158. Kapitel
Tia zeichnete wieder. Sie hatte schon so lange nicht mehr gezeichnet oder gemalt, dass sie Angst gehabt hatte, es verlernt zu haben, aber nun, da sie mit einem Bleistift und einem Skizzenbuch in ihrem Bett aus Schlafsäcken lag, bemerkte sie schnell, dass das natürlich nicht der Fall war. Natürlich konnte sie noch zeichnen – sie war vielleicht ein bisschen aus der Übung, aber nach ein paar schnellen Skizzen bewegte sich ihre Hand wie von selbst, als hätte sie nie aufgehört, ihre Erinnerungen anhand von Zeichnungen zu sammeln. Ihre abuelita hatte ihr einmal eine Kamera geschenkt – Tia zeichnete immer nur ihre Erinnerungen und schuf nie selbst etwas, deswegen würde sie sich selbst niemals als Künstlerin bezeichnen – aber diese Kamera war nicht das gewesen, das Tia gebraucht hatte. Sie hatte ein paar Fotos damit geschossen, war aber bei ihren Zeichnungen geblieben. Sie fand, dass man viel mehr Zeit in eine Zeichnung investierte und sich so noch länger an die Erinnerung selbst erinnerte, während man arbeitete. Ein einfaches Foto nahm einem diesen langen Prozess an erinnern und nachdenken.
Tia zeichnete das Rudel – sie wusste selbst nicht, warum sie diese kleine Gruppe, die sich gebildet hatte so nannte, aber irgendwie fand sie, dass dieser Name ganz niedlich war und sie fand auch, dass sie einen Namen brauchten.
Sie waren nämlich nicht wirklich der Orden des Phönix oder der Widerstand – sie waren etwas anderes – eben das Rudel.
Tia hörte leises Rascheln und sie sah zur Seite. Dort lag Liza in ihrem eigenen Berg aus Schlafsäcken, die zwar nicht so bequem waren, wie ein Bett, aber wenigstens waren sie etwas. Liza lag auf ihrem Rücken und Tia konnte von ihrem eigenen Platz aus nicht genau sehen, ob ihre Augen offen waren oder nicht. Tia konnte auch nicht aufstehen und sie würde das auch für ein paar Tage nicht können und irgendwie nervte sie das jetzt schon. Sie konnte nicht einmal aufstehen, um nach Liza zu sehen.
„Bist du wach, Liza?", fragte Tia also laut und wusste nicht, ob sie eine Antwort erwartete oder nur darauf hoffte. Liza war schon einen ganzen Tag lang bewusstlos und sie konnte den blutbildenden Trank nur im wachen Zustand nehmen – das war wohl ein Nachteil von Tränken.
Liza drehte ihren Kopf zur Seite und Tia seufzte erleichtert auf – Liza war wach und obwohl sie natürlich noch immer ziemlich bleich war, so war sie wenigstens wach. Das war schon einmal ein Anfang.
„Hey, Tia." Lizas Stimme war kratzig und das war auch kein Wunder, nachdem sie schon so lange bewusstlos gewesen war und nichts getrunken hatte. „Was ist mit dir passiert?"
„Ich hab mir das Bein gebrochen, als wir aus dem siebten Stock von Hogwarts gesprungen sind", sagte Tia entspannt, „Ich habe gehört, du hast eine unangenehme Begegnung mit Agnolia Tripe gehabt?"
Liza verzog das Gesicht und legte eine Hand auf ihren verbundenen Bauch. „Mehr als nur unangenehm."
„Konstantin sollte bald wieder hier sein", informierte Tia sie und fand es ziemlich witzig, dass Konstantin schon seit Stunden darauf wartete, dass seine Schwester aufwachte und nun, da er einmal den Raum verlassen hatte, schlug sie die Augen auf, als hätte Liza nur darauf gewartet – Tia bezweifelte aber, dass Liza wirklich nur darauf gewartet hatte, „er ist eigentlich nur schnell auf die Toilette gegangen – normalerweise verlässt er deine Seite nicht."
„Das ist wirklich... ungewöhnlich nett von ihm", Liza runzelte überrascht die Stirn, aber Tia fand das eigentlich gar nicht so überraschend – immerhin war er ihr Bruder.
„Wir haben uns alle große Sorgen um dich gemacht", sagte Tia streng, „Du hast einen ganzen Tag lang geschlafen. Janet wird sich freuen, dass du etwas den blutbildenden Trank nehmen kannst."
„Im Moment habe ich einfach nur Durst... und Schmerzen... du hast nicht zufällig irgendwo eine Flasche Feuerwhiskey versteckt? Das wäre jetzt gut...", seufzte Liza sehnsüchtig, aber Tia verzog nur unsicher das Gesicht.
„Ich denke nicht, dass du in deinem Zustand Alkohol trinken solltest", entschuldigte sich Tia verunsichert – Liza war eigentlich erwachsen und wusste als Heilerin selbst besser, was gut für sie war, aber in diesem Fall war Tia sich da nicht so sicher, „ich weiß nicht einmal, ob du grundsätzlich etwas zu dir nehmen solltest – soweit ich weiß, hat Agnolia deinen Bauch ziemlich –"
„Oh, bitte sag nichts", unterbrach Liza sie schnell, „Ich will gar nicht wissen, wie er aussieht."
„Besser", versprach Tia, „aber Janet und Agnes denken, dass Narben zurückbleiben werden – du bist mit einem ziemlich fiesen Fluch getroffen worden."
Tia beobachtete, wie Liza auf diese Nachricht reagieren würde. Liza sah sie einen Moment lang an, bevor sie wieder auf die Decke starrte, als wäre es ein Sternenhimmel. „Charlie hat Narben schon immer ziemlich heiß gefunden..."
Das glaubte Tia ihr sofort, immerhin hatte Charlie selbst ein paar Narben von seiner Arbeit mit Drachen davongetragen. Tia würden ein paar Narben auch nichts ausmachen – natürlich nicht. Sie liebte George, obwohl er ein Ohr verloren hatte. Nun war er auf dieser Seite zwar ein bisschen schwerhörig, wie sie bemerkt hatte – obwohl das medizinisch eigentlich nicht hätte sein sollen, aber vielleicht war sein Trommelfell ja irgendwie verletzt worden – aber George tat grundsätzlich immer wieder so, als würde er nichts hören, auch auf seiner unverletzten Seite – besonders, wenn Mrs Weasley etwas von ihm wollte. Tia liebte George, obwohl er ein Ohr verloren hatte und es wäre ihr auch niemals in den Sinn gekommen, ihn deswegen weniger zu lieben.
Fleur liebte Bill auch, obwohl Greyback sein Gesicht verunstaltet hatte und hatte ihn ohne zu zögern geheiratet – jedenfalls hatte Tia kein Zögern bei der Hochzeit bemerkt.
Fred liebte Agnes auch, obwohl diese die Göttin der Narben war und sie waren eigentlich erst zusammen gekommen, nachdem Agnes von einem Werwolf angegriffen worden war, also schien auch Fred nichts gegen Narben zu haben.
Nur Mad-Eye Moody hatte niemanden gehabt... aber das hatte vermutlich andere Gründe gehabt, als seine vielen Narben und Kriegsspuren.
Plötzlich kam Konstantin zurück und natürlich bemerkte er nicht sofort, dass Liza wieder wach war. „Hey, Tia, sie machen gerade Essen und ich wollte fragen –", Konstantin blieb überrascht stehen, als er Lizas offene Augen sah, die ihn unbeeindruckt ansahen, bevor er an ihre Seite eilte, „Hey, Idiotin! Auch wieder wach?"
Es war eine ungewöhnliche Art, jemanden zu begrüßen, der so stark verletzt worden war, wie Liza, aber vielleicht war das einfach Konstantins Art, seine Liebe zu zeigen. Tia war sich da nicht so sicher – Konstantin war ein bisschen seltsam.
„Halt die Klappe", schnaubte Liza, sie schien aber nicht beleidigt... oder überrascht von dieser Begrüßung zu sein, „Trägst du noch immer einen Flachmann überall mit dir herum? Ich könnte jetzt ein Schluck Wodka vertragen..."
„Nein, Elizaveta", tadelte Konstantin sie und Tia war erleichtert, dass sie die Situation richtig eingeschätzt hatte und sie gewusst hatte, dass Liza lieber nichts trinken sollte, „Solange Janet dich nicht untersucht hat, bekommst du überhaupt nichts. JANET!"
Tia zuckte zusammen, als Konstantin aus dem Nichts so laut schrie, aber sie konnte sich selbst davon abhalten, ihre Ohren zuzuhalten.
Janet kam auch schnell in den Raum, offenbar in der Erwartung, dass etwas Schlimmes passiert war, aber es war nur Liza wach und eigentlich war das gut – das dachte Tia jedenfalls.
„Liza! Schön, dass du wach bist!", begrüßte Janet Liza etwas freundlicher, als Konstantin davor und kam mit Tränken in der Hand zu Liza, „Hier, Liza, der wird dir helfen, damit zu bald wieder –"
Liza ließ die Lernheilerin nicht einmal ausreden, sondern nahm den Trank aus Janets Hand und schluckte ihn. Tia fand, dass das entweder ein Zeichen für großes Vertrauen an Janet war, oder Liza den Trank einfach erkannt hatte und deswegen keine Sorgen hatte, welcher Trank es war.
Liza drückte Janet wieder die leere Flasche in die Hand. „So – darf ich jetzt etwas stärkeres trinken?"
„Nein", lehnte Janet sofort wie Konstantin davor schon ab, „aber Konstantin kann dir ein Glas Wasser holen."
Liza schien nicht ganz zufrieden damit. „Es ist ein Anfang."
„Wasser – kommt sofort", Konstantin eilte ohne zu zögern aus dem Raum – Tia fand das eigentlich ziemlich süß, dass er sich so sehr um seine Schwester kümmerte. Vielleicht wollte Konstantin sie auch nur unbedingt vergiften, aber Tia glaubte... oder hoffte, dass das nicht der Fall war.
Liza nahm auch noch die anderen Tränke, die Janet ihr gebracht hatte ohne Widerstand und Konstantin kam pünktlich mit dem Wasser zurück, um den ekelhaften Geschmack für Liza hinunter zu spülen. Liza trank das Wasser und verlangte sofort nach noch einem Glas – Konstantin ging wieder, um es ihr zu holen, kam aber nicht alleine zurück, sondern mit Agnes und Sirius.
Noch immer schien eine angespannte Stimmung zwischen ihnen zu bestehen und Tia fand das seltsam und ungewohnt. Sie blickte auf die Zeichnung, die sie in ihrem Skizzenbuch angefertigt hatte – dort standen sie alle nebeneinander und lächelten. In Realität sah das Rudel im Moment anders aus.
Auch Liza schien schnell die Stimmung zu bemerken und stellte das nun wieder leere Glas auf dem Boden ab. „Okay...", sagte sie streng, „Was ist passiert, während ich in der Welt der beinahe-Toten war?"
„Sie haben sich gestritten", erklärte Tia für die drei unglücklich, „aber sie sagen mir selbst nicht, warum."
Liza schien ebenso unzufrieden damit, wie Tia. „Wir sind hier nicht in einem Kindergarten. Hier wird nicht gestritten – wir sind im Krieg, wie können uns keinen Streit leisten. Am besten, ihr reißt euch jetzt schnell wieder zusammen oder wir können den Todessern die Arbeit erleichtern und uns selbst umbringen."
Tia zuckte erschrocken zusammen – das war eine Art, die Wahrheit auszudrücken, auch wenn es ein bisschen übertrieben war, wie Tia glaubte... oder hoffte.
„Wir müssen uns nicht vertragen. Sirius und ich werden gehen", sagte Agnes tonlos und Tia zuckte wieder zusammen.
„Was?", fragte Tia und konnte nicht verhindern, ein bisschen panisch zu klingen. Sie wollte nicht, dass Agnes und Sirius gingen – warum sollten sie gehen? Warum sollten sie sie alleine lassen, sie hatten sich doch mehr oder weniger gerade erst wieder gefunden. Agnes wollte schon wieder gehen, obwohl Tia monatelang geglaubt hatte, dass es keine Hoffnung für sie gab. Sirius war ein Jahr lang tatsächlich für tot erklärt worden und jetzt wollte er wieder verschwinden? Das war nicht fair – Tia hatte sie doch gerade erst wieder gefunden und sie hatten zusammen schon so viel überlebt. Warum sollten sie gehen?
„Wie bitte?", fragte Konstantin und er klang ebenfalls überrascht.
„Ich muss mich verhört haben", bemerkte Liza, aber Tia wusste, dass sie es nicht getan hatte, obwohl sie es selbst hoffte, „Hast du gerade gesagt, dass ihr geht?"
„Ich muss", sagte Agnes und klang dabei überhaupt nicht reuig, „Ich muss versuchen, irgendwie meinen Verstand wieder soweit auf Vordermann zu bringen, dass ich keine Gefahr für andere mehr darstelle."
„Ich verstehe nicht", meinte Tia und sie verstand wirklich nichts. Agnes war doch keine Gefahr. Okay, sie hatte Chambers beinahe angegriffen, als er „Abschaum" gesagt hatte, sie hatte auch schon Sirius angegriffen und sie schien in letzter Zeit gereizter, als Tia sie von früher gekannt hatte, aber das bedeutete doch nicht, dass sie gleich als eine Gefahr eingestuft werden musste.
„Und deswegen wollt ihr gehen?", fragte Konstantin laut, „Ihr wollt weglaufen?"
„Oh, auf einmal willst du uns doch dabei haben?", fragte Sirius.
„Wir haben unsere Sachen schon gepackt", sagte Agnes ruhig, „Nicht, dass wir viel packen müssen – wir besitzen beide nicht sonderlich viel. Morgen Nacht verschwinden wir."
„Morgen schon?", fragte Tia erschrocken, „Aber... wartet noch ein bisschen, ich brauche nur eine Woche, dann kann ich wieder gehen und dann komme ich mit euch!" Sie wollte mitgehen – sie mochte Konstantin und Liza, aber Agnes war ihre Schwester und sie würde sie nicht noch einmal verlieren – niemals wieder.
„Nein, Tia", Agnes lächelte zwar, aber für Tia war das keineswegs beruhigend, „du kannst nicht mitkommen. Wir müssen das alleine machen."
„Warum?", fragte Tia – sie verstand das nicht. Warum konnten sie nicht noch warten, bis Tia geheilt war, damit sie mitkommen konnte. Warum musste sie das alleine machen – Tia wollte sie nicht alleine lassen. Aber ihre Panik zeigte Tia nicht. Sie wusste nicht, was sie fühlte. War das Trauer oder Wut oder war sie verletzt, weil Agnes sie zurücklassen wollte? Tia wusste nicht und ihre eigenen Gefühle verwirrten sie, also schaltete sie ihre Gefühle ab und fühlte am besten einfach nichts – das verstand Tia wenigstens. Natürlich konnte Tia Gefühle nicht einfach so ausschalten, aber sie machte sich einfach keine Sorgen mehr darum, wie sie ihre Gefühle zeigen sollte – das war am einfachsten.
„Es ist so viel passiert, Tia", seufzte Agnes, „so viel – in meinem ganzen Leben. Sirius und ich werden die Orte in meiner Vergangenheit aufsuchen und wir hoffen, dass ich das hier –", Agnes tippte sich gegen den Kopf, „– wieder unter Kontrolle bekomme, denn im Moment funktioniert überhaupt nichts."
Tia verstand, dass Agnes heilen wollte, aber Tia wollte mitkommen. Aber das konnte sie nicht und ihre Gefühle verwirrten sie und dieses Gespräch verwirrte sie und die Plötzlichkeit der Situation verwirrte sie und generell alles verwirrte sie. Also machte Tia das, was sie nicht verwirrte und begann wieder zu zeichnen – zeichnen verwirrte sie nicht, zeichnen beruhigte sie.
„Könnt ihr das nicht auch hier machen?", fragte Konstantin und Tia wollte ihm zustimmen, aber tat es nicht. Tief im Inneren wusste sie, dass Agnes das brauchte – sie wusste nur nicht, warum sie nicht mitkommen konnte.
„Ich habe das schon versucht", seufzte Agnes, „aber so geht das nicht mehr weiter. Ich habe gestern meine Mutter gesehen – ich habe sie nur gesehen und ich habe nicht mehr denken können. Ich habe solche Panik bekommen, dass ich einfach nicht mehr funktioniert habe – ich hätte genauso gut einfach tot sein können, dann wäre ich vermutlich nützlicher gewesen. Ich habe Tia und Sirius allein mit dieser Situation gelassen und sie haben dafür sorgen müssen, dass ich sicher aus Hogwarts herauskomme, während ich selbst nicht einmal weglaufen konnte. Ich bin eine Gefahr, solange ich noch diese Panikattacken habe, das wissen wir alle."
„Dann nimm dir diese Zeit", sagte Liza, „Wir halten hier die Stellung. Ich verspreche dir, der Krieg wird nicht verloren sein, wenn du wieder zurückkommst."
Tia verstand nicht, wie Liza so ruhig sein konnte, aber vermutlich war das, weil Liza keine Bindungen zu Agnes oder Sirius hatte – jedenfalls nicht so, wie Tia oder Konstantin.
„Was?", fragte Konstantin erschrocken, „Du stimmst ihnen zu? Du willst, dass sie gehen?"
„Kon!", rief Liza streng, „Ich weiß, die meiste Zeit bist du zu sehr mit dir selbst beschäftigt, um die Probleme anderer zu sehen, aber Agnes braucht diese Zeit."
„Warum gehst du dann mit ihr, Sirius?", fragte Konstantin und das interessierte Tia auch – warum konnte Sirius mitkommen, aber nicht sie?
„Man kann Agnes nicht alleine lassen", ein Lächeln war in Sirius' Stimme – er war entspannt.
„Das klingt so, als wärst du mein Babysitter", lachte Agnes.
„Ich bin dein Babysitter, Baby-Moony", bestätigte Sirius, „keine Sorgen, Agnes und ich werden einen wundervollen Urlaub machen, während ihr hier sterbt."
„Du bist so ein Idiot, Sirius", schnaubte Liza, „Komm her, gibt der alten, kranken Liza eine Umarmung."
Tia sah von ihrer Zeichnung auf und beobachtete, wie Sirius Liza umarmte und sie warf auch einen kurzen Blick zu Agnes, die sie entschuldigend ansah – Tia konzentrierte sich schnell wieder auf ihre Zeichnung.
„Wohin werdet ihr gehen?", fragte Liza interessiert, als Sirius sie wieder losgelassen hatte.
„Als erstes besuchen wir das Tripe-Anwesen, dann geht es nach Amerika", erzählte Agnes.
„Ich bin noch nie in Amerika gewesen", gestand Sirius, „Ich frage mich, ob die dort wirklich so lächerlich sprechen, wie alle sagen."
Amerika? Das war weit weg – so weit weg, nicht einmal Tia war jemals dort gewesen. Ihre abuelita war einmal in Amerika gewesen, aber ansonsten hatte Tia noch nie etwas von diesem anderen Kontinenten gehört. Amerika war so weit weg, dass sie nur wenig davon gelernt hatte. Amerika klang gruselig.
„Amerika?", bemerkte auch Konstantin überrascht, „Wann bist du in Amerika gewesen, Agnes? Oder macht ihr wirklich nur Urlaub?"
„Ich habe ein paar Jahre lang in Amerika gelebt", erklärte Agnes ruhig, „Dort hat eigentlich alles begonnen – dort habe ich das erste Mal gemordet."
Tia stockte und hörte für einen Moment auf zu zeichnen. Agnes hatte ihr davon erzählt – es war eine Hauselfe gewesen und Agnes war gerade einmal sechs Jahre alt gewesen. Agnes hatte sie ermorden müssen, nachdem ihre Mutter sie gefoltert und dazu gezwungen hatte. Agnes war sechs Jahre alt gewesen.
„Wir wollen aber nicht zu lange dort bleiben", beruhigte Sirius sie alle, „Wir schauen uns nur schnell das Haus an und gehen wieder."
„Wir wollen Großbritannien nicht zu lange verlassen", gestand Agnes, „Wir wollen in der Nähe sein, sollte es einen Notfall geben."
„Wir wollen grundsätzlich nicht allzu lange fortbleiben", fügte Sirius hinzu, „Nur ein oder zwei Monate – das ist der Plan."
„Und so, wie wir uns kennen, wird dieser Plan perfekt ablaufen", meinte Agnes und Tia glaubte das auch. Agnes' Pläne waren mindestens so gut, wie die von Konstantin, wenn nicht manchmal sogar besser – aber das hätte Tia niemals vor Konstantin gesagt.
„Könnt ihr aufhören, wie Fred und George zu sprechen?", fragte Liza überfordert von den beiden, „Es ist bei den beiden schon verwirrend."
„Ihr scheint euch ja wirklich darauf vorbereitet zu haben", bemerkte Konstantin misstrauisch, „Wie lange plant ihr das schon?" Das fragte Tia sich auch – es klang tatsächlich so, als hätten Sirius und Agnes das schon seit Wochen geplant.
„Ein paar Stunden", sagte Agnes aber dann und Tia glaubte ihr das sofort – Agnes war eine Meisterin in spontanen Plänen.
„Wir haben eigentlich noch nicht wirklich etwas geplant", gestand Sirius, „Eigentlich wissen wir noch nicht einmal, wie wir nach Amerika kommen sollen und... wie wir MACUSA dort entkommen... eigentlich darf Agnes als Werwolf nicht einfach so in Amerika einreisen, aber wir ignorieren das einfach und hoffen, dass sie uns nicht erwischen."
„Ihr beide seid unmöglich", seufzte Liza, „aber so, wie ich euch beide kenne, wird trotzdem alles gut gehen. Ihr beide funktioniert nur mit Chaos."
„Chaos ist mein Mittelname", bestätigte Agnes und Tia war verwirrt – sie hatte gedacht, Agnes hätte einen anderen Mittelnamen. Chaos schien ein ziemlich seltsamer Mittelname zu sein.
„Dein Mittelname ist Bellatrix", erinnerte Sirius sie hilfsbereit.
„Ich weiß, Orion", zischte Agnes – wahrscheinlich war es nur ein Witz gewesen.
„Orion?", wiederholte Liza lachend, „Dein zweiter Name ist Orion?"
„Du solltest eigentlich nicht lachen, Florida", neckte Konstantin seine Schwester und Tia riss sich zusammen, dass sie nicht laut auflachte – Florida war auch ein seltsamer Name.
„Halt die Klappe, Sibirio", warnte Liza ihn und Tia musste schmunzeln – Konstantins und Lizas Eltern mussten einen schrägen Humor haben, wenn sie ihre Kinder so benannten.
„Oh, das sind wirklich lächerliche Namen", lachte Sirius, „Dagegen ist mein Name ja wirklich ein Segen!"
„Unsere Eltern wollten uns daran erinnern, woher unsere Familien kommen", seufzte Konstantin, „Sibirien und Florida – ich bin ja so froh, dass wir uns für immer daran erinnern werden."
„Wir wissen aber alle, wer die Königin der Mittelnamen ist", erinnerte Agnes sie, „Isabel Apate Carla Peloma."
Tia sah sich eigentlich nicht wirklich als die Königin der Mittelnamen – ihre abuelita war das, wie Tia fand. Tia blickte nicht von ihrer Zeichnung auf und bemerkte so auch nicht, dass alle sie ansahen, aber vermutlich war das auch besser so.
Aber Tia lächelte, als sie hörte, dass die anderen lachten – vielleicht vertrugen sie sich jetzt wieder und Agnes und Sirius würden doch nicht gehen. Tia wusste, dass es aussichtslos war, aber sie konnte ja noch hoffen, immerhin wollte sie wirklich nicht, dass ihre Schwester sie verließ.
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