenn sogar Konstantin fand, dass sie ein Problem hatten.

Liza antwortete ihr nicht, aber auch sie schien von diesen wenigen Worten ihres Bruders beunruhigt und verließ schleunigst die Hütte und Tia folgte ihr, immer noch verwirrt, was Konstantin gesehen hatte, das ihn zu dem Schluss kommen ließ, dass sie in Schwierigkeiten waren. Vielleicht war ihm auch nur irgendetwas eingefallen, auf das Tia niemals selbst gekommen wäre, immerhin war Konstantins Verstand bestimmt überlegener und weitreichender, als der ihre. Vielleicht war Konstantin auch nur langweilig und er wollte Aufmerksamkeit, aber das bezweifelte Tia stark, obwohl das Konstantin vielleicht ein bisschen ähnlich sehen würde.

„Kon, rede mit mir", befahl Liza ohne Umschweife und packte die Schultern ihres Bruder und riss ihn zu sich herum, sodass sie ihm direkt ins Gesicht sehen konnte, während auch Sirius verwirrt zu ihnen kam und sich neben Tia mit etwas Abstand zu den beiden hinstellte, „Was ist los? Keine Scherze, keine Spielchen, keine Lügen!"

Konstantin lachte auf, räusperte sich aber schnell. „Liza, ist dir nichts aufgefallen?", fragte er sie und hob seine Hände, aber seine Hände waren leer und auch Tia runzelte verwirrt die Stirn – sollte sie das verstehen?

Liza schien es auch nicht zu verstehen und sah ihren Bruder verständnislos an, also erklärte er es genauer: „Ich habe keinen Zauberstab bei mir."

„Ja, ich habe ihn dir –", Liza verstummte abrupt und riss dann plötzlich erschrocken die Augen auf, „Der Zauber! Du hättest eigentlich gar nicht –"

„Es liegt ein Zauber auf der Hütte, dass niemand, der keinen Zauberstab bei sich trägt sie betreten kann, aber man kann sie auch nicht verlassen – ich habe keinen Zauberstab bei mir getragen, als ich hinaus gegangen bin", Konstantin riss sich von Liza los und eilte zurück zum Haus, „Wir sollten sofort verschwinden – offenbar ist der Zauber gelöst worden und jeder und alles kann diese Hütte betreten – wir sind hier nicht sicher."

„Das ist alles sehr verdächtig", stimmte Liza ihm zu, „Wie hat sich der Zauber lösen können?"

„Das will ich ehrlich gesagt gar nicht herausfinden", gestand Konstantin, „Ich weiß nur, dass wir hier nicht sicher sind!"

„Ich lasse Agnes nicht zurück", bestimmte Sirius selbstsicher, „Ihr geht woanders hin und ich bleibe hier und am Morgen könnt ihr uns abholen."

Tia wirbelte herum, als sie etwas direkt neben ihnen im Wald hörte und kurz darauf roch sie auch etwas – es war der unverwechselbare Geruch, den sie von Agnes und ihrem Vater kannte. Es war ein Werwolf. „Ich glaube nicht, dass wir noch Zeit dafür haben", gestand sie unruhig und starrte in den Wald hinein und die anderen folgten ihrem Blick. Plötzlich trat tatsächlich ein Werwolf aus dem Wald und so lächerlich es auch klang, der vermutlich einzige Halbwerwolf hatte noch nie im Leben einen echten verwandelten Werwolf gesehen und es war schlimmer, als es jedes Bild, jede Geschichte und jede Erzählung jemals hätte beschreiben können.

Der Werwolf war riesig – größer, als Tia oder Sirius und obwohl auf der gräulichen Haut eindeutig Fell spross, war es kein dichtes Fell wie bei echten Wölfen, sondern es sah zerfetzt und uneben aus. Der Werwolf sah nicht direkt wie ein Wolf aus, hatte aber eindeutig Ähnlichkeiten mit einem. Als hätte man ein Bild von einem Wolf genommen und es auf einen riesigen, muskulösen Körper eines Menschen projiziert.

„Agnes", Liza hob beruhigend die Hände, offenbar in der Hoffnung, den Werwolf beruhigen zu können, „Wir sind es – erinnere dich! Konzentriere dich!"

„Liza!", Tia brachte kaum ein Wort heraus, als sie das Monster ansah, in das sich auch Agnes und Remus jeden Vollmond verwandelten, „Das... das ist nicht Agnes. Das ist ein anderer Werwolf!"

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